Kosten für Hochschulstudium

Gericht

BFH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

19. 06. 1997


Aktenzeichen

IV R 4/97


Leitsatz des Gerichts

  1. Aufwendungen eines Diplom-Bauingenieurs (FH) für ein Hochschulstudium der Betriebswirtschaft mit dem Ziel, Projektleiter einer großen Baufirma zu werden oder ein eigenes Bauunternehmen zu gründen, können Fortbildungskosten sein.

  2. Läßt sich das angestrebte Ziel nicht sicher feststellen, kann das Finanzamt den Steuerpflichtigen vorläufig veranlagen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. erzielte im Streitjahr (1992) aus seiner Tätigkeit als freier Ingenieur Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Den erklärten Betriebseinnahmen (17659,17 DM) standen Betriebsausgaben in Höhe von 27111,28 DM gegenüber. Darin waren Aufwendungen in Höhe von 15196 DM für ein Zweitstudium im Bereich Betriebswirtschaft enthalten. Der Kl. hatte sich dazu entschlossen, nachdem er als Diplom-Bauingenieur (FH) nach Abschluß seines Studiums fünf Monate bei einer Baufirma X gearbeitet hatte. Seinen Angaben zufolge benötigte er für den Aufstieg in das Management einer Bauunternehmung bzw. zur Gründung einer eigenen Baufirma fundierte betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Im Streitjahr begann er das Studium der Betriebswirtschaftslehre, und war außerdem als freier Ingenieur für die Y-GmbH in der Bauabrechnung tätig. Der Bekl. (das Finanzamt) berücksichtigte die geltend gemachten Aufwendungen für das Zweitstudium nur in Höhe von 1200 DM als Sonderausgaben (§ 10 I Nr. 7 EStG).

Der Einspruch blieb erfolglos. Das FG gab der Klage statt. Die Revision des Finanzamts blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß die geltend gemachten Aufwendungen für das Zweitstudium abzugsfähig sind (§ 126 II FGO).

1. a) Aufwendungen für ein Hochschulstudium gehören zu den Kosten der Berufsausbildung, weil der erfolgreiche Abschluß dem Steuerpflichtigen eine andere berufliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung eröffnet (BFHE 156, 494 = BStBl II 1989, 616). Das gilt auch für ein Zweitstudium nach erfolgreichem Abschluß eines ersten Hochschulstudiums. Dennoch besteht für die steuerliche Behandlung ein grundlegender Unterschied zwischen Erst- und Zweitstudium. Ausbildungskosten werden zum Erwerb von Kenntnissen aufgewandt, die als Grundlage für einen künftigen Beruf notwendig sind; dagegen dienen Fort- oder Weiterbildungskosten dazu, in einem ausgeübten Beruf auf dem laufenden zu bleiben, den jeweiligen Anforderungen gerecht zu werden und so in dem ausgeübten Beruf besser vorwärts zu kommen (BFHE 168, 341 = BStBl II 1992, 966 m. w. Nachw.). Daher können Aufwendungen für ein zweiter Hochschulstudium unter bestimmten Voraussetzungen in voller Höhe abzugsfähig sein (vgl. BFHE 180, 351 = BStBl II 1996, 448, und BFHE 180, 353 = BStBl II 1996, 449 = NJW 1996, 3295). Das setzt u.a. voraus, daß sie objektiv dazu dienen, in dem durch das Erststudium ermöglichten Beruf vorwärts zu kommen. Dieser Bezug fehlt bei dem ersten Studium.

b) Der BFH hat sich in jüngster Zeit in mehreren Entscheidungen (BFHE 180, 339 = BStBl II 1996, 444 = 1996, 3295 L; BFHE 180, 344 = BStBl II 1996, 445 = NJW 1996, 3294; BFHE 180, 346 = BStBl II 1996, 446 = NJW 1996, 3295 L; BFHE 180, 351 = BStBl II 1996, 448; BFHE 180, 450 = BStBl II 1996, 450 = NJW 1996, 3432, und BFH, BFH/NV 1996, 809) mit der Frage beschäftigt, ob die Kosten eines Zweitstudiums als Fortbildungskosten zu berücksichtigen sind. Er hat das jeweils verneint, weil das Zweitstudium den Wechsel in eine andere Berufsart eröffnete. Besonders deutlich wird das im Fall der graduierten (FH) Finanzbeamten, die Jura oder Betriebswirtschaft studieren. Dagegen hat er die Aufwendungen eines graduierten Finanzbeamten für die Steuerberaterprüfung als Fortbildungskosten anerkannt (BFHE 169, 436 = BStBl II 1993, 108). Er hat dazu auf den inhaltlich-materiellen Bezug der angestrebten, zur ausgeübten Tätigkeit und nicht auf den äußeren, formalen Rahmen der künftigen Ausübung abgestellt. Daran hat der BFH in den Urteilen in BFHE 180, 353 = BStBl II 1996, 449 = NJW 1996, 3295 und BFHE 180, 360 = BStBl II 1996, 452 = NJW 1996, 3431, festgehalten und die Aufwendungen für ein Zweitstudium als Fortbildungskosten anerkannt, weil der Steuerpflichtige damit keinen Wechsel in einen anderen Beruf anstrebte, sondern die durch das Erststudium erworbenen Kenntnisse ergänzen oder vertiefen wollte. Für ein solches Aufbaustudium ist es unerheblich, ob der Steuerpflichtige - wie im Streitfall - nach erfolgreichem Abschluß des ersten Studiums zunächst berufstätig ist oder unmittelbar anschließend mit dem Zweitstudium beginnt.

c) Danach ist zum einen entscheidend, ob das Zweitstudium objektiv den Wechsel in eine andere Berufsart ermöglicht. Zum anderen kommt es aber entgegen der Auffassung des Finanzamts - wie durch der Begriff der Fort- und Weiterbildungskosten vorgegeben - subjektiv darauf an, welche Vorstellungen der Steuerpflichtige mit dem Zweitstudium verwirklichen will. Denn die vom Finanzamt gewünschte Typisierung gilt nur für das Erststudium. Das zeigt das BFH-Urteil vom 8. 5. 1992 (BFHE 167, 538 = BStBl II 1992, 965 = NJW 1992, 2984). Dort hatte ein bereits approbierter Humanmediziner Zahnmedizin mit dem Ziel studiert, nicht nur seine bisherigen Kenntnisse als Humanmediziner zu ergänzen und zu vertiefen, sondern auch die zusätzliche Qualifikation zu erwerben, sich nach erfolgreich bestandenem Examen als Zahnarzt niederlassen zu können. Die mögliche Niederlassung als Zahnarzt war aber nicht das eigentliche Ziel. Die zusätzliche Qualifikation war nur Mittel, um als Mund-Kiefer-Gesichtschirurg tätig werden zu können (BFHE 167, 538 = BStBl II 1992, 965 = NJW 1992, 2984, unter 2). Dieses Zweitstudium sollte - so die subjektiven Vorstellungen des Steuerpflichtigen - nicht den Wechsel in eine vollständige andere Berufsart ermöglichen. Der BFH hat darauf abgestellt, daß der objektiv mögliche Berufswechsel hinter das eigentliche Ziel des Steuerpflichtigen zurücktrat, weiterhin als Arzt, und zwar als Facharzt für Chirurgie, tätig zu werden. Auch der BFH hat danach das Zweitstudium nur als Spezialisierung in einem bereits erlernten Beruf gesehen. Von einem vergleichbaren „Aufbaustudium“ ist der BFH weiter in dem Fall ausgegangen, daß der Steuerpflichtige nach dem Studium der Musiktheorie noch ein Studium des Fachs „Tonmeister“ erfolgreich abgeschlossen hat (BFHE 180, 353 = BStBl II 1996, 449 = NJW 1996, 3295). Der BFH hat es aber ausdrücklich abgelehnt, daß ein solches Aufbaustudium notwendig mit dem des Erststudiums studientechnisch verzahnt sein müsse (BFHE 180, 353 = BStBl II 1996, 449 = NJW 1996, 3295, unter 2).

2. a) Nach diesen Grundsätzen sind im Streitfall die Aufwendungen des Kl. als Fort- und Weiterbildungskosten abzugsfähig. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH hat das FG angenommen, daß technische Führungskräfte im Bereich der Bauindustrie für ihren beruflichen Aufstieg, insbesondere für die vom Kl. mit dem Zweitstudium angestrebte und inzwischen nach seinen Angaben auch erreichte Position eines Projektleiters, zusätzliche betriebswirtschaftliche Kenntnisse benötigen oder sogar eine dahingehende Qualifikation nachweisen müssen. Aus diesen Gründen hat der VI.Senat des BFH bereits die Aufwendungen eines Diplom-Ingenieurs (FH) für ein dreisemestriges Abendstudium der Wirtschaftsingenieurwissenschaften als abzugsfähig anerkannt, weil er damit keine von seiner bisherigen Tätigkeit unabhängige Qualifikation anstrebte (BFHE 168, 341 = BStBl II 1992, 966). Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften lassen sich in vielen Bereichen nicht mehr derart trennen, daß allein wegen der Kombination mit der zusätzlich erworbenen Qualifikation von einem eigenständigen Berufsbild gesprochen werden kann. Im Zuge der neueren wirtschaftlichen Entwicklung haben sich vielmehr die Anforderungen an leitende Angestellte erhöht; es kann daher für technische Führungskräfte erforderlich sein, sich zusätzlich auf betriebswirtschaftlichem Gebiet zu qualifizieren (vgl. auch BFHE 180, 360 = BStBl II 1996, 452 = NJW 1996, 3431).

Nach Auffassung des erkennenden Senats trifft dies auch für den vorliegenden Fall zu. Allerdings war das Zweitstudium im Streitfall kein typisches Aufbaustudium wie in dem vom VI.Senat bereits entschiedenen Fall (BFHE 168, 341 = BStBl II 1992, 966; s. auch BFH, BFH/NV 1994, 154). Der Kl. hätte daher nach dem erfolgreichen Abschluß in eine vollständige andere Berufssparte wechseln können. Darauf kann es aber nicht ankommen. Denn das FG hat, insoweit mit revisionsrechtlich bindender Wirkung (§ 118 II FGO), festgestellt, daß der Kl. mit dem Zweitstudium die Position eines Projektleiters oder eines selbständigen Bauunternehmers anstrebte. Er strebte daher keinen Wechsel in eine völlig andere Berufssparte an, sondern den Erwerb von zusätzlichen Kenntnissen, um in dem bereits mit dem Erststudium möglichen Beruf besser vorwärts zu kommen. Dem diente auch die Qualifikation durch das erfolgreich bestandene Examen. Wie vom FG ebenfalls festgestellt, setzen die vom Kl. angestrebten Tätigkeiten neben ingenieur-technischen auch fundierte betriebswirtschaftlich-kaufmännische Kenntnisse voraus.

b) Läßt sich das mit dem Zweitstudium angestrebte Ziel - wie wohl häufig - nicht sicher feststellen, hat das Finanzamt die Möglichkeit, den Steuerpflichtigen gem. § 165 I AO 1977 vorläufig zu veranlagen. Die vom Finanzamt befürchteten Abgrenzungsschwierigkeiten dürfen daher keine ausschlaggebende Rolle spielen, selbst wenn die Zahl derer zunimmt, die durch ein Zweitstudium einen völlig anderen Beruf anstreben.

c) Der Annahme der Abzugsfähigkeit steht auch nicht entgegen, daß der Kl. als Grund für das zweite Studium angegeben hat, er strebe die Position eines Projektleiters bei einer großen Baufirma oder die Gründung eines eigenen Bauunternehmens an. In beiden Fällen sind die Aufwendungen für das Studium in voller Höhe, sei es als Werbungskosten, sei es als Betriebsausgaben, abzugsfähig, weil ein hinreichend konkreter Zusammenhang mit angestrebten steuerbaren Einnahmen aus einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit besteht (vgl. BFHE 180, 353 = BStBl II 1996, 449 = NJW 1996, 3295, und BFHE 167, 502 = BStBl II 1992, 961; sowie BFHE 180, 275 = BStBl II 1996, 431). Er setzt nämlich der Sache nach nur die vor Beginn der Zweitstudiums schon ausgeübte Tätigkeit als freiberuflicher Ingenieur fort.

d) Auch der Hilfsantrag des Finanzamts ist unbegründet. Denn bereits nach Abzug der vom FG in Höhe von 15196 DM angenommenen Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit als freiberuflicher Ingenieur betrug die Einkommensteuer 1992 null DM. Der Höchstbetrag für die Ausbildungskosten in Höhe von 1200 DM konnte sich daher nicht mehr zusätzlich auswirken.

Rechtsgebiete

Steuerrecht

Normen

AO 1977 § 165 I; EStG §§ 4 IV, 12 Nr. 1 S. 1