Erlöschen des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe

Gericht

BSG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

24. 07. 1997


Aktenzeichen

11 RAr 99/96


Leitsatz des Gerichts

Ein immatrikulierter Student kann die gesetzliche Vermutung, der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung zu stehen, nicht mit dem Vorbringen und Nachweis widerlegen, er sei nur zu studienfremden Zwecken immatrikuliert und gehe dem Studium nicht nach (Fortführung von BSGE 72, 206 = SozR 3-4100 § 103a Nr. 1).

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Rechtsstreit betrifft die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi), die Rückforderung von Alhi für die Zeit vom 1. 10. bis 2. 12. 1992 und einen Anspruch auf Wiederbewilligung von Alhi.

Der 1952 geborene Kl. steht mit Unterbrechungen seit 1975 im Leistungsbezug der bekl. Bundesanstalt für Arbeit (BA). Seit Oktober 1986 bezieht er Anschluß-Alhi, die die BA zuletzt mit Bescheid vom 25. 5. 1992 ab 1. 6. 1992 für ein Jahr in Höhe von wöchentlich 195,60 DM bewilligte.

Seit dem 1. 10. 1992 (Wintersemester 1992/93) ist der Kl. in der Universität Freiburg als Student der Mathematik und Chemie mit dem Ziel Magisterabschluß immatrikuliert und ab 1. 5. 1994 (Sommersemester 1994) beurlaubt.

Nachdem die BA durch eine Anfrage des Studentenwerks Freiburg von der Immatrikulation des Kl. erfahren hatte, stellte sie die Leistungen ab 2. 12. 1992 ein und hob die Alhi-Bewilligung mit Bescheid vom 9. 12. 1992 mit Wirkung ab 1. 10. 1992 auf. Die für die Zeit vom 1. 10. bis 2. 12. 1992 gezahlte Alhi in Höhe von insgesamt 1760,40 DM forderte sie mit Bescheid vom 4. 1. 1993 zurück.

Mit dem 24. 12. 1992 datierten Widerspruch (beim Arbeitsamt eingegangen am 23. 12. 1992) machte der Kl. geltend, er sei zwar immatrikuliert, studiere aber nicht. Er habe sich aus „studienfremden Zwecken„ eingeschrieben, um die Veranstaltungen des akademischen Filmclubs besuchen zu können. Er besuche keinerlei Lehrveranstaltungen und stehe deshalb der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung. den Rechtsbehelf wies die BA mit Widerspruchsbescheid vom 2. 3. 1993 zurück. Die Immatriklulation als Student begründe die Vermutung, daß der Kl. nur beitragsfreie Beschäftigungen ausüben könne und damit die Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe. Diese gesetzliche Vermutung habe er nicht widerlegt.

Die dagegen gerichtete Klage, die sich auch gegen ablehnende Bescheide der BA vom 24. 5. und 23. 7. 1992 auf Wiederbewilligungsanträge des Kl. bezieht, hat das SG abgewiesen. Auf die Berufung des Kl. hat das LSG diese Urteile sowie die Bescheide der BA aufgehoben und die BA verurteilt, dem Kl. Alhi über den 31. 5. 1993 hinaus zu bewilligen.

Die Revision der BA hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das Urteil des LSG verletzt § 103a I und II AFG. Der Kl. ist Student i.S. des § 103a I AFG; er hat nicht dargelegt und nachgewiesen, daß sein Studium bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung zuläßt (§ 103a II). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob dem Kl. aufgrund der Bewilligung von Alhi bis zur Bekanntgabe des Aufhebungsbescheids vom 9. 12. 1992 Leistungen zustehen. Das LSG hat Tatsachen, die die Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 48 I 2 SGB X), - nach der von ihm vertretenen Rechtsansicht folgerichtig - nicht festgestellt.

1. Auf die Revision der BA ist das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Kl. gegen das Urteil des SG zurückzuweisen, soweit die BA die Bewilligung von Alhi für die Zeit ab 23. 12. 1992 aufgehoben hat.

Nach § 48 I 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - hier: die Bewilligung von Alhi vom 25. 5. 1992 - aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist u.a. jede rechtserhebliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen.

1.1 Das LSG hat die Immatrikulation des Kl. ab 1. 10. 1992 zu Unrecht nicht als rechtserheblich erachtet. Sie begründet nach § 87 I 1 Gesetz über die Universitäten im Lande Baden-Württemberg i.d.F. der Bekanntmachung vom 10. 1. 1995 (GBl II 1) die Mitgliedschaft in der Universität. Damit ist der Kl. unabhängig davon, ob und wie er sein Studium betreibt, Student i.S. des § 103a I AFG. Dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 21. 4. 1993 - 11 RAr 25/95 - ausgesprochen und darauf hingewiesen, daß ein abweichendes Verständnis dem auf Beweiserleichterung gerichteten Zweck der gesetzlichen Vermutung des § 103a I AFG nicht gerecht werde (BSGE 72, 206, 209 = SozR 3-4100 § 103a Nr. 1). Dieses Verständnis des Gesetzes wird auch durch die gerichtliche Entwicklung des Schutzes von Studenten in der Arbeitslosenversicherung bestätigt. Die Ruhensvorschrift des § 118 II AFG i.d.F. des Gesetzes über die Krankenversicherung der Studenten vom 24. 6. 1975 (BGBl I 1536) setzte voraus, daß der Arbeitslose immatrikuliert war und die Hochschule besuchte (BSGE 46, 89, 90 = SozR 4100 § 118 Nr. 5). Nach § 118a AFG i.d.F. des Fünften Gesetzes zur Änderung des AFG vom 23. 7. 1979 (BGBl I 1189) trat das Ruhen der Leistung ein, wenn die Ausbildung die Arbeitskraft des Studenten im allgemeinen voll in Anspruch nahm. Diese Regelung hat das BVerfG (BVerfG) für unvereinbar mit Art. 3 I Grundgesetz (GG) erklärt (BVerfGE 74, 9, 24 = SozR 4100 § 118a Nr. 1). Dabei hat es aber zum Ausdruck gebracht, die Verfassung schließe nicht aus, an den Nachweis der Verfügbarkeit immatrikulierter Studenten strengere Anforderungen zu stellen als an andere Arbeitslose. Als Beispiel einer verfassungskonformen Regelung hat das BVerfG die Vermutung der Nichtverfügung für ein Vollstudium immatrikulierter Studenten, die diese widerlegen müssen, genannt (BVerfG 74, 9, 27f. = SozR 4100 § 118a Nr. 1). Dem entspricht die hier anzuwendende Vorschrift. Der nach Universitätsrecht zu bestimmende Rechtsstatus begründet die Vermutung, daß ein Student neben seinem Studium nicht einer Beschäftigung nachgehen kann, die die Beitragspflicht in der Arbeitslosenversicherung begründet. Vorbehaltlich der in den Grenzen des § 103a II SGG möglichen Widerlegung der gesetzlichen Vermutung steht er mithin nach § 103 I 1 Nr. 1 AFG i.V.m. §§ 168 , 169b AFG der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung, so daß die Anspruchsvoraussetzung für die Alhi nach § 134 I 1 Nr. 1 AFG mit der Immatrikulation entfallen ist.

1.2 Die Möglichkeit, diese Vermutung zu widerlegen, eröffnet § 103a II AFG arbeitslosen Studenten nur, soweit sie darlegen und nachweisen, daß der Ausbildungsgang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zuläßt. Mit dieser Regelung wird der Grundsatz der amtlichen Sachaufklärungspflicht (§ 20 I SGB X ; § 103 SGG) durchbrochen und dem Arbeitslosen eine Darlegungs- und Beweisführungslast auferlegt (BSGE 72, 206, 209 = SozR 3-4100 § 103a Nr. ; BSG SozR 3-4100 § 103a Nr. 2). Seiner Darlegungs- und Beweislast ist der Kl. nicht nachgekommen. Er hat sich zu den in Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Studium nicht geäußert. Nur auf dieser Grundlage ist die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung möglich. Sie kann - wie das BSG bereits hervorgehoben hat - auch darin bestehen, daß für das vom Arbeitslosen gewählte Studium Anforderungen in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen nicht vorgesehen sind oder solche Bestimmungen überhaupt nicht bestehen (BSGE 72, 206, 210, 212 = SozR 3-4100 § 103a Nr. 1). Entsprechendes hat der Kl. - trotz eingehender Belehrung über diese Rechtslage im Verwaltungsverfahren - nicht vorgetragen. Mit seiner Behauptung, er habe sich zu „studienfremden Zwecken„ eingeschrieben, verfüge nicht über die fachliche Voraussetzungen für das Studium der Mathematik und Chemie und gehe diesem Studium tatsächlich auch nicht nach, kann er nach § 103a II AFG nicht gehört werden. Der Kl. hat sich für das Studium mit dem Studienziel „Magisterabschluß„ eingeschrieben. Bei Studiengängen, die auf einen regelförmigen Abschluß gerichtet sind, hat das BSG es als sachgerecht angesehen, daß die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung auf den Nachweis beschränkt ist, der Ausbildungsgang lasse eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zu (BSGE 72, 206, 210 = SozR 3-4100 § 103a Nr. 1). Die geschichtliche Entwicklung des Arbeitslosenversicherungsschutzes von Studenten und die konkrete Entstehungsgeschichte des § 103a AFG belegen, daß die Regelung einerseits dem Schutz studierender Arbeitsloser in der Arbeitslosenversicherung dienen, aber auch durch die in § 103a II AFG enthaltene Beweiserleichterung Bedürfnissen der praktischen Rechtsanwendung Rechnung tragen soll (BSGE 72, 206, 209ff. = SozR 3-4100 § 103a Nr. 1; BSG, SozR 3-4100 § 103a Nr. 2). In der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 11/800, S. 20) ist ausdrücklich hervorgehoben, daß die gesetzliche Vermutung nur nach den in § 103a II AFG genannten Merkmalen widerlegt werden kann und Darlegungen des Arbeitslosen, z.B. „durch das Studium nicht voll in Anspruch genommen„ zu sein, zur Widerlegung nicht ausreichen. Auf vergleichbare subjektive Umstände richtet sich aber das Vorbringen des Kl., er sei lediglich zu „studienfremden Zwecken„ eingeschrieben, studiere tatsächlich aber nicht. Aber hierbei handelt es sich um praktisch nur schwer überprüfbares Vorbringen, das es den Arbeitsämtern kaum ermöglicht, einigermaßen sichere Feststellungen zu treffen (vgl. BT-Drucks 11/800, S. 20). Da das Vorbringen des Kl. nach § 103a II AFG nicht geeignet ist, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen, bedurfte es nicht der Aufklärung, ob ein ordnungsgemäßes Studium der Fächer Mathematik und Chemie mit dem Studienziel Magisterabschluß mit einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung des Kl. vereinbar wäre.

1.3 Das durch Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck der Vorschrift begründete Verständnis des § 103a II AFG ist auch nicht unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten einzuschränken. Die Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 I GG) ist durch diese Konkretisierung des Gesetzes nicht berührt. Sie läßt Möglichkeiten zur Widerlegung der Vermutung offen, allerdings nicht für den vom Kl. vorgetragenen Sachverhalt. Die gesetzliche Vermutung mit der Möglichkeit ihrer Widerlegung ist gerade unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung gewählt worden (BT-Drucks 11/800, S. 20 mit Hinweis auf BVerfGE 74, 9, 24ff. SozR 4100 § 118a Nr. 1; BSGE 46, 89ff. = SozR 4100 § 118 Nr. 5; vgl. auch: BSGE 72, 206, 209f. = SozR 3-4100 § 103a Nr. 1). Das Argument des LSG, § 103a II AFG sei verfassungskonform auszulegen, weil dem Kl. andernfalls die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung nicht möglich sei, trifft nicht zu. Der Kl. hat von der ihm eingeräumten Möglichkeit, die gesetzliche Vermutung im Rahmen des § 103a II AFG zu widerlegen, überhaupt nicht Gebrauch gemacht. Erst wenn eine Widerlegung unter den in § 103a II AFG gesteckten Grenzen überhaupt nicht möglich wäre, könnte dieses Argument verfassungsrechtliche Bedeutung erlangen. Davon kann im Hinblick auf die vorliegende Rechtsprechung des BSG zu § 103a II AFG keine Rede sein. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber durch das Gebot der Gleichheit vor dem Gesetz nicht gehindert ist, bei der Regelung von Massenerscheinungen im Interesse effizienter Verwaltung und praktikbabler Rechtsanwendung zu typisieren und zu pauschalieren (st. Rspr., vgl. BVerGE 17, 1, 25; 63, 255, 261ff. = SozR 4100 § 111 Nr. 6; BVerfG [Kammerbeschluß] SozR 3-4100 § 111 Nr. 2). Bei Studenten liegt wegen ihrer Inanspruchnahme durch das Studium nahe, daß sie der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehen (BVerfGE 74, 9, 27 = SozR 4100 § 118a Nr. 1). Die nach § 103a II AFG begrenzte Widerlegungsmöglichkeit ist wegen der Schwierigkeit, individuelle Gestaltungen eines Studiums zu überprüfen, sachgerecht. Wegen der verfassungsrechtlich zulässigen Typisierung ist es nach Art. 3 I GG nicht geboten, für ein Vollstudium immatrikulierte Studenten, die ihrem Studium nicht nachgehen, die individualisierende Möglichkeit zur Widerlegung der Vermutung ihrer Nichtverfügbarkeit zu eröffnen.

1.4 Die mit der Immatrikulation eingetretene wesentliche Änderung in den Verhältnissen eröffnet eine Aufhebung der Bewilligung von Alhi nach § 48 I 1 SGB X jedenfalls für die Zukunft. Die Grenze zwischen Vergangenheit und Zukunft i.S. des § 48 I SGB X bezeichnet der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Aufhebungsbescheids BSG SozR 1300 3.8570 § 13 Nr. 1). Wegen der Regelung des § 114 AFG kann die Lage der betroffenen Zahlungszeiträume hier auf sich beruhen (vgl. dazu: BSGE 65, 185, 188 = SozR 1300 § 48 Nr. 31; BSG Urt. v. 24. 4. 1997 - 13 RJ 23/96). Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. 12. 1992 ist am 23. 12. 1992 beim Arbeitsamt Freiburg eingegangen. Vor diesem Tage muß der Aufhebungsbescheid also dem Kl. bekannt geworden sein. Die Aufhebung „für die Zukunft„ bezieht sich damit jedenfalls auf die Zeit ab 23. 12. 1992. Insoweit ist die Berufung des Kl. gegen das Urteil des SG unbegründet.

2. Unbegründet ist die Berufung auch, soweit der Kl. mit seinen Widerbewilligungsanträgen Leistungen auf Alhi ab 1. 6. 1993 geltend macht. Mit Recht hat das SG die Klage gegen die Bescheide vom 24. 5. und 23. 7. 1993 abgewiesen, denn der Kl. stand wegen der Immatrikulation auch ab 1. 6. 1993 der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung, so daß diese Anspruchsvoraussetzung des § 134 I 1 Nr. 1 AFG nicht erfüllt ist. Eine andere Entscheidung ist auch nicht für die Zeit ab 1. 5. 1994 möglich. Zwar war der Kl. von diesem Zeitpunkt an als Student beurlaubt, so daß die nach § 103a I AFG vermutete Inanspruchnahme durch das Studium möglicherweise nicht durchgreift (vgl. dazu: Gagel/Steinmeyer, AFG, § 103a Rdnr. 54 - Stand: Mai 1992; Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, § 103a Rdnr. 7). Diese Frage kann auf sich beruhen, denn für die Zeit ab 1. 5. 1994 steht dem Kl. unter den hier erörterten Umständen Alhi nicht mehr zu, weil sein Anspruch nach § 135 I Nr. 2 AFG erloschen ist. Der Kl. hat seit Dezember 1992 Alhi mehr als ein Jahr nicht mehr bezogen. Auch die Voraussetzungen für einen neuen Anspruch auf Alhi sind nicht gegeben, weil der Kl. nicht innerhalb eines Jahres vor dem 1. 5. 1994 Arbeitslosengeld bezogen hat oder zumindest 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt hat, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen kann (§ 134 I 1 Nr. 4 AFG).

3. Hinsichtlich der Aufhebung der Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 1. 10. bis 22. 12. 1992 und der Rückforderung von 1760,40 DM ist die Revision der BA im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.

3.1 Eine Ermächtigungsgrundlage, Leistungsbewilligungen vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse (für die Vergangenheit) aufzuheben, bieten § 48 I 2 Nrn. 2 bis 4 SGB X. Die Sondervorschrift für die Arbeitsverwaltung § 152 III AFG i.d.F. des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachtumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. 12. 1993 (BGBl I 2309) ist am 1. 1. 1994 (Art. 14 I 1. SKWPG) in Kraft getreten und damit hier noch nicht zu berücksichtigen. Maßgebender Zeitpunkt für die Rechtslage ist insoweit grundsätzlich der Zeitpunkt de Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 2. 3. 1993 als letzter die Aufhebung betreffender Verwaltungsentscheidung (BSGE 77, 253, 271 = SozR 3-8570 § 13 Nr. 1; vgl. zum Übergangsrecht bei Änderungen des Verwaltungsverfahrensrechts genauer differenzierend: Urt. d. Senats v. 13. 3. 1997 -11 RAr 51/96).

3.2 Nach § 48 I 2 Nr. 2 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung - hier der Bewilligungsbescheid vom 25. 5. 1992, der Alhi bis zum 31. 5. 1993 zuerkannt hatte - vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Die Änderung der Verhältnisse ist hier mit der Immatrikulation am 1. 10. 1992 eingetreten. Diese Änderung in den Verhältnissen hatte der Kl. als Bezieher von Alhi nach § 60 I Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil (SGB I) unverzüglich mitzuteilen, weil sie - wie im anderen Zusammenhang gezeigt - für die Leistung erheblich ist. Die Mitteilung hat der Kl. versäumt. Über die Aufhebung der Alhi für die Vergangenheit kann der Senat jedoch nicht abschließend entscheiden, weil das LSG nicht festgestellt hat, wann der Aufhebungsbescheid vom 9. 12. 1992 zur Post gegeben oder dem Kl. bekannt gemacht ist. Diese Tatsache ist - wie gezeigt - Voraussetzung für die Unterscheidung zwischen „Zukunft„ und „Vergangenheit„ i.S. des § 48 I SGB X. Für die Beurteilung, ob dem Kl. das die Aufhebung für die Vergangenheit rechtfertigende qualifizierte Verschulden - Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit - vorzuwerfen ist, fehlt es ebenfalls an der Feststellung von Tatsachen. Die Immatrikulation ohne Aufnahme des Studiums ist auch für einen Abiturienten nicht ohne weiteres als wesentliche Änderung für den Bezug von Alhi zu erkennen, die nach § 60 I Nr. 2 SGB I der BA mitzuteilen ist. Voraussetzung für die Feststellung von vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der Mitteilungspflicht ist zunächst der Inhalt des Merkblatts, dessen Erhalt der Kl. im Leistungsantrag quittiert hat. Es ist deshalb festzustellen, ob der Kl. dieses Merkblatt tatsächlich erhalten hat und welchen Inhalt es hatte. Des weiteren hängt der Vorwurf des Vorsatzes oder der groben Fahrlässigkeit von dem subjektiven Erkenntnis- und Beurteilungsvermögen des Kl. ab, zu welchem dem Urteil des LSG - von dem erreichten Schulabschluß abgesehen - tatsächliche Feststellungen nicht zu entnehmen sind.

4. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, daß mit der Immatrikulation die Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung ab 1. 10. 1992 und damit zwar eine gesetzliche Anspruchsvoraussetzung für die Alhi entfallen ist, sich die Leistungsbewilligung durch Bescheid vom 25. 5. 1992 dadurch allein aber nicht erledigt hat. Ein „Selbstvollzug des Gesetzes„ findet insoweit nicht statt (BSGE 77, 253, 259 = SozR 3-8570 § 13 Nr. 1 m.w.N.), vielmehr stellt der Bewilligungsbescheid bis zu einer rechtswirksamen Aufhebung eine eigenständige Rechtsgrundlage für das Erhalten und Behaltendürfen der bewilligten Leistung dar (BSGE 47, 241, 246 = SozR 4100 § 134 Nr. 11; BSGE 61, 286f. = SozR 4100 § 138 Nr. 31; BSGE 72, 111, 117 = SozR 3-4100 § 117 Nr. 9; BSGE 77, 253, 272 = SozR 3-8570 § 13 Nr. 1). Kann der sich aus dem Bewilligungsbescheid ergebende Leistungsanspruch nur durch gestaltenden Verwaltungsakt aufgehoben werden, so ergibt sich daraus, daß die schlichte Einstellung der Zahlung bewilligter Leistungen rechtswidrig ist. Eine Ermächtigung der Verwaltung, zu solchem Vorgehen besteht nicht. Die weitere Prüfung ist darauf zu richten, ob die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 25. 5. 1992 für die Vergangenheit - d.h. die Zeit bis zur Bekanntgabe des Aufhebungsbescheids vom 9. 12. 1992 - gegeben sind. Andernfalls ergibt sich aus dem Bewilligungsbescheid ein Anspruch des Kl., Leistungen für die Zeit ab Einstellung - nach den Feststellungen des LSG 3. 12. 1992 - bis zur Bekanntgabe des Aufhebungsbescheids vom 9. 12. 1992 zu erbringen (vgl. auch Steinwedel, KassKomm § 45 SGB X Rdnr. 17).

Vorinstanzen

LSG BadWürtt., L 3 Dr 1967/93, 16.10.1996

Rechtsgebiete

Sozialrecht

Normen

GG Art. 3 § I; SGB I § 60 I Nr. 2; SGB X § 48 I 1, 2 Nr. 2; AFG § 103 I 1 Nr. 1, § 103a I , II § 134 I 1 Nr. 1, 4, § 135 I Nr. 2, § 152 III (Fassung: 21. 12. 1993)