Werbung im Internet

Gericht

OLG München


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

26. 02. 1998


Aktenzeichen

29 U 4466/97


Leitsatz des Gerichts

Der Betreiber eines Internet-Servers, der Dritten die Möglichkeit bietet, über diesen für ihre Leistungen zu werben, kann wegen ihm bekannter wettbewerbswidriger Werbung der Dritten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer Werbung der Bekl. mit dem Begriff "Last-minute-Reisen" im Internet.

Die Kl. befaßt sich ausschließlich mit der Vermittlung von Last-minute-Reisen. Die Bekl. gibt als Gegenstand ihres Unternehmens "die Bereitstellung von Datenbanken und Informationen, vornehmlich, aber nicht ausschließlich über elektronische Medien; Erstellung, Vermietung und Verkauf von Datenbanksystemen; Erstellung, Vermietung und Verkauf von Schnittstellen zu bestehenden Datenbanksystemen; Fertigung der hierfür erforderlichen Hardware-Komponenten aus der Medien- und Datentechnik" an (Handelsregisterauszug). Sie betreibt unter einer Adresse (Domain) einen Internet-Server, auf dem sie Reiseveranstaltern die Möglichkeit bietet, Reiseangebote zu veröffentlichen.

Die Kl. hat behauptet, am 12. 4. 1996 hätten unter der erwähnten Domain Reiseveranstalter für Last-minute-Reisen mit Abreiseterminen bis zum 30. 4. 1996 geworben. Am 1. 6. 1996 hätten unter der Domain Reiseveranstalter für Last-minute-Reisen mit einem bis zu fast zwei Monaten hinausgeschobenen Abreisetermin geworben. Sie hat geltend gemacht, die angesprochenen Verkehrsteilnehmer verstünden unter einer Last-minute-Reise eine Reise, die innerhalb von maximal 14 Tagen angetreten werden müsse, die deswegen im normalen Vertrieb mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr gebucht werde und die deswegen besonders günstig angeboten werde. Würden Reisen, bei denen der Antrittstermin wesentlich weiter als zwei Wochen hinausgeschoben sei und die deswegen zum Normalpreis angeboten würden, unter der Bezeichnung "last-minute" beworben, so sei dies irreführend. Zugleich erzeuge die Werbung den unrichtigen Eindruck der Dringlichkeit der Buchung und erzeuge damit einen von einer sachgerechten Prüfung des Reiseangebots ablenkenden Druck, einen erhöhten Buchungsanreiz. Dies verstoße gegen §§ 3 , 1 UWG.

Die Kl. hat Unterlassung beantragt.

Das LG hat der Bekl. verboten, in Verbindung mit dem Begriff "last-minute" für Pauschalreisen oder Flugreisen zu werben, wenn zwischen dem Zeitpunkt erstmaliger Bewerbung der konkreten Reise und dem Abreise- oder Abflugtermin mehr als 14 Kalendertage liegen; im übrigen - insoweit, als der Bekl. verboten worden war, so auch "werben zu lassen" - hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, soweit die Bekl. selbst in der streitigen Weise werbe, sei sie gemäß § 3 UWG zur Unterlassung verpflichtet. Insoweit, als die Bekl. Dritten die Möglichkeit gebe, über ihren Internet-Server zu werben, sei die Klage unbegründet: Insoweit sei die Bekl. allenfalls Mitstörerin, die Verhinderung der Werbung sei ihr aber nach dem Inhalt der mit den Werbenden geschlossenen Verträge nicht möglich und angesichts der großen Zahl der Angebote auch nicht zumutbar. Unter diesen Umständen könnten an die Bekl. nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden wie an ein Presseorgan.

Mit ihren gegen dieses Urteil eingelegten Berufungen verfolgen beide Parteien ihr ursprüngliches Ziel weiter.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Berufung der Kl. erweist sich als begründet, die Berufung der Bekl. hat keinen Erfolg. Im einzelnen gilt folgendes:

1. Zutreffend ist das LG davon ausgegangen, daß die Werbung mit der Bezeichnung "last-minute" für Reisen, bei denen der Reisetermin mehr als 14 Tage hinausgeschoben ist, gegen § 1 UWG verstößt. Die angesprochenen Verkehrsteilnehmer verbinden mit einer Last-minute-Reise weithin die Vorstellung, daß es sich um eine Reise handelt, die wegen des Zwanges zur sehr kurzfristigen Buchung besonders günstig angeboten wird. Damit verbunden ist die Vorstellung, daß ein Zwang zu einer sehr kurzfristigen Entscheidung und Buchung besteht. Werden Reisen, die diesen Vorstellungen nicht entsprechen und insbesondere, wie dies bei den über den Internet-Server der Bekl. angebotenen Reisen unstreitig der Fall war, zum Normalpreis angebotene Reisen mit weiter als 14 Tage hinausgeschobenen Abreiseterminen als Last-minute-Angebote beworben, so ist dies irreführend, da weder ein kurzfristiges noch ein besonders günstiges Angebot vorliegt und zudem auch ein nicht gerechtfertigter Entscheidungsdruck auf den Interessenten ausgeübt wird. Letzteres verstößt zugleich gegen § 1 UWG.

2. Vor diesem Hintergrund hat das LG zunächst die Bekl. mit zutreffenden Gründen verurteilt, selbst nicht in der beanstandeten Weise zu werben. Da die einzelnen Reiseveranstalter, die die Dienstleistung der Bekl. in Anspruch nehmen, auf den Internet-Seiten nicht erkennbar werden, ist es gerechtfertigt, insoweit die Bekl. wegen eigener Werbung (für von Dritten veranstaltete Reisen) zur Unterlassung zu verurteilen. Auf die bestrittene Behauptung der Kl., die Bekl. trete selbst auch als Reiseveranstalter auf, kommt es für die Entscheidung nicht an. Zugleich ist es gerechtfertigt, die Bekl. zu verurteilen, es zu unterlassen, Dritte unter ihrer Domain in der streitigen Weise werben zu lassen. Denn unbestritten ist es mit Hilfe eines geeigneten Programms möglich, Reiseangebote, bei denen der Abreisetermin mehr als 14 Tage hinausgeschoben ist, auszufiltern und täglich die den zu stellenden Anforderungen entsprechenden Reiseangebote jeweils neu zuzulassen. Darauf, daß die Beklagte im Sommer 1996 über das notwendige Know-how hierzu noch nicht verfügte, kommt es nicht an, da es ihr unbestritten jedenfalls gegenwärtig zur Verfügung steht. Im übrigen wäre die Bekl. jedenfalls nach den diesbezüglichen Hinweisen der Kl. im ersten Rechtszug verpflichtet gewesen, sich die notwendigen Kenntnisse zu verschaffen.

Der Einwand der Bekl. im ersten Rechtszug, sie sei vertraglich an einer Überprüfung der Angebote ihrer Kunden gehindert, ist nicht begründet. Abgesehen davon, daß es Sache der Bekl. ist, ihre Rechtsbeziehungen so zu gestalten, daß sie durch diese nicht gezwungen ist, sich an einer wettbewerbswidrigen Werbung zu beteiligen, trägt die Bekl. im zweiten Rechtszug vor, daß ihre Kunden inzwischen zugesagt haben, auf die Einhaltung der streitigen Frist zu achten. Der Bekl. ist es daher zuzumuten, mit den zur Verfügung stehenden technischen Mitteln die Einhaltung dieser Zusage zu überprüfen.

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht

Normen

UWG § 1, 3