Verantwortlichkeit des Plakatvertreibers für wildes Plakatieren
Gericht
AG Leipzig
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
18. 07. 1997
Aktenzeichen
5 C 5887/97
Werden Plakate in Umlauf gebracht, die selbst nach Rechnungstellung eines betroffenen Hauseigentümers über die Beseitigungskosten noch wild geklebt werden, so kann Schadensersatz vom Verteiler der Plakate verlangt werden. Der Verteiler hätte Maßnahmen ergreifen müssen, eine weitere wilde Plakatierung zu verhindern.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Kl. ist Eigentümerin diverser öffentlich zugänglicher Bauten. Die Bekl. betreibt einen Dritte-Welt-Laden. Für dieses Geschäft ließ sie Werbeplakate in DIN-A-3-Größe drucken, die sie in ihrem Laden für alle Kunden zugänglich auslegte. Neben den Plakaten hat die Bekl. zur Information ihrer Kunden einen Artikel aus der regionalen Tageszeitung ausgehängt, in dem auf das zunehmende Problem der wilden Plakatwerbung in der Stadt und das Verbot einer solchen Praxis hingewiesen wird. Daneben wies auch der Kassierer des Geschäfts diejenigen Kunden, die ein Plakat mitnahmen, darauf hin, daß dieses nicht ohne Genehmigung geklebt werden dürfe. Dennoch wurden die Anlagen der Kl. mit einer Vielzahl der Werbeplakate beklebt. Die Kl. ließ die Plakate von eigenen Mitarbeitern beseitigen und stellte im September 1996 der Bekl. die erste Rechnung für die Beseitigung der Plakate. Die Bekl. änderte die Ausgabepraxis der Werbematerialien nicht, da sie die von ihr getroffenen Vorkehrungen gegen das Wildplakatieren für ausreichend hielt. Im Oktober und November 1996 wurden erneut illegal geklebte Plakate der Bekl. auf den Anlagen der Kl. entdeckt und entfernt; die Kl. hat der Bekl. auch diese Kosten in Rechnung gestellt.
Das AG hat die Klage hinsichtlich der ersten Rechnung abgewiesen, ihr im übrigen stattgegeben. Das Urteil war nicht berufungsfähig.
Auszüge aus den Gründen:
Die zulässige Klage ist insoweit gem. §§ 823 I , 249 BGB begründet, als die Kl. als Schadensersatz Erstattung der Kosten verlangt, die ihr durch die Beseitigung der am 23. 10. 1996 und 4. 11. 1996 festgestellten Plakate entstanden sind.
Die unerlaubte Handlung der Bekl. ist darin zu sehen, daß sie rechtswidrig eine Verletzung des Eigentums der Kl. verursacht hat, indem sie es pflichtwidrig in schuldhafter Weise unterließ, geeignete Vorkehrungen gegen das wilde Plakatieren mit Plakaten des von der Bekl. betriebenen Dritte-Welt-Shops zu treffen, obwohl sie spätestens seit Erhalt der Rechnung der Kl. vom 18. 9. 1996 wissen mußte, daß die von ihr - unstreitig - ergriffenen Maßnahmen zur Verhinderung wilden Plakatierens (schriftlicher und mündlicher Hinweis durch den Verkäufer) unzureichend waren. Spätestens seit Erhalt dieser Rechnung hätte die Bekl. erkennen müssen, daß von den Plakaten des Dritte-Welt-Shops eine naheliegende Gefahr für das Eigentum der Kl. ausgehen konnte. Ab diesem Zeitpunkt traf die Bekl. daher eine Verkehrssicherungspflicht des Inhalts, geeignete Vorkehrungen gegen Verletzungen des Eigentums der Kl. zu treffen (LG Bonn, NJW 1973, 2292 [2294]; AG Hannover, RdE 1985, 31 f.; AG Montabaur, RdE 1989, 141; zu den Sorgfaltsanforderungen s. auch OLG Düsseldorf, OLGZ 1991, 81 [83]). Nachdem die Bekl. Kenntnis von der Wirkungslosigkeit der bislang ergriffenen Maßnahmen hatte, wäre in erster Linie erforderlich gewesen, daß die Plakate nicht jedermann zugänglich gelagert wurden und nur noch an solche Kunden des Dritte-Welt-Shops ausgehändigt wurden, die die Gewähr dafür boten, daß sie sich an das Verbot des wilden Plakatierens halten würden (s. LG Bonn, NJW 1973, 2292). Hätte die Bekl. die genannten Maßnahmen, die ohne großen zeitlichen und organisatorischen Aufwand hätten durchgeführt werden können und ihr deshalb auch zumutbar waren, ergriffen, so wäre nach Überzeugung des Gerichts der Schaden durch die am 23. 10. und 4. 11. 1996 festgestellten Plakate mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert worden.
Der Beweis des ersten Anscheins spricht dafür, daß die Personen, die die am 23. 10. und 4. 11. 1996 festgestellten Plakate geklebt haben, die Plakate in dem Dritte-Welt-Shop ausgehändigt bekommen haben, nachdem die Bekl. die Rechnung der Kl. vom 18. 9. 1997 erhalten hatte. Der Zurechnungszusammenhang entfällt schließlich auch nicht deshalb, weil es sich um ein vorsätzliches Verhalten Dritter handelt (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 56. Aufl. [1997], Vorb. § 249 Rdnr. 76).
Der der Kl. entstandene Schaden war auf die von der Kl. angegebenen Beträge zu schätzen (§ 287 I ZPO), zumal die Bekl. die Berechnungsgrundlagen der Kl. nicht bestritten hat. Die Klage war insoweit abzuweisen, als sie die Kosten der Entfernung von Plakaten zum Gegenstand hat, die vor dem Erhalt der Rechnung der Kl. vom 18. 9. 1996 festgestellt wurden, also hinsichtlich der Vorgänge a bis c (laut Klageschrift). Vor Erhalt dieser Rechnung durfte die Bekl. nämlich davon ausgehen, daß die von ihr ergriffenen Maßnahmen ausreichend waren, so daß es bis zu diesem Zeitpunkt an einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht fehlt (ähnlich OLG Karlsruhe, Az.: 1 U 21-78, zitiert nach juris, das das Ergreifen geeigneter Maßnahmen nach Kenntnis einer „wilden Klebepraxis“ fordert).
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