Keine Neuwageneigenschaft bei fünfwöchiger Zulassung auf den Händler

Gericht

OLG Dresden


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

14. 10. 1998


Aktenzeichen

8 U 1665/98


Leitsatz des Gerichts

Einem als Neuwagen verkauften Pkw fehlt die zugesicherte Eigenschaft der Fabrikneuheit jedenfalls dann, wenn er zuvor mindestens fünf Wochen auf den Händler zugelassen war. Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine lediglich formale Zulassung ohne Nutzung des Fahrzeuges handelt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. hat bei der Bekl., einer Pkw-Händlerin, einen japanischen Neuwagen gekauft. Der Pkw war zuvor gut fünf Wochen auf die Händlerin zugelassen, ohne dabei genutzt worden zu sein. Die Bekl. hatte den gesamten in Deutschland vorhandenen Restbestand an Neufahrzeugen dieses Fahrzeugmodells von ca. 140 Stück aufgekauft und die Fahrzeuge auf sich zugelassen. Dafür erhielt sie einen besonderen Preisvorteil. Der Kaufvertrag zwischen dem Kl. und der Bekl. wurde auf einem Formular für Neuwagen abgeschlossen. Einen Hinweis auf die vorherige Zulassung enthält der Kaufvertrag nicht. Vereinbart wurde ein unter dem Listenpreis liegender Sonderpreis. Der Kl. verlangt nun Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Pkw, da diesem die zugesicherte Eigenschaft eines Neuwagens fehle.

Das LG hat das Vorliegen einer zugesicherten Eigenschaft verneint. Mangelansprüche würden schon deshalb nicht bestehen, weil dem Kl. die Tatsache der Zulassung jedenfalls aus grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sei. Die Berufung des Kl. hatte im Ergebnis keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Zwar ist der Senat entgegen dem LG der Auffassung, daß die Zusicherung der Fabrikneuheit auch umfaßt, daß das Fahrzeug nicht bereits mehrere Wochen lang auf den Händler zugelassen war. Der Bekl. ist zur Überzeugung des Senats jedoch der Nachweis gelungen, daß der Kl. Kenntnis von der Zulassung des Pkw hatte.

I. Nach dem Inhalt des schriftlichen Kaufvertrages erwarb der Kl. ein fabrikneues Fahrzeug. Nach Auffassung des Senats bedeutet dies auch die Zusicherung, daß das Fahrzeug zuvor nicht bereits mehr als fünf Wochen auf den Händler zugelassen war, selbst wenn eine Nutzung durch diesen nicht vorgetragen ist.

1. In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, daß die Fabrikneuheit eine zugesicherte Eigenschaft darstellt (vgl. nur BGH, NJW 1980, 2127 = LM § 459 BGB Nr. 55; BGH, NJW 1997, 1848 = NZV 1997, 306). Die Frage, ob diese Zusicherung auch beinhaltet, daß das Fahrzeug vor Auslieferung an den Kunden nicht bereits auf den Händler zugelassen war, ist umstritten. Eine Entscheidung des BGH liegt hierzu bislang nicht vor. Zwar hat der BGH in einer früheren Entscheidung (VersR 1980, 159 [160]) festgestellt, die bloße Voreintragung des Händlers im Fahrzeugbrief mache den Wagen noch nicht zu einem Gebrauchtwagen. Diese Entscheidung ist allerdings zu § 13 AKB ergangen, worauf Creutzig (BB 1987, 283 [284] bei Fußn. 21) zu Recht hinweist. Sie beantwortet nach Auffassung des Senats die Frage der zugesicherten Eigenschaft daher nicht.

Auch die Entscheidung des BGH vom 26. 3. 1997 (NJW 1997, 1847 = LM § 459 BGB Nr. 134) läßt die hier aufgeworfene Frage offen, wie Reinking bedauernd in einer Anmerkung zu diesem Urteil feststellt (EWiR 1997, 537). In der Entscheidung geht es um einen aus dem Ausland importierten Pkw, der dort bereits an einen anderen Käufer ausgeliefert worden war, was der jetzige Käufer wußte. Deshalb und weil das Fahrzeug als „Neuwagen mit Werkskilometern„ bezeichnet wurde, konnte in diesem Fall der Käufer nach Auffassung des BGH nicht ohne weiteres damit rechnen, daß eine Zulassung auf den Vorbesitzer im Ausland nicht vorgelegen habe. Der BGH hat deshalb die Entscheidung des OLG Oldenburg (NZV 1996, 455) aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen.

2. Die überwiegende Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung steht auf dem Standpunkt, daß einem vor dem Verkauf auf den Händler zugelassenen Fahrzeug die zugesicherte Eigenschaft der Fabrikneuheit fehle (Soergel-Huber, BGB, 12. Aufl. [1991], § 459 Rdnr. 299; Staudinger, BGB, 13. Aufl. [1995], § 459 Rdnr. 90; Reinking-Eggert, Der Autokauf, 6. Aufl. [1996], Rdnrn. 377, 444; Creutzig, Recht des Autokaufes, 1991, Ziff. 1.1.2.7, und ders., BB 1987, 283; OLG Karlsruhe, NJW 1971, 1809, m. abl. Anm. Anders, NJW 1971, 2311, bestätigt in DAR 1977, 323; OLG München, MDR 1993, 40; LG Bonn, NJW 1972, 1137 [bei bloßer Tageszulassung sieht das LG Bonn eine wirtschaftliche Wertminderung jedoch nicht, wenn das Fahrzeug noch nicht gefahren wurde; diese Differenzierung lehnt Creutzig, Ziff. 1.1.2.7, mit zutreffenden Gründen ab]). In der Literatur wird jedoch auch die gegenteilige Auffassung vertreten (Palandt-Putzo, BGB, 57. Aufl. [1998], § 459 Rdnr. 30; Metzger, in: RGRK, 12. Aufl. [1978], § 459 Rdnr. 14; Westermann, in: MünchKomm, 3. Aufl [1995], § 459 Rdnr. 39). Eine Begründung für die Gegenauffassung wird jedoch von keinem ihrer Vertreter gegeben. Dies gilt auch für die Entscheidung des AG Essen (VersR 1988, 1175), die einzige dem Senat bekannte Entscheidung eines Gerichts, die sich dieser Auffassung anschließt.

3. Der Senat ist mit der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung der Auffassung, daß unabhängig von der Frage der Benutzung einem als fabrikneu verkauften Neufahrzeug jedenfalls dann eine zugesicherte Eigenschaft fehlt, wenn dieses mehr als fünf Wochen auf den Händler oder einen Dritten zugelassen war. Die Frage, ob dies auch für bloße Tageszulassungen gilt, bei denen das Fahrzeug bereits am darauffolgenden Tag wieder abgemeldet wird, läßt der Senat ausdrücklich offen. Für diese Auffassung sprechen folgende Erwägungen:

a) Verkürzung der Gewährleistungsfrist. Die Gewährleistungfrist läuft gem. VI der AGB der Bekl. ab dem Tag der ersten Zulassung des Fahrzeuges. Dies hat zur Folge, daß der Kunde bei einer vorhergehenden Zulassung einen Teil des Zeitraumes der Gewährleistungsfrist verliert, so daß das Fahrzeug nicht mehr als fabrikneu anzusehen ist. Dies hat das OLG Düsseldorf (NJW-RR 1993, 57) für den Fall bereits entschieden, daß von der Jahresgarantie acht Monate abgelaufen sind. Auch für den hier vorliegenden relativ geringen Verlustzeitraum von gut fünf Wochen bei einer Herstellergarantie von drei Jahren gilt nichts anderes. Für den Kunden kann es auch hier entscheidend sein, ob ein sich nach drei Jahren herausstellender Mangel noch innerhalb des Garantiezeitraums liegt oder nicht.

b) Wertminderung durch Eintragung des Händlers im Kfz-Brief. Die Zahl der Halter bzw. Vorbesitzer spielt bei dem Verkauf eines Gebrauchtwagens eine erhebliche Rolle. Bei zwei Vorbesitzern ist das Fahrzeug im wirtschaftlichen Wert gemindert, weil es bei einem Weiterverkauf nicht mehr als Fahrzeug „aus erster Hand„ bezeichnet werden kann. Für die Zahl von zwei Vorbesitzern wird üblicherweise bei der Bewertung ein prozentualer Abschlag von dem ansonsten anzunehmenden Verkehrswert vorgenommen. In der Rechtsprechung ist deshalb seit langem anerkannt, daß dies ein wertmindernder Faktor ist (vgl. BGH, NJW 1978, 1373 = LM § 249 [Hd] BGB Nr. 23; OLG München, MDR 1993, 40; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1986, 204; OLG Karlsruhe, NJW 1971, 1809; s. auch Creutzig, Ziff. 7.1.6, sowie Reinking-Eggert, Rdnr. 443; nicht vergleichbar ist der Sachverhalt in OLG Hamm, DAR 1994, 120, wonach einem gekauften Gebrauchtfahrzeug keine zugesicherte Eigenschaft fehle, wenn dieses bereits 19 Monate vor der Erstzulassung ausgeliefert worden sei).

Selbst wenn im Einzelfall eine Nutzung durch den Händler nicht erfolgte, bleibt dies im Falle späterer Verkäufe unklar. Die allein an die Eintragung im Kfz-Brief anknüpfende prozentuale Wertminderung geht von der Überlegung aus, daß Kaufinteressenten in diesem Falle jedenfalls damit rechnen müssen, daß das Fahrzeug auch genutzt wurde. Bei einer Händlerzulassung muß insbesondere auch mit einer Nutzung als Vorführfahrzeug gerechnet werden. Dem kann man auch nicht entgegenhalten, daß der Verkäufer möglicherweise durch entsprechende Bescheinigungen des Händlers nachzuweisen versuchen kann, daß es sich um eine bloße Zulassung ohne Nutzung gehandelt habe. Der Markt wird eine derartige Bescheinigung zwar möglicherweise honorieren, sich wegen der verbleibenden Unsicherheit aber im Zweifel bei gleichem Preis doch für ein Fahrzeug entscheiden, das keine Voreintragung aufweist. Preiszugeständnisse durch den Verkäufer und damit eine Wertminderung sind also auch in diesem Fall noch zu erwarten.

c) Nachteile bei der Vollkaskoversicherung. § 13 AKB knüpft die Leistungserhöhung auf den Listenpreis im Falle eines Totalschadens innerhalb der ersten beiden Jahre an den Tag der Erstzulassung, wenn sich das Fahrzeug bei Eintritt des Versicherungsfalles im Eigentum des Ersterwerbers befindet. Zwar steht nach der Entscheidung des BGH vom 14. 11. 1979 (MDR 1980, 295 = NJW 1980, 457 = LM § 223 [D ] ZPO Nr. 12) die formale Voreintragung des Händlers im Kraftfahrzeugbrief der Einstufung eines Kfz als Neufahrzeug nicht mehr entgegen. Wegen des früheren Beginns des Zweijahreszeitraums bei vorheriger Zulassung auf den Händler verliert der Käufer jedoch auch hier einen Teil des Zeitraums, innerhalb dessen ihm die erhöhte Entschädigung gem. § 13 AKB zustehen würde (vgl. hierzu eingehend Reinking-Eggert, Rdnr. 444, wo als Beispiel eine Verkürzung um eineinhalb Monate genannt ist; zum Ausschluß der Neupreisentschädigung bei vorheriger Nutzung als Vorführwagen OLG Stuttgart, NJW 1996, 1547 = NZV 1996, 152).

d) Verkürzung der Frist für Hauptuntersuchung und ASU. Auch die Frist für die erstmalige Anmeldung des Kfz zur Hauptuntersuchung gem. § 29 StVZO und die Abgassonderuntersuchung läuft ab Erstzulassung, so daß der Käufer bei einer früheren Zulassung auf den Händler auch hier einen Teil des Zeitraums verliert (OLG München, MDR 1993, 40; Creutzig, BB 1987, 283 [286]).

Aus den dargestellten Gründen ist der Senat der Auffassung, daß jedenfalls bei einer Händlerzulassung von gut fünf Wochen wegen der dem Käufer durch die frühere Erstzulassung entstehenden Nachteile einem verkauften Neuwagen die zugesicherte Eigenschaft der Fabrikneuheit fehlt. So liegt der Fall hier.

Rechtsgebiete

Kaufrecht; Verbraucherschutzrecht

Normen

BGB § 459 II