Unbeschränktes Umtausch- und Rückgaberecht

Gericht

OLG Saarbrücken


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

21. 10. 1998


Aktenzeichen

1 U 949/97-182


Leitsatz des Gerichts

Ein zeitlich unbefristetes und von objektiven Kriterien völlig losgelöstes, einschränkungsloses Umtausch- und Rückgaberecht verstößt gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 ZugabeVO.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl., die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. nimmt die Bekl., bei der es sich um die Tochtergesellschaft eines US-amerikanischen Unternehmens handelt, auf Unterlassung geschäftlicher Ankündigungen in Anspruch, die nach ihrer Auffassung gegen die ZugabeVO verstoßen.

Die in M./Saar ansässige Bekl. betreibt bundesweit und über die deutschen Grenzen hinaus einen Versandhandel mit Textilien, bei denen es sich im wesentlichen um Freizeitoberbekleidung handelt. Sie wirbt u. a. in der Weise für den Absatz ihrer Artikel, daß sie regelmäßig mit Bestellscheinen versehene Kataloge herausgibt und an ihre Kunden bzw. eventuelle Kaufinteressenten verschickt.

Im November 1996 verteilte die Bekl. einen auf das Weihnachtsgeschäft bezogenen Katalog, dessen Vorwort auf Seite 3 mit folgender Aussage abschloß:

"Wir akzeptieren jede Rücksendung, aus jedem Grund zu jeder Zeit. Unsere Produkte sind garantiert. Kein Kleingedrucktes. Keine Diskussion. Wir meinen genau, was wir sagen: GUARANTEED. PERIOD."

Die gleiche Aussage erfolgte auf der Rückseite des dem Katalog beigefügten Bestellscheins, wo sie als eines der Geschäftsprinzipien des Gründers der Firma Land's End bezeichnet wurde. Die "Versandhinweise" des Katalogs enthielten hierzu folgende weitere Erläuterung:

"Alles ist Guaranteed. Period.

Wenn Sie mit einem Artikel aus irgendeinem Grund nicht zufrieden sind, senden Sie ihn bitte jederzeit an uns zurück. Wir tauschen ihn um, oder wir erstatten ihnen den Kaufpreis. Ihre gesetzlichen Rechte sind dadurch nicht eingeschränkt."

Die Kl. hat an den Aussagen auf Seite 3 des Kataloges und auf der Rückseite des Bestellscheins Anstoß genommen und der Bekl. mit Schreiben vom 7.1.1997 vergeblich abgemahnt. Sie hat die Bekl. sodann im Wege der Klage auf Unterlassung der beanstandeten Aussage sowie auf Zahlung einer Kostenpauschale für die Abmahnung in Anspruch genommen.

Sie hat geltend gemacht, das von der Bekl. beworbene Umtausch- und Rückgaberecht verstoße gegen § 1 ZugabeVO, weil es ohne jede Einschränkung in zeitlicher Hinsicht eingeräumt werde, völlig willkürlich ausgeübt werden könne und sogar für gebrauchte oder beschädigte Kleidungsstücke gelte.

Die Bekl. gewähre mit dieser umfassenden Umtausch- und Rückgabegarantie zusätzlich zu der Ware ohne besondere Berechnung eine Nebenleistung von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, die rechtlich als Zugabe im Sinne des § 1 Abs. 1 ZugabeVO zu werten sei. Die Bekl. sei daher gemäß § 2 Abs. 1 ZugabeVO zur Unterlassung der beanstandeten Ankündigung verpflichtet.

Die Kl. hat u. a. beantragt, der Bekl. unter Androhung von Ordnungsmitteln zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs ein zeitlich unbefristetes und von objektiven Kriterien völlig losgelöstes Rückgaberecht anzukündigen, wie etwa mit der Aussage: "Wir akzeptieren jede Rücksendung, aus jedem Grund, zu jeder Zeit. Unsere Produkte sind garantiert. Kein Kleingedrucktes. Keine Diskussion. Wir meinen genau, was wir sagen: GUARANTEED.PERIOD."

Die Bekl. hat beantragt, die Sache zur Vorabentscheidung nach Art. 177 EGV dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, hilfsweise: die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, das von der Kl. beanstandete Umtausch- und Rückgaberecht werde in der Tat zeitlich unbefristet gewährt und sei nicht davon abhängig, daß die Ware in unbenutztem Zustand zurückgesandt werde. Es sei indessen ein integraler Bestandteil der vertraglichen Leistung der Bekl. und keine Zugabe. Der Sache nach handele es sich um eine sinnvolle Verbesserung des Kundenservices, die den Besonderheiten des Versandhandels Rechnung trage und das Vertrauen der Kunden gewinnen und erhalten solle. Derartige Leistungsverbesserungen verstießen nicht gegen die ZugabeVO. Im übrigen werde die in Rede stehende Garantie von den angesprochenen Verkehrskreisen durchweg nicht dahin verstanden, daß auch vom Kunden fahrlässig beschädigte Ware zurückgenommen werden müsse. Die Anzahl der mißbräuchlichen Zurücksendungen sei sehr gering und falle wirtschaftlich nicht ins Gewicht.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Kl.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Berufung der Kl. ist der Erfolg nicht zu versagen.

Die Kl. ist hinsichtlich des von ihr verfolgten Unterlassungsanspruchs klagebefugt (I). Dieser Anspruch ist auch materiell-rechtlich begründet (II).

I. Die Klagebefugnis der Kl. hinsichtlich des von ihr weiterverfolgten Unterlassungsanspruchs ergibt sich aus §§ 2 Abs. 1 ZugabeVO; 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG [wird ausgeführt].

II. Der Unterlassungsanspruch der Kl. ist nach §§ 1 Abs. 1 Satz 1; 2 Abs. 1 Satz 1 ZugabeVO begründet, da die Bekl. durch die Ankündigung eines zeitlich unbefristeten und von objektiven Kriterien völlig losgelösten Rückgaberechts gegen das Verbot des § 1 Abs. 1 Satz 1 ZugabeVO verstoßen hat und die Gefahr einer Wiederholung besteht.

1. Nach § 1 Abs. 1 ZugabeVO ist es verboten, im geschäftlichen Verkehr neben Waren oder Leistungen eine Zugabe (Ware oder Leistung) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren. Zugabe im Sinne dieser Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung eine von der Hauptware oder -leistung verschiedene, zusätzliche Nebenleistung. Unselbständige Bestandteile der entgeltlichen Hauptleistung stellen schon begrifflich keine Zugabe dar (vgl. BGH GRUR 1989, 697 = WRP 1989, 654 - Vertrauensgarantie; BGH GRUR 1979, 482 = WRP 1979, 456 - Briefmarken-Auktion).

Für die zugaberechtliche Beurteilung kommt es nicht entscheidend darauf an, ob es sich um eine Leistung handelt, die im Vertrag über die Hauptleistung ausbedungen oder Gegenstand einer besonderen Vereinbarung ist. Ob eine Leistung zusätzlich und unberechnet gewährt wird, ist vielmehr nach der Auffassung der im konkreten Fall umworbenen Verkehrskreise zu beurteilen (vgl. Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl., Rdn. 85 zu § 1 ZugabeVO; BGH GRUR 1979, 697 = WRP 1989, 654 - Vertrauensgarantie). Dabei ist zu beachten, daß der Verkehr sich über die rechtliche Ausgestaltung von Leistungsbeziehungen regelmäßig keine konkreten Vorstellungen macht, sondern sich vor allem nach der Art und dem erkennbaren Sinn des Angebots richtet. Zugabe kann in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise jeder wirtschaftliche Vorteil sein, der nicht als Teil der Hauptleistung angesehen wird, weil er über das üblicherweise Gewünschte und Erwartete hinausgeht und nicht durch die vertraglich vereinbarte Gegenleistung, d. h. den Kaufpreis, ausgeglichen ist (BGH a.a.O.).

Hieraus ergibt sich für Garantiezusagen oder Umtausch- und Rückgaberechte, daß nicht schon jede entsprechende Zusage den Rechtscharakter einer Zugabe hat. Auszuscheiden haben vielmehr alle unselbständigen Garantiezusagen sowie die Einräumung von Rückgaberechten, die lediglich die Vertragsgemäßheit der Leistung und deren Qualität sichern. Derartige Garantien und Rückgaberechte beziehen sich lediglich auf die vertragliche Hauptleistung und besitzen selbst dann nicht die für die Annahme einer Zugabe nötige Selbständigkeit, wenn sie das gesetzliche oder branchenübliche Maß überschreiten (Baumbach-Hefermehl, a.a.O.). Anders verhält es sich hingegen, wenn Garantiezusagen erteilt oder Rückgaberechte eingeräumt werden, die nicht branchenüblich sind, erheblich über das zur Sicherung der Vertragsgemäßheit der Hauptleistung Erforderliche hinausgehen und weitergehende sachfremde und geschäftsfremde Risiken ausschalten sollen, so daß sie den umworbenen Verkehrskreisen als unentgeltliche selbständige Nebenleistung mit nicht unerheblicher wirtschaftlicher Bedeutung erscheinen. In diesen Fällen ist regelmäßig eine Zugabe im Sinne des § 1 ZugabeVO anzunehmen (Baumbach-Hefermehl, a.a.O.).

2. Hiervon ausgehend aber ist im vorliegenden Fall von einer verbotenen Zugabe nach § 1 Abs. 1 Satz 1 ZugabeVO auszugehen.

Die Bekl. hat angekündigt, "jede Rücksendung, aus jedem Grund, zu jeder Zeit" zu akzeptieren. Sie hat dabei hervorgehoben, daß der Kunde im Falle einer Rücksendung der Ware "keine Diskussion" zu befürchten habe, und weiterhin betont, daß sie genau meine, was sie sage.

Mit diesen von der Kl. beanstandeten Aussagen hat die Kl. ein zeitlich unbefristetes und von objektiven Kriterien völlig losgelöstes, einschränkungsloses Rückgaberecht angekündigt. Dies wird von der Bekl. selbst eingeräumt. Sie hat vorgetragen, daß das in Rede stehende Rückgaberecht "zeitlich unbefristet gewährt wird und nicht davon abhängig ist, daß die Ware in unbenutztem Zustand zurückgesandt wird". Sie hat ferner klargestellt, daß das Rückgaberecht "in dem ausgesprochenen Umfange nach seiner weitestmöglichen Interpretation gewährt wird" und daß sie entsprechend "auch ein zerrissenes oder durch Brandlöcher beschädigtes Textil zurücknehmen würde".

Dieses von objektiven Kriterien völlig losgelöste Umtausch- und Rückgaberecht, das zu jeder Zeit nach völlig freiem Belieben in Anspruch genommen werden kann, geht weit über branchenübliche Garantie- und Rücknahmezusagen hinaus, die die Vertragsgemäßheit und die Qualität der Ware sichern sollen. Es geht auch über die gesetzlichen Regelungen weit hinaus und nimmt dem Kl. auch die mit dem konkreten Kauf nicht mehr zusammenhängenden Risiken ab, die allein seiner Sphäre zuzuordnen sind (vgl. BGH GRUR 1989, 697 = WRP 1989, 654, 655). Der Käufer ist nach der Ankündigung der Bekl. sogar befugt, von dieser bezogene Kleidung auch noch nach Jahr und Tag zurückzugeben, wenn sie abgetragen und völlig unmodern geworden ist. Dies soll sogar denn gelten, wenn die Kleidung durch unsachgemäßen Gebrauch erheblich beschädigt wurde und deshalb keinen relevanten Wert mehr besitzt. Hieraus folgt, daß der Käufer, dem in jedem Fall der volle Kaufpreis erstattet wird, nicht nur von den mit dem Kaufgeschäft zusammenhängenden Risiken entlastet, sondern daß er, sofern er dies nur irgendwann wünscht, jederzeit von dem durch den Gebrauch und die Abnutzung der Ware bedingten Sachwertverlust freigestellt wird, den zu tragen ansonsten stets seine Sache als Eigentümer wäre (vgl. OLG Hamburg WRP 1984, 419).

Die Einräumung eines derartigen zeitlich unbefristeten, von objektiven Kriterien völlig gelösten Umtausch- und Rückgaberechts ist überdies im Versandhandel nicht branchenüblich. Sie ist auch nicht erforderlich, um Wettbewerbsnachteile des Versandhandels gegenüber Ladengeschäften auszugleichen, in denen der Kunde die Ware sogleich besehen, prüfen und anprobieren kann. Zum Ausgleich dieser Nachteile genügte es völlig, dem Kunden ein angemessen befristetes Rückgaberecht unter der weiteren Voraussetzung zu gewähren, daß die Ware von ihm nicht in Benutzung genommen wurde bzw. keine Qualitätsbeeinträchtigung erfahren hat.

Bei dem von der Bekl. angekündigten umfassenden Umtausch- und Rückgaberecht handelt es sich um einen besonders ungewöhnlichen Vorteil von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, der von den beworbenen Verkehrskreisen als selbständige, von der Hauptleistung unabhängige, unentgeltlich gewährte Nebenleistung gewertet wird. Diese Feststellung vermag der Senat aus eigener Erfahrung und Sachkunde zu treffen, da seine Mitglieder den Verkehrskreisen angehören, die von der Werbung des Versandhandels angesprochen werden.

Die in Rede stehende Zusage eines in zeitlicher und sachlicher Hinsicht uneingeschränkten Umtausch- und Rückgaberechts verletzt daher § 1 Abs. 1 Satz 1 ZugabeVO. Mit dieser Wertung sieht der Senat sich in Übereinstimmung mit der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung und der herrschenden Auffassung in der wettbewerbsrechtlichen Literatur (vgl. BGH, a.a.O.; OLG Hamburg, a.a.O.; OLG Hamburg WRP 1992, 191, 193; OLG Frankfurt NJW-RR 1993, 53; Baumbach-Hefermehl, a.a.O. mit weiteren Nachw.).

3. Die für Unterlassungsansprüche nach § 2 Abs. 1 ZugabeVO zu fordernde Wiederholungsgefahr ergibt sich bereits daraus, daß die Bekl. nach ihrem eigenen Vortrag an dem in Rede stehenden Geschäftsprinzip festhalten und hiermit weiterhin werben will.

III. . . .

IV. Der Senat hat keine Veranlassung gesehen, die Sache entsprechend dem diesbezüglichen Antrag der Bekl. gemäß Art. 177 EGV zur Vorabentscheidung dem EuGH vorzulegen.

Das mit dem vorliegenden Urteil erlassene Unterlassungsgebot richtet sich gegen das Wettbewerbsverhalten eines in Deutschland ansässigen Unternehmens und ist auf den deutschen Markt beschränkt. Eine relevante Auslandsberührung ist nicht erkennbar. Die Anwendung der nationalen Bestimmungen der §§ 1 , 2 ZugabeVO, die vorliegend lediglich zur Untersagung bestimmter Verkaufsmodalitäten auf dem deutschen Markt führt, ist nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten der EG zu behindern, da die genannten Bestimmungen für alle Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit auf dem deutschen Markt ausüben (vgl. EuGH GRUR 1994, 296 - Keck und Mithouard; Baumbach-Hefermehl, a.a.O., Rdn. 627 a ff. der Einleitung zum UWG).

Rechtsgebiete

Wettbewerbsrecht

Normen

ZugabeVO § 1 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1 Satz 1