Heilung eines formnichtigen GmbH-Anteilskaufs

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

23. 03. 1998


Aktenzeichen

VIII ZR 185/96


Leitsatz des Gerichts

  1. Wird bei einem formnichtigen Kaufvertrag über GmbH-Geschäftsanteile die dingliche Anteilsübertragung unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen, so führt der spätere Verzicht des Begünstigten auf die Bedingung nicht zur rückwirkenden Heilung des Kaufvertrages gemäß § 15 IV 2, III GmbHG (Ergänzung zu BGHZ 127, 129).

  2. Ist der Kauf von GmbH-Geschäftsanteilen als Unternehmenskauf zu behandeln, so trifft der Gefahrübergang (§ 446 BGB) erst mit der Übergabe des Unternehmens ein.

  3. Der Gefahrübergang durch Übergabe der Kaufsache (§ 446 BGB) setzt die Wirksamkeit des Kaufvertrages voraus.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma F. W.-GmbH (künftig: GmbH). Durch notariellen Vertrag vom 20. 7. 1990 verkaufte und übertrug er seinen Geschäftsanteil an den Bekl. Nach II § 1 Nr. 2 des Vertrages stand „die dingliche Rechtsänderung … unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises“. Dieser sollte nach II § 2 Nr. 1 u. 4 des Vertrages 2,2 Mio. DM betragen und in zwei gleichen Raten am 20. September und 20. Oktober 1990 gezahlt werden. In II § 3 Nr. 2 S. 2 des Vertrages versicherte der Kläger, die Eröffnungsbilanz der GmbH zum 1. Februar 1989 und die vorläufige Bilanz zum 31. Dezember 1989 mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung erstellt zu haben, so daß der Abschluß zu dem betreffenden Stichtag ein vollständiges, den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage der GmbH abgebe. In II § 3 Nr. 5 heißt es unter anderem: „Die Gewährleistungsrechte werden auf Minderung des Kaufpreises und auf Schadensersatzansprüche beschränkt.“ In II § 5 wurde u. a. auch die „Überleitung des Unternehmens“ geregelt. Dort heißt es unter Nr. 1 u. 3 S. 1:

„Der Verkäufer wird dem Käufer oder dessen Beauftragten mit Abschluß des Vertrages Gelegenheit geben, sich über alle geschäftlichen Vorgänge zu informieren und Einblick in alle Geschäftsbriefe, die Finanzbuchhaltung sowie die betriebliche Ablauforganisation zu nehmen.

Der Verkäufer wird dem Käufer das Unternehmen ordnungsgemäß übergeben, ihn insbesondere über alle technischen und kaufmännischen Vorgänge des Unternehmens ausführlich informieren, einführen und beraten, ohne daß dem Käufer hieraus zusätzliche Kosten entstehen.“

Der Geschäftsführervertrag des Kl. wurde in II § 5 Nr. 5 zum 31. 7. 1990 aufgehoben.

Unmittelbar vor Vertragsbeurkundung übergab der Bekl. dem Kl. 250.000,- DM in bar; den beurkundeten Kaufpreis von 2,2 Mio. DM zahlte er nicht.

Diesen Kaufpreis nebst Zinsen verlangt der Kl. mit der Klage; der Bekl. beansprucht widerklagend die Rückzahlung der 250.000 DM und macht geltend, er habe den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten und Minderung des Kaufpreises verlangt.

Im September 1991 hat der Kl. im Hinblick auf die vom Bekl. geltend gemachte Nichtigkeit des notariellen Vertrages vom 20. 7. 1990 dem Bekl. die alsbald nach Vertragsabschluß übertragene Geschäftsführung der GmbH wieder entzogen, sich wieder in den Besitz des Unternehmens gesetzt, sich selbst zum Geschäftsführer der GmbH bestellt und das Unternehmen fortan allein geführt. Hieran hat sich bis zur Gegenwart nichts geändert.

Das LG hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Während der Berufungsinstanz hat der Kläger durch privatschriftliche Erklärung vom 4. 3. 1993 auf die aufschiebende Bedingung in II § 1 Nr. 2 des notariellen Vertrages verzichtet. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Kl. zurückgewiesen.

Diese Entscheidung wurde durch Urteil des erkennenden Senats vom 21. 9. 1994 (BGHZ 127, 129 = NJW 1994, 3227 = WiB 1995, 21 = DStR 1994, 1662 m. Anm. M. Wolf in LM GmbHG § 15 Nr. 28; Schnorbus, MDR 1995, 679; Pohlmann, GmbHR 1995, 412 und Glahs, WiB 1995, 22) aufgehoben.

Durch das angefochtene Urteil hat das OLG unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Kl. nunmehr den Bekl. unter Klageabweisung im übrigen zur Zahlung von 2 164 312 DM nebst Zinsen verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Hiergegen hat der Bekl. Revision eingelegt.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Das BerGer. geht nunmehr entsprechend dem ersten Senatsurteil vom 21. 9. 1994 (BGHZ 127, 129) von einer Heilung des zunächst unwirksamen Kaufvertrages durch die mit dem Verzicht auf die aufschiebende Bedingung der Kaufpreiszahlung wirksam gewordene, gleichzeitig mit dem Kaufvertrag erklärte Abtretung des Geschäftsanteils gemäß § 15 IV 2, III GmbHG aus. (Wird ausgeführt.)

II. … 1. Aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist die Auffassung der Vorinstanz, der Kaufvertrag sei nicht als Folge der vom Beklagten erklärten Täuschungsanfechtung nichtig (§§ 123 I , 142 I BGB). …

2. Mit Recht beanstandet die Revision jedoch, daß die Vorinstanz dem Vorbringen des Bekl. zu den zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen und Verschlechterungen des verkauften Unternehmens nicht nachgegangen ist, weil sie es für rechtlich nicht erheblich gehalten hat. Die Revision verweist in diesem Zusammenhang auf folgenden Sachvortrag des Bekl.:

Nachdem der Kl. dem Bekl., der das Unternehmen im Sommer 1990 übernommen hatte, im September 1991 die Geschäftsführung wieder entzogen und das Unternehmen fortan wieder selbst als Geschäftsführer geleitet habe, sei der Betrieb in einer Weise heruntergekommen, daß er nur noch „eine leere Hülle“ darstelle. Der Kl. habe die Tätigkeit des Unternehmens auf andere Firmen verlagert und die Angestellten entlassen. Die GmbH betreibe jetzt ihre Geschäfte durch verschiedene vom Kl. mit früheren Mitarbeitern gegründete - im einzelnen bezeichnete - Tochtergesellschaften. In einem späteren Schriftsatz hat der Bekl. behauptet, der Kl. habe das Unternehmen alsbald nach Wiederübernahme der Geschäftsführung im Juli 1992 verlegt und des bisherige Betriebsgelände veräußert.

Dieses jeweils unter Beweis gestellte - wenngleich bisher sehr knappe - Vorbringen läßt sich, insbesondere hinsichtlich der behaupteten Betriebsverlagerungen, rechtlich dahingehend werten, daß das von der gekauften GmbH betriebene Unternehmen seit der Wiederübernahme der Geschäftsführung durch den Kläger im September 1991 durch von diesem veranlaßte Maßnahmen entweder gar nicht mehr vorhanden oder jedenfalls nicht mehr in dem vertragsgemäßen Zustand, also mangelhaft ist.

a) Das BerGer. hält dies Vorbringen für unbeachtlich. (Wird ausgeführt.)

aa) Grundlage der Erwägungen des BerGer. ist die Annahme, die in dem notariellen Vertrag vom 20. 7. 1990 vorgenommene Abtretung des GmbH-Geschäftsanteils sei mit dem im Schreiben des Kl. an den Bekl. vom 4. 3. 1993 erklärten Verzicht auf die aufschiebende Bedingung der Kaufpreiszahlung „rückwirkend zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses“ (20. 7. 1990) wirksam geworden und habe nach § 15 IV 2 GmbHG für den gleichen Zeitpunkt auch zur Wirksamkeit des Kaufvertrages geführt. Diese Auffassung beruht auf einem Mißverständnis des ersten in dieser Sache ergangenen Senatsurteils vom 21. 9. 1994 (BGHZ 127, 129) und ist unabhängig davon auch nicht richtig.

An der Stelle des Senatsurteils, auf die sich das BerGer. stützt (BGHZ 127, 129, 136 - 137), ging es nicht um eine Rückwirkung der Verzichtserklärung des Kl., sondern allein darum, wie lange die Willensübereinstimmung der Parteien hinsichtlich des Verpflichtungsgeschäfts bestanden haben mußte und von welchem Zeitpunkt an sie an das Verfügungsgeschäft gebunden waren.

Der Verzicht des Kl. auf die aufschiebende Bedingung hatte keine rückwirkende Kraft. Die Rechtsfolgen des einseitigen Verzichts auf die einem Verfügungsgeschäft beigefügte aufschiebende Bedingung durch den Begünstigten können nicht anders beurteilt werden als diejenigen des Eintrittes der Bedingung. Die Wirkungen eines aufschiebend bedingten Rechtsgeschäfts treten aber erst im Zeitpunkt des Eintrittes der Bedingung ein. Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut von § 158 I BGB und ist, soweit ersichtlich, auch unbestritten (BGHZ 10, 69, 72 = NJW 1953, 1099). Entsprechendes gilt für den nachträglichen Verzicht auf eine aufschiebende Bedingung (vgl. Senat, NJW 1958, 1231 = LM BGB, § 127 Nr. 1 - Bl. 770 Rs.; Soergel/M. Wolf, BGB, 12. Aufl., 1988, § 158 Rdn. 33). Durch Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung machen die Parteien die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts von dem Eintritt eines künftigen ungewissen Ereignisses abhängig. Diese zusätzliche Vereinbarung hemmt also zunächst die sofortige Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts. Mit Blick auf das Wirksamwerden eines derartigen Rechtsgeschäfts besteht aber zwischen dem Eintritt der vereinbarten zusätzlichen Wirksamkeitsvoraussetzung und der nachträglichen Beseitigung des entsprechenden Wirksamkeitshemmnisses kein entscheidender Unterschied.

Die Abtretung des GmbH-Geschäftsanteils wurde somit durch den Verzicht auf die aufschiebende Bedingung seitens des Kl., d. h. mit Zugang seines Schreibens vom 4. 3. 1993 beim Bekl. wirksam.

Zum gleichen Zeitpunkt wurden auch der Kaufvertrag als Verpflichtungsgeschäft und damit die Kaufpreisabrede wirksam, denn die Heilung eines wegen Formmangels unwirksamen Verpflichtungsgeschäfts gemäß § 15 III , IV GmbHG setzt die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäftes, also der Anteilsübertragung, voraus; eine rückwirkende Heilung erfolgt also nicht (Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl., 1996, § 15 Rdn. 35; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 14. Aufl., 1995, § 15 Rdn. 20; Scholz/Winter, GmbHG, 8. Aufl., 1993, § 15 Rdn. 78; Rowedder, GmbHG, 3. Aufl., 1997, § 15 Rdn. 16; Hachenburg/Zutt, GmbHG, 8. Aufl., § 15 Rdn. 71). Nach der Rechtsprechung des Senats gilt dies auch bei aufschiebend bedingten Abtretungen von GmbH-Geschäftsanteilen, so daß hier die Heilung des formunwirksamen Verpflichtungsgeschäfts erst mit dem Eintritt der Bedingung oder dem Verzicht auf sie stattfindet (BGH, WM 1989, 256 = NJW-RR 1989, 291; BGHZ 127, 129, 133). Hieran hält der Senat auch gegenüber den in der Literatur vorgebrachten Bedenken (Anmerkung zu BGHZ 127, 129 von M. Wolf in LM GmbHG § 15 Nr. 28 Bl. 373 und 373 Rs.; Schnorbus, MDR 1995, 679, 681) fest.

bb) Aufgrund des Vorbringens des Bekl. über die zwischenzeitlichen Veränderungen und Verschlechterungen des Unternehmens hält das BerGer. Gewährleistungsansprüche des Bekl. für an sich möglich, verneint sie aber im Streitfalle, weil die behaupteten Veränderungen und Verschlechterungen nach Gefahrübergang eingetreten seien. Dadurch, daß der Bekl. alsbald nach Abschluß des Kaufvertrages anstelle des Kl. zum alleinigen Geschäftsführer bestellt worden sei, sei das von der GmbH betriebene Unternehmen an ihn übergeben worden; wenn auch zu diesem Zeitpunkt noch der Kaufvertrag und die Anteilsübertragung unwirksam gewesen seien, sei dem Verhalten der Parteien die Vereinbarung einer Rückbeziehung des Gefahrübergangs im Sinne von § 446 BGB zu entnehmen.

Diese Erwägung des BerGer. ist nicht tragfähig. Allerdings war der Vertrag vom 20. 7. 1990, durch den der Kl. als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH den einzigen Geschäftsanteil an den Bekl. verkaufte und abtrat, auf den Erwerb des von der GmbH betriebenen Unternehmens gerichtet, wie sich aus dem Gesamtinhalt des Vertrages, insbesondere der detaillierten Überleitungs- und Übergaberegelung in II § 5 eindeutig ergibt. Er stellt sich daher als Unternehmenskaufvertrag dar, auf welchen nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Gewährleistungsregelung der §§ 459f BGB anzuwenden ist (vgl. z. B. RGZ 98, 289, 292; 120, 283, 287; BGH, WM 1969, 67 unter II 3 = NJW 1969, 184; WM 1970, 819 unter II; WM 1975, 230 unter I; BGHZ 65, 246, 248 f. = NJW 1976, 236; 85, 367, 370 = NJW 1983, 390; BGH, WM 1984, 936 unter II 1 b cc; WM 1991, 589 unter II 1 = NJW 1991, 1223; Hiddemann, ZGR 1982, 435, 440). Hiernach haftet der Verkäufer eines Unternehmens für Fehler desselben, die bei Gefahrübergang vorhanden sind. Beim Kauf beweglicher Sachen geht die Gefahr mit der Übergabe an den Käufer über (§ 446 I BGB). Dies gilt auch beim Unternehmenskauf, soweit das bewegliche Firmenvermögen in Rede steht, und zwar auch dann, wenn sich der Unternehmensübergang im Wege des Verkaufs und der Abtretung sämtlicher Geschäftsanteile einer GmbH vollzieht (vgl. für die Ablieferung i. S. von § 477 BGB RGZ 98, 289, 293; Hiddemann, aaO, S. 449; Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., 1991, § 459 Rdn. 242, Fußn. 9). Zu dieser Übergabe des Unternehmens ist dessen Verkäufer nach § 433 I 1 BGB verpflichtet; dies gilt auch, wenn sich der Unternehmensverkauf durch Erwerb der Geschäftsanteile einer GmbH vollzieht. Daß in diesem Falle Rechtsträger aller Vermögensbestandteile nicht der veräußernde Alleingesellschafter in Person, sondern die GmbH als juristische Person ist (vgl. insoweit RGZ 120, 283, 287; Soergel/Huber, § 459 Rdn. 289), bietet gewisse äußere Schwierigkeiten nur dann, wenn die GmbH einen Fremdgeschäftsführer hat; sie lassen sich aber auch in diesen Fällen dadurch lösen, daß der Alleingesellschafter als Verkäufer den Geschäftsführer - gegebenenfalls über eine Gesellschafterversammlung - anweist, das bewegliche Firmenvermögen an den Käufer zu übergehen. Hier dagegen war der Kl. Alleingesellschafter und Geschäftsführer und daher auch zur Übergabe ohne weiteres imstande.

Eine zum Gefahrübergang führende Übergabe des Unternehmens an den Beklagten ist aber bisher nicht erfolgt. Mit Recht beanstandet die Revision die Annahme des BerGer., mit der alsbald nach Abschluß des Kaufvertrages im Sommer 1990 vorgenommenen Ablösung des Kl. durch den Bekl. als Geschäftsführer der GmbH und der darin liegenden Übergabe des Unternehmens sei auch die Gefahr auf den Bekl. übergegangen. Der Gefahrübergang im Sinne des § 446 BGB setzt nach allgemeiner Meinung einen wirksamen Kaufvertrag voraus (MünchKomm/H. P. Westermann, BGB, 3. Aufl., 1995, § 446 Rdn. 5; Palandt/Putzo, BGB, 57. Aufl., 1998, § 446 Rdn. 6; Soergel/Huber, § 446 Rdn. 63; RGRK-BGB/Mezger, 12. Aufl., 1978, § 446 Rdn. 4; Erman/Grunewald, BGB, 9. Aufl., 1993, § 446 Rdn. 4). Ein wirksamer Kaufvertrag hat aber im Zeitpunkt der vom Berufungsgericht angenommenen Übergabe des Unternehmens an den Bekl. (Sommer 1990) nicht vorgelegen. Wie ausgeführt, war der Kaufvertrag wegen Verstoßes gegen das Beurkundungsgebot des § 15 IV 1 GmbHG nichtig; auch war eine Heilung durch die gleichzeitig erklärte Abtretung des Geschäftsanteils nicht erfolgt, weil auch die Abtretung wegen Nichteintritts der ihr beigefügten aufschiebenden Bedingung zunächst nicht wirksam war und der Verzicht des Kl. auf die aufschiebende Bedingung keine rückwirkende Kraft entfaltete.

Die vom BerGer. zitierte Kommentarstelle (Palandt/Putzo, BGB, § 446 Rdn. 8) ist für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung. Sie betrifft den Fall, daß der Kaufvertrag unter einer aufschiebenden Bedingung geschlossen worden ist und die Kaufsache schon vor Eintritt der Bedingung übergeben wurde. Bei einer solchen Fallgestaltung kommt eine mit schuldrechtlicher Wirkung vereinbarte Rückbeziehung nach § 159 BGB in Betracht, so daß unter der Voraussetzung des Bedingungseintritts (Senat, WM 1975, 370 unter II 3 = NJW 1975, 776) im Zeitpunkt der Übergabe aufgrund des - noch - unwirksamen Vertrages auch ein Gefahrübergang rückwirkend als erfolgt angenommen werden könnte. Hier aber ist der Anteilskaufvertrag formnichtig und tritt die Heilungswirkung erst im Zeitpunkt des (einseitigen) Verzichts des Kl. auf die aufschiebende Bedingung für die Abtretung als Verfügungsgeschäft ein. Die Übergabe des Unternehmens ist daher auch nicht aus dem Gesichtspunkt des § 159 BGB rückwirkend als aufgrund eines wirksamen Kaufvertrages vollzogen anzusehen.

Nach den Feststellungen des BerGer. ist der Kl., der dem Bekl. im September 1991 aufgrund seiner damals noch bestehenden Stellung als Alleingesellschafter die Befugnis zur Geschäftsführung der GmbH wieder entzogen hat und sie seither wieder selbst ausübt, nach wie vor im Besitz des Unternehmens. Eine Übergabe an den Bekl. hat also bisher nicht stattgefunden; die Gefahr ist daher noch nicht übergegangen.

Daß der Bekl. zwischenzeitlich als Folge des Verzichts des Kl. auf die aufschiebende Bedingung im Juli 1993 Inhaber des einzigen Geschäftsanteils der GmbH ist, ändert daran nichts. Die Übergabe im Sinne des § 446 BGB hat mit der dinglichen Rechtsänderung nichts zu tun (RGZ 93, 330, 331; BGH, WM 1968, 1302 unter III 1 = NJW 1968, 1929; Soergel/Huber, vor § 446 Rdn. 18; § 446 Rdn. 17 u. 25; RGRK-BGB/Mezger, § 446 Rdn. 5).

cc) Nach ständiger Rechtsprechung der für das Immobilien- und das Mobiliarkaufrecht zuständigen Senate des BGH (BGHZ 34, 32, 37 = NJW 1961, 772; NJW 129, 103, 106 = NJW 1995, 1737; vgl. ferner BGHZ 10, 242, 249 = NJW 1953, 1505; 60, 319, 320 = NJW 1973, 1234; BGH, WM 1984, 936 unter II 2 b cc; WM 1991, 545 unter II 1), die von dem überwiegenden Teil der Literatur geteilt wird (RGRK-BGB/Mezger, § 459, Rdn. 29; BGB-RGRK/Ballhaus, 12. Aufl., § 320 Rdn. 19; Soergel/Wiedemann, BGB, 12. Aufl., § 320 Rdn. 51; Erman/Grunewald, aaO Vorbem. § 459 Anm. IV 1; Jauernig/Vollkommer, BGB, 7. Aufl., § 459 Anm. IV 1; Palandt/Putzo, vor § 459 Rdn. 3, § 459 Rdn. 7), kann der Käufer bei Mangelhaftigkeit der Kaufsache Gewährleistungsansprüche (§ 459 ff. BGB) grundsätzlich erst nach Gefahrübergang geltend machen; vor Gefahrübergang bestimmen sich seine Rechte nach den allgemeinen Vorschriften insbesondere der §§ 320 ff. BGB. Nur ausnahmsweise, wenn der Verkäufer den Mangel nicht beheben kann oder seine Beseitigung verweigert, werden ihm auch schon vor Gefahrübergang neben den Rechten aus den allgemeinen Bestimmungen auch Gewährleistungsansprüche zugebilligt. Hieran hält der Senat auch gegenüber der in neuerer Zeit verstärkt vorgebrachten Kritik in der Rechtslehre (Tiedtke, NJW 1995, 3081 ff.; Soergel/Huber, vor § 459 Rdn. 183 - 184, 191, 236, 246, 250; Staudinger/Honsell, BGB, 13. Aufl., 1995, Vorbem. §§ 459 ff. Rdn. 20, 21, 33, § 459 Rdn. 65) fest.

Ein bestimmter Zeitpunkt für die Übergabe des Unternehmens ist nicht ausdrücklich vereinbart. Nach dem Gesamtinhalt von II § 5 des Vertrages vom 20. 7. 1990, der die Überleitung des Unternehmens auf den Bekl. als Erwerber regelt, insbesondere dessen Nr. 5, wonach der Geschäftsführervertrag des Kl. zum 31. 7. 1990 aufgehoben wurde, ist aber davon auszugehen, daß die Übergabe alsbald nach Vertragsschluß erfolgen sollte, der entsprechende Anspruch des Bekl. also jedenfalls jetzt nach Wirksamwerden des schuldrechtlichen Geschäfts fällig ist (vgl. auch § 271 I BGB).

Erweist sich das Vorbringen des Bekl. über die zwischenzeitlichen Veränderungen bzw. Verschlechterungen des Unternehmens als zutreffend, so wäre er berechtigt, eine ihm etwa jetzt vom Kl. angebotene Übergabe zurückzuweisen (BGHZ 114, 34, 40 = NJW 1991, 1675, m. w. Nachw.; Rieble, JZ 1997, 485 ff.; Staudinger/Honsell, Vorbem. §§ 459 ff Rdn. 24, § 459 Rdn. 65; RGRK-BGB/Ballhaus, § 320 Rdn. 19) und die Zahlung des restlichen Kaufpreises zu verweigern (§ 320 I BGB). Die entgegenstehende Auffassung des BerGer. verkennt, daß der Kl. nach § 433 I BGB und der ausdrücklichen Regelung in II § 5 Nr. 3 zur Übergabe des Unternehmens verpflichtet ist, wie bereits ausgeführt wurde. Ferner kann der Bekl. dem Kl. zur Übergabe des Unternehmens in vertragsgemäßem Zustand gemäß § 326 I BGB eine Frist mit Ablehnungsandrohung setzen und nach deren fruchtlosem Ablauf die Rechte aus § 326 I 2, 3 BGB geltend machen (vgl. z. B. Senat, WM 1984, 936 unter II 2 b cc). Ob durch die Regelung in II § 3 Nr. 5 Abs. 1 des Vertrages vom 20. 7. 1990, wonach die Gewährleistungsansprüche des Bekl. auf Minderung des Kaufpreises und Schadensersatz beschränkt wurden, auch das Rücktrittsrecht nach § 326 I 2 BGB ausgeschlossen werden sollte, erscheint angesichts des Wortlauts der Vertragsbestimmung und der Interessenlage wenig wahrscheinlich, bleibt aber der tatrichterlichen Entscheidung durch das BerGer. vorbehalten.

Nach dem Vorbringen des Bekl. kommt auch in Betracht, daß dem Kl. die - fällige (siehe oben) - Übergabe des Unternehmens in vertragsgemäßem Zustand ganz oder teilweise unmöglich ist (vgl. z. B. BGHZ 129, 103, 105 = NJW 1995, 1737; 114, 34, 39 = NJW 1991, 1675; Senat, WM 1984, 936 unter II 2 c). Diese Unmöglichkeit wäre, insbesondere angesichts der Bestimmung in II § 5 Nr. 2 des Vertrages vom 20. 7. 1990, wonach der Kläger bis zur Übergabe den laufenden Geschäftsverkehr im bisherigen Umfang aufrechtzuerhalten hatte und zu außergewöhnlichen Maßnahmen und Rechtsgeschäften der Zustimmung des Beklagten bedurfte, auch vom Kläger zu vertreten. Gemäß § 325 I 1 und 2 BGB wäre danach der Bekl. ebenfalls zum Rücktritt oder zur Forderung von Schadensersatz berechtigt; als Mindestschaden könnte er, was Gegenstand seiner Widerklage ist, die geleistete Anzahlung zurückverlangen (BGHZ 62, 119, 120 = NJW 1994, 692; BGB-RGRK/Ballhaus, § 325 Rdn. 20). Nach § 325 I 3 BGB ständen ihm auch die Rechte aus § 323 I und III BGB zu.

Diesen Ansprüchen des Bekl. könnte der Kl. entgegen der Auffassung des BerGer. nicht mit dem Einwand eigener Vertragsuntreue des Bekl. (vgl. dazu z. B. BGH, WM 1986, 1496 = NJW 1987, 251 unter II 2 b; WM 1994, 215 = NJW-RR 1994, 372 unter II) begegnen. Da der am 20. 7. 1990 geschlossene Kaufvertrag wegen Beurkundungsmangels unwirksam war und der zu dessen Heilung führende Verzicht auf die Bedingung keine rückwirkende Kraft hatte, war der Bekl. - anders als das BerGer. annimmt - bis zu diesem Zeitpunkt weder zur Kaufpreiszahlung verpflichtet, noch imstande, sich gegen den im September 1991 erfolgten Entzug seiner Geschäftsführungsbefugnis seitens des Kl. zur Wehr zu setzen. Nachdem der Kl., der zuvor dem Bekl. unter Berufung auf die Unwirksamkeit des Vertrages die Geschäftsführungsbefugnis entzogen und sich selbst wieder in den Besitz des Unternehmens gesetzt hatte, im März 1993 - mehr als zweieinhalb Jahre nach Abschluß des Kaufvertrages - dessen Wirksamkeit durch den Verzicht auf die aufschiebende Bedingung herbeigeführt hatte, war es in erster Linie seine Sache, durch Angebot der erneuten Übergabe des Unternehmens die Initiative zur nunmehrigen Durchführung des Vertrages zu ergreifen, falls er hierauf trotz des zwischenzeitlichen Rechtsstreits der Parteien noch Wert legte.

3. Da das angefochtene Urteil von seiner Begründung nicht getragen wird, war es aufzuheben (§ 564 I ZPO). Da andererseits auch jetzt noch keine Entscheidungsreife besteht (§ 565 III ZPO), war der Rechtsstreit wegen der erforderlichen weiteren Aufklärung erneut an das BerGer. zurückzuverweisen.

Rechtsgebiete

Kaufrecht

Normen

GmbHG §§ 15; BGB 158, 446