Sonderangebots-Preisschild als AGB und Gewährleistungsausschluß

Gericht

OLG Düsseldorf


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

13. 02. 1997


Aktenzeichen

6 U 137/96


Leitsatz des Gerichts

  1. Der auf von einem Möbelhändler für die Kennzeichnung seiner Sonderangebote verwendeten Preisschilder enthaltene Hinweis „Sonderangebot! Verkauf erfolgt unter Ausschluß jeglicher Gewährleistung“ ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S. des § 1 I AGBG.

  2. Diese Klausel ist nach § 11 Nr. 10a AGBG unwirksam, weil es sich auch bei Sonderangeboten oder Ausstellungsstücken grundsätzlich um neu hergestellte Sachen i.S. des § 11 Nr. 10 AGBG handelt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der kl. Verbraucherverband hat die Bekl., die einen Möbeleinzelhandel betrieb, nach § 13 AGBG auf Unterlassung der im Leitsatz näher bezeichneten Klausel in Anspruch genommen. Die Bekl. bot in ihrer Verkaufsausstellung Möbelstücke, die Lager- bzw. Lieferschäden aufwiesen oder bei denen es sich um Restposten handelte, als Sonderangebote zu einem reduzierten Preis zum Kauf an. Sie bewarb diese Sonderangebote regelmäßig mit etwa 20 x 30 cm großen Hinweisschildern, die sie über den betreffenden Möbelstücken aufhängte. Diese Schilder enthielten einerseits den Preis bei Neubestellung und den reduzierten Preis als Sonderangebot und andererseits den im Leitsatz wiedergegebenen Hinweis.

Das LG hat der Klage stattgegeben und der Bekl. die Verwendung der Klausel im nicht kaufmännischen Betrieb untersagt. Die Berufung der Bekl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Bei der beanstandeten Klausel handelt es sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung i.S. von § 1 I AGBG, die von der Bekl. bei Abschluß der Kaufverträge über Sonderangebote gestellt wird und die gem. §§ 11 Nr. 10a AGBG, 9 I AGBG unwirksam ist.

1. Es handelt sich um eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Klausel. Vertragsbedingungen sind dann vorformuliert, wenn sie vor Vertragsabschluß fertig aufgestellt sind und feststehen. Auf welche Weise die Vorformulierung erfolgt, ist gleichgültig. Ausreichend ist es bereits, wenn die Vertragsbedingungen im Gedächtnis gespeichert werden (BGH, NJW 1988, 410 = LM § 1 AGBG Nr. 11; OLG Köln, VersR 1995, 647 (648); Erman/Hefermehl, BGB, 9. Aufl. (1993), § 1 AGBG Rdnr. 10; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 3. Aufl. (1993), § 1 AGBG Rdnr. 10; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 3. Aufl., § 1 Rdnr. 12; Palandt/Heinrichs, BGB, § 1 AGBG Rdnr. 5). Daß die beanstandete Klausel auf den von der Bekl. gefertigten Hinweisschildern demnach vorformuliert ist, bedarf keiner näheren Erörterung. Die Klausel ist auch für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert. Dies folgt bereits daraus, daß die Bekl. selbst einräumt, ihre Sonderangebote im Rahmen der Verkaufsausstellung regelmäßig mit Hinweis- oder Preisschildern gekennzeichnet zu haben, die die vom Kl. beanstandete Vertragsbedingung enthielten. Damit liegen - unstreitige - Tatsachen vor, die die tatsächliche Vermutung für eine Verwendungsabsicht der Bekl. für eine Vielzahl von Verträgen begründen.

Entgegen der Ansicht der Bekl. kommt es für die Beurteilung der Frage, ob die Klausel für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist, nicht darauf an, ob der Kl. beweisen kann, daß die Bekl. in mindestens drei bis fünf Fällen die Klausel verwendet hat. Denn es ist nicht entscheidend, ob die Vertragsbedingungen tatsächlich bereits in eine Vielzahl von Rechtsgeschäften Eingang gefunden haben, sondern es kommt allein darauf an, daß der Verwender die Einbeziehung in eine Vielzahl von Verträgen bezweckt (nur insoweit gilt die untere Grenze von drei bis fünf Verwendungen) (vgl. dazu Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 7. Aufl., § 1 Rdnr. 23; Wolf/Horn/Lindacher, § 1 Rdnr. 13). Die planmäßige Absicht, die Klausel in einer Vielzahl von Fällen zu verwenden, ergibt sich auch hier daraus, daß die Bekl. die beanstandete Klausel regelmäßig im Rahmen des Verkaufs von Sonderangeboten verwendet hat.

2. Diese Vertragsbedingung wird von der Bekl. auch gestellt oder verwendet i.S. des § 13 ABGB. Dabei ist es für den Unterlassungsanspruch des § 13 AGBG nicht erforderlich, daß die AGB bereits in einen Vertrag einbezogen worden ist. Es genügt, daß sie mit Wiederholungsabsicht in den rechtsgeschäftlichen Verkehr gebracht worden ist. Ausreichend ist daher die Bezugnahme oder der Abdruck in einem Angebot oder eine Aufforderung zur Abgabe eines Angebots oder der Abdruck im Kopf eines Geschäftsbriefs (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, § 13 AGBG Rdnr. 2 m.w. Nachw.). Insoweit können dieselben Grundsätze herangezogen werden, die die Rechtsprechung zum Begriff des „Stellens“ i.S. des § 1 AGBG herausgearbeitet hat. (Wird ausgeführt.)

3. Die Klausel verstößt gegen § 11 Nr. 10a AGBG. Nach dieser Vorschrift ist eine Bestimmung unwirksam, durch die bei Verträgen über Lieferungen neu hergestellter Sachen die Gewährleistungsansprüche gegen den Verwender einschließlich etwaiger Nachbesserungs- und Ersatzlieferungsansprüche insgesamt ausgeschlossen werden. Eine solche Klausel verwendet die Bekl. hier. Neu sind Sachen, die zuvor noch nicht in den Verkehr gelangt und ihrem bestimmungsgemäßen Gebrauch zugeführt worden sind (Wolf/Horn/Lindacher, Vorb. § 11 Nr. 10 Rdnr. 3 m.w. Nachw.). Noch nicht in den Verkehr gelangt sind Sachen, wenn sie vom Hersteller oder Händler zur Weiterveräußerung an Endbenutzer oder Endverbraucher angeboten werden und nicht zuvor für eigene Zwecke benutzt worden sind (Wolf/Horn/Lindacher, Vorb. § 11 Nr. 10 Rdnr. 3). Auch Waren zu Discountpreisen, die noch nicht im Gebrauch waren, sowie sonstige Sonderangebote stellen nach der Verkehrsauffassung neu hergestellte Waren dar (Wolf/Horn/Lindacher, § 11 Nr. 10 Rdnr. 30 m.w. Nachw.). Ein Erwerber erwartet bei einem als Sonderangebot verkauften Ausstellungsstück eine volle Gebrauchstauglichkeit und Funktionsfähigkeit. Soweit kleinere Mängel vorliegen, die zu einem Preisnachlaß geführt haben können, führt dies nicht dazu, diese Sache nicht mehr als neu ansehen zu können. Denn „neu“ bedeutet nicht „fehlerfrei“ (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1991, 1464, unter Hinw. auf BGH, NJW 1980, 2127 = LM § 459 BGB Nr. 55). Darüber hinaus sind solche unwesentlichen Veränderungen der Ware auch nicht der einzige denkbare Grund für ein „Sonderangebot“. Zutreffend hat der Kl. drauf hingewiesen, daß sich Sonderangebote beispielsweise im Schlußverkauf, bei Lagerräumung oder Einlagerung einer neuen Möbelkollektion finden. Auch als „Sonderangebote“, wie von der Bekl. auf ihren Hinweisschildern bezeichnet, offerierte Waren können daher als neu hergestellte Sachen angesehen werden. Hinsichtlich solcher Sachen ist ein Gewährleistungsausschluß unwirksam.

Aber auch wenn man die von der Bekl. verkauften Ausstellungsstücke als gebrauchte Sachen ansehen würde, wäre die Klausel unwirksam. Denn insoweit wäre die Klausel an § 9 AGBG, insbesondere an § 9 II Nr. 1 AGBG i.V. mit §§ 459ff . BGB zu messen (vgl. dazu Wolf/Horn/Lindacher, Vorb. § 11 Nr. 10 Rdnr. 12). Ein Gewährleistungsausschluß bei solchen Ausstellungsstücken wäre aber nur insoweit zulässig, als offensichtlich Mängel davon erfaßt werden, die der Kunde bei Abschluß des Kaufvertrags bemerken muß. Unzulässig ist es jedoch, die generelle Funktionsfähigkeit der Ausstellungsstücke unter den Gewährleistungsausschluß fallen zu lassen, wie es die Bekl. mit der Klausel einschränkungslos formuliert. Dies hätte zur Folge, daß dem Kunden auch hinsichtlich eines Möbelstücks, das sich erst nach Anlieferung als völlig funktionsuntauglich, etwa weil es völlig morsch ist, herausstellt, keine Gewährleistungsansprüche zustünden. Das benachteiligt den Kunden der Bekl. entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und führt zur Unwirksamkeit der von der Bekl. verwendeten Klausel.

Rechtsgebiete

Kaufrecht; Verbraucherschutzrecht

Normen

AGBG §§ 1, 9, 11 Nr. 10, 13