Bartagame im Terrarium einer Mietwohnung und vorformuliertes Tierhaltungsverbot

Gericht

AG Essen


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

18. 07. 1995


Aktenzeichen

9 C 109/95


Leitsatz des Gerichts

Ist die Tierhaltung generell - außer bei Zierfischen und Ziervögeln - laut Mietvertrag untersagt, so ist eine solche Klausel dahin gehend auszulegen, dass Kleintiere wie beispielsweise auch Bartagame in der Regel gehalten werden dürfen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. ist Eigentümerin und Vermieterin eines Hauses, in dem sie selbst und die Bekl. wohnen. Nach § 15 des von den Parteien am 17. 1. 1994 geschlossenen Mietvertrages heißt es: „Tiere, auch Haustiere, mit Ausnahme von Zierfischen und Ziervögeln, dürfen nicht gehalten werden. Abweichende Vereinbarungen müssen im Einzelfall von den Parteien getroffen werden." Die Bekl. halten zwei Bartagame, eine exotische Echsenart von ca. 30 cm Länge, in einem Terrarium.

Die Klage mit dem Antrag, den Bekl. die Haltung der Bartagame, die aufgrund ihrer Vergleichbarkeit mit Ratten zu Unruhe unter den Mietern und damit zu einer Störung des Hausfriedens führen könnten, zu untersagen, hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der einzige in Betracht kommende Anspruch auf Unterlassung aus § 550 BGB besteht nicht. Es liegt kein vertragswidriger Gebrauch der Mietsache durch unerlaubte Haustierhaltung vor. Der vertragsgemäße Gebrauch bestimmt sich nach der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung. Nach § 15 des zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrages dürfen Tiere, auch Haustiere, mit Ausnahme von Zierfischen und Ziervögeln, nicht gehalten werden. Abweichende Vereinbarungen müssen nach § 15 im Einzelfall von den Parteien getroffen werden.

Die in § 15 enthaltene Klausel ist wirksam und gültig. Sie verstößt nicht gegen § 3 oder § 9 AGBG. Die Klausel ist nicht überraschend i.S. des § 3 AGBG. Sie taucht in vielen Formularmietverträgen auf. Es ist bekannt, daß das Halten von Haustieren in gemieteten Wohnungen nicht uneingeschränkt zulässig bzw. möglich ist. Klauseln zur Tierhaltung entsprechend der vorliegenden Art sind in Formularmietverträgen, die Vermieter üblicherweise zur Regelung von Mietverhältnissen benutzen, nicht selten oder ungewöhnlich. Die Klausel benachteiligt den Mieter auch nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Der Vermieter hat eine gewisse Regelungsbefugnis, schon um sich selbst vor etwaigen Minderungsansprüchen des einen Mieters wegen des Verhaltens anderer Mieter zu schützen. In einem von mehreren Mietern bewohnten Haus können die Interessen der Mieter, die Haustiere halten, und derjenigen, die keine halten, sehr gegenläufig sein. Im Hinblick auf die Gefahr solch widerstreitender Interessen obliegt dem Vermieter eine Schutzfunktion (AG Hamburg-Bergedorf, NJW-RR 1991, 1413). Der Vermieter muß die Möglichkeit haben, bei derartigen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mietern etwaige daraus resultierende Störungen des Hausfriedens zu verhindern. Klauseln zur Tierhaltung der vorliegenden Art sind insoweit als ein Instrument der Kontrolle mit dem Zweck zu sehen, das friedliche und einvernehmliche Zusammenleben der jeweiligen Hausgemeinschaft zu gewährleisten. Der Vermieter will sich bei der Verwendung dieser Klauseln noch nicht endgültig zur Frage der Tierhaltung festlegen, sondern will dies vom jeweiligen Einzelfall abhängig machen. Eine abweichende Vereinbarung für den Einzelfall ist zwischen den Parteien nicht getroffen worden.

Die Formularklausel, nach der die Tierhaltung mit Ausnahme von Zierfischen oder Ziervögeln verboten ist, ist dahin auszulegen, daß sich die Ausnahme auch auf andere Kleintiere bezieht (Sternel, MietR, Rdnr. 168; Schmidt-Futterer/Blank, MietR, S. 422; Emmerich/Sonnenschein, MietR, § 535 Rdnr. 75). Die Haltung von Kleintieren ist stets erlaubt und bildet einen Teil des vertragsgemäßen Gebrauchs (Staudinger/Emmerich, BGB, 12. Aufl., § 535 Rdnr. 75). Dies beruht darauf, daß von Kleintieren grundsätzlich keine Beeinträchtigung der Mietsubstanz und störende Auswirkungen zu erwarten sind und der Vermieter deshalb an einer Einflußnahme auf eine Kleintierhaltung kein Interesse haben kann (LG Essen, NJW-RR 1991, 908; AG Berlin-Charlottenburg, NJW-RR 1986, 176). Die von den Bekl. gehaltenen Bartagame sind als solche Kleintiere anzusehen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob zudem das Berufen auf die Tierhaltungsklausel seitens der Kl. in Ermangelung einer nachgewiesenen Störung des Hausfriedens als rechtsmißbräuchlich angesehen werden muß.

Die in Augenschein genommenen Bartagame haben eine Größe von ca. 30 bis 40 cm. Bei Bartagamen handelt es sich um eine vorwiegend in Australien beheimatete Echsenart, die zu der Familie der Agamen zählt.

Von diesen Agamen gibt es eine in Europa (Griechenland) beheimatete Art, den Hardun. Die Nahrung der Bartagame besteht aus Insekten, Kerbeltieren, Gliederfüßern, Würmern, aus Blüten und Blättern, wobei sie besonders Löwenzahn bevorzugen. Der Name Bartagame rührt von der großen, mit spitzen Stacheln besetzten Kinnfalte her. Selbst in der freien Natur sind die Tiere wenig scheu und neigen kaum dazu, vor dem Menschen zu flüchten. Wenn man sich nicht durch ihre Drohhaltung abschrecken läßt, kann man sie leicht packen. Bei Bedrohung bläht sich die Bartagame auf und öffnet weit ihr Maul. Diese Art der Verteidigung dient allerdings nur dazu, den Gegner - meist artfremde Feinde - zu verblüffen. Trotz ihres dann gefährlich anmutenden Äußeren ist diese nicht übermäßig lebhafte Agame völlig harmlos (GrzimeksTierleben VI, Kriechtiere, 1971, S. 218-220; Knaus, Tierreich in Farben, Reptilien, 1969, S. 56-59). Auch während der Verhandlung verhielten sich die Tiere völlig ruhig und liefen nicht herum. Eine Flinkheit konnte nicht festgestellt werden. Aufgrund ihrer passiven Verhaltensweise und ihrer Haltung in einem Terrarium steht nicht zu befürchten, daß die Tiere außerhalb der Wohnung gelangen könnten. Beeinträchtigungen der Mietsubstanz oder sogar eine Gefährdung der Mitmieter sind nahezu ausgeschlossen. Auch eine anderweitige störende Auswirkung, die von den Tieren ausgehen soll, kann nicht festgestellt werden.

Die Grundsätze, die das LG Essen zur Haltung einer Ratte in einem Terrarium entwickelt hat, (LG Essen, NJW-RR 1991, 908) können auf die Haltung von Bartagamen in einem Terrarium nicht übertragen werden. Dort ist entschieden worden, daß, selbst wenn die Ratte aus dem Terrarium nicht entweichen könne, von ihr aber dennoch anderweitige Störungen ausgingen. Gegen Ratten bestünden innerhalb der Bevölkerung große Vorbehalte, sie würden Ekel auslösen, mit Krankheiten in Verbindung gebracht und als Ungeziefer betrachtet. Diese verbreiteten Ansichten würden dazu führen, daß in einem Mietshaus mit mehreren Parteien Widerwillen von Nachbarn gegen eine Ratte zu erwarten sei. Allein dies könne zu einer Störung des Hausfriedens führen, ohne daß es darauf ankomme, daß die Attribute, die mit Ratten assoziiert würden, zutreffend seien. Es bestehe daher ein Interesse des Vermieters daran, auf eine Rattenhaltung Einfluß nehmen zu können (LG Essen, NJW-RR 1991, 908). Die Abneigung, die in der Bevölkerung gegenüber Ratten besteht, kann nicht mit der gegenüber Echsen gleichgesetzt werden. Die althergebrachte Furcht vor Ratten beruht hauptsächlich auf der Gefahr der Krankheitsübertragung, da Ratten z.B. Überträger von Pest und Trichinen sind. Ferner werden ihre körperliche Schnelligkeit und Aggressivität sowie ihre unzählige Weitervermehrung als beängstigend angesehen. All diese Gefahren bestehen bei Bartagamen gerade nicht.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB § 550; AGBG §§ 3, 9