Hundehaltungserlaubnis und freies Vermieterermessen

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

15. 10. 1998


Aktenzeichen

67 S 143/98


Leitsatz des Gerichts

Enthält der Mietvertrag eine Klausel, die für eine Tierhaltung die schriftliche Genehmigung des Vermieters erfordert, so kann der Vermieter frei entscheiden, ob er eine Hundehaltung dulden will.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die kl. Mieter, die sich einen Hund angeschafft haben, begehren Verurteilung des Vermieters zur Duldung der Hundehaltung. Dieser beruft sich auf eine Mietvertragsklausel, wonach eine Tierhaltung seiner schriftlichen Zustimmung bedarf. Das AG hat derKlage stattgegeben. Die Berufung der Kl. hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Berufung ist auch trotz des Nichterreichens der Mindestbeschwer des § 511a I ZPO gem. § 511a II ZPO zulässig, da die angefochtene Entscheidung von dem Rechtsentscheid des OLG Hamm vom 13. 1. 1981(DWW 1981, 48 = NJW 1981, 1626 L) abweicht. In dieser Entscheidung hat das OLG Hamm festgestellt, daß, wenn in einem Mietvertrag über eine Wohnung vereinbart ist, daß eineTierhaltung des Mieters der schriftlichen Zustimmung des Vermieters bedarf, und sich aus dem Gesamtverhalten der Parteien vor, bei und nach Vertragsschluß keine Anhaltspunkte für einen anderweitigen Vertragswillen ergeben, die Entscheidung, ob der Vermieter die Zustimmung zur Haltung einesHundes in der Mietwohnung erteilen oder versagen will, seinem freien Ermessen unterliegt. Unter Abweichung von dieser Entscheidung ist das AG dagegen von einem gebundenen Ermessen der Bekl. ausgegangen und hat geprüft, ob deren Versagung der Hundehaltung durch sachliche und gewichtige und konkrete auf den Fall bezogene Gründe gerechtfertigt war. DieVornahme einer solchen Interessenabwägung hätte jedoch nicht stattfinden dürfen.

Die hier vorliegende Klausel des § 9 Nr. 4 des Mietvertrags vom 14. 4. 1991 entspricht derjenigen, die der Entscheidungdes OLG Hamm zugrunde lag. Vorliegend ist aus den Umständen auch kein abweichender Vertragswille der Parteien erkennbar. Insbesondere läßt sich aus der Klausel Nr. 16 der Anlage zum Mietvertrag, in der bestimmt ist, daß die Außen-und Gartenanlagen nicht als Auslauf für Hunde genutzt werden dürfen, nicht der Wille der Bekl. ableiten, daß eine Hundehaltung grundsätzlich gestattet sein soll. Die Untersagung der Benutzung der Außenanlagen kann auch allein für besuchsweise sich im Hause aufhaltende Hunde bestimmt sein oder nur für den Ausnahmefall, daß ein Hund aus besonderen Gründen nicht untersagt werden darf, wie z.B. ein Blindenhund.

Die strittige Klausel ist auch nicht unter dem Gesichtspunktdes Verstoßes gegen Bestimmungen des AGB-Gesetzes unwirksam. Es ist nicht ersichtlich, daß es sich bei der dem Rechtsentscheid zugrundeliegenden Vertragsklausel um eine Individualvereinbarung gehandelt hat. Die Gründe der Entscheidung geben für die Annahme einer Individualvereinbarung nichts her. Die ausdrückliche Erwähnung, daß es sich umein Mietverhältnis in einem Mehrfamilienhaus handelt, läßt die von den Kl. getroffene Schlußfolgerung jedenfalls nicht zu. Der erkennende Senat hat lediglich für den Fall, daß keine mietvertragliche Regelung vorliegt, in Erwägung gezogen, obwegen der geltenden Praxis davon ausgegangen werden muß, daß die Haltung eines Hundes zum gewöhnlichen Wohngebrauch gehört und insofern der Vermieter bei der Versagung der Hundehaltung an die Ausübung eines pflichtgemäßen Ermessens gebunden sein könnte, dies aber im Ergebnis verneint.Schließlich sind diese Überlegungen für den vorliegenden Fall aber nicht erheblich, da die Parteien eine vertragliche Regelung getroffen haben. Soweit durch die Entscheidung des BGH vom 15. 5. 1991 (NJW 1991, 1750 = LM § 9 [Ca]AGBG Nr. 4) festgestellt worden ist, daß ein formularmäßiger Erlaubnisvorbehalt dann unwirksam ist, wenn die Erlaubnis schriftlich erteilt werden muß, führt dies auch nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel, sondern nur zur Unwirksamkeit des Schriftformerfordernisses.

Die Kammer kann sich auch nicht der Auffassung der Kl. anschließen, wonach die strittige Klausel im Mietvertrag gestrichen wordensie. Zwar ist über dem Text teilweise eine handschriftliche Durchstreichung vorhanden, diese bezieht sich aber offensichtlich nur auf die darüber befindlichen Klauseln des § 9 Nrn. 1 bis 3. Daß die Nr. 4 nicht auch noch gestrichen werden sollte, ergibt sich daraus, daß dieLeerstelle, in der eine Zahl für die Anzahl der Tage, an denen der vorübergehende Aufenthalt von Tieren gestattet sein soll, eingesetzt werden kann, mit der Zahl „14„ ausgefüllt worden ist.

II. Auch in der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg. Da die Versagung der Hundehaltung dem freien Ermessen der Bekl. unterliegt, besteht für die Kl. kein Anspruch auf die Erteilungeiner Erlaubnis für die Haltung eines Hundes. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn die Bekl. rechtsmißbräuchlich gehandelt hätte. Auf den Einwand des Rechtsmißbrauchs können sich die Kl. aber nicht berufen. Es ist nicht ersichtlich, daß die Kl. oder deren Kinder aus besonderen gesundheitlichen Gründen (Beispiel: Blindenhund) auf einen Hund angewiesen wären. Daß die Kinder bereits eine emotionale Bindung zu ihrem Tier entwickelt haben und eine Trennungvon ihm schmerzlich empfinden werden, ist zwar nachvollziehbar, jedoch von den Kl. selbst verschuldet, da diese den Hund angeschafft haben, ohne zuvor die mietrechtliche Erlaubnis dafür einzuholen. Daraus, daß sie sich zunächst vertragswidrig verhalten haben, kann für die Bekl. keine spätere rechtliche Bindung entstehen. Auch aus dem Umstand, daßmöglicherweise bereits zwei Hunde in der Wohnanlage geduldet werden, folgt noch keine Selbstbindung der Bekl. Würde man dies bejahen, dann wäre schon bei der Zulassung nur eines einzigen Hundes das freie Ermessen entfallen, wasdazu führen würde, daß die Bekl. entweder überhaupt keinen Hund oder aber jeden Hund dulden müßte. Ebenso unerheblich ist es, daß die Bekl., die selbst nicht in der Wohnanlage wohnt, einen eigenen Hund besitzt. Der übrige Vortrag derKl. bezüglich der günstigen örtlichen Gegebenheiten für die Haltung eines Hundes, daß die Nachbarn keine Einwände gegen das Tier hätten und daß dieses auch in einer Hundeschule unterrichtet wird, ist unerheblich, da eben keine Interessenabwägung vorzunehmen ist.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB § 535