Fristlose Gewerberaumkündigung durch Klageerhebung wegen ständig unpünktlicher Mietzahlung

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

06. 11. 1996


Aktenzeichen

XII ZR 60/95


Leitsatz des Gerichts

  1. Es liegt eine schwere Pflichtverletzung des Mieters von Geschäftsräumen vor, wenn er die Mieten ständig unpünktlich bezahlt und ihm infolgedessen eine Vielzahl von Prozessen auferlegt werden. Diese Pflichtverletzung gibt dem Vermieter das Recht, fristlos zu kündigen.

  2. Verlangt der Vermieter in einer Klageschrift die Räumung und Herausgabe der Geschäftsräume, so kann in diesem Falle angenommen werden, dass damit auch eine fristlose Kündigung ausgesprochen wurde.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Zwischen den Parteien bestand ein Mietvertrag über gewerbliche Räume zum Betrieb einer chemischen Reinigung. Im Rahmen des Mietverhältnisses führte die Kl. als Vermieterin wegen wiederholter Mietzinsrückstände des Bekl. mehrere Rechtsstreitigkeiten gegen ihn. In einem vor dem LG Stuttgart geführten Räumungsverfahren schlossen die Parteien am 15. 9. 1989 zur Erledigung des Rechtsstreits einen Vergleich. Darin wurde u.a. vereinbart, daß das Mietverhältnis, statt wie bisher vorgesehen am 31. 7. 1994, erst am 31. 7. 1996 enden (Nr. 1a des Vergleichs) und daß die Miete ab 1. 10. 1989 unverändert bis zum 31. 7. 1996 monatlich 2260 DM zzgl. 316,40 DM MWSt, insgesamt also 2576,40 DM, betragen sollte. Gem. § 2 Nr. 2 Mietvertrag mußte die Kündigung des Mietverhältnisses schriftlich erfolgen. Nach einem von der Kl. 1992 wegen Mietzinsrückständen des Bekl. angestrengten gerichtlichen Verfahrens, das nach Zahlung der Rückstände in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde, geriet der Bekl. 1993 erneut mehrfach in Zahlungsverzug, und zwar zahlte er die geschuldeten Mieten mit Verspätungen zwischen 8 bzw. 14, 17, 19, 22 und 27 sowie 54, 56, 57, 68 und (im Mai) 112 Tagen. Die Kl. mahnte den Bekl. wegen der unpünktlichen Zahlungen jedenfalls mit einem Schreiben vom 6. 9. 1993 ab. Der Zugang weiterer Mahnungen ist streitig. Am 24. 12. 1993 übergab der Geschäftsführer der Komplementärin der Kl., M, dem Bekl. persönlich in den Räumen der chemischen Reinigung ein von dem Prozeßbevollmächtigten der Kl., Rechtsanwalt Dr. E, in deren Auftrag gefertigtes, an den Bekl. gerichtetes Schreiben vom 21. 12. 1993, in dem wegen der wiederholten unpünktlichen Mietzahlungen die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses erklärt wurde. Außerdem übergab der Geschäftsführer M dem Bekl. eine von der Kl. ausgestellte Prozeßvollmacht für Rechtsanwalt Dr. E zur „Mietvertragskündigung“ vom 23. 12. 1993. Zwischen den Parteien ist streitig, ob das Originalkündigungsschreiben und die Vollmachtsurkunde mit der Originalunterschrift des Geschäftsführers M übergeben wurden oder jeweils eine Telekopie (Fax). Der Prozeßbevollmächtigte des Bekl. wies die Kündigung mit Schreiben vom 27. 12. 1993 als inhaltlich nicht gerechtfertigt sowie wegen Fehlens einer Originalvollmacht zurück. Zeitgleich mit der Kündigung erhob die Kl. Räumungsklage gegen den Bekl.

Das LG gab der Klage statt und verurteilte den Bekl. antragsgemäß zur Räumung und Herausgabe der gemieteten Räume. Auf die Berufung des Bekl. änderte das OLG dieses Urteil ab und wies die Klage ab. Die Revision der Kl. führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und Wiederherstellung des Urteils des LG (Räumung und Herausgabe des Mietobjekts).

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das OLG hat die außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses durch die Kl. vom 21./24. 12. 1993 für unwirksam gehalten.

1. Es hat allerdings einen Kündigungsgrund nach § 554a BGB bejaht, weil in den ständigen unpünktlichen Mietzahlungen des Bekl. unter den gegebenen Umständen und angesichts der Vielzahl der aus diesem Grund geführten Prozesse eine schwerwiegende Pflichtverletzung i.S. von § 554a BGB zu sehen sei. Dieser Beurteilung, die der bereits von dem LG vertretenen Auffassung entspricht, und gegen die sich die Revision - als der Kl. günstig - nicht wendet, schließt sich der Senat an (vgl. Palandt/Putzo, BGB, 54. Aufl., § 554a Rdnr. 6; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 6. Aufl., § 554 Rdnr. 10; Wolf/Eckert, Hdb. d. gewerblichen Miet-, Pacht- u. LeasingR, 7. Aufl., Rdnr. 998; Sternel, MietR, 3. Aufl., IV Rdnr. 511). Den Ausführungen, mit denen sich die Revisionserwiderung hiergegen wendet, ist nicht zu folgen.

Daß sich der Bekl. am 24. 12. 1993 nicht mit Mietzinszahlungen im Rückstand befand, steht der Annahme eines Kündigungsgrundes i.S. von § 554a BGB nicht entgegen. Soweit die Revisionserwiderung geltend macht, die Kl. habe den Bekl. (unstreitig) nicht abgemahnt, trifft dies nicht zu. Nach der Feststellung des BerGer. ist jedenfalls die Abmahnung mit Schreiben der Kl. vom 6. 9. 1993 unstreitig, während weitere Mahnungen streitig sind.

2. a) Das OLG hat jedoch die abgegebene Kündigungserklärung als nicht wirksam angesehen, da sie die nach § 2 Nr. 2 Mietvertrag vereinbarte Schriftform gem. §§ 127 , 126 BGB nicht gewahrt habe. Hierzu hat das Gericht ausgeführt:

Nach dem - von der Kl. unzulässigerweise mit Nichtwissen bestrittenen - Vortrag des Bekl. habe dieser sowohl das Kündigungsschreiben als auch die beigelegte Vollmacht lediglich als Fax bzw. Faxkopie erhalten. Das reiche nicht aus. Zwar genüge die Übermittlung von Schriftstücken per Fax grundsätzlich der privatschriftlichen Form des § 127 BGB. Im vorliegenden Fall sei die Erklärung des Klägervertreters aber nicht unmittelbar per Fax an den Bekl. gegangen, sondern zunächst der Kl. übermittelt und von deren Geschäftsführer dem Bekl. persönlich überbracht worden. Angesichts dieser Übermittlungsart habe der Bekl. dem Fax nicht entnehmen können, ob es sich tatsächlich um eine Erklärung des unterzeichnenden Rechtsanwalts gehandelt habe, die ihm (dem Bekl.) mit Willen des Unterzeichners ausgehändigt worden sei. Die Übergabe einer Fernkopie per Boten des Erklärenden sei mit so vielen Unsicherheiten belastet, daß sie auch die gewillkürte Schriftform nicht zu wahren vermöge. Eine etwaige mündliche Kündigung des Geschäftsführers M vom 24. 12. 1993 wäre gem. §§ 127 , 125 BGB unwirksam. In der Räumungsklage sei im vorliegenden Fall ebenfalls keine Kündigung zu sehen. Denn die Kl. beziehe sich in der Klageschrift nur auf die - von ihrem Geschäftsführer persönlich übergebene - Kündigungserklärung vom 21. 12. 1993. Der Klageschrift sei daher unter den gegebenen Umständen nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit eine eigenständige materiellrechtliche Kündigungserklärung der Kl. zu entnehmen.

b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis nicht stand. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob nicht entgegen der Auffassung des OLG davon auszugehen ist, daß der Geschäftsführer M mit der persönlichen Übergabe des im Auftrag der Kl. von dem von ihr hierzu bevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. E gefertigten Kündigungsschreibens an den Bekl. am 24. 12. 1993 (vgl. hierzu § 174 S. 2 BGB sowie Soergel/Leptien, BGB, 12. Aufl., § 174 Rdnr. 4; Steffen, in: RGRK, 12. Aufl., § 174 Rdnr. 2) in einer dem Erfordernis der gewillkürten Schriftform gem. § 127 S. 1 und S. 2 BGB nach dem Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses (vgl. dazu BGHZ 97, 283 (285) = NJW 1986, 1759 = LM § 519 ZPO Nr. 82) hinreichend Rechnung tragenden Weise - und damit insgesamt rechtswirksam - die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses erklärt hat. Dem BerGer. kann nämlich jedenfalls darin nicht gefolgt werden, daß in der Räumungsklage unter den hier gegebenen Umständen eine Kündigung nicht enthalten sei. Wie das OLG selbst nicht verkennt, kann gemäß h.M. in Rechtsprechung und Schrifttum in der Räumungsklage eine - zuvor nicht oder nicht wirksam erklärte - (erneute) Kündigung liegen, wenn mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen ist, daß die Klageschrift neben der Prozeßhandlung auch eine materiellrechtliche Willenserklärung enthalten und nicht lediglich der Durchsetzung einer bereits außerprozessual erklärten Kündigung dienen soll (vgl. BGH, NJW-RR 1989, 77 = LM § 571 BGB Nr. 31 = WM 1989, 153 (155); Grapentin, in: Bub/Treier, Hdb. d. Geschäfts- u. Wohnraummiete, 2. Aufl., IV Rdnr. 24; Wolf/Eckert, Rdnr. 895). Das ist entgegen der Auffassung des BerGer. hier der Fall. Insoweit ist der Senat zu eigener Auslegung der Klageschrift und zur Ermittlung des in ihr verkörperten Willens der Kl. anhand der erkennbaren Umstände befugt (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, ZivilprozeßR, 15. Aufl., § 65 III (S. 356)).

Mit der Klageschrift hat die Kl. u.a. nach dem Klageantrag zu 1 beantragt, den Bekl. zur Räumung und Herausgabe der näher bezeichneten Mieträume zu verurteilen. Zur Begründung des Begehrens hat sie im einzelnen dargelegt, wie häufig der Bekl. mit den ihm obliegenden Mietzahlungen in Verzug geraten sei mit der Folge, daß sie, die Kl., gerichtliche Verfahren habe einleiten und Beitreibungsmaßnahmen habe durchführen müssen. Sodann ist sie fortgefahren: „Die Kl. hat die Zahlungsrückstände des Bekl. zahlreiche Male - u.a. mit Mahnungen vom 9. 8., 16. 8., 23. 8., 30. 8., 1. 9. oder 15. 9. 1993 - angemahnt. Wiederholt und unmißverständlich hat sie ferner den Bekl. auf seine vertragliche Verpflichtung zur fristgerechten Zahlung hingewiesen, zuletzt mit in - Anlage K 3 - vorgelegtem und dem Bekl. persönlich übergebenen Schreiben vom 6. 9. 1993. Auch hierdurch sah sich der Bekl. nicht gehindert, ständig und erneut in Zahlungsverzug zu geraten. Fortdauernde unpünktliche Mietzahlung stellt einen Grund zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages gem. § 554a BGB dar." Anschließend hat sie auf ihr Kündigungsschreiben vom 21. 12. 1993 verwiesen.

Mit diesen Ausführungen, und zwar insbesondere mit dem Hinweis darauf, daß die fortlaufenden unpünktlichen Mietzahlungen einen Kündigungsgrund i.S. von § 554a BGB darstellten, hat die Kl. - auch für den Bekl. hinreichend deutlich erkennbar - zum Ausdruck gebracht, daß sie das Mietverhältnis aus dem genannten Grund gem. § 554a BGB mit sofortiger Wirkung beendet sehen wolle und daß die Klage erhoben werde mit dem Ziel, die fristlose Auflösung des Mietverhältnisses zu erreichen. Das reicht aus, um (auch) in der Klageerhebung eine rechtswirksam erklärte fristlose Kündigung des Mietvertrages wegen grober Pflichtverletzung des Bekl. gem. § 554a BGB zu sehen.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB § 554a