„Fensterln“ als Grund für fristlose Kündigung eines Mieters

Gericht

AG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

30. 11. 1999


Aktenzeichen

33 C 2982/99-67


Leitsatz des Gerichts

Ein bayerischer Brauch, in der Nacht mittels Leiter in die Wohnung einer Mitmieterin einzusteigen, muss nicht in anderen Landesteilen - hier Frankfurt a.M. - Bestandteil kulturellen Erbes sein. Eine solche Handlungsweise kann als Hausfriedensbruch gedeutet werden und rechtfertigt eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses ohne Räumungsfrist.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. ist Vermieter, der Bekl. Mieter einer Wohnung im Erdgeschoss in Frankfurt a.M. auf Grund Mietvertrags vom 1. 10. 1979. In der Nacht vom 4. auf den 5. 8. 1999 stieg der Bekl. nachts gegen 1.30 Uhr etwas angetrunken mittels zweier zusammengebundener Leitern durch ein Fenster im 1. Obergeschoss in die Wohnung einer Mitmieterin ein. Nachdem diese um Hilfe rief, entfernte sich der Bekl. wieder aus der Wohnung. Der Kl. kündigte hierauf das Mietverhältnis mit Schreiben vom 9. 8. 1999 fristlos.

Die Räumungsklage hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das nächtliche Einsteigen mittels zweier zusammengebundener Leitern durch ein Fenster im 1. Obergeschoss in eine fremde Wohnung gegen den Willen der Mitmieterein stellt eine nachhaltige Störung des Hausfriedens dar, der zu einer Kündigung auch ohne Abmahnung gem. § 554a BGB berechtigt. Insofern ist der streitige Vortrag der Parteien, ob die Mieterin durch den Bekl. über das Eindringen in ihre Wohnung hinaus noch angegriffen und gewürgt worden ist, nicht entscheidungsrelevant. Das nächtliche Eindringen in eine im 1. Geschoss liegende Wohnung kann auch nicht - wie der Bekl. vorträgt - zu den etwas derberen Streichen, die in anderen Landesteilen als Bestandteil des kulturellen Erbes gelten mögen, gerechnet werden. In der Stadt Frankfurt a.M. gilt ein nächtliches Einsteigen in fremde Wohnungen gegen den Willen der Bewohner nicht als Bestandteil eines kulturellen Erbes und erfüllt vielmehr den Tatbestand des Hausfriedensbruchs gem. § 123 StGB. Eine vorherige Abmahnung des Bekl. vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung war nicht erforderlich. Es liegt eine eindeutige und schwerwiegende Pflichtverletzung mit strafrechtlicher Relevanz vor, welche nicht zuletzt auch durch den hierauf erfolgten Polizeieinsatz mit Ingewahrsamsnahme deutlich geworden ist.

Durch das Verhalten des Bekl. wurde der Hausfrieden nachhaltig gestört, so dass dem Kl. die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht weiter zugemutet werden kann. Betroffen von einer Störung des Hausfriedens als Pflichtverletzung sind nicht nur der Vertragspartner, sondern auch sämtliche Mitbewohner des Hauses. Zwar kann nur der Vertragspartner kündigen; jedoch kann er dies auch aus Gründen, die unmittelbar die gestörten Hausbewohner betreffen, weil er diesen gegenüber zur Aufrechterhaltung des Hausfriedens verpflichtet ist. Der Pflichtverstoß des Bekl. erweist sich als so schwerwiegend, dass dem Kl. die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht weiter zugemutet werden kann. Hierbei findet auch Berücksichtigung, dass der Bekl. sein nächtliches Einsteigen als „Streich“ qualifizieren und somit verharmlosen möchte.

Eine Räumungsfrist gem. § 721 ZPO war nicht zu gewähren.

Rechtsgebiete

Mietrecht; Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht

Normen

BGB § 554a; StGB § 123