Vermieterhaftung für schlechten Treppenzustand

Gericht

OLG Köln


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

24. 01. 1996


Aktenzeichen

11 U 212/95


Leitsatz des Gerichts

  1. Vermieter sind verpflichtet, die Treppen in einem Zustand zu erhalten, der den Benutzern nicht mehr als die übliche, auch durch die Bauweise bedingte Sorgfalt abverlangt und vermeidbare zusätzliche Gefahren ausschließt.

  2. Löcher und Risse im Teppichbelag einer Treppe bedeuten selbst dann eine vom Sicherungspflichtigen abzustellende Gefährdung, wenn sie bei aufmerksamem Hinsehen durchaus erkennbar sind. Diese Verkehrssicherungspflicht entfällt nicht, wenn die Schadhaftigkeit des Teppichs, zumindest seine extreme Abnutzung, dem Mieter bekannt ist.

  3. Aus der Gefahrenkenntnis kann ein anspruchsminderndes Mitverschulden (§ 254 BGB) abzuleiten sein.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl., Geschäftsführerin einer GmbH, die in dem Hause der bekl. Vermieter Geschäftsräume angemietet hat, macht Ansprüche wegen eines Sturzes im Treppenhaus geltend, den sie auf Löcher im Belag der Treppe zurückführt. Die Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Zwar folgt aus dem von dem Sachverständigen B in seinem Gutachten vom 12. 6. 1993 festgehaltenen Zustand des Treppenbelags in dem Haus, daß die Bekl. ihre Verkehrssicherungspflicht gegenüber ihren Mietern und den sonstigen Besuchern des Hauses verletzt hatten. Es ist jedoch nicht bewiesen, daß die Beschaffenheit des Belags für den Unfall der Kl. ursächlich war.

Nach dem eigenen Vorbringen der Bekl. war der auf der Treppe verlegte Teppichboden bereits im Sommer 1991 schadhaft und hatten sie deshalb in dem mit der B & W-GmbH, deren Geschäftsführerin die Kl. war, abgeschlossenen Mietvertrag die Verlegung eines neuen Teppichbodens im Treppenhaus zugesagt. Sie waren aber als Hauseigentümer und Vermieter ohnedies verpflichtet, die Treppen in einem Zustand zu halten, der den Benutzern nicht mehr als die übliche, auch durch die Bauweise bedingte Sorgfalt abverlangte und vermeidbare zusätzliche Gefährdungen ausschloß. Risse und Löcher im Teppichboden begründeten ein erhöhtes Unfallrisiko, nämlich die Gefahr, beim Abwärtsgehen darin hängenzubleiben und zu stürzen. Mit derartigen Gefahren rechnen Benutzer einer Treppe in einem Wohn- oder Geschäftshaus gemeinhin nicht. Beim Begehen einer Innentreppe beschränkt sich die Aufmerksamkeit normalerweise auf das sichere, vollflächige Auftreten auf den einzelnen Stufen, zumal auf einer gewendelten Treppe, bei der die Stufen an der Innenwange schmaler sind. Mehr Achtsamkeit ist i.d.R. schon deswegen nicht zu fordern, weil die Stufen jeweils nur sehr kurz voll im Blickfeld des Benutzers liegen. Der flüchtige Eindruck, der dabei gewonnen wird, reicht aus, um den Fuß richtig zu plazieren, aber kaum, um Schadstellen zu registrieren und ihnen auszuweichen. Das Maß der von dem Verkehrssicherungspflichtigen geforderten Vorsorge bestimmt sich nach den in dem jeweiligen Verkehrsraum typischerweise vorkommenden Situationen (BGH, NJW 1988, 1588 = BGHR § 823 I BGB - Verkehrssicherungspflicht 12). Für die Anforderungen an die Gefahrensicherungen sind insbesondere die Sicherungserwartungen des Verkehrs maßgebend (BGH, NJW 1985, 1076). Löcher und Risse im Teppichbelag einer Treppe bedeuten danach selbst dann eine vom Sicherungspflichtigen abzustellende Gefährdung, wenn sie bei aufmerksamem Hinsehen durchaus erkennbar sind.

Diese Verkehrssicherungspflicht oblag den Bekl. auch gegenüber der Kl. und entfiel nicht etwa deswegen, weil diese von der Schadhaftigkeit des Teppichs, zumindest von seiner extremen Abnutzung, positiv Kenntnis hatte. Zwar sind die Sicherungsanforderungen herabgesetzt gegenüber Gefahren, die jedem vor Augen stehen müssen und vor denen man sich deshalb durch die zu verlangende eigene Vorsicht ohne weiteres selbst schützen kann (BGH, NJW 1985, 1076 (1077)). Hier handelte es sich indessen nicht um solche ins Auge springende Schäden, die bei jeder Benutzung der Treppe sozusagen vor sich selbst warnten. Vielmehr war es auf die Dauer unvermeidlich, daß Mieter, die die Treppe täglich mehrmals benutzten, früher oder später die erforderliche erhöhte Aufmerksamkeit für die ihnen an sich bekannten Gefahrenstellen einmal nicht aufbrachten und deshalb zu Schaden kamen. Die Gefahr solcher gelegentlicher Unaufmerksamkeit, nicht zuletzt infolge Gewöhnung an den Zustand der Treppe, lag so nahe, daß die Bekl. ihr hätten vorbeugen und den Belag auswechseln müssen. Eine andere Frage ist, wieweit aus der Gefahrenkenntnis der Kl. ggf. ein anspruchsminderndes Mitverschulden (§ 254 BGB) abzuleiten wäre (vgl. dazu BGH, VersR 1965, 190; 1967, 877 (878)). Hier scheitert die Schadensersatzforderung der Kl. aber bereits daran, daß sie den Nachweis der Ursächlichkeit der Treppenschäden für ihren Sturz nicht erbracht hat.

Aus dem von der Kl. vorgelegten Gutachten des Sachverständigen B geht hervor, daß der Teppichbodenbelag auf der Treppe zwischen dem 1. und 2. Obergeschoß, auf der die Kl. zu Fall gekommen ist, zwar insgesamt stark abgenutzt war, aber nur an der 5. und der 13. Stufe - von unten gezählt - akute Unfallgefahr wegen Löchern oder Rissen bestand. Die erheblich schadhafte 13. Stufe, die zweite von oben, kommt als Unfallstelle nach der Beschreibung sowohl der Kl. selbst als auch der Zeugin F nicht in Betracht, die Stelle lag auf jeden Fall tiefer. Die 5. Stufe scheidet aber ebenfalls aus, sie liegt zu tief. Das dort von dem Sachverständigen vorgefundene Loch wäre mit seiner Länge von nur 1,5 cm wohl auch zu klein gewesen, als daß die Kl. es mit dem kräftigen Absatz ihres Schuhs gerissen haben oder darin hängen geblieben sein könnte. Die Kl. hat zunächst einen Fall über etwa 10 Stufen bis zum Podest in der ersten Etage behauptet, sich zuletzt jedoch auf die 6. Stufe als Unfallausgangsort festgelegt. Diese Stufe war indessen unbeschädigt.

Nach der Erinnerung der Zeugin wurde aber der abgerissene Absatz noch weiter oberhalb, auf einer Stufe im mittleren Bereich der Treppe vorgefunden. Die Zeugin hat auch die Behauptung der Kl., der Absatz habe im Treppenbelag festgesteckt, nicht bestätigt, sondern angegeben, er habe lose auf einer Stufe gelegen. Für den Bereich zwischen der 5. und der 13. Stufe hat der Sachverständige nun aber lediglich eine latente Unfallgefahr in dem Sinne festgestellt, daß dort die Stoßkanten so abgenutzt seien, daß sie innerhalb kürzester Zeit einzureißen drohten.

Damit kann nicht ausgeschlossen werden, erscheint es sogar als naheliegend, daß die Kl. unabhängig von der Beschaffenheit des Treppenbelags gestürzt ist, weil sie falsch aufgetreten und mit der Sohle ihres linken Schuhs über eine Stufenkante nach vorne weggerutscht ist, wodurch sie vornüber fiel und der Absatz des Schuhs abbrach.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB § 823 I