Wirksamkeit von AGB-Klauseln über private Vorsorge bei Arbeitslosigkeit
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
24. 03. 1999
Aktenzeichen
IV ZR 90/98
Zur Wirksamkeit von Klauseln in Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Vorsorge bei Arbeitslosigkeit mit geregeltem Anspruch auf Beitragsrückerstattung (PVA 96).
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Der Kl. ist ein rechtsfähiger Verein, der nach seiner Satzung die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung wahrnimmt. Die Bekl. ist ein bundesweit tätiges Versicherungsunternehmen. Sie bietet eine Versicherung zur privaten Vorsorgebei Arbeitslosigkeit an. Die von ihr für diese Versicherung aufgestellten und verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Vorsorge bei Arbeitslosigkeit mit geregeltem Anspruch auf Beitragsrückerstattung (PVA 96) enthalten unter anderem folgendeKlauseln:
§ 1. Gegenstand der Versicherung. Die V-AG (nachstehend V genannt) bietet dem Versicherungsnehmer während der Wirksamkeit des Vertrages Versicherungsschutz bei Verdienstausfall als Folge von unfreiwilliger Arbeitslosigkeit. Sie gewährt im Leistungsfall eine zusätzliche monatliche Leistung zum Arbeitslosengeld. Sie garantiert daneben entweder zum Vertragsende oder bei Kündigung des Versicherungsvertrages Erstattung der in der Rückstellung für Garantieleistungen verzinslich angesammelten Beitragsteile. . . .
§ 3. Begriff der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit. (1) Unfreiwillige Arbeitslosigkeit i.S. dieser Bedingungen liegt vor, wenn der Arbeitgeberdas bestehende Arbeitsverhältnis aus Gründen, die nicht in der Person des Versicherungsnehmers liegen, wirksam gekündigt hat. (2) Unfreiwillige Arbeitslosigkeit i.S. dieser Bedingungen liegt auch dann vor, wenn der Arbeitgeber und der Versicherungsnehmer das Arbeitsverhältnis einvernehmlich durch Aufhebungsvertrag beendet haben.
§ 5. Beginn und Ende des Versicherungsschutzes; Wartezeit. (1) DerVersicherungsschutz tritt 24 Monate nach dem im Versicherungsantrag bezeichneten Beginn in Kraft (Wartezeit). . . .
§ 6. Leistung bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit. . . . (2) Die Versicherungsleistung darf zusammen mit dem Arbeitslosengeld 90 Prozent des aus dem Arbeitsverhältnis herrührenden monatlichen Nettoeinkommens nicht übersteigen. Maßgebend für die Berechnung des Nettoeinkommens ist der Durchschnittsverdienst der letzten 3 Monate vor Eintritt der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit. Setzt sich das Nettoeinkommen überwiegend aus Provisionseinkünften zusammen, ist dasdurchschnittliche Nettoeinkommen der letzten 12 Monate bei der Berechnung zugrunde zu legen. Sonderzahlungen wie Überstundenentgelt, Weihnachts- und Urlaubsgratifikationen oder Jubiläumszuwendungen finden keine Berücksichtigung. . . .
§ 11. Leistungsausschlüsse bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit. . . . (2) Ferner ist die Leistung ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber das bestehende Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt hat.
§ 22. Willenserklärungen und Anzeigen. Willenserklärungen und Anzeigen gegenüber der V bedürfen der Schriftform. Zu ihrer Entgegennahme sind Versicherungsvermittler nicht bevollmächtigt.
Auf der Rückseite des von der Bekl. verwendeten Versicherungsantrags-Formulars sind so bezeichnete „Erläuterungen„ abgedruckt, darunter: „Telefonische Information: Der Versicherungsnehmer ist bisauf Widerruf damit einverstanden, daß er künftig im Rahmen des Versicherungsverhältnisses sowie im Hinblick auf weitere Versicherungs- und Finanzdienstleistungen der Versicherungsgruppe auch telefonisch informiert und beraten wird.„ Der Kl. verlangt von der Bekl., es zu unterlassen, die Klauseln der §§ 3 Nr. 1, 5 Nr. 1, 6 Nr. 2 S. 2, 11 Nr. 2, 22 S. 2 PVA 96 und die auf der Rückseite des Antragsformulars enthaltene Einwilligung zur telefonischen Information oder inhaltlich gleiche Klauseln unter Meidung eines Ordnungsgeldes zu verwenden, es sei denn, gegenüber einem Kaufmann im Rahmen dessen Geschäftsbetriebs.
Das LG hat der Klage hinsichtlich der §§ 3 Nr. 1, 5 Nr. 1, 6 Nr. 2 S. 2, 11 Nr. 2 PVA 96 stattgegeben; im übrigen hat es die Klage abgewiesen (VuR 1997, 167). Auf die Berufung beider Parteien hat das BerGer. der Bekl. die Verwendung der Klausel § 22 S. 2 PVA 96 untersagt und die Klage im übrigen abgewiesen (VersR 1998, 627). Mit der zugelassenen Revision verfolgte der Kl. seine Klageanträge weiter, soweit sie erfolglos geblieben sind. Die Bekl. hat Anschlußrevision eingelegt mit dem Ziel, daß die Klage auch hinsichtlich des § 22 S. 2 PVA 96abgewiesen wird. Die Revision des Kl. hatte hinsichtlich der Klauseln § 3 Nr. 1 PVA 96 und „Telefonische Information„ Erfolg. Wegen der weiteren Klauseln blieb ihr der Erfolg versagt. Die Anschlußrevisionder Bekl. hatte Erfolg.
Auszüge aus den Gründen:
A. Die Revision des Kl. I. Zu § 3 Nr. 1 PVA 96:
1. Das BerGer. hat die Regelung des § 3 Nr. 1 PVA 96 als nach § 8 AGBG kontrollfrei angesehen. Zur Begründung ist es von der Rechtsprechung des BGH zu § 8 AGBG ausgegangen und hat ausgeführt, diese Klausel enthalte eine nähere Definition des Begriffs der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit als dem Gegenstand der Versicherung. Der Sache nach schließe sie den Versicherungsschutz aus, wenn der Arbeitgeber das bestehende Arbeitsverhältnis aus Gründen, die in der Persondes Versicherungsnehmers liegen, wirksam gekündigt habe. Damit greife die Bekl. auf § 1 II KSchG zurück, der zwischen der personenbedingten, der verhaltensbedingten und der betriebsbedingten Kündigung unterscheide. Die Bekl. wolle demgemäß lediglich für die verhaltens- sowie die betriebsbedingte Kündigung Versicherungsschutz bieten. Der Zweck der Klausel bestehe darin, den Kern des Versicherungsvertrags, also das Hauptleistungsversprechen, zu konstituieren.
Das BerGer. hat nicht erörtert, ob auch auf der Grundlage seiner Annahme, daß es sich bei § 3 Nr. 1 PVA 96 um eine kontrollfreie Leistungsbeschreibung handele, diese Klausel einerPrüfung nach dem Transparenzgebot zu unterziehen ist. Das könnte sich aus einer Auslegung des § 8 AGBG ergeben, bei der auch Art. 4 II der EG-Richtlinie über mißbräuchlicheKlauseln in Verbraucherverträgen (v. 5. 4. 1993, ABlEG Nr. L 95) zu berücksichtigen sein kann (vgl. Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 3. Aufl., § 8 Rdnr. 1; Art. 4 EG-Richtlinie Rdnr. 2; Brandner, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG,8. Aufl., Vorb. § 8 Rdnr. 6, § 8 Rdnr. 4b, § 9 Rdnr. 168; Präve, NVersZ 1998, 49 [unter III 2] m.w. Nachw.).
2. Die Frage, ob und inwieweit Art. 4 II der genannten EG-Richtlinie mit heranzuziehen ist, braucht hier nicht vertieft zu werden. Denn das BerGer. hat den Zweck und die Reichweitedes § 8 AGBG, wie sie in der Rechtsprechung des BGH schon bisher zum Ausdruck gekommen sind, verkannt. § 3 Nr. 1 PVA 96 gehört nicht zu dem engen Bereich, der durch § 8 AGBG einer gerichtlichen Kontrolle entzogen ist.
a) § 8 AGBG beschränkt die Inhaltskontrolle nach §§ 9 bis 11 AGBG auf Klauseln, die von Rechtsvorschriften abweichen oder diese ergänzen. Die Vorschrift soll, so die Begründung desRegierungsentwurfs, weder eine Kontrolle der Preise oder Leistungsangebote ermöglichen, noch sollen Vorschriften anderer Gesetze modifiziert werden (BT-Dr 7/3919, S. 22). Da das Gesetz den Vertragspartnern grundsätzlich freistellt, Leistung und Gegenleistung im Vertrag frei zu bestimmen, unterliegenbloße Abreden über den unmittelbaren Gegenstand der Hauptleistung (sog. Leistungsbeschreibung) der gesetzlichen Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz ebensowenig wie Vereinbarungen über das von dem anderen Teil zu erbringendeEntgelt (st. Rspr., BGHZ 93, 358 [360] = NJW 1985, 3013 = LM § 9 AGBG Nr. 8 m.w. Nachw.). Der gerichtlichen Inhaltskontrolle entzogene Leistungsbeschreibungen sind solche, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen.Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, sind hingegen inhaltlich zu kontrollieren. Damit bleibt für die der Überprüfung entzogene Leistungsbeschreibung nur der enge Bereich derLeistungsbeschreibung, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann (st. Rspr., vgl. BGHZ 127, 35 [41] = NJW 1994, 2693 = LM H. 1/1995 § 9 [Bk] AGBG m.w. Nachw.). Zu diesem engen Bereich gehört § 3 Nr. 1 PVA 96 nicht.
b) Nach § 1 I PVA 96 bietet die Bekl. dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz bei Verdienstausfall als Folge vonunfreiwilliger Arbeitslosigkeit. Sie verspricht eine zusätzliche monatliche Leistung zum Arbeitslosengeld. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob die Gesamtheit dieser Regelung diekontrollfreie Leistungsbeschreibung ausmacht. Jedenfalls hat die Bekl. mit ihr das Hauptleistungsversprechen so beschrieben, daß der wesentliche Vertragsinhalt bestimmt werden kann. Diese Leistungsbeschreibung reicht aus, um einen wirksamen Vertrag anzunehmen. Dagegen gehört § 3 Nr. 1 PVA 96nicht mehr zum kontrollfreien Minimum, ohne das dem Vertrag ein so wesentlicher Bestandteil fehlte, daß ihm die Wirksamkeit zu versagen wäre. Diese Regelung definiert die unfreiwillige Arbeitslosigkeit in der Weise, daß sie sie auf die Fälle beschränkt, in denen der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus Gründen kündigt, die nicht in der Person des Versicherungsnehmers liegen. Damit modifiziert die Bekl. ihr mit § 1 I PVA 96 gegebenes Hauptleistungsversprechen von Leistungen bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit in einschränkender Weise. Sie schließt mit § 3 Nr. 1 PVA 96 Leistungen dann aus, wennder Versicherungsnehmer aus Gründen arbeitslos wird, die in seiner Person liegen.
c) Aus dem vom BerGer. herangezogenen Urteil des BGH vom 25. 11. 1992 (NJW-RR 1993, 407 = LM H. 7/1993 AVB f. KrankentagegeldVers. Nr. 12 = VersR 1993, 297 [unterII 1]) ergibt sich nichts anderes. Der BGH hat in jener Entscheidung generell darauf hingewiesen, daß nach § 8 AGBG das Leistungsversprechen keiner Inhaltskontrolle unterliege und deshalb hingenommen werden müsse, wenn der Versicherer weitergehende Leistungen als geschehen nicht versprochenhabe. Zur Abgrenzung zwischen kontrollfreiem Hauptleistungsversprechen und kontrollfähiger, weil einschränkender, verändernder, ausgestaltender oder modifizierender Beschreibung, hat der Senat in jenem Urteil nicht Stellung genommen.
3. a) Ob die Bestimmung des § 3 Nr. 1 PVA 96 den Versicherungsnehmer nach den gesetzlichen Konkretisierungen des § 9 II AGBG unangemessen benachteiligt, dürfte zweifelhaft sein.Bei der Beurteilung, ob die Bestimmung von einem wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung abweicht, sind die gesetzlichen Vorschriften über Sozialversicherungen außer Betracht zu lassen. Auch wenn die private Versicherungbei Arbeitslosigkeit im Gesamtgefüge sozialer Sicherung eine wichtige Funktion einnehmen kann, ist die Privatversicherung nach ihren eigenen privatrechtlichen Regelungen und ihremeigenen Vertragszweck zu beurteilen. Die Gesetze zur Sozialversicherung geben wegen ihrer Andersartigkeit und ihrer anderen Leistungsvoraussetzungen keinen tauglichen Maßstab zur Beurteilung her, ob private Versicherungen den Versicherungsnehmer unangemessen benachteiligen. Grundgedanken privatrechtlicher Gesetze stehen zur Beurteilung einer privatenArbeitslosenversicherung nicht zur Verfügung.
Auch eine Gefährdung des Vertragszwecks läßt sich nicht ohne weiteres feststellen. Nach § 1 I PVA 96 bezweckt die Versicherung den Schutz des Versicherungsnehmers bei Verdienstausfall als Folge von unfreiwilliger Arbeitslosigkeit. Wenn der Versicherer diesen Versicherungsschutz einschränken will, istdies grundsätzlich seiner freien unternehmerischen Entscheidung zu überlassen, soweit er mit der Beschreibung der Hauptleistung beim Versicherungsnehmer nicht falsche Vorstellungen erweckt. Diese Fragen bedürfen indessen keiner abschließenden Beantwortung, denn entscheidend ist, daß der Versicherer dem Versicherungsnehmer klar und verständlichvor Augen führt, was dieser erwarten kann. Daran fehlt es hier mit der Folge, daß § 3 Nr. 1 PVA 96 den Versicherungsnehmer wegen Verstoßes gegen das sich aus § 9 AGBG ergebendeTransparenzgebot unangemessen benachteiligt. Die Bestimmung ist deshalb unwirksam.
b) Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, daß die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Vertragspartnerverständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, daß die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen läßt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGHZ 136, 394 [401] = NJW 1998, 454 = LM H. 7/1998 § 9 [Bk] AGBG Nr. 34). Diesen Erfordernissenentspricht § 3 Nr. 1 PVA 96 nicht. Mit ihrem Hauptleistungsversprechen knüpft die Bekl. in § 1 I S. 1 PVA 96 an die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit an. Mit ihrer Einschränkung des Versicherungsschutzes in § 3 Nr. 1 PVA 96 wechselt die Bekl. den Begriff, indem sie auf eine Kündigung abstellt, derenGründe nicht in der Person des Versicherungsnehmers liegen. Unfreiwillig arbeitslos kann aber auch werden, wem aus Gründen gekündigt wird, die in seiner Person liegen. Es magsein, daß die Bekl. mit ihrer Definition des § 3 Nr. 1 PVA 96 an die Unterscheidung von personen-, verhaltens- und betriebsbedingter Kündigung des § 1 II KschG anknüpfen will und dafür auch gute Gründe hat. Dies kommt in der Formulierung des § 3 Nr. 1 PVA 96 aber nicht zum Ausdruck. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer kann solche Differenzierungen nicht erkennen. Ihm bleibt unklar, was die Bekl. mit einer personenbedingten Kündigung i.S. einer unfreiwilligenArbeitslosigkeit sagen will (vgl. Schwintowski, VuR 1997, 175; Kieninger, VersR 1998, 1071 [1074f.]). Beispiele, die dies erläutern könnten, hat die Bekl. nicht gegeben. Der Umfang des vereinbarten Versicherungsschutzes ist deshalb fürden durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der sich um ein Verständnis der Regelungen in ihrem Zusammenhang bemüht, undurchschaubar.
II. Zu § 5 Nr. 1 PVA 96: 1. Das BerGer. hat die Regelung über eine 24monatige Wartezeit für kontrollfähig gehalten.Die Revisionserwiderung tritt dem entgegen. Sie meint, diese Bestimmung unterfalle schon deshalb nicht der Kontrolle nach § 9 AGBG, weil die Wartezeit wesentlich von dem versichertenRisiko abhänge. Es handele sich um eine Mindestvoraussetzung für eine bedarfsgerechte Bildung einigermaßen homogener Risikokollektive, die auch dann kontrollfrei bleiben müsse, wenn sie sich mit der allgemeinen Beschreibung des versicherten Risikos decke. Es gehe - im Gegensatz zur Vertragslaufzeit - um eine sachgerechte und die Interessen der in einer Risikogemeinschaft zusammengeschlossenen Versicherten berücksichtigende Ausgestaltung des versicherten Risikos. Diese Argumentation widerlegt die Kontrollfähigkeit der Klauselnicht. Sie ist zwar nachvollziehbar, gehört aber in den Bereich der nach § 9 I AGBG erforderlichen Interessenabwägung. Das BerGer. hat zutreffend ausgeführt, daß Wartezeiten Einschränkungen des Hauptleistungsversprechens (vgl. oben I 2a) unddamit kontrollfähige Nebenabreden sind. Die Wartezeit des § 5 Nr. 1 PVA 96 modifiziert das Hauptleistungsversprechen einer Zahlung bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit, indem derVersicherungsnehmer während der ersten 24 Monate keinen Zahlungsanspruch hat, auch wenn er während dieser Zeit unfreiwillig arbeitslos wird. Der wesentliche Vertragsinhalt wäre auch ohne die Regelung einer Wartezeit hinreichend bestimmbar. Damit hindert § 8 AGBG nicht die Kontrolle nach § 9 AGBG.
2. Die Regelung des § 5 Nr. 1 PVA 96 ist nicht unwirksam, denn sie belastet den Versicherungsnehmer nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, § 9 AGBG.Auch darin ist dem BerGer. zuzustimmen.
a) Soweit die Bekl. mit der Wartezeit bezweckt, sich vor solchen Schadensfällen zu schützen, die bereits bei Vertragsschluß angelegt waren, sind schon keine Anhaltspunkte für eine unangemessene Benachteiligung gegeben. Das sieht auch der Kl. nicht anders. Richtig ist, daß eine Wartezeit von immerhin 24 Monaten nicht erforderlich ist, um diesem berechtigten Interesse des Versicherers zu genügen. In der Abwehr des subjektiven Risikos erschöpft sich das berechtigte Interesse der Bekl. an einer Wartezeit von 24 Monaten aber nicht.
b) Das BerGer. hat ausgeführt, die Wartezeit diene ersichtlich auch der Ansparung für künftige Versicherungsleistungen.Die Regelung sei damit Ausdruck des Versicherungsprinzips i.S. einer Äquivalenz zwischen Beitrags- und Versicherungsleistung. Diese Überlegungen treffen zu und führen zu dem Ergebnis, daß § 5 Nr. 1 PVA 96 den Versicherungsnehmer nicht in einem solchen Maße belastet, das zur Unwirksamkeit nach§ 9 AGBG führt. Der Kl. ist der Auffassung, das Hinausschieben des materiellen Versicherungsschutzes, um dem Versicherer ein Ansparen zu ermöglichen, sei dem Versicherungsrecht fremd. Nach dem Grundsatz der Gefahrengemeinschaft aller Versicherten werde ein Schaden, der von den bis dahin gezahlten Prämien des einzelnen Versicherungsnehmers nicht gedeckt sei, durch die von der Gemeinschaft aufgebrachten Mittel gedeckt. Für ein Ansparen in bezug auf den einzelnen Versicherungsvertrag bestehe deshalb keine sachliche Notwendigkeit. Diese Darlegungen zwingen nicht zu der Beurteilung, eineWartezeit von 24 Monaten durch Allgemeine Versicherungsbedingungen zu vereinbaren, sei dem Versicherer nach § 9 AGBG untersagt.
Es muß grundsätzlich dem Versicherer überlassen bleiben, in welcher Weise er die Deckung seiner vertraglichen Leistungen durch Prämien kalkuliert. Die Vorstellung von der Gefahrengemeinschaft aller Versicherten macht es nicht erforderlich, den Versicherungsschutz mit dem Zeitpunkt beginnen zulassen, in dem auch die Pflicht des Versicherungsnehmers beginnt, Prämien zu zahlen. Die Regelung über eine Wartezeit wird auch nicht dadurch unzulässig, daß der durchschnittliche Versicherungsnehmer ihren versicherungstechnischen Hintergrund nicht erkennt. Entscheidend ist, daß die Regelung hinreichend klar in dem Sinne ist, daß der Versicherungsnehmerbei Abschluß des Vertrags erkennen kann, er bekommt erst nach 24 Monaten Versicherungsschutz, auch wenn er die Prämien schon bei Beginn des Vertrags zahlen muß. Unter diesem Gesichtspunkt der Klarheit ist § 5 Nr. 1 PVA 96 nicht zu beanstanden. Die Bestimmung weicht auch nicht von einem wesentlichen Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung ab, § 9 II Nr. 1 AGBG. Denn solche Regelungen, an denen eine private Versicherung gegen das Risiko eines Verdienstausfalls bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit gemessen werden könnte, hält das Gesetz nicht bereit. Insbesondere sind auch bei der Beurteilung der Wartezeit die gesetzlichen Regelungen aus der Sozialversicherung kein tauglicher Maßstab, weil diese Versicherungen unter anderen, nicht vergleichbaren Gesichtspunktenkalkuliert sind. Die Dauer von 24 Monaten ist zwar erheblich. Sie überschreitet aber noch nicht die Grenze, jenseits der gesagt werden könnte, der Vertragszweck sei gefährdet, § 9 II Nr. 2 AGBG. Eine Versicherung, die Leistungen bei Arbeitslosigkeit verspricht, ist auf längere Dauer angelegt. Auch wennder Versicherungsnehmer 24 Monate warten muß, bis er Leistungen aus der Versicherung erwarten kann, verfehlt eine solche Versicherung doch nicht von vornherein ihren Zweck. Für den einzelnen Versicherungsnehmer kann es durchaus sinnvoll sein, für den späteren Fall einer unfreiwilligen Arbeitslosigkeitrechtzeitig vorzusorgen und eine Wartezeit von 24 Monaten in Kauf zu nehmen.
c) Schließlich hält die Regelung der 24monatigen Wartezeit auch einer Kontrolle am Maßstab der Generalklausel des § 9 I AGBG stand. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen dann unangemessen, wenn der Verwender entgegen den Geboten von Treu und Glauben einseitig eigene Interessen auf Kostendes Vertragspartners durchzusetzen sucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen (BGHZ 96, 182 [192] = NJW 1986, 424 = LM § 9 [Cl ] AGBG Nr. 21). Indessen zeigt eine Abwägung der Interessen beiderVertragsparteien (vgl. auch BGHZ 127, 35 [42f.] = NJW 1994, 2693 = LM H. 1/1995 § 9 [Bk] AGBG Nr. 22), daß die Bekl. mit der Regelung der Wartezeit nicht allein ihre Interessen durchzusetzen versuchte. Es muß davon ausgegangen werden, daß ohne die Ansparphase von 24 Monaten und bei dannsofort einsetzendem Versicherungsschutz der Versicherungsnehmer eine höhere Prämie als Gegenleistung hätte zahlen müssen. Mit der Ansparzeit unternimmt die Bekl. den Versuch, die Prämien zugunsten des Versicherungsnehmers niedrig zu halten. Es tritt hinzu, daß die Bekl. zugunsten des Versicherungsnehmers durch § 20 Nrn. 1, 3 PVA 96 einen gewissen Ausgleich geschaffen hat. Nach dieser Regelung kann der Versicherungsnehmer kündigen, wenn der Versicherungsfall innerhalb der Wartezeit eingetreten ist. Im Falle der Kündigunggarantiert der Versicherer die Erstattung der in der Rückstellung für Garantieleistungen verzinslich angesammelten Beitragsteile, § 1 I S. 1 PVA 96.
III. Zu § 6 Nr. 2 S. 2 PVA 96: Das BerGer. hat in der Anknüpfung an den Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate vor Eintritt des Versicherungsfalls bei der Berechnung des Nettoeinkommens keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers gesehen. Das trifft unter jedem Gesichtspunkt des § 9 AGBG zu. Zwar ist der Kl. der Auffassung,es hätte ein längerer Zeitraum als drei Monate zugrunde gelegt werden müssen. Anderenfalls wäre eine Gleichbehandlung der Versicherungsnehmer nicht gewährleistet, weil während derdrei Monate der einzelne Versicherungsnehmer aufgrund besonderer Umstände ein geringeres Einkommen als vorher bezogen haben könnte. Diese Überlegungen führen jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Klausel. Zum einen ist auch bei einer längeren Vergleichszeit nicht ausgeschlossen, daß in ihr Monate mit einem geringeren Einkommen enthalten sind. Liegendiese früher als drei Monate vor Eintritt des Versicherungsfalls, stünde sich der Versicherungsnehmer sogar schlechter als bei der beanstandeten Regelung. Zum anderen muß dem Versicherer ein Spielraum für Pauschalierungen zugestanden werden, soweit er damit die Grenzen nicht überschreitet, die ihm die Gebote von Treu und Glauben, § 9 I AGBG, ziehen. Das istmit der Vergleichszeit von drei Monaten zur Berechnung des Nettoeinkommens nicht der Fall.
IV. Zu § 11 Nr. 2 PVA 96: 1. Das BerGer. hat in dem Ausschluß des Versicherungsschutzes bei fristloser Kündigung des Arbeitsverhältnisses keinen Verstoß gegen § 9 AGBG gesehenund zwar sowohl bei verhaltens-, wie auch bei personen- und betriebsbedingter Kündigung. Bei der Druckkündigung (Kündigung auf Verlangen eines Dritten) werde es sich häufig um eine personen- oder verhaltensbedingte Kündigung handeln.Lediglich dann, wenn es an einer objektiven Rechtfertigung der Drohung fehle, komme eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen in Betracht. In solchen Fällen werde der Arbeitgeber aber unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit regelmäßig gehalten sein, lediglich eine ordentliche Kündigung auszusprechen. Diese Ausführungen nimmt die Revision zumAnlaß, die Klausel des § 11 Nr. 2 PVA 96 für intransparent zu halten. Die arbeits- und kündigungsrechtliche Unterscheidung zwischen personen- und verhaltensbedingter Kündigung seimaßgeblich, komme in der Formulierung der Klausel aber nicht zum Ausdruck. Sie werde für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht hinreichend deutlich. Wenn schondas BerGer. Schwierigkeiten habe, die einzelne Fallgruppe, etwa die der Druckkündigung, einer bestimmten Kündigungskategorie zuzuordnen, so dürften die notwendigen Differenzierungen den Verständnishorizont eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers bei weitem überschreiten. Dieser Argumentation des Kl. könnte nähergetreten werden, wenn ihr Ausgangspunkt richtig wäre. Auf eine Differenzierung einzelner Kündigungsgründe kommt es aber nicht an. Nach demeinfachen und für jeden durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohne Schwierigkeiten zu verstehenden Wortlaut der Klausel schließt jede fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses Leistungen der Bekl. aus. Eine Intransparenz der Regelung ist deshalb nicht festzustellen.
2. § 11 Nr. 2 PVA 96 benachteiligt auch im übrigen den Versicherungsnehmer nicht unangemessen, § 9 AGBG. Der Versicherer gewährt nach seinem Hauptleistungsversprechen in § 1 Nr. 1 S. 1 PVA 96 Versicherungsschutz bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit. In der großen Zahl der Fälle wird bei einer fristlosen Kündigung die Arbeitslosigkeit nicht unfreiwillig herbeigeführt sein. Soweit Fälle denkbar sind, in denen bei fristloser Kündigung doch eine unfreiwillige Arbeitslosigkeit vorliegt, ist der Versicherer nicht gehindert, diese von seinem Leistungsversprechen auszunehmen. Das Herausnehmen dieser Fälleaus dem Versicherungsschutz gefährdet den Vertragszweck noch nicht, weil ihre Zahl sehr gering ist.
V. Zur Klausel „Telefonische Information„: 1. Das BerGer. ist mit dem LG davon ausgegangen, daß die Klausel über dietelefonische Information in den vorformulierten „Erläuterungen„ der Bekl. der Inhaltskontrolle unterliegt. Ersichtlich hat das BerGer. diese Erläuterungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. des § 1 I AGBG angesehen. Das ist richtig und wird von den Parteien auch nicht in Zweifel gezogen.
2. Dem BerGer. kann aber darin nicht zugestimmt werden,daß die Klausel den Versicherungsnehmer nicht unangemessen benachteilige. Die vom Kl. beanstandete Klausel über das Einverständnis mit der Telefonwerbung enthält bei einer auch im Verbandsklageverfahren gebotenen generalisierenden und diebeiderseitigen Interessen abwägenden Betrachtung (vgl. BGHZ 65, 107 [111f.] = NJW 1976, 43 = LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 79a; BGHZ 82, 238 [240f.] = NJW 1982, 644 = LM § 26 GWB Nr. 47) eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers i.S. von § 9 AGBG.Telefonwerbung stellt eine besonders schwerwiegende Beeinträchtigung der verfassungsrechtlich geschützten Privatsphäre des Angerufenen dar. Sie ist ein grober Mißbrauch des vom Inhaber im eigenen Interesse und auf eigene Kosten unterhaltenen Telefonanschlusses zu Werbezwecken, erlaubt ein praktisch unkontrollierbares Eindringen in die Lebensgewohnheiten der Zielperson und zwingt ihr zu einem ausschließlich durch den Werbenden bestimmten Zeitpunkt in ihrer häuslichen Sphäre Anpreisungen von Waren und Dienstleistungenauf. Die Anrufe werden im allgemeinen von in dieser Art der Werbung besonders geschulten Personen vorgenommen, deren psychologisch geschickt eingesetzter Redegewandtheit sich der aus in seiner gegenwärtigen Tätigkeit Gerissene meistnur unter peinlicher Verletzung der Regeln der Höflichkeit entziehen kann. Erklärte man eine solche Form der Werbung ohne Einschränkungen für rechtmäßig, wäre ihr Umsichgreifen innerhalb kurzer Zeit schon aus Wettbewerbsgründen unvermeidlich und damit der Inhaber eines Telefonanschlussesnicht nur vielfältigen Belästigungen ausgesetzt, sondern sein Anschluß für ins Gewicht fallende Zeiträume für erwünschte Anrufe blockiert und damit in unzumutbarer Weise seinem bestimmungsgemäßen Zweck entfremdet.
Wegen der massiven Beeinträchtigungen für die Zielpersonen und im Hinblick auf die Nachahmungsgefahr hat derI. Zivilsenat des BGH in ständiger Rechtsprechung (vgl. BGHZ 54, 188 [190ff.] = NJW 1970, 1738 = LM § 1 UWG Nr. 218; BGHZ 113, 282 [283f.] = NJW 1991, 2087 = LMH. 1/1992 § 1 UWG Nr. 571; BGH, NJW 1989, 2820 = LM § 1 UWG Nr. 522; NJW 1994, 1071 [1072] = LM H. 6/1994 § 1 UWG Nr. 643; NJW-RR 1995, 613 = LM H. 6/1995 § 1 UWG Nr. 677 = VersR 1995, 1095) die Telefonwerbung im privaten Bereich sogar grundsätzlich als mit den guten Sitten des Wettbewerbs unvereinbar angesehen und einen Verstoßgegen § 1 UWG bejaht, wenn nicht der Angerufene zuvor ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis mit einem solchen Anruf erklärt hat. Diese Beurteilung stützt sich vor allem auf die Erwägung, daß der Schutz der Individualsphäre vorrangig gegenüber dem wirtschaftlichen Gewinnstreben von Wettbewerbern ist, und daß die berechtigten Interessen der gewerblichen Wirtschaft, ihre Produkte werbemäßig anzupreisen, es angesichts der Vielfalt der Werbemethoden nicht erfordern, mit Werbemaßnahmen auch in den privaten Bereich desumworbenen Verbrauchers einzudringen.
Nach Auffassung des erkennenden Senats gelten diese Grundsätze nicht nur im Verhältnis von Wettbewerbern untereinander, sondern erst recht für die Zulässigkeit der Telefonwerbung gegenüber dem in seiner Privatsphäre zu schützenden Werbeadressaten selbst. Das Erfordernis eines ausdrücklichen oder konkludenten Einverständnisses schließt eine Herbeiführung der „Einverständniserklärung„ durch Allgemeine Geschäftsbedingungen aus. Jede andere Sicht der Dinge würdeWettbewerber zu einer entsprechenden Angleichung ihrer Geschäftsbedingungen ermuntern und zu eben der massiven Belästigung führen, der das Erfordernis des ausdrücklichen oder zumindest konkludenten Einverständnisses entgegenwirken soll. Sie würde darüber hinaus dem Schutzgedanken des § 1 UWG widersprechen. Daß die Versicherungsnehmer, deren Einverständnis die Bekl. herbeiführen will, mit ihr ein Versicherungsverhältnis eingehen, ändert an der Unangemessenheit der Klausel nichts. Das bestehende Versicherungsverhältnisrechtfertigt ein Eindringen in die Privatsphäre zu Werbezwecken nicht (vgl BGH, NJW-RR 1995, 613 = LM H. 6/1995 § 1 UWG Nr. 677 = VersR 1995, 1095). Ebensowenig ist es von Bedeutung, daß die Einverständniserklärung jederzeit widerruflich ist. Die Klausel soll den Verwender von der Notwendigkeit befreien, das Einverständnis des Kunden durch Individualvereinbarung herbeizuführen, und verlagert die Initiativezur Wiederherstellung der ungestörten Privatsphäre auf den Betroffenen (vgl. BGH, NJW 1999, 1864 = LM H. 8/1999 § 1 AGBG Nr. 34).
B. Die Anschlußrevision der Bekl.
Die Bekl. wendet sich mit ihrer Anschlußrevision gegen dieAuffassung des BerGer., die Klausel des § 22 S. 2 PVA 96 sei unwirksam.
I. Zunächst ergibt die Auslegung dieser Klausel in Übereinstimmung mit der Auffassung der Parteien, daß der Versicherungsvermittler solche Willenserklärungen und Anzeigen nicht bevollmächtigt ist entgegenzunehmen, die der Versicherungsnehmer nach Beginn des Versicherungsverhältnisses abgibt. Die Klausel findet sich nicht in dem formularmäßigenAntrag auf Abschluß eines Versicherungsvertrags. Vielmehr ist sie Bestandteil der Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die erst nach Vertragsschluß Wirkungen entfalten. Auch eindurchschnittlicher Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnis es bei der Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen ankommt (BGHZ 123, 83 [85] = NJW 1993, 2369 = LM H. 11/1993 § 9 [Bk] AGBG Nr. 20), kann deshalb die Klausel nicht so verstehen, daß sie (auch) Willenserklärungen und Anzeigen erfaßt, die er vor Vertragsschluß, also bei Antragstellung abgibt.
II. Der Klausel ist die Wirksamkeit nicht zu versagen.
1. Die Beschränkung der Empfangsvollmacht unterliegt derKontrolle anhand des AGB-Gesetzes; es handelt sich um eine Vertragsbedingung i.S. des § 1 AGBG. Zwar trifft es zu, daß mit einer Beschränkung der Empfangsvollmacht der Vollmachtgeber grundsätzlich seine eigenen Verhältnisse, nicht dieder Vertragsgegenseite regelt (vgl. Fricke, VersR 1993, 399 [402]; Reiff, VersR 1998, 976). Dieser Ansatz verfängt aber dann nicht, wenn eine Empfangsvollmacht - wie die des Versicherungsagenten - eine gesetzliche Ausgestaltung erfahren hat(§ 43 Nr. 2 VVG) und der Versicherer davon durch Allgemeine Versicherungsbedingungen abweicht. Die gesetzliche Ausgestaltung der Empfangsvollmacht des Agenten durch § 43 Nr. 2 VVG dient auch den Interessen und dem Schutz des Versicherungsnehmers. Dieser soll grundsätzlich darauf vertrauen können, daß der Agent mit den im Gesetz genannten Befugnissenausgestattet ist. Die formularmäßige Beschränkung dieser Empfangsvollmacht durch Allgemeine Versicherungsbedingungen greift in diese Rechtsposition des Versicherungsnehmers ein; sie betrifft demgemäß nicht nur die eigenen Verhältnisse des Versicherers (vgl. Beckmann, NJW 1996, 1378 [1379]; Schirmer, r+s 1995, 273; vgl. auch BVerwG, VersR 1998, 1137[unter II 4]; von der Kontrollfähigkeit von Vollmachtsbeschränkungen gehen ferner aus: Wolf, in: Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 3. Aufl., § 9 Rdnrn. V 79-80; Hensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 8. Aufl., § 11 Nr. 16 Rdnr. 8).
2. Wie auch das BerGer. zutreffend ausgeführt hat, verstößt § 22 S. 2 PVA 96 nicht gegen § 11 Nr. 16 AGBG. Diese Vorschrift soll den Vertragspartner vor Klauseln schützen, die ihm die Durchsetzung seiner Rechte durch Bindung von Anzeigenoder Erklärungen an übersteigerte Form- oder Zugangserfordernisse erschweren. Als besondere Zugangserfordernisse sind dabei solche anzusehen, die über die allgemeinen Zugangsvoraussetzungen für empfangsbedürftige Willenserklärungen (§§ 130 , 131 BGB) hinausgehen (h.M.: vgl. nur Wolf, in:Wolf/Horn/Lindacher, § 11 Nr. 16 Rdnr. 10; Hensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, § 11 Nr. 16 Rdnr. 8).
Die hier in Rede stehende Beschränkung der Empfangsvollmacht des Versicherungsvermittlers schafft kein besonderes Zugangserfordernis i.S. des § 11 Nr. 16 AGBG. Vom Zugang einer empfangsbedürftigen schriftlichen Willenserklärung istallgemein dann auszugehen, wenn die Erklärung derart in den Herrschaftsbereich des Adressaten gelangt ist, daß dieser unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit hat, von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Ob und wann diese Voraussetzungen bei Einschaltung einer Mittelsperson - so auch eines Versicherungsvermittlers - gegeben sind, hängt davon ab, obdiese vom Adressaten zum Empfang der Erklärung bevollmächtigt worden ist. Regelungen der Empfangsbevollmächtigung gestalten und bestimmen demgemäß erst den Zugangsbereich des Adressaten und schaffen deshalb grundsätzlich noch kein „besonderes„ Zugangserfordernis i.S. des § 11 Nr. 16 AGBG. Im Anwendungsbereich des § 43 Nr. 2 VVGgilt nichts anderes. Zwar wird mit dieser Vorschrift die Empfangsvollmacht des Versicherungsagenten für während der Versicherung abzugebende Anzeigen oder Erklärungen des Versicherungsnehmers begründet, der Zugangsbereich desVersicherers mithin gesetzlich ausgestaltet. Indessen gestattet das Gesetz (vgl. § 47 VVG) dem Versicherer zugleich, von § 43 Nr. 2 VVG abweichende Bestimmungen zu treffen, die Empfangsvollmacht des Agenten also anderweit zu regeln, diese zubeschränken. Die Ausgestaltung seines Empfangsbereichs ist damit - unbeschadet der Regelung des § 43 Nr. 2 VVG - grundsätzlich in der Hand des Versicherers verblieben. Nimmtder Versicherer die ihm durch das Gesetz belassene Möglichkeit wahr, die Empfangsvollmacht des Agenten für schriftliche Mitteilungen, die das Versicherungsverhältnis betreffen, auszuschließen, regelt er also auch damit die konkrete Ausgestaltung seines Empfangsbereichs und schafft kein besonderes Zugangserfordernis i.S. des § 11 Nr. 16 AGBG. Die Auswirkungen einer solchen Einschränkung der Empfangsvollmacht des Agenten für den Versicherungsnehmer sind vielmehr am Maßstab des § 9 AGBG zu messen.
3. Die Beschränkung der Empfangsvollmacht des Versicherungsagenten für Mitteilungen, die das Versicherungsverhältnis betreffen, führt auch nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers i.S. des § 9 I AGBG.
a) Die Vollmacht des Versicherungsagenten zur Entgegennahme von Anzeigen und Erklärungen, die „während der Versicherung„ - also nach Abschluß des Versicherungsvertrags -vom Versicherungsnehmer zu machen sind, ergibt sich grundsätzlich aus der gesetzlichen Vorschrift des § 43 Nr. 2 VVG. Von dieser Vorschrift weicht § 22 S. 2 PVA 96 zwar ab, indem er die Empfangsvollmacht des Vermittlers für alle schriftlichenWillenserklärungen und Anzeigen, die das Versicherungsverhältnis betreffen, ausschließt. Damit wird jedoch nur eine Abweichung vollzogen, die das Gesetz dem Versicherer - wie der Zusammenhang der §§ 43 , 47 VVG verdeutlicht - gestattet. Denn § 47 VVG setzt eine rechtsgeschäftliche Beschränkungder Vertretungsmacht des Vermittlers bereits voraus und regelt lediglich als Folge, daß ein Dritter (etwa der Versicherungsnehmer) diese nur dann gegen sich gelten lassen muß, wenn er die Beschränkung bei Vornahme des Geschäfts oder derRechtshandlung kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Die Vorschriften der §§ 43 ff. VVG stehen demgemäß einer Beschränkung der Empfangsvollmacht des Vermittlers aus § 43 Nr. 2 VVG, wie sie sich aus § 22 S. 2 PVA 96 ergibt, nicht entgegen; sie lassen sie vielmehr zu.
b) Allerdings ist nicht zu verkennen, daß eine Vollmachtsbeschränkung auch im hier gegebenen Anwendungsbereich derKlausel dem Versicherungsnehmer nachteilige Auswirkungen haben kann. Denn er verliert bei Mitteilungen, die er nach Abschluß des Versicherungsvertrags dem Versicherer zu machen hat, die Möglichkeit, sich unmittelbar und abschließend an„seinen„ Vermittler zu wenden, der ihm regelmäßig bereits bei Vertragsschluß als zuständiger Vertreter des Versicherers entgegengetreten ist, der ihn bei Vertragsanbahnung betreut und ihm deshalb als Ansprechpartner des Versicherers bekannt ist.Der Verlust dieser Möglichkeit wirkt indessen nicht so schwer, daß bereits von einer unangemessenen Benachteiligung i.S. des § 9 I AGBG ausgegangen werden könnte. Die Vollmachtsbeschränkung bewirkt letztlich nur, daß eine schriftliche Mitteilung nicht dem Agenten, vielmehr unmittelbar dem Versicherer zuzugehen hat. Der Anwendungsbereich des § 22 PVA96 beschränkt sich zudem auf solche Willenserklärungen und Anzeigen, die der Versicherungsnehmer nach Abschluß des Versicherungsvertrags seinem Vertragspartner zu machen hat.Das setzt einen konkreten Anlaß zu einer Mitteilung voraus, bei dem es dem Versicherungsnehmer in der Regel möglich sein wird, sich im Versicherungsvertrag und den diesem zugrunde liegenden Bedingungen über die Form der Mitteilungund die Empfangszuständigkeit zu vergewissern (Kollhosser, in: Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 47 Rdnr. 10). Bei fehlender Kenntnis von der Beschränkung der Empfangsvollmacht des Vermittlers wird der Versicherungsnehmer darüber hinaus durch die Vorschrift des § 47 VVG geschützt, weil er diese Beschränkung nur dann gegen sich gelten lassen muß, wenn er siekannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Hinzu kommt schließlich, daß es dem Versicherungsnehmer unbenommen bleibt, bei seinem ihm vom Versicherer als Ansprechpartner benannten Agenten auch dann Rat und Auskunft einzuholen, wenn dieser zur Entgegennahme schriftlicher Mitteilungen nicht bevollmächtigt ist.
Es ist danach nicht festzustellen, daß der Versicherungsnehmer durch die Beschränkung der Empfangsvollmacht des Vermittlers in seinen Möglichkeiten, dem Versicherer während des Versicherungsverhältnisses die erforderlichen Willenserklärungen und Anzeigen zukommen zu lassen, nachhaltig beeinträchtigt wird (so insgesamt schon Senat, NJW 1999, 1633= NVersZ 1999, 261).
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