Unterlassene Schönheitsreparaturen bei Auszug des Mieters

Gericht

OLG Koblenz


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

29. 07. 1999


Aktenzeichen

5 U 1787/98


Leitsatz des Gerichts

Führt der Vermieter die vom Mieter übernommene Auszugsrenovierung selbst durch, so wird dadurch ein bereicherungsrechtlicher Anspruch aus auftragloser Geschäftsführung (§§ 677 , 684 , 812 BGB) ausgelöst.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bekl. war seit 1986 in Rechtsnachfolge Hauptmieterin eines Hauses des Kl., das ihre Rechtsvorgängerin an die Eheleute S untervermietet hatte. Der Hauptmietvertrag sah neben der monatlichen Kaltmiete von 1035 DM, die sich von 1988 an alljährlich um 35 DM im Monat erhöhen sollte, eine nach Maßgabe der tatsächlichen Verhältnisse steigerungsfähige und demgemäß später vom Kl. erstmals für 1996 angehobene Nebenkostenvorauszahlung für öffentliche Abgaben und Versicherungsprämien vor. Außerdem war die Bekl. gehalten, Schönheitsreparaturen durchzuführen und die Mietsache bei Vertragsende in „ordnungsgemäßem Zustand zurückzugeben“; das sollte grundsätzlich „frisch renoviert“ geschehen, „soweit bei Beendigung des Mietverhältnisses die Mietsache nicht vermietet ist“. Der Mietvertrag der Parteien wurde unstreitig durch eine fristlose Kündigung des Kl. vom 28. 8. 1986 aufgelöst. Insofern ist die Bekl. von ihrem vorprozessualen Standpunkt, das Vertragsverhältnis sei bereits im März 1996 aufgehoben worden, abgerückt. Im Hinblick auf die Beendigung des Mietvertrags gaben die Eheleute S das Haus am 2. 9. 1996 heraus. An diesem Tag wurde zwischen ihnen und einem Bevollmächtigten des Kl. ein Abnahmeprotokoll erstellt, in dem vermerkt war, dass nicht renoviert sei; außerdem wurden ein Steckdosendefekt im Wohnzimmer und ein Riss des Innentürblatts im Dachstudio festgehalten. Eine Ausfertigung des Protokolls stellten die Eheleute S der Bekl. zur Verfügung. Wegen der Kosten von Putz-, Maler- und Tapeziererarbeiten und der Entfernung von Bodenbelägen holte der Kl. alsbald ein Angebot ein, das einen Betrag von etwa 18000 DM nebst Mehrwertsteuer in Aussicht stellte. Das Angebot datierte vom 17. 9. 1996 und wurde der Bekl. unter dem 30. 12. 1996 zugeleitet. Zwischenzeitlich hatte der Kl. bereits einen Renovierungsauftrag erteilt. Dieserhalb wurden ihm am 16. 12. 1996 20182,54 DM in Rechnung gestellt. Der Kl. bezahlte diesen Betrag.

Das LG hat die auf Zahlung der Renovierungskosten gerichtete Klage abgewiesen, weil der Kl. die entsprechenden Arbeiten habe durchführen lassen, ohne dass die Voraussetzungen eines verzugsbedingten Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung gegeben gewesen seien. Die dagegen gerichtete Berufung des Kl. war überwiegend erfolgreich.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Berufung hat einen nicht unerheblichen Erfolg. Sie führt insoweit zu einer Änderung des erstinstanzlichen Urteils und zu einem darüber hinaus reichenden Zuspruch der Klage, als die Bekl. in Höhe von 12000 DM nebst Zinsen zum Ersatz von Renovierungskosten zu verurteilen ist.

1. Der Kl. hat Anspruch darauf, dass ihm die Bekl. einen Teil der Aufwendungen erstattet, die ihm nach Ende des Mietverhältnisses für Putz-, Maler- und Tapezierarbeiten im Haus entstanden sind. Das ergibt sich aus bereicherungsrechtlichen Grundsätzen.

a) Die Bekl. war, nachdem ihr Mietverhältnis mit dem Kl. auf dessen fristlose Kündigung vom 28. 8. 1996 hin beendet worden war, zur Herrichtung des von ihr gemieteten Hauses verpflichtet. Das folgt aus § 9 II des Mietvertrags, in dem es heißt:

„Soweit bei Beendigung des Mietverhältnisses die Mietsache nicht vermietet ist, ist sie in frisch renoviertem Zustand zurückzugeben, es sei denn, dass die Schönheitsreparaturen weniger als ein Jahr zurückliegen und die zwischenzeitlich eingetretene Abnutzung nur geringfügig ist“.

Die in dieser Regelung genannte Voraussetzung, dass „die Mietsache nicht vermietet ist“, war erfüllt, weil der mit den Eheleuten S geschlossene Untermietvertrag praktisch gleichzeitig mit dem Hauptmietvertrag aufgelöst wurde und ungehindert in den Räumen gearbeitet werden konnte. Der die Bekl. entpflichtende Ausnahmefall einer nur kurze Zeit zurückliegenden Schönheitsreparatur war nicht gegeben. Demgemäß ist auch in dem anlässlich des Auszugs der Eheleute S erstellten Abnahmeprotokoll von einem nicht renovierten Zustand die Rede.

b) Unstreitig hat die Bekl. ihre Verpflichtung zur Renovierung nicht erfüllt. Das führt freilich nicht dazu, dass der Kl. Schadensersatzansprüche erworben hätte. Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass solche Ansprüche lediglich auf der Grundlage des § 326 BGB entstanden sein könnten, weil es sich bei der Verpflichtung der Bekl. um eine Hauptschuld aus dem Mietvertrag handelte (BGH, NJW 1991, 2146 [2147]; offen gelassen noch von BGHZ 49, 56 [59] = NJW 1968, 491 = LM § 536 BGB Nr. 10). § 326 BGB greift jedoch in vorliegendem Fall nicht. Es ist nicht einmal zu ersehen, dass die Bekl. mit der Erfüllung ihrer Schuld in Verzug war. Dazu hätte es im Anschluss an die von dem Kl. ausgesprochene fristlose Kündigung grundsätzlich noch einer Mahnung bedurft. Eine solche Mahnung ist indessen, solange sich der Renovierungsanspruch des Kl. noch nicht durch dessen Ersatzvornahme erledigt hatte, nicht feststellbar. Die Bekl. wurde in dieser Zeit nicht einmal über das von dem Kl. eingeholte, am 17. 9. 1996 erstellte Renovierungsangebot unterrichtet. Das Vorbringen des Kl., die Bekl. habe im September 1996 den Wunsch geäußert, „mit der gesamten Angelegenheit endlich in Ruhe“ gelassen zu werden, und auf diese Weise die Durchführung von Schönheitsreparaturen verweigert, ist bestritten und nicht tauglich unter Beweis gestellt.

Entgegen der Auffassung des LG entfällt aber mit der Verneinung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 326 BGB nicht jedwede Anspruchsberechtigung des Kl. Denn die von ihm eigenmächtig veranlasste Ersatzvornahme befreite die Bekl. von einer vertraglichen Verbindlichkeit und stellte sich damit zu ihren Gunsten als auftraglose Führung eines fremden Geschäfts (§ 677 BGB) dar. Deshalb zog sie - auch wenn nicht zu erkennen ist, dass sie dem Willen der Bekl. entsprochen hätte - unabhängig vom Eintritt eines Leistungsverzuges bereicherungsrechtliche Ausgleichsansprüche des Kl. gem. § 684 BGB nach sich (BGHZ 110, 313 [315] = NJW 1990, 2058 = LM § 683 BGB Nr.49; anders nur im Anwendungsbereich bestimmter Sondervorschriften wie namentlich des § 633 BGB, (vgl. BGHZ 92, 123 [125] = NJW 1984, 2573 = LM § 633 BGB Nr. 52; Palandt/Sprau, BGB, 57. Aufl., Vorb. § 677 Rdnr. 8). Der Fremdgeschäftsführung steht nicht entgegen, dass die Renovierung gleichzeitig eigenen Belangen des Kl. diente (sog. „auch-fremdes“ Geschäft, vgl. Palandt/Sprau, § 677 Rdnr. 6). Unerheblich ist auch, ob außerdem Interessen der Eheleute S wahrgenommen wurden (Palandt/Sprau, § 677 Rdnr. 8).

Dass die schadensersatzrechtliche Vorschrift des § 326 BGB, auch wenn sie nicht erfüllt ist, Raum für einen Bereicherungsausgleich lässt, hat insbesondere BGH, LM § 812 BGB Nr. 33 = MDR 1958, 686 (grds. ähnl. BGH, NJW 1964, 1365 = LM § 1004 BGB Nr. 70; Palandt/Thomas, § 812 Rdnr. 234; Staudinger/Wittmann, BGB, 13. Bearb., Vorb. § 677 Rdnr. 28) verdeutlicht. Dort heißt es: „Das OLG übersieht, dass die Bekl. zwar nicht in Schuldnerverzug kommen konnte …, dass aber die Bekl. … eine … Leistung schuldete. Wenn die Kl. also … selbst Arbeiten ausführen ließ …, hat die Bekl. doch Ersparnisse auf Kosten der Kl. gemacht. Dass die Bekl. … durch die Kl. … nicht zur Vornahme von Arbeiten angehalten (worden war), ist unter dem Gesichtspunkt, ob sie durch die Leistung der Kl. ungerechtfertigt bereichert ist, ohne rechtliche Bedeutung. Denn der Anspruch aus § 812 BGB knüpft nicht an ein von der Rechtsordnung etwa missbilligtes subjektives Verhalten des Bereicherten an, insbesondere nicht an die vertragswidrige Verweigerung einer Leistung, sondern daran, dass zwischen ihm und dem anderen (Entreicherten) eine Vermögensverschiebung stattgefunden hat, die objektiv des rechtfertigenden Grundes entbehrt.“

c) Der Umfang der bereicherungsrechtlichen Ersatzpflicht der Bekl. richtet sich nach der Höhe der Aufwendungen, die objektiv erforderlich waren, um die Renovierungspflichten der Bekl. zu erfüllen (§ 818 II BGB). Dass die Bekl. durch den Fortfall nur geringe Kosten erspart hätte (§ 818 II BGB); weil sie in der Lage gewesen wäre, die Renovierung zu Preisen unterhalb der marktüblichen Sätze ausführen zu lassen, ist nicht zu ersehen. Ihr Vorbringen, sie hätte ihrerseits statt auf eine Fachfirma kostengünstiger - wie „üblicherweise“ - auf „den Hausmeister eines anderen Objekts“ zurückgreifen können, ermangelt der erforderlichen Substanz. Es gibt weder zu erkennen, welcher Hausmeister im vorliegenden Fall örtlich und zeitlich einsatzbereit gewesen wäre, noch zeigt es auf, dass dieser Hausmeister in genügendem Maße fachlich qualifiziert gewesen wäre. Normalerweise dürfte ein Hausmeister dienstlich ausgelastet sein. Übernimmt er gleichwohl solche Arbeiten, so geschieht das regelmäßig auch gegen Entgelt. Auch insoweit fehlt ein substantiierter Vortrag.

Die Bestimmung des - zwischen den Parteien streitigen - Umfangs der notwendigen Renovierungsaufwendungen stößt mittlerweile auf Schwierigkeiten. Denn der Zustand, den das Haus bei Beendigung des Mietverhältnisses hatte, lässt sich nicht mehr verlässlich feststellen. Es ist dem Kl. - der offenbar auf eine fotografische Dokumentation der damaligen Gegebenheiten verzichtet hat - nicht gelungen, hier ein genaues Bild zu zeichnen. Damit fehlt es an einer hinreichenden Grundlage dafür, die Renovierungsbedürftigkeit des Hauses zum Gegenstand einer Zeugenvernehmung zu machen.

Allerdings ist es trotz der Lückenhaftigkeit des Klägervortrags gem. § 287 ZPO gerechtfertigt, dem Kl. im Wege der Schätzung einen Ersatzanspruch in Höhe eines Teils der geltend gemachten Renovierungskosten zuzubilligen (BGH, NJW-RR 1992, 202 [203]; Zöller/Greger, ZPO, 21. Aufl., § 287 Rdnr. 5). Dies kann unter Berücksichtigung des beim Auszug der Eheleute S gerechtfertigten Protokolls und der Zustandsbeschreibung durch den Makler F vom September 1996 auf der Grundlage der vorgelegten, auf 20182,54 DM lautenden Handwerkerrechnung vom 16. 12. 1996 geschehen, deren Preisansätzen die Bekl. nicht substantiiert entgegengetreten ist. Dabei muss aber die Mangelhaftigkeit der Angaben zu den vor der Renovierung bestehenden Verhältnissen zu erheblichen Abstrichen bei der Bemessung des Betrags führen, in dessen Höhe die Bekl. haftet (BGH, NJW-RR 1992, 202). Außerdem ist zu sehen, dass die Handwerkerrechnung teilweise - nämlich was den Außenanstrich von Fenstern und die Entfernung des Teppichbodens anbelangt - Positionen beinhaltet, für die die Bekl. nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht aufkommen muss. Dieser Gesichtspunkt und vor allem die - heute letztlich nicht mehr zu klärenden - Zweifel und Unsicherheiten darüber, inwieweit die durchgeführten Arbeiten im Hinblick auf den Abnutzungsgrad des Hauses tatsächlich geboten waren, haben zur Folge, dass dem Kl. von insgesamt geforderten 20182,54 DM lediglich 12000 DM zuzubilligen sind.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB §§ 326, 677, 684, 812