Rücktritt vom Lagerhallenmietvertrag wegen zu geringer Nutzfläche

Gericht

OLG Hamm


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

01. 10. 1997


Aktenzeichen

33 U 37/97


Leitsatz des Gerichts

Der Mieter kann vom Mietvertrag über eine neu errichtete Lagerhalle mit der Angabe „ca. 1000 qm Nutzfläche“ zurücktreten, wenn diese nach Fertigstellung nicht die vereinbarte, sondern nur ca. 870 qm Nutzfläche aufweist.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. hat Klage auf Zahlung des Mietzinses für eine Lagerhalle erhoben, die er dem Bekl. bereits vor deren Errichtung vermietet hatte. Der Bekl. hat die Zahlung des Mietzinses verweigert und geltend gemacht, daß er von dem Mietvertrag zurückgetreten sei, weil die Nutzfläche der Halle nicht, wie im Vertrag angegeben, sich auf „ca. 1000 qm“ sondern nur auf ca. 870 qm belaufen habe.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Die zulässige Berufung des Bekl. hat in vollem Umfang Erfolg, weil die vom Kl. geschuldete Leistung aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht möglich und der Bekl. deshalb wirksam gem. § 325 I 1 BGB vom Mietvertrag zurückgetreten ist.

1. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift ist nicht durch die mietvertraglichen Gewährleistungsregeln ausgeschlossen. Vor der - hier nicht erfolgten - Übergabe der Mietsache an den Mieter gelten die allgemeinen Vorschriften über Leistungsstörungen.

2. Im vorliegenden Fall resultiert die Unmöglichkeit aus der Mangelhaftigkeit der Mietsache, deretwegen der Bekl. die Übernahme der Lagerhalle ablehnen durfte, ohne hierdurch in Annahmeverzug zu geraten. Mangelhaft ist die Halle, weil sie nicht die nach dem Vertrag geschuldete Nutzfläche aufweist. Im Vertrag ist diese Fläche mit „ca. 1000 qm“ angegeben. Tatsächlich beläuft sie sich unstreitig auf lediglich ca. 870 qm. Der fehlerhaften Angabe im Vertrag ist im vorliegenden Fall nicht lediglich die Bedeutung einer bloßen Objektbeschreibung beizumessen. Ob - wie vom Bekl. behauptet - die Quadratmeterangabe bei den Vertragsverhandlungen ausdrücklich zur Kalkulationsgrundlage für die zu zahlende Miete gemacht wurde, kann dabei dahingestellt bleiben.

Zwar ist bei der Anmietung von Räumen eine Quadratmeterangabe im Vertrag als bloß beschreibende und nicht als Eigenschaftszusicherung zu qualifizierende Angabe dann zu verstehen, wenn der Mieter die Räume nach Besichtigung ersichtlich deshalb anmietet, weil sie ihm gefallen. Eine solche Konstellation liegt hier indes nicht vor.

Der Bekl. hat die Halle nicht nach Besichtigung, sondern vor deren Errichtung angemietet. Bei dieser Sachlage dienen Angaben zu Lage, Größe etc. nicht nur der Beschreibung, sondern der Festlegung dessen, was vom Vermieter vertraglich geschuldet wird. Bei der hier erfolgten Anmietung von Lagerraum hat ersichtlich die zur Verfügung stehende Lagerfläche für den Mieter eine so wesentliche Bedeutung, daß die Angabe „ca. 1000 qm Nutzfläche“ als Eigenschaftszusicherung zu verstehen ist, wobei die „Ca.-Angabe“ der Annahme einer solchen Zusicherung nicht entgegensteht (vgl. Kraemer, in: Bub-Treier, Hdb. d. Geschäfts- und Wohnraummiete, 2. Aufl. [1993], III Rdnr. 1360). Mit der „Ca.-Angabe“ ist lediglich ein gewisser Spielraum für geringfügige Abweichungen von der angegebenen Quadratmeterzahl eröffnet. Wo genau die Grenze für solche noch hinzunehmenden Abweichungen zu ziehen ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Bei der hier gegebenen Abweichung von 13% ist dieser Spielraum jedenfalls deutlich überschritten. Die danach hier festzustellende Fehlerhaftigkeit der Mietsache stellt entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (vgl. Emmerich-Sonnenschein, Miete, 6. Aufl. [1991], § 537 Rdnr. 9) keinen Fall einer bloßen Teil-unmöglichkeit dar. Tatsächlich ist die vom Vermieter geschuldete Überlassung der Mietsache in mangelfreiem Zustand eine unteilbare Leistung. Wie sich aus § 294 BGB ergibt, führt die Nichtabnahme einer mangelhaften Mietsache nicht zum Annahmeverzug des Mieters. Ist durch eine solche Annahmeverweigerung der Mietgebrauch unmöglich geworden, so liegt ein Fall der allein vom Vermieter zu vertretenden Vollunmöglichkeit vor. Der Mieter schuldet für den so unmöglich gewordenen Mietgebrauch keinerlei Gegenleistung (vgl. Kraemer, in: Bub-Treier, III Rdnr. 1204).

3. Ob der Bekl. sich im Zuge der Vertragsverhandlungen verpflichtet hat, die Kosten für eine stärkere als die ursprünglich vorgesehene Dachisolierung der Lagerhalle zu übernehmen, kann dahingestellt bleiben. Ggf. handelt es sich um eine mündliche Nebenabrede des im übrigen schriftlichen Mietvertrages, die isoliert keinen Bestand haben kann. Mit dem gem. § 325 I 1 BGB wirksamen Rücktritt des Bekl. vom Mietvertrag ist auch hinsichtlich dieser mietvertraglichen Nebenpflicht der Erfüllunganspruch des Kl. erloschen.

4. Rechtsmißbräuchlich ist der Rücktritt entgegen der Auffassung des Kl. nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Rechtsmißbrauch zu bejahen wäre, wenn der Bekl. selbst den ihm vorgelegten Bauplan fehlerhaft ausgewertet und deshalb die Unrichtigkeit der auf sein Verlangen in den Vertrag aufgenommenen Quadratmeterangabe mitzuverantworten hätte. Davon kann nämlich nicht ausgegangen werden. Die Behauptung des Kl., der unterschriebene Vertrag sei vom Bekl. entworfen worden, nachdem von diesem ein ihm von dem Makler D per Telefax übermittelter Vertragsentwurf ohne die Quadratmeterangabe zurückgewiesen worden sei, kann so nämlich nicht richtig sein und gibt daher keinen Anlaß zu der beantragten Beweiserhebung durch Vernehmung des Zeugen D. Die Darstellung ist nicht in Einklang zu bringen mit dem vom Bekl. vorgelegten und den Zeugen D als Absender ausweisenden Telefax vom 11. 8. 1995. Der mit diesem Telefax übermittelte Mietvertragsentwurf des Zeugen enthält nämlich bereits die hinsichtlich ihrer Urheberschaft streitige Nutzflächenangabe. Eine plausible Erklärung für dieses als solches unstreitige und mit seiner Darstellung des Verhandlungsverlaufs nicht in Einklang zu bringende Telefax hat der Kl. im Termin nicht bieten können.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB §§ 535, 325 I