Mietzinsminderung wegen Perchlorethylen

Gericht

LG Hannover


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

25. 04. 1990


Aktenzeichen

11 S 358/89


Leitsatz des Gerichts

Bei Austritt von Perchlorethylen aus einer im Hause befindlichen Wäscherei kann der Wohnungsmieter die Miete mindern.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bekl. sind Mieter einer Wohnung im 1. Obergeschoß des Hauses des Kl. Als es im November 1987 in der im Erdgeschoß liegenden Wäscherei zu einem Austritt von Perchlorethylen kam, haben die Bekl. den Mietzins bis einschließlich August 1988 gemindert. Das AG hat auf die Mietzinsklage hin lediglich für November 1987 eine Minderung als berechtigt angesehen. Die Berufung der Bekl. hatte teilweise Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... Die Bekl. waren in der Zeit von November 1987 bis August 1988 zu einer Minderung der Miete gem. § 537 BGB berechtigt, weil durch erhöhte PER-Werte die Tauglichkeit der Wohnung herabgesetzt war.

Die vom AG im Wege der Hilfsaufrechnung für November 1987 zugebilligte Minderung von 50 % von der Nettomiete zuzüglich Nebenkostenvorauszahlung gleich 472,50 DM wird vom Kl. nicht angegriffen. Anschlußberufung hat er nicht eingelegt.

Eine Minderung über 50 % hinaus steht den Bekl. jedoch nicht zu. Zwar ist es im November 1987 in der im Erdgeschoß des Hauses des Kl. gelegenen Reinigung der Streitverkündeten nach bereits früher erfolgten Austritten von Perchlorethylen zum Auslaufen dieses als Reinigungsflüssigkeit benutzten Stoffes gekommen. Dabei gerieten erhebliche Mengen von Perchlorethylen in die Kellerdecke und auf den Fußboden des darunterliegenden Kellers, die anschließend in erheblichen Konzentrationen in die Wohnung der Bekl. gelangten. Der Sachverständige Professor Dr. Dr. B hat in seinem Gutachten vom 30. 6. 1989 zur Überzeugung der Kammer ausgeführt, daß gesundheitliche Gefahren für die Mieter der Wohnung der Bekl. im ersten Obergeschoß unmittelbar nach dem Schadensereignis im November 1987 bei der Überschreitung des MAK-Wertes vorhanden waren. Gleichwohl steht nicht fest, daß die Wohnung auch bei einer deutlichen Überschreitung des zulässigen Grenzwertes für Arbeitsplätze für diesen Zeitraum etwa unbewohnbar gewesen wäre. Bei seiner Anhörung konnte der Sachverständiger Professor B die ernsthafte Gefahr einer Gesundheitsbeeinträchtigung nur für zwei Wochen annehmen. Insoweit hält die Kammer eine Mietminderung von 50 % für angemessen und ausreichend.

Die Gefahr einer Krebserzeugung durch Perchlorethylen kann dabei nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Denn nur in vereinzelten Testreihen bei Mäusen ist im Zusammenhang mit der Inhalation von Luft mit sehr hohen Perkonzentrationen das Entstehen von Tumoren beobachtet worden. Erfahrungen bei Menschen liegen entsprechend den Angaben des Sachverständigen nicht vor. Da die Bekl. nur kurze Zeit hohen Werten ausgesetzt waren, ist insoweit eine Gefahr fernliegend.

Entgegen der Auffassung des AG können die Bekl. auch für Dezember 1987 hilfsweise mit einer Minderung von 50 % gegenüber der Restmietforderung aufrechnen. Der Sachverständige Professor B hat bei seiner Anhörung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für überhöhte Perchlorethylenkonzentrationen mit Gesundheitsbeeinträchtigungen auch noch für Dezember 1987 angenommen. Die Bekl. haben die Miete für Dezember unstreitig in der Erwartung gezahlt, daß nach der Aufforderung zur Mängelbeseitigung umgehend Sanierungsmaßnahmen durchgeführt würden. Dann ist eine entsprechende Rückforderung möglich. Die Bekl. können aber, worauf der Kl. zutreffend hingewiesen hat, nur ausgehend von der Nettomiete mindern. Diese ist in Höhe von 795 DM monatlich unstreitig gestellt worden. Dies ergibt einen Aufrechnungsbetrag von 397,50 DM.

Anders als das AG billigt die Kammer den Bekl. auch für die Monate Januar bis März 1988 eine Minderung von 25 % gleich 596,25 DM und für April bis August 1988 eine solche von 10 % der Nettomiete gleich 397,50 DM zu. Eine Mietsache mit Beziehung zu einer Gefahrenquelle gilt nämlich nicht erst dann als mangelhaft, wenn der Mieter ernsthaft einer Gesundheitsbeeinträchtigung ausgesetzt war, sondern schon dann, wenn er sie nur in der Befürchtung der Gefahrenverwirklichung benutzen kann. Allerdings muß es sich dabei um eine begründete Gefahrenbesorgnis handeln. Haltlose Befürchtungen sind auszuscheiden (vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1987, 968 = ZMR 1987, 267). Hier war im November 1987 in erheblichem Umfang Perchlorethylen in der im Hause befindlichen Wäscherei ausgetreten. Der Sachverständige hat eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für Werte mit Gesundheitsbeeinträchtigungen für November und Dezember 1987 festgestellt. Es sind dann am 15. 1. 1988 im Hause Messungen des Staatlichen Gesundheitsaufsichtsamtes, vom 10. bis 12. 2. des Gesundheitsamtes, am 12. 2. vom TÜV und vom 8. bis 13. 3. sowie im Mai 1988 vom Gesundheitsamt vorgenommen worden. Außerdem sind im Anschluß an eine Ortsbesichtigung des Baustofflagers Hamburg am 2. 2. 1988 mit Gutachten vom 18. 2. 1988 Sanierungsarbeiten im Keller vorgeschlagen worden, die seitens der Streitverkündeten auch im Mai 1988 durchgeführt worden sind. Wenn während dieses Zeitraumes im Hause tatsächlich Werte von 1 bis 2 ppm gemessen worden sind, die über den Vorsorgewerten für Innenräume lagen, so konnten die Bekl. mit Recht befürchten, daß ihnen eine Gesundheitsgefährdung drohte. Insoweit lag eine durchaus begründete Gefahrbesorgnis vor. Immerhin spricht der Sachverständige auch für diesen Zeitraum von Auswirkungen im Bereich von Belästigungen. Dabei muß sich der Kl. auch eine eventuelle psychologische Überlagerung von Gesundheitsbeeinträchtigungen zurechnen lassen. Die Bekl. haben auch Anspruch darauf, daß grundsätzlich der Vorsorgewert von 0,1 mg entsprechend der Empfehlung des Bundesgesundheitsamtes in ihrer Wohnung eingehalten wird.

Es geht nicht darum, daß sich hier allgemein Umweltbeeinträchtigungen in der Wohnung verwirklichten, auf die ein Vermieter keinen Einfluß hat, sondern hier lag eine konkrete Gefahrenquelle in der Reinigung, die im übrigen u. a. durch eine Wanne für die Maschine vermeidbar war. Der Mieter hat Anspruch darauf, daß derartige vermeidbare Risiken von seiner Wohnung ferngehalten werden. Dies rechtfertigt für Januar bis März eine Minderung von 25 %. Nachdem die gemessenen Werte insgesamt eine abnehmende Tendenz gezeigt haben und im März umfangreiche Sanierungsarbeiten durchgeführt worden sind, auf die die Bekl. im Verhältnis zum Vermieter einen Anspruch hatte (LG Hamburg, WuM 1990, 67), und nachdem sich von nun an auch der Abstand zwischen den von den Behörden oder halbamtlichen Stellen vorgenommenen Messungen verlängerte, konnten die Bekl. von April an nur noch von erheblich geringen Gefahren ausgehen, die sie allerdings auch nicht ganz ausschließen konnten. So haben auch die Maimessungen niedrigere Werte ergeben. Deshalb hält die Kammer für die Zeit bis August - die dann durchgeführte Messung hat nur noch ganz geringe Werte ergeben - für diese Monate eine Minderung von nur noch 10 % für angemessen.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB § 537