Aufnahme des Lebensgefährten der Tochter des Mieters in Mietwohnung

Gericht

OLG Hamm


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

11. 04. 1997


Aktenzeichen

30 REMiet 1/97


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Vorlage zur Herbeiführung eines Rechtsentscheids ist unzulässig, wenn das LG den Tatsachenstoff nicht ausreichend würdigt und Rechtsfragen übersehen hat, deren Beantwortung die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage ausräumen kann.

  2. Zu den Voraussetzungen der fristlosen Kündigung von Wohnraum wegen vertragswidrigen Gebrauchs der Mietsache durch unbefugte Gebrauchsüberlassung an einen Dritten (hier: an den Lebensgefährten der Tochter des Mieters).

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bekl. zu 1 und 2 mieteten mit Vertrag vom 1. 3. 1965 von der Rechtsvorgängerin der Kl. eine 3-Zimmer-Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in K. Die Bekl. zu 3 ist die erwachsene Tochter der Bekl. zu 1 und 2. Die Kl. ist durch Eigentumserwerb in den Mietvertrag eingetreten. Mit Schreiben vom 23. 11. 1994 erteilte die Kl. den Bekl. eine Abmahnung wegen vertragswidrigen Gebrauchs der Mietsache. Sie warf den Bekl. vor, seit mehr als sechs Wochen Besuch in der Wohnung zu dulden und verlangte dessen sofortigen Auszug. Die Bekl. zu 1 und 2 ließen hierauf durch Schreiben des Mietervereins K. e.V. vom 11. 1. 1995 antworten, daß die Tochter lediglich ab und an Besuch ihres Freundes erhalte und die Abmahnung ins Leere gehe, weil keine Gebrauchsüberlassung vorliege. Mit Schreiben vom 30. 3. 1995 mahnte die Kl. die Bekl. zu 1 und 2 erneut wegen unerlaubter Untervermietung ab und führte zur Begründung aus, daß sie Besuch seit mindestens 10. 10. 1994 duldeten. Sie setzte den Bekl. eine Frist von drei Tagen zur Beseitigung des vertragswidrigen Zustands und kündigte für den Fall der Zuwiderhandlung die fristlose Kündigung an. Die Bekl. zu 1 und 2 widersprachen der Abmahnung mit Schreiben vom 31. 3. 1995 unter Hinweis auf das Schreiben des Mietervereins vom 11. 1. 1995 und wiesen darauf hin, daß der Freund der Tochter eine eigene Wohnung bewohne und dort auch gemeldet sei. Mit Schreiben ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 20. 9. 1995 kündigte die Kl. das Mietverhältnis fristlos wegen unberechtigter Gebrauchsüberlassung der Wohnung.

Gegenüber der durch die Kl. vor dem AG erhobenen Räumungs- und Herausgabeklage haben sich die Bekl. mit der Behauptung verteidigt, der Lebensgefährte und zukünftige Ehemann der Tochter wohne in seiner eigenen Wohnung und halte sich lediglich zu Besuchen in ihrer Wohnung auf. Eine unberechtigte Gebrauchsüberlassung haben sie bestritten. Das AG hat ein Kündigungsrecht wegen des Zeitraums zwischen der zweiten Abmahnung und der fristlosen Kündigung als verwirkt angesehen und die Klage abgewiesen. Das mit der Berufung befaßte LG sieht die Voraussetzungen einer Verwirkung des Kündigungsrechts nicht als erfüllt an und hat dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt: „Hat der Mieter - unbeschadet etwaiger Einwendungen des Vermieters aus dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit gem. § 549 II 1 Halbs. 2 BGB - bereits dann ein berechtigtes Interesse an der Aufnahme eines Dritten in die Mietwohnung i.S. von § 549 II BGB, wenn seine mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebende erwachsene Tochter mit einem Dritten eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft begründen will?" Der Senat hat den Erlaß eines Rechtsentscheids wegen Unzulässigkeit der Vorlage abgelehnt.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Ungeschriebene Voraussetzung für die Einholung eines Rechtsentscheides nach § 541 I ZPO ist, daß die angesprochene Rechtsfrage die Entscheidung des LG beeinflussen kann. Die Entscheidungserheblichkeit muß hierbei endgültig feststehen. Kann sie durch Beantwortung offener Rechts- oder Tatfragen ausgeräumt werden, ist zuvor eine Klärung durch das LG erforderlich. Solange es daran fehlt, ist die Vorlage unzulässig (vgl. Zöller/Schneider, ZPO, 20. Aufl., § 541 Rdnrn. 18 bis 25 m.w.Nachw.). So liegt der Fall hier. Das LG hat - soweit dies den Ausführungen des Vorlagebeschlusses zu entnehmen ist - den Tatsachenstoff nicht umfassend gewürdigt und Rechtsfragen übersehen, deren Beantwortung die Entscheidungserheblichkeit ausräumen kann.

Voraussetzung für die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung ist nach § 553 BGB, daß die Bekl. ungeachtet der Abmahnungen einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache fortgesetzt haben, der die Rechte der Kl. in erheblichem Maße verletzt. Für den hier vorliegenden Fall der unbefugten Gebrauchsüberlassung an einen Dritten bedarf es nach h.M. in Literatur und Rechtsprechung nicht der Feststellung einer erheblichen Verletzung des Vermieterinteresses; diese wird durch die Art der Vertragsverletzung indiziert (BGH, NJW 1985, 2527 = LM § 553 BGB Nr. 14 = WuM 1985, 88; Erman/Jendrek, BGB, 9. Aufl., § 553 Rdnr. 4). Zutreffend geht das LG davon aus, daß die Frage, ob eine unbefugte Gebrauchsüberlassung an den Lebensgefährten der Bekl. zu 3 anzunehmen ist, nach § 549 II BGB zu beurteilen ist (so der Senat, NJW 1992, 513 und der hiesige 4. Zivilsenat, NJW 1982, 2876). Diese Vorschrift greift nur dann nicht, wenn es sich um nächste Angehörige wie Ehegatte, Kinder, Stiefkinder handelt; deren Aufnahme gehört zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietwohnung und findet nur in einer Überbelegung ihre Grenze. Der Lebensgefährte der Tochter bedurfte aber gem. § 549 I 1 BGB der Erlaubnis der Kl.; auf diese hätten die Bekl. unter den Voraussetzungen von § 549 II BGB einen Anspruch.

Nach dem unstreitigen Sachverhalt lag eine Erlaubnis der Kl. weder zum Zeitpunkt der Abmahnung noch zum Zeitpunkt der Kündigung vor. Die Überlassung an Dritte ohne Erlaubnis stellt aber einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache i.S. von § 553 BGB dar. Steht dem Mieter gegen den Vermieter ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zu, so ändert das bis zu deren Zugang nach wohl herrschender Meinung nichts an der Vertragswidrigkeit. Eine Kündigung kann lediglich nach § 242 BGB unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben ausgeschlossen sein (vgl. BGH, NJW 1985, 2527 = LM § 553 BGB Nr. 14 = WuM 1985, 88; OLG Hamburg, NJW 1982, 2876 = WuM 1982, 41; BayObLG, NJW-RR 1991, 461 = WuM 1991, 18; Kraemer, in: Bub/Treier, Hdb. d. Geschäfts- u. Wohnraummiete, 2. Aufl., IV Rdnr. 166). Dies hat das LG offenbar verkannt und daher ungeprüft gelassen. Dem Vorlagebeschluß ist auch nicht zu entnehmen, ob die Kammer die Auffassung vertreten will, daß der Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis die Erlaubnis selbst ersetzt (vgl. hierzu BayObLG, NJW-RR 1991, 461 = WuM 1991, 18 m.w.Nachw. zum Meinungsstand in Lit. u. Rspr.).

Es kann auch nicht ohne weiteres unterstellt werden, daß die ggf. erforderliche Prüfung, ob die Kündigung gegen § 242 BGB verstößt, zugunsten der Bekl. ausgeht. Im Rahmen der Abwägung der Interessen der Vertragsparteien wird u.a. zu berücksichtigen sein, daß grundsätzlich ein berechtigtes Interesse des Vermieters anzuerkennen ist, sowohl über die Tatsache der Aufnahme eines Dritten in die Wohnung als auch über dessen Person informiert zu werden. Der Vermieter muß die Kontrolle darüber behalten können, wer die Mietsache tatsächlich nutzt (Erman/Jendrek, § 549 Rdnr. 9). Dies folgt bereits daraus, daß er andernfalls die Frage, ob in der Person des Dritten ein wichtiger Grund für die Verweigerung der Erlaubnis vorliegt (§ 549 II 1 BGB), gar nicht prüfen könnte. Er muß auch aus anderen Gründen - z.B. zum Zwecke der Erstellung sachgerechter Nebenkostenabrechnungen - darüber informiert sein, wieviel Personen einem Haushalt angehören. Andererseits ist bisher ein Interesse der Bekl., eine etwaige Aufnahme des Lebensgefährten der Tochter wahrheitswidrig zu verschweigen und ihn vor Erteilung einer Erlaubnis aufzunehmen, nicht ersichtlich. Zwar ist anerkannt, daß die fristlose Kündigung des Vermieters nicht allein deshalb berechtigt ist, weil der Mieter es unterlassen hat, vor der Gebrauchsüberlassung die Erlaubnis einzuholen (BayObLG, NJW-RR 1991, 461 = WuM 1991,18). Hier kommt jedoch hinzu, daß die Bekl. die Kl. - sofern man deren Vorbringen als richtig unterstellt - ungeachtet der Abmahnungen über Monate hinweg über die tatsächliche Situation getäuscht haben.

Sofern die durch das LG nachzuholende Prüfung ergibt, daß nach dem tatsächlichen Vorbringen der Kl. die Voraussetzungen einer unerlaubten Gebrauchsüberlassung vorliegen und daß die Kündigung nicht gegen Treu und Glauben verstößt, ist die vorgelegte Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich. Über die streitige Frage, ob die Bekl. den Lebensgefährten der Bekl. zu 3 in die Wohnung aufgenommen haben, wäre dann in jedem Fall Beweis zu erheben. Falls der Kl. der ihr obliegende Nachweis für ihre Behauptungen gelingt, wäre nämlich die Kündigung wirksam. Die Rechtsfrage, ob den Bekl. ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis zugestanden hätte, wenn sie darum nachgesucht hätten, wäre für die Entscheidung ohne Bedeutung.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB §§ 249, 553; ZPO § 541