Videoüberwachungsanlage statt Türspion für seh- und gehbehinderten Mieter

Gericht

AG Köln


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

20. 12. 1994


Aktenzeichen

208 C 57/94


Leitsatz des Gerichts

Ein Mieter, der seh- und gehbehindert ist, kann das Recht haben, eine Videokamera in seinem Hausflur aufzustellen, wenn das Videoüberwachungssystem ausschließlich diesen Bereich erfasst. Im Einzelfall spricht es zu Gunsten des Mieters, wenn seine Wohnung zur Straße zeigt und er deshalb ohnehin jeden der das Haus betritt, beobachten könnte.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. ist Eigentümer eines Hauses in Köln. Die Bekl. schlossen mit den Voreigentümern des Kl. am 23. 6. 1990 einen Mietvertrag über die im Erdgeschoß/links gelegene Wohnung, nachdem sie bereits seit 1970 eine Wohnung im zweiten Obergeschoß bewohnt hatten. Grund des Umzugs im Hauses war eine Behinderung der bekl. Ehefrau. Diese ist auf den Rollstuhl angewiesen und kann sich innerhalb der Wohnung nur mit einer Gehhilfe bewegen. Zudem ist die Bekl. stark sehbehindert und benötigt eine Spezialbrille. Im Jahre 1993 ließen die Bekl. im Hausflur des Hauses eine Videokamera direkt unterhalb der Decke anbringen. Diese Kamera ist auf die Wohnungseingangstür der Mietwohnung der Bekl. gerichtet. Im Inneren der Mietwohnung der Bekl. befindet sich ein fernsehähnlicher Monitor. Auf diesem Monitor werden die Bilder, die die Videokamera liefert, übertragen. Mit Hilfe der Spezialbrille ist es der bekl. Ehefrau auf diese Weise möglich zu kontrollieren, wer vor ihrer Wohnungseingangstür steht. Wie sich den von den Bekl. überreichten Bedienungsanleitungen der Videokamera und des Monitors entnehmen läßt, ist es technisch ohne weiteres möglich, einen Videorekorder an den Monitor anzuschließen und so die von der Videokamera aufgenommenen Bilder auf Videoband aufzunehmen. In der Wohnungseingangstür der Wohnung der Bekl. ist ein sog. „Spion“ eingebaut. Durch diesen Spion ist es möglich, die im Erdgeschoß vor der Wohnungseingangstür stehenden Personen wahrzunehmen. Aufgrund der Behinderung der bekl. Ehefrau ist diese Wahrnehmungsmöglichkeit für sie stark eingeschränkt. Im Sommer 1993 beschwerten sich mehrere Mitmieter bei dem Kl. über das Anbringen der Videokamera im Erdgeschoß und verlangten eine Beseitigung der technischen Einrichtung. Der Kl. behauptet, es sei technisch ohne weiteres möglich, die Videokamera an Stelle des Spions in die Wohnungseingangstür einzubauen und so den von den Bekl. gewünschten Effekt zu erzielen. Die Kosten für den Einbau beliefen sich nach Angaben des bekl. Ehemannes auf lediglich 750 DM. Die Bekl. sind dem entgegengetreten, weil aufgrund der an der Kamera vorhandenen Infrarot-Leuchtdioden ein Umsetzen der Kamera in die Wohnungseingangstür nicht ohne weiteres möglich sei. Da das Türblatt nicht aus Voll-Profilholz bestehe, würde dieses beim Bohren der für die Infrarot-Leuchtdioden erforderlichen Aussparungen zersplittern. Die Leichtdioden müßten aber vorhanden sein, da ansonsten bei Dämmerung und Dunkelheit eine Übertragung von Bildern nicht in der gewünschten Weise möglich sei.

Das AG hat die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Gem. § 550 BGB kann der Vermieter auf Unterlassung klagen, wenn der Mieter von der gemieteten Sache einen vertragswidrigen Gebrauch macht und diesen Gebrauch ungeachtet einer Abmahnung des Vermieters fortsetzt. Unter Abwägung der beiderseitigen Interessen kann im konkret zu entscheidenden Sachverhalt nicht von einem vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache durch die Bekl. ausgegangen werden. Zwar dürfen bauliche Veränderungen oder Einbauten, insb. außerhalb der Mietwohnung, grundsätzlich durch den Mieter ohne ausdrückliche Erlaubnis des Vermieters nicht durchgeführt werden (vgl. Sternel, MietR aktuell, 2. Aufl. (1992), Rdnr. 87 m.w. Nachw.). Andererseits darf der Vermieter ohne triftigen Grund dem Mieter aber auch nicht Einrichtungen untersagen, die dem Mieter das Leben in der Mietwohnung erheblich angenehmer gestalten können, durch die der Vermieter nur unerheblich beeinträchtigt wird und durch die die Mietsache nicht verschlechtert wird (vgl. Sternel, Rdnr. 85). Unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien ist vorliegend davon auszugehen, daß das Anbringen der Videokamera im Hausflur des Erdgeschosses die Interessen des Kl. nur unerheblich beeinträchtigt und deshalb von diesem hinzunehmen ist.

Unstreitig ist die bekl. Ehefrau auf den Rollstuhl angewiesen und sie kann sich nur mit einer Gehhilfe in der Mietwohnung bewegen. Zudem ist die bekl. Ehefrau stark sehbehindert und benötigt zum besseren Erkennen von Gegenständen eine Leselupen-Brille. Mit dieser Leselupen-Brille kann die bekl. Ehefrau beispielsweise auf eine Entfernung von ca. 3 Meter fernsehen, wie sie im Ortstermin erklärt hat. Es ist ohne weiteres nachvollziehbar, daß die im Hausflur angebrachte Videokamera in Verbindung mit dem Monitor im Inneren der Wohnung der Bekl. für die bekl. Ehefrau gegenüber dem in der Tür vorhandenen Türspion eine erhebliche Verbesserung darstellt. Insoweit braucht auch gar nicht entschieden zu werden, ob die bekl. Ehefrau in der Lage wäre, durch den Türspion den Hausflur vor ihrer Wohnung zu beobachten. Es steht zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls fest, daß die auf den Rollstuhl, eine Gehhilfe und eine Spezialbrille angewiesene bekl. Ehefrau, die von ihrer Wohnungstür stehenden Personen jedenfalls erheblich besser über die eingebaute Überwachungsanlage kontrollieren kann als über den in die Tiefe eingebauten Türspion.

Der Kl. und die weiteren Mieter des Hauses werden durch die installierte Videokamera nicht in erheblicher Weise gestört. Durch den unstreitig in die Tür eingebauten Türspion wäre es jedenfalls dem bekl. Ehemann ohne weiteres möglich, rund um die Uhr zu kontrollieren, wer das Mietshaus betritt und wieder verläßt. Die Beobachtungsmöglichkeit besteht zudem durch die zur Straßenseite hin gelegenen Fenster der Erdgeschoßwohnung. Die von den Mitmietern im Haus befürchtete Überwachung wäre also auch ohne Vorhandensein der Videokamera möglich. Dem Protokoll der Ortsbesichtigung ist sogar zu entnehmen, daß durch den Türspion ein größerer Teil des Hausflurs eingesehen werden kann, als durch die fest montierte Videokamera.

Das Interesse des Kl. an der Beseitigung der installierten Videoanlage überwiegt auch nicht durch die theoretisch vorhandene Möglichkeit, über die Video-Ausgangsbuchse des Monitors Aufzeichnungen von den Vorgängen im Hausflur zu tätigen. Die von dem Kl. befürchtete permanente 24-stündige Überwachung wäre den Bekl. nur möglich, wenn sie mehrmals täglich den Videofilm in dem Aufzeichnungsgerät wechseln würden. Im übrigen sieht das Gericht keinen vernünftigen und nachvollziehbaren Grund für die Bekl., solche 24-stündigen Videoaufzeichnungen vorzunehmen. Diese von dem Kl. befürchtete permanente Überwachung wäre übrigens - wie ausgeführt - auch durch den Türspion möglich.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

BGB §§ 550, 1004