Unverwertbarkeit eines Beweismittels - Verdeckte Videoüberwachung

Gericht

OLG Karlsruhe


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

08. 11. 2001


Aktenzeichen

12 U 180/01


Leitsatz des Gerichts

Auch wenn wegen Vandalismus in der Vergangenheit ein Täter überführt werden soll, darf ein Miteigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft seinen Stellplatz nicht verdeckt videoüberwachen, da hierdurch schwerwiegend in das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Mitnutzer eingegriffen wird. Die Aufzeichnungen können in einem Schadensersatzprozess nicht verwertet werden, sodass der Geschädigte mangels anderer Beweisangebote einen Nachweis schuldig bleibt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Senat ist dem LG in dessen Ergebnis gefolgt, das die Klage auf Zahlung von Schadensersatz mit der Begründung abgewiesen hat, der Kl. habe den ihm obliegenden Nachweis nicht erbracht, dass die Bekl. die Beschädigungen an seinem in der Tiefgarage des von beiden Parteien mitbewohnten Mehrfamilienanwesens abgestellten Pkw verursacht hat. Die in erster Instanz durchgeführte Beweiserhebung, nämlich die Inaugenscheinnahme der vom Kl. heimlich aufgenommenen Videobänder sowie die Vernehmung von Zeugen über deren Wahrnehmung beim Betrachten eben dieser Videobänder hielt der Senat allerdings für nicht veranlasst, da der Kl. sich insoweit auf unverwertbare Beweismittel stütze.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Kl. hat sein primäres Beweismittel, die Videoaufzeichnung, in rechtswidriger Weise erlangt.

1. Das im Rahmen einer heimlichen Videoüberwachung aufgezeichnete Videoband und dessen Verwertung verletzt das Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrecht der Bekl. Allerdings unterliegen diese Rechte keinem schrankenlosen Schutz, sofern dadurch nicht die unantastbare Intimsphäre der Bekl. betroffen ist. Die Rechte der Bekl. treten insoweit in Konflikt mit dem berechtigten Interesse des Kl. an einem Schutz seines Fahrzeugs vor weiteren Beschädigungen sowie mit seinem anerkennenswerten Bestreben, den Verantwortlichen für die früheren Beschädigungen ausfindig zu machen. Diese Belange sind bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Kl. gegeneinander abzuwägen (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 241). Der Abwägungsprozess ist dabei entscheidend geprägt von den besonderen Umständen des Einzelfalls.

Regelmäßig stellt der Einsatz verdeckter Videokameras zur Kontrolle eines bestimmten Personenkreises einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar, wenn keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen dies rechtfertigen (BGH, NJW 1995, 1955). Dabei wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nicht nur im Fall einer „Bildniserschleichung“ verletzt, indem die Abbildung einer Person in deren privaten Bereich gefertigt wird in der Absicht, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vielmehr kann auch die Herstellung von Bildnissen einer Person, insbesondere die Filmaufzeichnung mittels Videogerät, in der Öffentlichkeit oder in einer beschränkten Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen selbst ohne Verbreitungsabsicht einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen. Ob und in welchem Umfang bereits die Fertigung derartiger Bilder rechtswidrig und unzulässig ist oder aber vom Betroffenen hingenommen werden muss, kann nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und durch Vornahme einer unter Berücksichtigung aller rechtlich, insbesondere verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Beteiligten durchgeführten Güter- und Interessenabwägung ermittelt werden (BGH, NJW 1995, 1955). 2. Der Kl. hat nach seiner eigenen Darstellung eine gezielte heimliche Videoüberwachung eines bestimmten Teilbereichs der auch von ihm benutzten Tiefgarage über längere Zeiträume und mit Regelmäßigkeit betrieben. Die Überwachung war darauf angelegt, die Benutzer dieses Teils der Tiefgarage in einer Vielzahl von Fällen abzubilden und aufzuzeichnen. Notwendigerweise werden damit alle - auch mit den Beschädigungen am Fahrzeug des Kl. in keinem Zusammenhang stehenden - Vorgänge und Verhaltensweisen der Nutzer der Tiefgarage mit aufgezeichnet. Die Videobänder dokumentieren einen nicht unerheblichen Bereich des Privatlebens der Mitbenutzer der Tiefgarage, wobei die Verwertung des Materials, insbesondere auch der Zusammenschnitt von Aufzeichnungen ganz privaten Inhalts dem Belieben des Aufzeichners überlassen bleibt. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kl. selbst die Absicht hatte oder gar umsetzte, dieses Material in anderer Weise als zur Aufklärung der Beschädigungen seines Fahrzeugs zu verwenden.

Solche Maßnahmen bewirken eine schwerwiegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Mitbenutzer der Tiefgarage, so auch der Bekl. Diesem gewichtigen Eingriff in die Rechtsposition der Bekl. stehen keine überwiegenden Interessen entgegen, die sich aus rechtlich geschützten Belangen des Kl. ergeben. Zwar kann sich der Kl. auf sein verfassungsrechtlich garantiertes Recht, geeignete Schutzmaßnahmen für sein Eigentum zu ergreifen, stützen. Dies darf aber nicht - wie hier - in unverhältnismäßiger Weise auf Kosten des Eingriffs in hochrangige Rechtsgüter Dritter geschehen.

a) Der Kl. hat mit der heimlichen Videoüberwachung nach eigener Darstellung zwei Ziele verfolgt, nämlich zum einen den Täter der vorangegangenen Taten auszumachen und zu überführen und zum anderen weitere Beschädigungen seines Eigentums auf Dauer auszuschließen. Er hat dabei selbst eingeräumt, dass eine ihm ebenfalls mögliche offene Videoüberwachung des Tiefgaragenbereichs aller Voraussicht nach dazu geführt hätte, dass weitere Beschädigungen unterblieben wären. Gegenüber der verdeckten Videoüberwachung stellt jedoch die dem erfassten Personenkreis bekannte Überwachung die mildere Eingriffsform dar, insbesondere wenn - wie auch hier - der betroffene Personenkreis ohne Gefährdung des Schutzinteresses um sein Einverständnis hätte gebeten werden können (vgl. BAG, NZA 1988, 92 = JZ 1988, 108). Das Interesse des Kl., sich vor weiteren Beschädigungen seines Eigentums zu schützen, kann daher zur Rechtfertigung der verdeckten Videoüberwachung nicht herangezogen werden. b) Nicht geleugnet werden kann, dass der Kl. auch ein erhebliches berechtigtes Interesse an der Klärung der Verantwortlichkeit für die bereits eingetretenen Beschädigungen geltend machen kann. Grundsätzlich kann auch das Interesse an der Aufklärung einer bereits geschehenen Straftat oder Rechtsverletzung im Einzelfall den mit einer verdeckten Videoüberwachung verbundenen Eingriff in Persönlichkeitsrechte rechtfertigen. Voraussetzung ist jedoch zum einen, dass es sich um eine erhebliche Straftat handelt, deren Intensität der Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen mindestens gleich kommt, und ferner, dass die Videoüberwachung überhaupt geeignet ist, hinreichend sichere Rückschlüsse auf die Verantwortlichen bereits begangener Straftaten und Rechtsverletzungen zu liefern. Diesen Anforderungen wird die vom Kl. unternommene Videoüberwachung nicht gerecht. Selbst wenn die Aufnahmen vom 26. 6. 2000 eindeutig die Bekl. als Täterin ausgewiesen hätten, wäre ein hinreichend sicherer Rückschluss auf deren Täterschaft bei den vom Kl. geschilderten drei vorangegangenen Fällen nicht möglich. Diese könnten auch in den alleinigen Verantwortungsbereich beispielsweise des Ehemanns der Bekl. fallen, der nach Vortrag des Kl. am 27. 6. 2000 durch Gesten die Beschädigungen am klägerischen Fahrzeug gutgeheißen haben soll. Darüber hinaus kann auch im beschränkten Bereich einer Wohnanlage nicht mit hinreichender Sicherheit das Phänomen von Nachahmungstätern und „Trittbrettfahrern“ ausgeschlossen werden. Das Beschaffen von Beweismitteln mit derart beschränktem indiziellem Wert vermag Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des betroffenen überwachten Personenkreises nicht zu rechtfertigen (vgl. dazu auch LAG Baden-Württemberg, BB 1999, 1493).

Die Rechtswidrigkeit der Beweismittelbeschaffung führt zur Unverwertbarkeit des Beweismittels (LAG Köln, BB 1997, 476). Nach dem Schutzzweck des verletzten Persönlichkeitsrechts hindert hier der Verstoß gegen das Beweiserhebungsverbot die Verwertung des Beweismittels (Musielak/Foerste, ZPO, 2. Aufl., § 284 Rdnrn. 6f.). Das Videoband darf deshalb nicht in Augenschein genommen und das Ergebnis einer Inaugenscheinnahme nicht zu Lasten der Bekl. verwertet werden. Darüber hinaus dürfen zu Lasten der Bekl. auch die Aussagen der Zeugen nicht verwertet werden, denen der Kl. - und später das LG bei der Beweisaufnahme - die Aufzeichnungen vorgeführt hat. Anderenfalls könnte das auf einem Beweiserhebungsverbot beruhende Beweisverwertungsverbot unschwer umgangen werden (vgl. dazu Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 284 Rdnr. 61).

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

ZPO § 284