Zustimmungspflichtigkeit der Videoüberwachung im Wohnungseigentum

Gericht

AG Frankfurt a.M.


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

09. 09. 2002


Aktenzeichen

65 UR II 149/02


Leitsatz des Gerichts

Alle Wohnungseigentümern müssen dem Anbringen einer Videoüberwachungsanlage zum ausschließlichen Gebrauch durch einen Sondereigentümer zustimmen, da die Überwachung mit einer Videokamera im Eingangsbereich einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der übrigen Eigentümer darstellt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Im Herbst 2001 befestigte der Ag. am Fenster seiner Wohnung Nr. 7 einen die Hausfassade überragenden Befestigungssockel für eine Videokamera. Zeitweise war dort auch eine Videokamera angebracht, zumindest seit dem 13. 3. 2002 befindet sich die Videokamera wieder auf dem Sockel und wird auch vom Ag. in Betrieb genommen. Die Anbringung der Videokamera erfolgte ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer. Entsprechende Aufforderung des Verwalters und auch der Ast., die Videokamera und den Befestigungssockel abzumontieren, hat der Ag. keine Folge geleistet. Die Ast. sind der Ansicht, dass die Kamera das äußere Erscheinungsbild der Hausfassade beeinträchtige und diese Beeinträchtigung unabhängig vom ästhetischen Befinden Einzelner zu beseitigen sei. Zudem bedeute die unkontrollierte Überwachung des Eingangsbereichs eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der antragsstellenden Parteien sowie deren Besucher und könne aus diesem Grund nicht geduldet werden. Der Ag. verteidigt die von ihm angebrachte Befestigungsanlage mit Videokamera damit, dass er auf Grund des Vordachs den Eingangsbereich nicht einsehen und aus diesem Grund nicht erkennen könne, welche Personen Einlass begehrten. Die Kamera werde immer nur dann eingeschaltet, wenn es an seiner Haustür klingele und er erkennen müsse, welche Anzahl von Personen vor der Tür stehe. Gesichter seien nicht zu erkennen, zudem sei die Kamera nur wenige Wochen im Sommer montiert, da sie auf Grund der Qualität im Winter nicht funktioniere. Im Übrigen leide der Ag. an einer Lendenwirbelerkrankung, die ihm an manchen Tagen das Aufstehen und Bewegen unmöglich mache. Die Kamera sei nicht immer eingeschaltet, sie könne aber den ganzen Tag in Betrieb sein. Eine Videoaufzeichnung finde nicht statt. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Schriftsätze nebst Anlagen und auf die Sitzungsniederschrift vom 7. 6. 2002.

Der auf Beseitigung der vorhandenen Überwachungsanlage und auf Unterlassen der zukünftigen Installation entsprechender Einrichtungen gerichtete Antrag ist begründet.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der Ag. ist verpflichtet, den an seinem Fenster der Wohnung Nr. 7 befindlichen Befestigungssockel nebst Videokamera zu entfernen, da es sich hierbei um eine bauliche Veränderung i.S. des § 22 I 1 WEG handelt, die der Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer bedarf. Bauliche Veränderungen sind auf Dauer angelegte gegenständliche Eingriffe in die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums, die nicht mehr der Pflege, Erhaltung und Bewahrung des gegenwärtigen Zustands oder erstmaligen Herstellung dienen, sondern darüber hinaus einen neuen Zustand schaffen (Niedenführ/Schulze, WEG, § 22 Rdnr. 5). Die Installation einer Videoüberwachungsanlage ist keine modernisierende Instandsetzung, sondern bauliche Veränderung, die der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedarf (Huff, NZM 2002, 89 [91]).

Vorliegend kann auch nicht von einer Ausnahme von dem Grundsatz der Einstimmigkeit gem. § 22 I 2 WEG ausgegangen werden. Nach dieser Vorschrift bedarf eine Maßnahme nach S. 1 dann nicht der Zustimmung eines Wohnungseigentümers, wenn dieser nicht über das in § 14 WEG bestimmte Maß hinaus in seinen Rechten beeinträchtigt wird. Nachdem im vorliegenden Fall sämtliche Wohnungseigentümer, die durch die betreffende Haustür gehen müssen, von der Videokamera betroffen sind, bedürfte es nur dann nicht der Einstimmigkeit, wenn den Wohnungseigentümern keine konkreten und objektiven Beeinträchtigungen zur Last fielen. Für einen dementsprechenden Nachteil ist entscheidend, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein Wohnungseigentümer in einer entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (BGHZ 116, 392 = NJW 1992, 392). Unerhebliche Beeinträchtigungen genügen nicht. Das Gericht geht davon aus, dass es sich bei der Installation einer Videokamera um eine erhebliche objektive Beeinträchtigung der übrigen Miteigentümer handelt. Unabhängig davon, dass der Ag. behauptet, die Videokamera laufe immer nur dann, wenn bei ihm geklingelt werde, hat er in der mündlichen Verhandlung vom 7. 6. 2002 eingeräumt, die Videokamera könne grundsätzlich den ganzen Tag in Betrieb sein. Für die übrigen Miteigentümer ist es nicht nachvollziehbar, ob dies tatsächlich der Fall ist. Der Ag. kann sich auch nicht darauf berufen, die Betriebsbereitschaft der Kamera werde durch eine rote Diode angezeigt, da es den Wohnungseigentümern, die das Haus betreten wollen, nicht zuzumuten ist, sich stets durch einen Blick nach oben links davon zu vergewissern, ob sie nun gefilmt werden oder nicht. Der Ag. kann sich auch nicht darauf berufen, eine Aufzeichnung erfolge nicht, da ein Videorecorder für solche Zwecke ihm nicht zur Verfügung stünde und dieser im Übrigen viele Hundert Euro kosten werde. Die Ast. haben dies zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten, der Ag. hat hierfür keinen Beweis angeboten. Ein besonderes Schutzbedürfnis des Ag. ist für das Gericht auch nicht erkennbar, nachdem er für eine angebliche Lendenwirbelerkrankung keinen Beweis angeboten und im Übrigen auch vorgetragen hat, dass er die meiste Zeit am Arbeiten sei, so dass es ihm durchaus zuzumuten ist, an Stelle der Einschaltung der Kamera nebst Fernseher zur Feststellung der Anzahl der um Einlass begehrenden Personen einfach das Fenster zu öffnen und in den Eingangsbereich Einsicht zu nehmen.

Der Einsatz der Videokamera zur Kontrolle eines bestimmten Personenkreises im Eingangsbereich der Wohnungseigentümergemeinschaft stellt damit einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der übrigen Eigentümer dar. Dies gilt auch dann, wenn der Ag. tatsächlich keine Gesichter erkennen können sollte, sondern nur die Anzahl der Personen. Das schützenswerte Persönlichkeitsrecht der übrigen Wohnungseigentümer umfasst es auch, dass der Ag. nicht per Videokamera feststellen kann, mit wievielen Personen sie den Eingangsbereich betreten.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

WEG §§ 22 I, 14