Formularmäßige Überwälzung der Betriebskosten auf Mieter

Gericht

OLG Hamm


Art der Entscheidung

Rechtsentscheid


Datum

22. 08. 1997


Aktenzeichen

30 RE-Miet 3/97


Leitsatz des Gerichts

In einem Mietvertrag über nicht preisgebundenen Wohnraum kann die Umlegung von Betriebskosten auf den Mieter mit der formularmäßigen Regelung:

„Neben der Miete sind monatlich, anteilig nach der Größe der Wohnfläche die Kosten für Betriebskosten gemäß der II. BerechnungsVO Anlage 3 zu § 27 I zu zahlen.“

wirksam vereinbart werden; einer zusätzlichen Erläuterung des Betriebskostenkatalogs bei Vertragsschluß oder der Beifügung eines Abdrucks dieser Anlage bedarf es nicht (Bestätigung des Rechtsentscheids des BayObLG vom 26. 2. 1984 - BayObLGZ 1984, 38 = NJW 1984, 1761).

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bekl. hatten von der Kl. mit Vertrag vom 18. 5. 1989 eine Wohnung gemietet und diese bis zum 31. 3. 1995 bewohnt. In § 3 Nr. 2 des Formularvertrages findet sich folgende Regelung: „Neben der Miete sind monatlich, anteilig nach der Größe der Wohnfläche die Kosten für Betriebskosten gemäß der II. BerechnungsVO Anl. 3 zu § 27 I zu zahlen.“ Ferner ist vereinbart, daß die Nebenkosten in Form monatlicher Abschlagszahlungen in Höhe von 75 DM erhoben werden und jährlich mit dem Mieter abzurechnen sind. Mit der Klage verlangt die Kl. Nebenkosten gemäß Abrechnung vom 24. 7. 1995 für den Zeitraum vom 1. 1. 1993 bis 31. 3. 1994 in Höhe von insgesamt 248,28 DM.

Das AG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Bekl. seien zur Entrichtung von Nebenkosten nicht verpflichtet, da die Regelung in § 3 Nr. 2 des Mietvertrages nicht dem Bestimmtheitserfordernis genüge. Es könne offenbleiben, ob die Bekl. in der Vergangenheit teilweise Nebenkosten gezahlt haben. Eine nachträgliche Vertragsänderung sei hierdurch nämlich nicht erfolgt. Das mit der Berufung befaßte LG hat dem Senat die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob der Vermieter mit der oben zitierten formularmäßigen vertraglichen Regelung die in der Anl. 3 zu § 27 I der II. BerechnungsVO aufgeführten Betriebskosten wirksam auf den Mieter umlegen könne, ohne ihm gegenüber bei Vertragsabschluß den in der Anl. 3 enthaltenen Betriebskostenkatalog erläutert oder durch Beifügung eines Abdrucks der Anlage zur Kenntnis gebracht zu haben. Die Kammer hält die Berufung als Divergenzberufung gem. § 511 a II ZPO für zulässig und beabsichtigt, von dem Rechtsentscheid des BayObLG vom 26. 2. 1984 (BayObLGZ 1984, 38 = NJW 1984, 1761) abzuweichen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. Die Vorlage ist gem. § 541 I 1 ZPO zulässig.

Es handelt sich um eine Rechtsfrage, die sich aus einem Mietverhältnis über Wohnraum ergibt. Es ist davon auszugehen, daß die Rechtsfrage für die Entscheidung des LG über die Berufung erheblich ist. Allerdings ist dem Vorlagebeschluß weder zu entnehmen, welchen Sachverhalt die Kammer zugrundelegt, noch auf Grund welcher rechtlichen Würdigung sie die Vorlagefrage für entscheidungserheblich ansieht (vgl. hierzu OLG Frankfurt a. M., ZMR 1984, 95; Senat, ZMR 1991, 220). Angesichts des überschaubaren Sachverhalts, der nur hinsichtlich einer Nebenkostenposition - Kosten der Gartenpflege - zwischen den Parteien umstritten ist, kann jedoch gleichwohl die Entscheidungserheblichkeit festgestellt werden. Hierbei geht der Senat davon aus, daß das LG die Rechtsauffassung des AG, es sei nicht nachträglich durch die widerspruchslose Entrichtung der Nebenkosten zu einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung über die Zahlungsverpflichtung oder zu einer Konkretisierung der Vereinbarung über die Nebenkosten gekommen, teilt. Anders wäre nämlich die Vorlage nicht verständlich.

An die Rechtsauffassung des LG ist der Senat, da nicht offensichtlich unhaltbar, gebunden. Das LG beabsichtigt, in der Vorlagefrage von dem Rechtsentscheid des BayObLG vom 26. 2. 1984 abzuweichen, so daß die Voraussetzungen des § 541 I 1 ZPO für die Vorlage erfüllt sind.

III. In der Sache beantwortet der Senat die Vorlagefrage wie aus dem Entscheidungssatz ersichtlich. Der Rechtsentscheid des BayObLG hat in der Rechtsprechung zunächst überwiegend Zustimmung gefunden, ist jedoch in letzter Zeit, insbesondere mit Blick auf die Regelung in § 2 I Nr. 2 AGBG, auch auf Kritik gestoßen (befürwortend: OLG Koblenz, NJW-RR 1990, 1038 = ZMR 1990, 297 [299]; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1991, 1354 [1355]; LG Hagen, WuM 1987, 160; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1986, 91 = ZMR 1986, 51, jedenfalls dann, wenn zusätzlich die wesentlichen Positionen der Anl. 3 zumindest stichwortartig angeführt werden; LG Hagen, WuM 1987, 160; LG Aachen, DWW 1993, 41 [42]; ablehnend: LG Göttingen, ZMR 1989, 95; AG Dortmund, WuM 1996, 425; AG Marsberg, WuM 1997, 230). Die Literatur hat sich ebenfalls überwiegend der Auffassung des BayObLG angeschlossen (so: Katlein, ZMR 1989, 95; Emmerich-Sonnenschein, Miete, 6. Aufl., §§ 535, 536 Rdnr. 26; Staudinger-Emmerich, 13. Bearb. [1995], §§ 535, 536 Rdnr. 116; Staudinger-Sonnenschein-Weitemeyer, 13. Bearb. [1997], Art. 3 WKSchG II § 4 MHRG Rdnr. 30; Barthelmess, WKSchG, 5. Aufl., § 4 MHRG Rdnr. 7; Köhler-Kossmann, Hdb. d. Wohnraummiete, 4. Aufl., § 41 Rdnr. 6; Erman-Jendrek, BGB, 9. Aufl., § 535 Rdnr. 38 b; Palandt-Putzo, BGB, 56. Aufl., § 535 Rdnr. 38; Schmidt, Hdb. d. Mietnebenkosten, 2. Aufl., Rdnr. 2013; wohl auch v. Brunn, in: Bub-Treier, Hdb. d. Geschäfts- und Wohnraummiete, 2. Aufl., III A Rdnr. 34; ablehnend: Löwe, WuM 1984, 193; Geldmacher, DWW 1994, 333 [336]; Sternel, MietR, 3. Aufl., I Rdnr. 312, nur bei Formularverträgen; wohl auch Voelskow, in: MünchKomm, 3. Aufl., §§ 535, 536 Rdnr. 88).

Der Senat folgt der überwiegend vertretenen Ansicht. Die Umlegung von Nebenkosten auf den Mieter bedarf einer eindeutigen vertraglichen Vereinbarung, u. a. weil nach der Regelung in § 546 BGB grundsätzlich der Vermieter die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen hat. Die Verweisung auf die Anlage 3 zu § 27 I der II. BerechnungsVO genügt in schuldrechtlicher Hinsicht diesen Anforderungen. Sie läßt nach ihrem objektiven Inhalt keine Zweifel, welche Betriebskosten der Mieter zu tragen hat und welche nicht. Der schuldrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz ist in vollem Umfang gewahrt.

Bedenken gegen die wirksame Einbeziehung der Anlage 3 zu § 27 der II. BerechnungsVO durch die Bezugnahme in Formularverträgen hat der Senat nicht. Nach § 2 I Nr. 2 AGBG werden Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann Bestandteil eines Vertrages, wenn der Verwender bei Vertragsabschluß der anderen Partei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer Weise von ihrem Inhalt Kenntnis zu nehmen. Was zur Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme gehört, richtet sich nach den Umständen bei Vertragsschluß und dem Bedürfnis der Vertragsparteien (Wolf-Horn-Lindacher, AGBG, 3. Aufl., § 2 Rdnrn. 23, 24, 27; Kötz, in: MünchKomm, § 2 AGBG Rdnrn. 11, 14 a). Unter anderem ist ein auf den Durchschnittskunden bezogenes Mindestmaß an Verständlichkeit der Vertragsklauseln erforderlich.

Bei der Bewertung ist hier zu berücksichtigen, daß § 3 Nr. 2 des Mietvertrags bereits nach seinem Wortlaut für den Durchschnittsmieter keinen Zweifel daran läßt, daß er neben der Kaltmiete Nebenkosten zu zahlen hat. Die Begriffe „Betriebskosten“ und „Nebenkosten“ gehören inzwischen zum allgemeinen Sprachgebrauch und werden nicht nur in Fachzeitschriften, sondern selbst in der Tagespresse verwandt und - angesichts der großen Bedeutung für eine Vielzahl von Bürgern - erörtert. Es ist davon auszugehen, daß der durchschnittliche Mieter eine Vorstellung über die wesentlichen umlegbaren Nebenkosten - wie z. B. Kosten der Wasserversorgung, der Entwässerung, der Heizungsanlage, der Müllabfuhr, Versicherungen, öffentliche Lasten des Grundstücks - besitzt. Die Verweisung bezieht sich nur auf den Katalog der umzulegenden Betriebskosten, nicht etwa auf eine Rechtsregel, deren Inhalt der Klausel selbst nicht zu entnehmen ist und von der der juristische Laie keine Vorstellung hat (vgl. zur Bezugnahme auf § 568 BGB OLG Schleswig, NJW 1995, 2858, welches die Rechtsansicht des BayObLG als „weniger streng“ als die eigene bezeichnet). Es wird ferner in dem Text, auf den verwiesen wird, keine gesetzliche Bestimmung abbedungen, sondern eine mit der normativen Regelung (§ 4 MHRG) völlig übereinstimmende Vereinbarung getroffen.

Angesichts dieser Umstände ist es dem Mieter zumutbar, einen entsprechenden Wunsch zu äußern, sofern er auf eine nähere Auflistung im Vertrag Wert legt. Unterläßt er dieses, kann der Vermieter davon ausgehen, daß der Mieter mit der Verwendung der Begriffe „Nebenkosten“ und „Betriebskosten“ und deren Definition und Aufschlüsselung in der in Bezug genommenen Rechtsnorm einverstanden ist. Die Höhe der finanziellen Belastung selbst steht ohnehin erst nach der periodischen Abrechnung im einzelnen fest. Angaben im Mietvertrag sind hierzu nicht erforderlich. Auch die Vereinbarung eines besonders niedrigen Vorauszahlungsbetrages oder das Absehen von Abschlagszahlungen würde den Vermieter nicht daran hindern, die tatsächlich entstandenen Kosten abzurechnen (vergl. OLG Stuttgart, OLGZ 1983, 118 = NJW 1982, 2506; Geldmacher, DWW 1997, 9).

Die vom LG zitierte Rechtsprechung des BGH zur Frage der wirksamen vertraglichen Einbeziehung der VOB-Teil B gibt dem Senat keinen Anlaß zu einer abweichenden Bewertung (vgl. BGHZ 109, 192 = NJW 1990, 715 = LM § 2 AGBG Nr. 10 = BauR 1990, 205; BGH, NJW-RR 1992, 913 = LM H. 10-1992 § 639 BGB Nr. 33 = BauR 1992, 503; NJW 1994, 2547 = BauR 1994, 617). Die Sachverhalte sind nämlich nicht vergleichbar. Die Regelungen der VOB-Teil B sind nach übereinstimmender Auffassung keine Rechtsnormen. Sie enthalten ein kompliziertes Regelungswerk zu verschiedenen Rechtsfragen eines Werkvertrages über Bauleistungen, nicht nur - wie hier - eine Auflistung zu in Vertragsklauseln getroffenen Vereinbarungen. Der BGH läßt zudem gegenüber im Baugewerbe tätigen Vertragspartnern die Einbeziehung durch bloßen Hinweis in den Verträgen zu (BGHZ 86, 135 [138] = NJW 1983, 816 = LM § 16 [D] VOB-B 1973 Nr. 17). Hieraus ist zu schließen, daß die Anforderungen an die Einhaltung der Voraussetzungen von § 2 I Nr. 2 AGBG nicht überspannt werden dürfen und ein unnötiger Formalismus zu vermeiden ist. Hierfür spricht auch, daß auf die Einhaltung von § 2 I Nr. 2 AGBG durch Individualvereinbarung gänzlich verzichtet werden kann (Palandt-Heinrichs, § 2 AGBG Rdnr. 3; Wolf-Horn-Lindacher, § 2 Rdnr. 26).

Die für preisgebundenen Wohnraum geltenden Regelungen sprechen ebenfalls nicht gegen die hier vertretene Auffassung (anders: Geldmacher, DWW 1994, 333). Es mag dahinstehen, ob die Bezugnahme auf die Anlage 3 zu § 27 der II. BerechnungsVO den Anforderungen von § 20 I 3 NMVO entspricht, wonach Betriebskosten, die im Wege der Umlage geltend gemacht werden sollen, dem Mieter bei Überlassung der Mietsache nach Art und Höhe bekanntzugeben sind. Zu berücksichtigen ist, daß für die Umlegung von Betriebskosten in diesem Bereich nach einer in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansicht eine vertragliche Vereinbarung mit Blick auf § 10 WoBindG nicht nötig ist, sondern der Vermieter Betriebskosten für zukünftige Abrechnungszeiträume auch aufgrund einseitiger Erklärung umlegen darf, sofern die vertragliche Vereinbarung nicht entgegensteht (vgl. Schmid, Rdnr. 2086, m. w. Nachw.; Fischer-Dieskau-Pergande-Schwender, WohnungsbauR, Bd. 4, § 20 NMVO Anm. 2.5). Ob aus diesen oder aus anderen Gründen der Gesetz- und Verordnungsgeber durch die zum 1. 5. 1984 in Kraft getretene Neufassung des § 20 NMVO strengere Anforderungen hinsichtlich der Umlage von Betriebskosten stellen wollte, braucht hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls für den nicht preisgebundenen Wohnraum geben die gesetzlichen Regelungen keinen Anlaß, es dem Vermieter zu verwehren, zur Abgrenzung für den Durchschnittsmieter verständlicher Begriffe auf die Aufstellung in einer Rechtsvorschrift zu verweisen, was gerade der Klarstellung und der Vermeidung von Streitigkeiten dient.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

AGBG § 2; II. BerechnungsVO § 27 Anl. 3