Wirksamkeit einer Mitmieter-Erklärungsempfangsvollmachtklausel

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Beschluss


Datum

10. 09. 1997


Aktenzeichen

VIII ARZ 1/97


Leitsatz des Gerichts

Die gegenseitige Bevollmächtigung der Mieter zur Entgegennahme von Erklärungen durch die in einem formularmäßigen Wohnraummietvertrag enthaltene Klausel: „Erklärungen, deren Wirkung die Mieter berührt, müssen von oder gegenüber allen Mietern abgegeben werden. Die Mieter bevollmächtigen sich jedoch gegenseitig zur Entgegennahme ... solcher Erklärungen. Diese Vollmacht gilt auch für die Entgegennahme von Kündigungen, jedoch nicht für ... Mietaufhebungsverträge“ ist wirksam.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Mit Formularvertrag vom 31. 1. 1984 vermietete die Kl. eine Wohnung ihres Mehrfamilienhauses an die Bekl. Der Mietvertrag bestimmt in § 16 II:

§ 16. . (2) Erklärungen, deren Wirkung die Mieter berührt, müssen von oder gegenüber allen Mietern abgegeben werden. Die Mieter bevollmächtigen sich jedoch gegenseitig zur Entgegennahme oder Abgabe solcher Erklärungen. Diese Vollmacht gilt auch für die Entgegennahme von Kündigungen, jedoch nicht für den Ausspruch von Kündigungen und für Mietaufhebungsverträge.

Kurze Zeit nach Abschluß des Mietvertrags zog die Bekl. zu 2 aus. Die Bekl. unterrichteten die Kl. davon mit Schreiben vom 9. 3. 1991; darin gaben sie der Kl. auch die neue Wohnanschrift der Bekl. zu 2 an. Dem Ausscheiden der Bekl. zu 2 aus dem Mietvertrag widersprach die Kl. Ende des Jahres 1995 wollte die Kl. den Mietzins erhöhen. Mit einem an alle drei Bekl. unter der Adresse der vermieteten Wohnung gerichteten Schreiben forderte sie dazu auf, der beabsichtigten Erhöhung zuzustimmen. Die Aufforderung ist den Bekl. zu 1 und zu 3 zugegangen. Die Mieter stimmten nicht zu. Die Kl. erhob daraufhin gegenüber allen drei Mietern Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung.

Das AG hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil das vorprozessuale Verlangen nach Erhöhung der Miete unwirksam gewesen sei. Es sei nicht von allen Mietern Zustimmung verlangt worden, weil die aus der Mietwohnung bereits ausgezogene Bekl. zu 2 das entsprechende Schreiben der Kl. nicht erhalten habe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Vertragsklausel über die gegenseitige Bevollmächtigung der Mieter für den Empfang von Willenserklärungen. Eine solche Bevollmächtigung reiche jedenfalls dann nicht aus, wenn der Vermieterin - wie vorliegend - die Anschrift des bereits ausgezogenen Mieters bekannt sei. Die Kl. hat zur Begründung ihrer Berufung geltend gemacht, aufgrund der ihrer Ansicht nach nicht zu beanstandenden Bevollmächtigungsklausel habe sie auch von der Bekl. zu 2 wirksam verlangt, der Mieterhöhung zuzustimmen. Das LG hält das Mieterhöhungsverlangen der Kl. für wirksam. Zur Begründung führt es aus: Ein unmittelbarer Zugang des klägerischen Schreibens mit der Bitte um Zustimmung auch an die Bekl. zu 2 sei aufgrund der vertraglich vereinbarten wechselseitigen Bevollmächtigung der Mieter nicht erforderlich gewesen. Die erteilte Vollmacht sei durch die im März 1991 erfolgte Mitteilung vom Auszug der Bekl. zu 2 nicht widerrufen worden. Es sieht sich jedoch durch das Urteil des OLG Celle vom 29. 12. 1989 (WuM 1990, 103 (112f.)) gehindert, diese Rechtsansicht seiner Entscheidungsfindung zugrunde zu legen. Das genannte Gericht habe in seiner insoweit in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung eine vergleichbare Vollmachtsklausel aufgrund ihres umfassenden, Mißbrauch ermöglichenden Geltungsanspruchs und auch deshalb, weil das Recht zum Widerruf der Vollmacht nicht ausdrücklich geregelt werde, wegen unangemessener Benachteiligung der Mieter für unwirksam gehalten. Das LG hat deshalb dem BayObLG durch Beschluß vom 18. 12. 1996 folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

„Ist hinsichtlich des Zugangs eines Mieterhöhungsverlangens nach § 2 II 1 MHRG eine im Mietvertrag enthaltene gegenseitige Bevollmächtigung der Mieter zur Entgegennahme von Erklärungen durch eine im verwendeten Vordruck vorformulierte Klausel mit folgendem Wortlaut wirksam: 'Erklärungen, deren Wirkung die Mieter berührt, müssen von oder gegenüber allen Mietern abgegeben werden. Die Mieter bevollmächtigen sich jedoch gegenseitig zur Entgegennahme oder Abgabe solcher Erklärungen. Diese Vollmacht gilt auch für die Entgegennahme von Kündigungen, jedoch nicht für den Ausspruch von Kündigungen und für Mietaufhebungsverträge.'"

Das BayObLG will sich der Rechtsmeinung des LG anschießen, hält sich aber ebenfalls nicht für berechtigt, von dem Urteil des OLG Celle vom 29. 12. 1989 abzuweichen. Es hat deshalb die vom LG gestellte Rechtsfrage mit Beschluß vom 13. 6. 1997 (NJWE-MietR 1997, 193) dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. Die Vorlage an den BGH ist zulässig (§ 541 I ZPO).

1. Die Vorlagefrage stellt sich in einem Rechtsstreit über Wohnraum, den das LG als BerGer. zu entscheiden hat (§ 541 I 1 ZPO). Zutreffend hat es das BayObLG als unschädlich angesehen, daß sich die Rechtsfrage mit der Angemessenheit einer nicht nur in Wohn-, sondern auch in Geschäftsraummietverträgen verwendeten Formularklausel befaßt. Denn die Beurteilung der Klausel erfordert bei einem Wohnraummietvertrag wegen ihrer Verknüpfung mit nur für die Wohnraummiete geltenden Vorschriften eine besondere Wirksamkeitsprüfung und bedarf deshalb einer spezifisch von wohnraummietrechtlichen Gesichtspunkten bestimmten Interessenabwägung. Bei einem solchen sachlichen Bezug zum Wohnraummietrecht, wie er hier bei dem ausschließlich für Wohnraummiete vorgesehenen Mieterhöhungsverlangen gegeben ist, ist der Rechtsentscheid zulässig (OLG Hamm, RES IX § 551 BGB Nr. 1 (unter II 1); BayObLG, NJW-RR 1987, 1302 = RES VI § 2 MHRG Nr. 61 (unter 2b aa); RES VII § 550b BGB Nr. 2 (unter 2b)).

2. Die Vorlagefrage ist für das Verfahren beim LG entscheidungserheblich. a) Das Mieterhöhungsverlangen der Kl. erweist sich als zulässig, wenn die Bekl. durch die Formularklausel sich wechselseitig wirksam bevollmächtigt haben. In diesem Fall hat die Kl. von allen Mietern gem. § 2 II 1 MHRG die Zustimmung erbeten; die Bekl. zu 2 wurde von den Bekl. zu 1 und zu 3 beim Empfang vertreten (§ 164 I , III BGB). Damit hat das LG die Begründetheit der Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung zu prüfen, wenn die Vorlagefrage zu bejahen ist. Dagegen ist die Berufung der Kl. nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens als unbegründet zurückzuweisen, sofern das Mieterhöhungsverlangen unzulässig war, weil die Bekl. zu 2 durch die Mitmieter beim Erklärungsempfang nicht vertreten wurde.

b) Zu Recht hat die Vorinstanz die Erheblichkeit der vorgelegten Rechtsfragen bejaht, obwohl es nahelag, das Schreiben der Bekl. vom 9. 3. 1991 (Mitteilung des Auszugs der Bekl. zu 2 unter Angabe ihrer neuen Anschrift) als Widerruf der von der Bekl. zu 2 formularmäßig - unterstellt wirksam - erteilten Vollmacht aufzufassen (§§ 168 , 170 BGB). Auch der Senat hält es für naheliegend, das Schreiben als stillschweigend erklärten Widerruf der erteilten Vollmacht zu werten. Eine solche Auslegung dürfte dem erkennbaren Willen des ausgezogenen Mieters (§ 133 BGB) entsprechen. Denn dieser hat ein besonderes Interesse daran, daß ihm nunmehr Erklärungen des Vermieters unmittelbar zugehen und er nicht auf Unterrichtung durch die verbliebenen Mieter angewiesen ist. Die Mitteilung der neuen Anschrift ließe sich zwangslos als Aufforderung verstehen, die Vermieterin möge Erklärungen, die das Mietverhältnis betreffen, ihr nunmehr an die neue Adresse zu senden, weil mit einer Empfangsvollmacht für die Mitmieter kein Einverständnis mehr bestehe (so auch Schmidt-Futterer/Blank, WohnraumschutzG, 6. Aufl., B Rdnr. 44; Behrens, Beteiligung mehrerer Mieter am Mietverhältnis, 1989, S. 204). Bei dieser Auslegung wäre die Vorlagefrage nicht mehr entscheidunsgerheblich. Das LG hat jedoch diese Vorfrage anders beurteilt. Es hat die Abgabe einer Widerrufserklärung seitens der Bekl. zu 2 verneint. Dabei setzt sich das LG zwar nicht damit auseinander, daß der Kl. die neue Anschrift der Bekl. zu 2 mitgeteilt wurde. Doch ist die vom LG vorgenommene Auslegung im Ergebnis jedenfalls nicht unvertretbar. In einem solchen Fall hat das für den Rechtsentscheid zuständige Gericht die Beantwortung der Vorfrage durch das vorlegende Gericht zu respektieren. Dieser unter den Oberlandesgerichten überwiegend vertretenen Rechtsansicht (OLG Oldenburg, RES I 3. MietRÄndG Nr. 1; OLG Karlsruhe, NJW 1981, 1741 = RES I § 552 BGB Nr. 3; KG, NJW 1986, 137 = RES V § 5416 BGB Nr. 2) tritt der Senat, der hierzu bisher noch nicht ausdrücklich Stellung genommen hat, nunmehr bei. Denn das LG ist im Hinblick auf die Vorfrage nicht an die abweichende Rechtsansicht des Obergerichts gebunden. Es könnte nach Ablehnung des Rechtsentscheids an seiner eigenen Beurteilung der Vorfrage festhalten und wäre dann genötigt, die von ihm weiterhin für entscheidungserheblich gehaltene Vorlagefrage selbst zu beantworten. Dies widerliefe der Zielsetzung des Verfahrens nach § 541 ZPO.

c) Mit der weiteren Vorfrage, ob die von der Bekl. zu 2 - unterstellt wirksam - erteilte Empfangsvollmacht nach dem ihrer Erteilung zugrundeliegenden Rechtsverhältnis durch die Mitteilung vom 9. 3. 1991 gem. §§ 168 , 170 BGB erloschen ist, hat sich das LG nicht befaßt. Einer Beantwortung dieser Frage durch den Senat bedarf es indes nicht. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, daß das LG nach Ablehnung des Rechtsentscheids bei erneuter Prüfung annehmen werde, die Vollmacht sei aufgrund der Mitteilung erloschen. Dies liegt fern, weil das LG es bereits abgelehnt hat, in der Mitteilung der Bekl. zu 2 einen konkludent erklärten Widerruf zu sehen. Wie bereits ausgeführt, wäre das LG an eine gegenteilige Auffassung des Senats nicht gebunden. Der Umstand, daß das LG auf diese Vorfrage nicht eingegangen ist, steht damit einem Rechtsentscheid nicht entgegen. Damit weicht der Senat nicht von der früheren Rechtsprechung des BGH ab, insbesondere nicht vom Senatsbeschluß vom 11. 7. 1990 (NJW 1990, 3142 = LM MietRÄndG Nr. 8 = RES VIII 3. MietRÄndG Nr. 98). Dort hat der Senat entschieden, daß ein Rechtsentscheid nicht in Betracht kommt, wenn der Vorlagebeschluß eine sich aufdrängende Auseinandersetzung mit einem Teil des Sachverhalts vermissen läßt, dessen Berücksichtigung die angenommene Divergenz beseitigt (NJW 1990, 3142 (unter 2b.)). Im Streitfall würde die vom LG unterlassene Berücksichtigung der übergangenen Vorfrage die vorhandene Divergenz nicht ausräumen.

3. Das vorlegende BayObLG will i.S. des § 541 I 3 ZPO von der Entscheidung eines Oberlandesgerichts abweichen. Es möchte § 16 II des Mietvertrags jedenfalls insoweit für wirksam erachten, als diese Bestimmung den Zugang des Mieterhöhungsverlangens betrifft. Damit würde es von dem Urteil des OLG Celle vom 29. 12. 1989 (WuM 1990, 103) abweichen. Das OLG hat rechtskräftig im Verfahren nach § 13 AGBG festgestellt, folgende Klausel sei wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters gem. § 9 I , II Nr. 1 AGBG unwirksam (unter III 8):

Die Mieter bevollmächtigen sich untereinander in der Weise, daß jeder von ihnen allein berechtigt ist, Willenserklärungen mit Wirkung für alle entgegenzunehmen oder abzugeben. Das gilt nicht für Kündigungen und Mieterhöhungserklärungen des Vermieters.

Das Gericht hat in seiner Entscheidung erwogen, nur die Wirksamkeit wechselseitiger Bevollmächtigungen der Mieter zur Entgegennahme von Willenserklärungen zu prüfen. Es hat jedoch die Aufspaltung der zu prüfenden Klausel in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil wegen fehlender ausdrücklicher Regelung des Widerrufs der Vollmacht abgelehnt. Dies stelle schon für sich gesehen eine unangemessene Benachteiligung der Mieter dar. Deshalb sei die Klausel auch insoweit unwirksam, als sie lediglich die Empfangsvollmacht der Mieter betreffe.

a) Zu Recht hat das BayObLG angenommen, bei Prüfung der dem Vorlagebeschluß unterliegenden Klausel handele sich um dieselbe Rechtsfrage, die das OLG Celle im Urteil vom 19. 12. 1989 entschieden hat. Denn es reicht aus, wenn die vorgelegte Rechtsfrage mit der bereits entschiedenen Rechtsfrage ihrem wesentlichen Inhalt nach deckungsgleich ist (Senat, NJW 1984, 237 = LM 3. MietRÄndG Nr. 4 (unter 2a)). Das ist hier der Fall, auch wenn die jeweiligen Formulierungen verschieden sind. Beide Klauseln regeln die Frage, ob und in welchem Umfang Erklärungen, die das Mietverhältnis betreffen, von einem der Mieter mit Wirkung für die Mitmieter entgegengenommen oder abgegeben werden können. Das LG könnte die von dem Vorlagebeschluß erfaßte Klausel nicht als wirksam beurteilen, ohne von den tragenden Gründen der Entscheidung des OLG Celle abzuweichen. Denn auch die im Streitfall zu prüfende Klausel enthält keine ausdrückliche Regelung über den Widerruf der Vollmacht.

b) Die Vorinstanzen haben einen Vorlagefall angenommen, obwohl sie von einer oberlandesgerichtlichen Entscheidung abweichen wollen, die nicht als Rechtsentscheid ergangen ist, sondern als Urteil nach gem. § 13 AGBG erhobener Verbandsklage. Dies begegnet keinen Bedenken. Zwar haben einige Oberlandesgerichte die Ansicht vertreten, nur ein beabsichtigtes Abweichen von einem Rechtsentscheid bilde einen Vorlagefall (OLG Stuttgart, NJW 1981, 2365 = RES I § 5 WiStrG Nr. 1 (unter 1); OLG Hamm, NJW 1984, 1044 = RES IV § 564b BGB Nr. 30 (unter II)). Doch teilt der Senat diese Auffassung nicht (BGHZ 89, 275 (278f.) = NJW 1984, 1615 = LM 3. MietRÄndG Nr. 5). Der Wortlaut des Gesetzes sieht eine Beschränkung der Vorlagepflicht auf eine beabsichtigte Abweichung von Rechtsentscheiden nicht vor. Auch spricht der Zweck des Rechtsentscheidsverfahrens, auf dem Gebiet des Wohnungsmietrechts eine einheitliche Rechtspraxis zu erreichen, gegen eine solche Beschränkung.

III. Der Senat beantwortet die Vorlagefrage wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich. Diese entspricht nicht wörtlich der Fragestellung, ohne deren Kern anzutasten (vgl. BGHZ 123, 233 (238) = NJW 1993, 2528 = LM H. 2/1994 § 553 BGB Nr. 15).

1. Das BayObLG durfte sich darauf beschränken, die Formularklausel lediglich insoweit zu beurteilen, als sie die gegenseitige Bevollmächtigung der Mieter zur Entgegennahme von Erklärungen vorsieht. Es hat die Frage offengelassen, ob es die Klausel auch insoweit für wirksam hält, als sich die Mieter darin gegenseitig zur Abgabe von Erklärungen bevollmächtigen. Auch der Senat sieht keinen Anlaß, dies zu entscheiden. Die Vorlagefrage betrifft allein die Entgegennahme von Erklärungen durch die Mieter. Die Formularklausel ist entsprechend teilbar. Die Wirksamkeit der Empfangsvollmacht kann losgelöst von derjenigen der Abgabevollmacht beurteilt werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß es Gerichten grundsätzlich nach Sinn und Zweck der Vorschriften des AGB-Gesetzes verwehrt ist, eine Klausel nur mit eingeschränktem Inhalt aufrechtzuerhalten (grundlegend BGHZ 84, 109 (114f.) = NJW 1982, 2309 = LM § 3 AGBG Nr. 3). Das sog. Verbot geltungserhaltender Reduktion einer beanstandeten Klausel gilt nämlich dann nicht, wenn die Regelung mehrere voneinander trennbare Teile enthält (vgl. BGH, NJW 1984, 2816 = LM § 7 AGBG Nr. 1 (unter II 3); NJW 1985, 320 = LM § 3 AGBG Nr. 4 = WM 1985, 24 (unter XV 2b); NJW 1989, 1796 = LM § 9 (Bl) AGBG Nr. 24 = WM 1989, 740 (unter II 3)).

Hiernach kann auch vorliegend die Wirksamkeit der formularmäßig wechselseitig erteilten Empfangsvollmacht isoliert beurteilt werden. Nach Streichung des die Abgabevollmacht regelnden Klauselteils ("... oder Abgabe ..." und „... für den Ausspruch von Kündigungen und ...") verbleibt eine sprachlich und inhaltlich selbständige und sinnvolle Regelung. Es ist auch anzunehmen, daß die Parteien eine solche Teilregelung getroffen hätten, wenn sie die Bevollmächtigung zur Abgabe von Willenserklärungen als unwirksam angesehen hätten.

2. Der Senat ist mit dem BayObLG der Ansicht, daß die Formularklausel in § 16 II des Mietvertrags wirksam ist, soweit sie den Empfang von Willenserklärungen durch die Mieter betrifft.

a) Ein Verstoß gegen das Verbot einer Zugangsfiktion nach § 10 Nr. 6 AGBG liegt nicht vor. Aufgrund der Bevollmächtigung vertreten die Mieter sich beim Empfang von Willenserklärungen gegenseitig nach § 164 III BGB. Damit wird der Zugang von Willenserklärungen nicht fingiert (OLG Zweibrücken, MDR 1983, 670; Behrens S. 201). Dabei wird nicht verkannt, daß eine solche Vollmacht, wie der III. Zivilsenat des BGH in seinem Urteil vom 22. 6. 1989 festgestellt hat, in ihrer Wirkung zu Lasten des Vertretenen einer Zugangsfiktion nahekommt (BGHZ 108, 98 (101) = NJW 1989, 2383 = LM § 164 BGB Nr. 64). Doch wird die zu prüfende Klausel aus diesem Gesichtspunkt nicht am Maßstab des § 10 Nr. 6 AGBG gemessen, sondern diese besondere Auswirkung ist bei der Beurteilung nach § 9 I AGBG mitzuberücksichtigen (so auch Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 3. Aufl. (1994), § 10 Nr. 6 Rdnr. 17; Basedow, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 10 AGBG Rdnr. 67).

b) Eine unangemessene Benachteiligung der Mieter i.S. des § 9 II Nr. 1 AGBG ist nicht anzunehmen. Die Klausel ist mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung vereinbar. Zwar sind nach der gesetzlichen Regelung gegenüber dem Mieter abzugebende Erklärungen an alle Mitmieter zu richten, wenn eine Personenmehrheit die Sache angemietet hat. Dies folgt aus der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses und daraus, daß alle Mitmieter gemeinschaftlich die Mieterseite des bestehenden Mietverhältnisses bilden (allg. M.; vgl. etwa Palandt/Putzo, BGB, 56. Aufl., § 564 Rdnr. 13). Doch ist die Vollmacht einzelner, für eine Personenmehrheit Willenserklärungen entgegenzunehmen, dem Gesetz nicht fremd. Dies belegen § 125 II 3 HGB, § 28 II BGB, § 78 II 2 AktG, § 35 II 3 GmbHG, § 1629 I 2 BGB und § 25 I 3 GenG. Aus diesen Bestimmungen wird zu Recht der allgemeine Rechtsgrundsatz abgeleitet, daß einer Personenmehrheit eine Willenserklärung durch Abgabe gegenüber einem der Gesamtvertreter zugeht (BGHZ 20, 149 (153) = NJW 1956, 869 = LM § 346 (Ea) HGB Nr. 2; BGHZ 62, 166 (173) = NJW 1974, 1194; Schramm, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 164 BGB Rdnr. 87; Behrens, S. 188). Dies gilt auch für die Gesellschaft nach §§ 705ff. . BGB, in welcher die Gesellschafter grundsätzlich gesamtvertretungsberechtigt sind (Palandt/Heinrichs, § 167 Rdnr. 14 i.V. mit Palandt/Putzo, § 174 Rdnr. 2). Nach überwiegender Auffassung bilden die Mitglieder einer Wohngemeinschaft, die gemeinsam eine Wohnung angemietet haben, eine GbR, soweit nichts anderes vereinbart ist (Sternel, MietR, 3. Aufl., I Rdnr. 14; Straßenberger, in: Bub/Treier, Hdb. d. Geschäfts- u. Wohnraummiete, 2. Aufl., II, Rdnr. 280; Sonnenschein, NJW 1984, 2121f.; nach Palandt/Putzo, § 535 Rdnr. 6, liegt meist eine solche Gesellschaft bei Wohngemeinschaften vor; a.M. (Rechtsverhältnis eigener Art) Voelskow, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 535 Rdnr. 12). Wie das BayObLG zutreffend ausführt, entspricht daher bei einer Personenmehrheit die ausdrückliche Vereinbarung einer gegenseitigen Empfangsvollmacht, soweit nicht ohnehin schon Gesamtvertretungsmacht besteht, dem gesetzlichen Leitbild.

c) Die Klausel über die Empfangsvollmacht benachteiligt die Mieter nicht unangemessen (§ 9 I AGBG).

aa) Eine „gegenseitige Selbstentrechtung", wie sie bei Erteilung von Abgabevollmachten weithin angenommen wird (OLG Nürnberg, NJW 1988, 1220; OLG Celle, WuM 1990, 103 (112); OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 1992, 396 = WuM 1992, 56 (61f.); LG Frankfurt a.M., WuM 1990, 271 (281f.); Behrens, S. 194ff.), ist durch eine wechselseitige Empfangsvollmacht nicht zu befürchten. Das gemeinsame Anmieten und Wohnen ist Ausdruck eines Näheverhältnisses, welches annehmen läßt, daß ein Mieter Erklärungen des Vermieters, die das Mietverhältnis betreffen, den Mitmietern weitergibt. Zu Recht wird im Schrifttum hervorgehoben, daß Empfangsvollmachten keine große praktische Bedeutung zukommt, solange die Mieter in der Wohnung zusammenleben. Schriftliche Erklärungen des Vermieters an die Mitglieder der Wohngemeinschaft werden in diesem Fall auch ohne Empfangsvollmacht gegenüber allen Mietern wirksam, wenn die Erklärung in den Briefkasten eingeworfen oder einem der Mieter übergeben wird (Schmidt-Futterer/Blank, B Rdnrn. 34f.; Behrens, S. 203). Die Mitmieter sind füreinander Empfangsboten (Palandt/Heinrichs, § 130 Rdnr. 9). Der Zugang an einen Mieter führt mithin dazu, daß die Mitmieter die Möglichkeit der Kenntnisnahme erhalten. Damit ist für jeden der Mieter die Zugangsvoraussetzung erfüllt.

Praktisch bedeutsam wird deshalb eine erteilte Empfangsvollmacht erst nach dem Auszug eines Mieters. Dadurch entfällt das persönliche und räumliche Näheverhältnis, welches es rechtfertigt, die Mietmieter als Empfangsboten aufzufassen. Soweit dem Mieter nach dem Verlassen der Mietwohnung Nachteile daraus entstehen, daß die Mitmieter aufgrund erteilter Empfangsvollmacht Erklärungen auch mit Wirkung für ihn entgegennehmen, kann er sich hiergegen durch einen Widerruf der erteilten Vollmacht schützen. Grundsätzlich ist eine Vollmacht frei widerruflich (§ 168 S. 2 BGB). Auch wenn im Einzelfall etwas anderes anzunehmen ist, verbliebt jedenfalls das Recht zum Widerruf aus wichtigem Grund (BGH, WM 1985, 646 (unter 2a m. w. Nachw.)). Der Auszug stellt einen wichtigen Grund dar.

Das hiernach verbleibende „Restrisiko“ einer wechselseitig erteilten Empfangsvollmacht kann Mietern unter Berücksichtigung auch der Interessen des Vermieters zugemutet werden. Der Vermieter hat ein verständliches Interesse daran, den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit der Mietpartei zu vereinfachen, wenn diese aus einer Personenmehrheit besteht. Würde ihm das verwehrt, bereitete es ihm erhebliche Probleme, Erklärungen wirksam gegenüber allen Mietern abzugeben, sofern ein Mieter ohne Angabe seiner neuen Wohnanschrift ausgezogen ist. Für diesen Fall Vorsorge zu treffen, erscheint insbesondere bei Wohngemeinschaften angezeigt, die erfahrungsgemäß in ihrer Zusammensetzung einem Wechsel unterworfen sind.

Der Senat hält wechselseitige Empfangsvollmachten der Wohnraummieter deshalb auch dann für wirksam, wenn sie formularmäßig erteilt wurden (so auch OLG Nürnberg, NJW 1988, 1220; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 6. Aufl., § 564 Rdnr. 19; Schmidt-Futterer/Blank, B Rdnr. 44; Behrens S. 200ff.; a.M. Grapentin, in: Bub/Treier, IV Rdnr. 43; Sternel, MietR aktuell, Rdnr. 118).

bb) In Übereinstimmung mit dem vorlegenden BayObLG sieht der Senat eine solche Klausel nicht deshalb als unwirksam an, weil sie auch Kündigungserklärungen des Vermieters erfaßt. In der obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Schleswig, NJW 1983, 1862; OLG Celle, WuM 1990, 103 (112f.); OLG Frankfurt a.M., NJW-RR 1992, 396 = WuM 1992, 56 (61)) wie auch im Schrifttum (Grapentin, in: Bub/Treier, IV Rdnr. 43; Gramlich, MietR, 6. Aufl. (1995), § 2 MHRG Bem. III 9; Drettmann, in: F. Graf v. Westphalen, VertragsR u. AGB-Klauselwerke, Wohnraummiete, Stand: November 1995, Rdnr. 12; Sternel, MietR I, Rdnr. . 403) ist die gegenteilige Ansicht verbreitet. Zur Begründung wird ausgeführt, es spreche nichts dafür, daß die Vollmacht so weit gehen solle, ihre eigene Rechtsgrundlage, den Mietvertrag, zu entziehen. Das überzeugt nicht. Eine unangemessene Benachteiligung der Mieter liegt auch in diesem Fall nicht vor. Sofern ein Mieter bereits aus der Wohnung ausgezogen ist, hat er regelmäßig kein eigenes Interesse mehr an der Fortsetzung des Mietverhältnisses. Ihm drohen typischerweise keine Nachteile, wenn er von seinen Mitmietern nicht oder nicht unverzüglich über die Kündigung unterrichtet wird. Zudem kann sich der ausziehende Mieter durch Widerruf der formularmäßig erteilten Vollmacht vor Nachteilen schützen (vgl. o. III 2c aa). Solange der Mieter die gemeinsam angemietete Wohnung noch bewohnt, sind bereits aus allgemeinen zugangsrechtlichen Erwägungen (s.o. III 2c aa) seine Mitmieter Personen, die als Empfangsboten eine Kündigungserklärung mit Wirkung für ihn entgegennehmen. Abgesehen davon ist der Vermieter selbst an der Mitteilung der Kündigung an die in der Wohnung verbliebenen Mieter interessiert; in seinem Interesse liegt die baldige Räumung der Wohnung durch sämtliche Mieter.

Zu Recht sieht daher der Mustermietvertrag 1976 des Bundesministers der Justiz (Beil. z. BAnz Nr. 22 v. 3. 2. 1976) in § 16 II eine formularmäßige Empfangsvollmacht auch für die Kündigung des Vermieters vor (im Erg. ebenso OLG Nürnberg, NJW 1988, 1220; Sternel, MietR I, Rdnr. . 403; Schmidt-Futterer/Blank, B Rdnr. 44; Emmerich/Sonnenschein, § 564 Rdnr. 19).

cc) Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht daraus, daß die der Vorlagefrage zugrundeliegende Formularklausel keine ausdrückliche Regelung des Widerrufs enthält (a.M. OLG Celle, WuM 1990, 103 (112f.)). Jede Vollmacht, auch eine unwiderruflich erteilte, kann aus wichtigem Grund widerrufen werden (BGH, WM 1985, 646).

Die Befürchtung des OLG Celle (WuM 1990, 103 (113)), beim rechtsunkundigen Mieter könnte der unzutreffende Eindruck entstehen, er sei unwiderruflich an die erteilte Vollmacht gebunden, erscheint nicht gerechtfertigt. Die Klausel erweckt nicht den Anschein der Unwiderruflichkeit. Auf die sich aus dem Gesetz ergebende Möglichkeit des Widerrufs ist der Vermieter nicht verpflichtet hinzuweisen (ebenso Wolf/Horn/Lindacher, § 9 Rdnr. M 55). Unterläßt er dies, führt dies auch in einer Gesamtschau nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

AGBG §§ 9, 10 Nr. 6; MHRG § 2; BGB §§ 164, 168, 170