Gegenseitige Vermietung zwischen Mutter und Sohn kein Rechtsmißbrauch

Gericht

BFH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

12. 09. 1995


Aktenzeichen

IX R 54/93


Leitsatz des Gerichts

Zur Frage, ob die Übertragung des Eigentums an einer von zwei Eigentumswohnungen auf einen nahen Angehörigen verbunden mit gleichzeitiger wechselseitiger Vermietung dieser Wohnungen einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts darstellt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. ist teils nichtselbständig und teils selbständig als Arzt tätig. Er bewohnte eine Wohnung im ZFH seiner Mutter, das am 17. 3. 1988 in zwei Eigentumswohnungen aufgeteilt wurde. A selben Tage übertrug ihm seine Mutter das Eigentum an der von ihr selbst bewohnten ETW in diesem Haus zum Preis von 311000 DM (Übernahme von Darlehensverpflichtungen). Der Kl. hat vorgetragen, daß i.H.v. ca. 25 v. H. die Übertragung schenkungsweise erfolgt sei. Die erworbene Wohnung vermietete der Kl. ebenfalls mit Vertrag vom 17. 3. 1988 für 700 DM monatlich auf die Dauer von 20 Jahren an seine damals 62-jährige Mutter. Die im Eigentum der Mutter verbliebene ETW vermietete die Mutter für 490 DM monatlich an den Kl.

In seiner ESt-Erklärung für das Streitjahr 1988 machte der Kl. einen Werbungskostenüberschuß bei den Einkünften aus VuV von 21770 DM geltend. Das FA berücksichtigte diesen Werbungskostenübershuß zunächst in dem gem. § 164 Abs. 1 der AO 1977 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen ESt-Bescheid 1988. Später änderte es diesen Bescheid und setzte keine Einkünfte aus VuV mehr fest. Nachdem das FA den Kl. ferner vergeblich aufgefordert hatte, die bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit geltend gemachten Fortbildungskosten von 17170 DM aufzugliedern, kürzte es diese Aufwendungen im Wege der Schätzung um 1350 DM. Es handelt sich dabei um einen Teil der Kosten für eine vom 27. 2. bis 12. 3. 1988 in S/Österreich durchgeführte Weiterbildungsveranstaltung zur Erlangung der Zusatzbezeichnung "Sportmedizin".

Nach vergeblichem Einspruch erhob der Kl. Klage, die das FG als unbegründet zurückwies. Die Revision führte zur teilweisen Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung an das FG.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Das FG hat zu Unrecht die Berücksichtigung eines Werbungskostenüberschusses bei den Einkünften aus VuV (§ 21 des EStG) deshalb verneint, weil das Mietverhältnis des Kl. mit seiner Mutter wegen Rechtsmißbrauchs (§ 42 AO 1977) steuerrechtlich nicht anzuerkennen sei.

1. Soweit das FG allerdings den Abzug der Kosten des Aufenthalts in S abgelehnt hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es kann dahingestellt bleiben, welcher Einkunftsart - nichtselbständige oder selbständige Arbeit (§ 18 oder § 19 EStG) - die Aufwendungen zur Erlangung der Bezeichnung "Sportmedizin" zuzuordnen wären. Sie sind weder als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) noch als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) abzugsfähig.

Der BFH hat in mehreren Entscheidungen den Abzug von Aufwendungen für einen Lehrgang zum Erwerb der Bezeichnung "Sportmedizin" als Werbungskosten/Betriebsausgaben verneint, wenn der Lehrgang in der Skihauptsaison in einem bekannten Wintersportort stattfand und dabei Wintersport in nicht unbedeutendem Umfang so, wie es üblicherweise auch bei anderen Besuchern des Ortes als Freizeitsport geschah, betrieben wurde (z.B. Urt. v. 17. 7. 1992, VI R 140/89, BFH/NV 1993, 20; v. 19. 10. 1989, VI R 155/88, BStBl. II 1990, 134, DStR 1990, 82 und v. 15. 3. 1990, IV R 60/88, BStBl. II 1990, 736, DStR 1990, 486).

Das FG hat diese Voraussetzungen hier zu Recht bejaht. Der Lehrgang fand im Februar/März in S statt und schloß im praktischen Teil sowohl den alpinen Skilauf wie den Skilanglauf ein.

Unerheblich ist demgegenüber, daß die Skipraxis nach der Weiterbildungsverordnung der Landesärztekammer erforderlich war (vgl. BFH v. 14. 12. 1990, VI R 117/89, BFH/NV 1991, 448; v. 15. 3. 1990, IV R 109/88, BFH/NV 1991, 438, und v. 23. 6. 1992, VI R 15/90, BFH/NV 1992, 814). Der Senat sieht auch im Hinblick auf die von der Revision angeführten Urteile des FG des Saarlandes vom 19. 3. 1991, 1 K 55/91 (EFG 1991, 377, rkr.), und v. 2. 7. 1991, 1 K 272/90 (EFG 1991, 725, rkr.) keinen Anlaß, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzuweichen.

Das FA und das FG haben den nicht abziehbaren Aufwand auf 1350 DM geschätzt, weil der Kl. trotz Aufforderung im Einspruchsverfahren und im finanzgerichtlichen Verfahren keine Angaben dazu gemacht hat. Der geschätzte, nicht zum Abzug zugelassene Betrag ist jedenfalls nicht zu hoch. Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen gehört zu den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der BFH gem. § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich gebunden ist. Diese Bindung besteht dann nicht, wenn die tatsächlichen Feststellungen auf einem Rechtsirrtum oder Verfahrensmangel beruhen oder gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder anerkannte Schätzungsgrundsätze verstoßen (vgl. BFH v. 19. 9. 1990, IX R 72/85, BFH/NV 1991, 369, und v. 27. 6. 1995, IX R 130/90, DStR 1995, 1671). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

2.a) Entgegen der Auffassung des FG sind die Voraussetzungen eines Mißbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO 1977) nicht gegeben. Die Stpfl. sind grundsätzlich frei, ihre rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, daß sich eine geringere Steuerbelastung ergibt (BFH v. 12. 7. 1988, IX R 149/83, BStBl. II 1988, 942, zu 3.a, DStR 1988, 677); die gewählte Gestaltung ist auch der Besteuerung zugrunde zu legen. Das gilt nicht, wenn die Voraussetzungen des Rechtsmißbrauchs i.S.d. § 42 AO 1977 gegeben sind, d. h. wenn eine Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem angestrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerlich Gründe nicht zu rechtfertigen ist (BFH v. 19. 6. 1991, IX R 134/86, BStBl. II 1991, 904, m.w.N., DStR 1991, 1419, und v. 3. 12. 1991 IX R 142/90, BStBl. II 1992, 397, betr. "Kauf" eines Grundstücks von der Mutter).

Die Aufteilung des Zweifamilienhauses in zwei Eigentumswohnungen und die Übertragung der Wohnung, in der die Mutter des Kl. wohnte und wohnen leiben wollte, ist kein Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Es stand der Mutter des Kl. frei, über ihr Eigentum, z.B. auch zum Zwecke der vorweggenommenen Erbfolge, zu verfügen.

Dabei war es wirtschaftlich nicht geboten, die Wohnung zu übertragen, in der sie selbst nicht wohnte.

Es kann offenbleiben, wie die Übertragung auf den Kl. steuerrechtlich zu behandelt wäre, wenn sich die Mutter dadurch außerstande gesetzt hätte, für ihren eigenen Unterhalt aufzukommen (§ 1602 Abs. 1 BGB) und dann möglicherweise der Kl. unterhaltspflichtig geworden wäre (§ 1601, § 1610 Abs. 1 und 2, § 1612 Abs. 1 BGB). Die Frage stellt sich hier nicht, weil die Entlastung der Mutter durch die Schuldübernahme des Kl. offensichtlich den zukünftigen Mietaufwand übersteigt.

b) Die Übertragung ist nicht deshalb als Mißbrauch zu beurteilen, weil gleichzeitig zwischen dem neuen und der alten Eigentümerin über die übertragene Eigentumswohnung ein Mietvertrag abgeschlossen worden ist. Darin ist keine den wirtschaftlichen Zielen der Beteiligten gegenüber unangemessene Gestaltung zu sehen. Die Mutter des Kl. konnte ihm die Wohnung ohne jede Auflage oder Einschränkung übertragen, sie konnte sich aber auch die Nutzungsmöglichkeit, sei es dinglich gesichert, sei es lediglich schuldrechtlich, vorbehalten (vgl. BFH v. 11. 11. 1988, III R 268/84, BStBl. II 1989, 872, DStR 1989, 495). Im Streitfall hat die Mutter des Kl. diesem zwar das volle Eigentum übertragen, sie wollte aber auch sicherstellen, daß sie die Wohnung wie bisher nutzen konnte. Dieses Recht (die übertragene Wohnung weiter als Mieterin nutzen zu können) ist gleichzeitig mit der Übertragung am 17. 3. 1988 vereinbart worden und daher einem schuldrechtlich vorbehaltenen Nutzungsrecht vergleichbar. Diesem gegenüber ist es lediglich insoweit ein minderes Recht, als es entgeltlich ist.

Mit dieser Rechtsauffassung weicht der Senat nicht von den Entscheidungen zur wechselseitigen Vermietung ab (vgl. Urt. in BStBl. II 1991, 904; v. 1. 4. 1993, V R 85/91, BFH/NV 1994, 64, und v. 25. 1. 1994, IX R 97, 98/90, BStBl. II 1994, 738). Dort wurden planmäßig jeweils zwei in etwa gleichwertige Wohnungen von zwei Personen angeschafft bzw. von Miteigentümern in Wohnungseigentum umgewandelt, um sie sogleich wieder ("über Kreuz") dem anderen zu vermieten, so daß sich die Vorgänge wirtschaftlich neutralisierten. Demgegenüber lag es im Streitfall allein in der Entscheidungsbefugnis der Mutter des Kl. als der Alleineigentümerin, ob und welche der Eigentumswohnungen sie übereignete.

Damit weicht der Senat auch nicht von der Rechtsprechung des BFH zur schenkweise begründeten Darlehensforderung ab. Die Übertragung von Darlehensforderungen oder auch Geldbeträgen ist mit der Übertragung eines Grundstücks nicht vergleichbar: Ist der neue Grundstückseigentümer im Grundbuch eingetragen - und davon geht der Senat im Streitfall mangels Anhaltspunkten für das Gegenteil aus -, dann steht fest, wer zivilrechtlicher und in aller Regel auch, wer wirtschaftlicher Eigentümer ist (vgl. § 39 AO 1977). Demgegenüber beruht die steuerliche Nichtanerkennung von schenkweise begründeten Darlehensforderungen im wesentlichen darauf, daß durch die Verbindung von Schenkung des Kapitals und seiner darlehensweisen Rückgewährung unklar ist, ob das Kapital tatsächlich in die Verfügungsmacht des angeblich Beschenkten gelangt ist (grundlegend BFH v. 10. 4. 1984, VIII R 134/81, BStBl. II 1984, 705, DStR 1984, 606; v. 12. 2. 1992, X R 121/88, BStBl. II 1992, 468, m.w.N.; v. 4. 3. 1993, X R 70/91, BFH/NV 1994; vgl. auch BMF v. 1. 12. 1992, BStBl. I 1992, 729, DStR 1992, 1763).

c) Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen; daher war seine Entscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann als Revisionsgericht nicht selbst Feststellungen zu der Frage treffen, ob der Mietvertrag des Kl. mit seiner Mutter auch im übrigen den Anforderungen entspricht, die die Rechtsprechung an Verträge zwischen nahen Angehörigen stellt (§ 118 Abs. 2 FGO). Danach setzt die steuerrechtliche Anerkennung eines solchen Vertrages voraus, daß er eindeutig und ernstlich vereinbart ist und entsprechend der Vereinbarung tatsächlich durchgeführt (vollzogen) wurde (BFH v. 27. 11. 1989, GrS 1/88, BStBl. II 1990, 160, DStR 1990, 111). Das FG hat zu diesen Voraussetzungen - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. ...

Rechtsgebiete

Mietrecht; Steuerrecht

Normen

AO 1977 § 42; EStG § 21