Anforderungen an den sog. Fremdvergleich bei Mietverträgen mit Angehörigen

Gericht

BFH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

20. 10. 1997


Aktenzeichen

IX R 38/97


Leitsatz des Gerichts

Voraussetzung für die steuerrechtliche Anerkennung eines Mietvertrages nach Maßgabe des sog. Fremdvergleichs ist, daß die Hauptpflichten der Mietvertragsparteien wie Überlassen einer konkret bestimmten Mietsache und Höhe der zu entrichtenden Miete (vgl. § 535 BGB) stets klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kl.) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Im Oktober 1992 erwarben die Kl. eine im Bau befindliche Eigentumswohnung in X. Nach deren Fertigstellung im Dezember 1992 vermieteten sie diese ab dem 1. 1. 1993 an ihre Tochter und deren Kind.

Der Formularmietvertrag vom 1. 1. 1993 enthält in § 7 (Miete und Nebenkosten) u. a. folgende Eintragungen: „Die Miete beträgt monatlich … z. Z. DM 900,-“. „Der Heizkostenvorschuß gemäß § 9 beträgt monatlich … z. Z. DM ./.“. In der Zeile „Betriebskostenvorschuß gemäß § 15“ (des § 7 des Formularmietvertrages) sind die Worte „beträgt monatlich“ gestrichen und handschriftlich ergänzt durch „werden jährlich abgerechnet“. Gemäß § 8 des Formularmietvertrages war die Miete bis spätestens zum dritten Werktag eines Monats auf ein im Mietvertrag benanntes Konto der Kl. zu zahlen.

In den Einkommensteuererklärungen der Streitjahre 1992 und 1993 machten die Kl. bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Werbungskostenüberschüsse i. H. von 31960 DM (1992) und 60056 DM (1993) geltend. Zum Nachweis der Mietzahlungen legten sie im Verwaltungsverfahren vier Quittungen vor, in denen der Kl. für jedes Vierteljahr des Streitjahres 1993 (Januar bis März etc.) den Erhalt von jeweils 2700 DM Miete bestätigt hatte.

Der Beklagte und Revisionskläger (das FA) lehnte es ab, das Mietverhältnis steuerrechtlich anzuerkennen. Miete und Nebenkosten seien nicht in der im Vertrag vereinbarten Weise gezahlt worden.

Das FG hat der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage stattgegeben (vgl. DStRE 1997, 714). Nach der neueren Rechtsprechung des BFH seien Verträge zwischen nahen Angehörigen zwar weiterhin im Rahmen des sog. Fremdvergleichs auf ihre steuerrechtliche Anerkennung hin zu überprüfen. Dies habe aufgrund einer Gesamtbeurteilung zu geschehen, bei der jedoch nicht mehr jede Abweichung vom Üblichen stets die steuerrechtliche Nichtanerkennung des Mietvertrages rechtfertige. Danach sei das im Streitfall geschlossene Mietverhältnis steuerrechtlich anzuerkennen.

Die Tochter habe die Miete zwar nicht in der ursprünglich vereinbarten Höhe gezahlt. So habe sie 1993 in den Monaten Februar bis April jeweils 1000 DM, ab Mai bis August jeweils monatlich 500 DM, im September 1500 DM und ab Oktober bis Dezember wieder jeweils 500 DM pro Monat überwiesen. Ob die Kl. die Miete wegen Zahlungsschwierigkeiten der Tochter reduziert hätten, was eine private Prägung des Mietverhältnisses nahe lege, sei wegen der in § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG getroffenen Vereinfachungsregelung unerheblich, solange die Mietreduzierung - wie im Streitfall - die 50 v. H.-Grenze des § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht unterschreite und Anhaltspunkte für einen Gestaltungsmißbrauch i. S. von § 42 der AO 1977 oder das Fehlen der Einkünfteerzielungsabsicht nicht gegeben seien. Unerheblich sei auch, daß die Überweisungen der Tochter nicht auf das im Mietvertrag benannte Konto gegangen seien. Die im schriftlichen Mietvertrag fehlende Vereinbarung über Nebenkostenvorauszahlungen wiege ebenfalls nicht so schwer, daß dem Mietverhältnis deswegen die steuerrechtliche Anerkennung zu verweigern sei. Die Tochter der Kl. habe ab Februar 1993 Heiz- und Nebenkostenvorauszahlungen unmittelbar an die Hausverwaltung der Eigentumswohnanlage geleistet. Daß den Kl. nach dem schriftlichen Mietvertrag nur ein Anspruch auf jährliche Abrechnung der Nebenkosten zugestanden habe und dies von den Mietparteien einvernehmlich abgeändert worden sei, sei im Hinblick auf den wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarung unerheblich.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Das Mietverhältnis halte auch bei der nach der neueren Rechtsprechung des BFH vorzunehmenden Gesamtbeurteilung dem Fremdvergleich nicht stand.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kl. beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die Miete sei nicht ermäßigt worden. Die Tochter habe einen Teilbetrag auf das Konto der Kl. überwiesen und den Rest im jeweils laufenden Quartal ausgeglichen. Zu welchem Zeitpunkt sei zwar nicht mehr genau nachvollziehbar. Entscheidend sei jedoch, daß die auf den Quittungen ausgewiesenen Beträge den Kl. zugeflossen seien.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG ist im Streitfall zu Unrecht davon ausgegangen, daß die tatsächliche Durchführung des Mietverhältnisses dem zwischen Fremden Üblichen entspricht.

1. Verträge unter Angehörigen sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH der Besteuerung nur dann zugrunde zu legen, wenn sie zum einen bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen sind und darüber hinaus (sog. Fremdvergleich) sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (Senatsurt. v. 7. 5. 1996, IX R 69/94, BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196, m. w. N., DStR 1996, 1359). Dieser Fremdvergleich dient - ebenso wie die als erster Schritt zu prüfende bürgerlich-rechtliche Wirksamkeit - bei Rechtsverhältnissen unter Angehörigen der Feststellung, ob der zu beurteilende Sachverhalt dem privaten Bereich (§ 12 EStG) oder dem Bereich der Einkunftserzielung (hier gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zuzuordnen ist (vgl. BFH v. 27. 11. 1989, GrS 1/88, BFHE 158, 563, 571, BStBl II 1990, 160). Maßgebend für die Beurteilung ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten. Dabei kann einzelnen dieser Beweisanzeichen je nach Lage des Falles unterschiedliche Bedeutung zukommen. Dementsprechend schließt nicht jede Abweichung vom Üblichen notwendigerweise die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Allerdings sind an den Nachweis, daß es sich um ein ernsthaftes Vertragsverhältnis handelt, um so strengere Anforderungen zu stellen, je mehr die Umstände auf eine private Veranlassung hindeuten (vgl. Senatsurt. in BFHE 180, 377, BStBl II 1997, 196).

2. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats schließt - worauf das FG zutreffend hinweist - bei der im Rahmen des Fremdvergleichs für die Beurteilung maßgebenden Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten nicht mehr jede geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltsmerkmale vom Üblichen notwendigerweise die steuerrechtliche Anerkennung des Vertragsverhältnisses aus. Voraussetzung für die steuerrechtliche Anerkennung eines Mietvertrages ist aber, daß die Hauptpflichten der Mietvertragsparteien wie Überlassen einer konkret bestimmten Mietsache zur Nutzung und Höhe der zu entrichtenden Miete (vgl. § 535 BGB) stets klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden.

3. Das FG hat zwar aufgrund einer Gesamtbeurteilung den streitigen Mietvertrag steuerrechtlich anerkannt. Die vom FG bisher getroffenen Feststellungen erlauben es dem Senat jedoch nicht, abschließend darüber zu befinden, ob die Vertragsparteien - wie vom FG angenommen - die Hauptpflichten klar und eindeutig vereinbart sowie entsprechend dem Vereinbarten auch tatsächlich durchgeführt haben. Insoweit liegt ein materieller Rechtsfehler vor, der auch ohne entsprechende Rüge vom Revisionsgericht zu beachten ist.

Unklar ist zunächst, warum die Vertragsparteien in dem am 1. 1. 1993 geschlossenen schriftlichen Mietvertrag zwar hinsichtlich der Miete - und auch der Nebenkosten - Regelungen getroffen, diese aber von Anfang an nicht eingehalten haben.

Zwar können Mietvertragsparteien auch hinsichtlich der Hauptpflichten nachträglich Vertragsänderungen vereinbaren. Diese müssen jedoch ebenfalls eindeutig und klar sein sowie entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden. Die von den Kl. geltend gemachten Zahlungsschwierigkeiten der Tochter sind keine ausreichende Erklärung dafür, daß die Januarmiete überhaupt nicht und die Miete ab Februar nur zum Teil auf ein Konto überwiesen und der Restbetrag - nach dem Vorbringen der Kl. sowohl im Klage- als auch im Revisionsverfahren - in Teilbeträgen während der laufenden Quartale bar gezahlt worden sein soll, und zwar ohne daß Höhe und Zeitpunkt der Barzahlungen genau festgehalten worden sind. Offen ist ferner, warum die Tochter nach den Feststellungen des FG ab Februar 1993 Heiz- und Nebenkostenvorauszahlungen geleistet hat, obwohl die Vertragsparteien in § 7 des schriftlichen Mietvertrages vom 1. 1. 1993 keine vereinbart hatten. Der Hinweis auf den noch ausstehenden Wirtschaftsplan der Eigentumswohnanlage erklärt diesen Widerspruch zwischen dem im schriftlichen Mietvertrag Vereinbarten und dem tatsächlich Durchgeführten nicht hinreichend.

4. Der Senat kann offenlassen, welche steuerrechtlichen Wirkungen eine nachträgliche Ermäßigung des Mietzinses hat, wenn die 50 v. H.-Grenze des § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht unterschritten wird. Nach dem Vorbringen der Kl. ist die Miete im Streitfall nicht ermäßigt worden. Die Klärung der Frage, welche Miete die Vertragsparteien im Streitjahr vereinbart hatten und ob diese vereinbarungsgemäß gezahlt worden ist, ist insoweit vorrangig.

5. Die nicht spruchreife Sache geht an das FG zurück, damit dieses die noch erforderlichen Feststellungen nachholt. Es wird dann im Rahmen seiner Gesamtbeurteilung nochmals darüber befinden, ob das Mietverhältnis in den Streitjahren steuerrechtlich anzuerkennen ist.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

EStG § 21 Abs. 1