Schadensersatzzahlungen eines Vermieters an den Mieter keine Werbungskosten
Gericht
Niedersächsisches FG
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
08. 07. 1998
Aktenzeichen
IX 445/93
Eine Schadensersatzzahlung des Vermieters an den Mieter wegen Störung des Mietverhältnisses ist nicht als Werbungskosten abzugsfähig, wenn das den Schadensersatz auslösende Verhalten des Vermieters dem Mieter einen - gerichtlich festgestellten - Grund zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses gegeben hat.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten darüber, ob Schadensersatzleistungen, Gerichts- und Rechtsanwaltskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (VuV) als Werbungskosten abziehbar sind.
Die Klägerin (Kl.) ist Eigentümerin eines als Einfamilienhaus bewerteten Grundstücks, das sie im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung durch Mietvertrag vom 21. 10. 1983 bis zum 31. 12. 2002 an ihren geschiedenen Ehemann vermietet hatte. In dem Gebäude betrieb der Ehemann bis 1986 zusammen mit seinem Sohn eine Zahnarztpraxis. Zum 30. 6. 1986 kündigte er den Mietvertrag mit der Begründung, die Kl. störe nachhaltig das Mietverhältnis. Die Kl. erkannte die Kündigung nicht an und versuchte auf dem Zivilrechtsweg die Kündigung für rechtsunwirksam erklären zu lassen und die eingestellten Mietzahlungen einzuklagen.
Der geschiedene Ehemann der Kl. klagte seinerseits auf Schadensersatz i.H. von 125767,76 DM für Schäden, die ihm durch die Auflösung des Mietverhältnisses, die Anmietung anderer Räumlichkeiten und die Neueinrichtung der Praxis entstanden waren.
Der Mietzahlungsanspruch der Kl. wurde durch rechtskräftiges Urteil des LG Aurich abgewiesen und die Kündigung bestätigt. Durch Grundurteil vom 13. 10. 1989 entschied das LG Aurich, der Schadensersatzanspruch sei dem Grunde nach gerechtfertigt. Daraufhin schloß die Kl. am 25. 4. 1990 mit ihrem geschiedenen Ehemann einen Vergleich, der u.a. folgende Vereinbarungen enthält:
„7. ...
Der Kläger erbringt insgesamt Unterhaltsleistungen von … DM, die teilweise durch Zahlung und teilweise durch Verrechnung erbracht werden bzw. erbracht worden sind.
Für diese Verrechnung sind insbesondere auch die Schadensersatzansprüche des Kl. aus dem Rechtsstreit 6 0 1258/88 Landgericht Aurich verrechnet worden.“
In der Steuererklärung 1990 machte die Kl. bei ihren Einkünften aus VuV Schadensersatzleistungen von 136045,18 DM, Rechtsanwaltskosten von 6134,80 DM, Steuerberatungskosten von 1200 DM, Gerichtskosten von 314,20 DM und Porti über 48,30 DM als Werbungskosten geltend.
Der Beklagte (das FA) ließ diese Beträge nicht zum Werbungskostenabzug zu, weil sie durch die familiären Streitigkeiten der Kl. mit ihrem geschiedenen Ehemann und nicht durch das Mietverhältnis veranlaßt worden seien.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Mit der Klage verfolgt die Kl. ihr Begehren weiter, die in der Steuererklärung geltend gemachten Beträge mit Ausnahme der Steuerberaterkosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus VuV abziehen zu können.
Sie führt dazu aus, daß sie möglicherweise die Auflösung des Mietverhältnisses mitverursacht habe. Das schließe jedoch nicht aus, daß die Aufwendungen durch die Sicherung ihrer Mieteinkünfte veranlaßt worden seien.
Auszüge aus den Gründen:
Das FA hat die Schadensersatzleistungen und die Aufwendungen für die Rechtsanwälte zu Recht nicht als Werbungskosten abgezogen. Lediglich die Gerichtskosten über 314,20 DM und die geltend gemachten Portokosten über 48,30 DM können steuermindernd berücksichtigt werden.
Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie können grundsätzlich auch nach Aufgabe einer Einkunftsquelle (hier Mietverhältnis) entstehen. So können z.B. Kosten der Abwicklung eines Miet- oder Pachtvertrages oder der Beendigung eines Arbeitsvertrages als Werbungskosten abzugsfähig sein, obwohl diese Ausgaben nicht mehr zur Erzielung von Einnahmen führen. Es stellt nach Ansicht des Senats aber eine Überspannung des Begriffs der Werbungskosten dar, wenn nach rechtmäßiger, durch das Verhalten des Vermieters provozierter Beendigung eines langfristigen Mietverhältnisses durch den Mieter auch solche Aufwendungen abzugsfähig sein sollen, die Folge des Vermieterverhaltens sind, das zur Auflösung des Mietverhältnisses berechtigt. Unter diesen Voraussetzungen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Verpflichtung des Steuerpflichtigen (Vermieter) zum Schadensersatz gegenüber seinem ehemaligen Mieter dazu dient, die Einkunftsart VuV in Form des alten Mietverhältnisses fortzusetzen oder durch Begründung eines neuen Mietverhältnisses zu erhalten. Nach Auffassung des Senats können in der Abwicklungs- oder Vorbereitungsphase eines Mietverhältnisses, aus dem steuerpflichtige Einkünfte erzielt wurden oder erzielt werden sollen, aber nicht mehr oder noch nicht erzielt werden, nur solche Aufwendungen Werbungskosten sein, die im Zeitpunkt der Aufwendung auf die Abwicklung oder Aufnahme einer Vermietungstätigkeit gerichtet sind. Dazu gehören die verrechneten Zahlungen der Kl. nicht. Die vermeintliche Zahlung an den geschiedenen Ehemann erfolgte als Schadensersatz, weil die Kl. ihrem geschiedenen Ehemann als Mieter einen - gerichtlich festgestellten - Grund zur außerordentlichen Kündigung des langfristigen Mietverhältnisses gegeben hatte. Diese Kündigung war von der Kl. unstreitig nicht beabsichtigt, z.B. um ein neues Mietverhältnis mit einem anderen Mieter einzugehen. Es kommt deshalb auf die Art des Verhaltens der Kl. und ihre Motive für die steuerrechtliche Beurteilung der Schadensersatzleistung nicht an.
Die Aufwendungen für die Rechtsanwälte sind ebenfalls nicht abziehbar, denn die Entrichtung der Honorare stand mit der Schadensersatzforderung in Zusammenhang. Das FA hat deshalb zutreffend die Rechtsanwaltskosten nicht als sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus VuV behandelt. Für die Entscheidung dieser Frage kommt es darauf an, wie die Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren, einkommensteuerrechtlich zu qualifizieren sind, denn Prozeßkosten teilen als Folgekosten das rechtliche Schicksal der Aufwendungen, um die gestritten wurde (BFH v. 6. 12. 1983, VIII R 102/79, BFHE 140, 219, BStBl II 1984, 314, DStR 1984, 534; v. 24. 3. 1987, IX R 31/84, BFHE 149, 552, BStBl II 1987, 695, DStR 1987, 592; v. 31. 3. 1987, IX R 53/83, BFH/NV 1987, 645; Schmidt/Drenseck, EStG, 16. Aufl., § 21 Anm. 100, Stichwort „Prozeßkosten“, Lademann/Söffing/Brockhoff, EStG, § 21 Anm. 264, Stichwort „Prozeßkosten“).
Die von der Kl. im Verwaltungs- und Klageverfahren vorgelegten Rechnungen der Rechtsanwälte betrafen die Verfahren vor dem LG Aurich und vor dem OLG Oldenburg. Diese Prozesse hatten die Schadensersatzforderung des geschiedenen Ehemannes zum Gegenstand. Die Prozeßkosten sind folglich ebenso zu behandeln wie Schadensersatzleistungen. Diese indes können nicht als Werbungskosten abgezogen werden.
Die Kl. hat neben dem Schadensersatzprozeß auch ein gerichtliches Verfahren über die Wirksamkeit der Kündigung des Mietverhältnisses geführt und Mietzinsansprüche durchsetzen wollen. Aufwendungen für diese Verfahren sind als Werbungskosten bei den Einkünften aus VuV abziehbar und vom FA in den Vorjahren entsprechend anerkannt worden. Da die Beträge von 314,20 DM (Gerichtskosten) und 48,30 DM (Porti) - anders als die Rechtsanwaltshonorare - nicht eindeutig dem Schadensersatzprozeß zugeordnet werden können, geht der Senat zugunsten der Kl. davon aus, daß diese Aufwendungen noch im Zusammenhang mit dem Mietprozeß gestanden haben und deshalb als Werbungskosten abzuziehen sind.
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