Bereicherungsanspruch wegen Mietpreisüberhöhung nach Wegfall des geringen Wohnraumangebots
Gericht
OLG Hamburg
Art der Entscheidung
Rechtsentscheid
Datum
03. 03. 1999
Aktenzeichen
4RE Miet U131/98
Ist in einem Wohnraummietvertrag infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen eine die ortsüblichen Entgelte um mehr als 20% übersteigende und deshalb teilweise nichtige Mietzinsvereinbarung getroffen worden, so endet die Teilnichtigkeit hinsichtlich künftiger Mietzinsansprüche nicht deshalb, weil nach Vertragsabschluß der Tatbestand des geringen Angebots an vergleichbaren Räumen entfällt.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Kl. mietete von dem Bekl. mit Vertrag vom 5. 7. 1991 eine 61,97 m2 große Wohnung in Hamburg-Pöseldorf auf unbestimmte Zeit. Vereinbart war eine Staffelmiete, durch die der anfängliche Mietzins von 747 DM (12,05 DM/m2) ab 1. 8. 1992 auf 784 DM (12,65 DM/m2), ab 1. 8. 1993 auf 824 DM (13,30 DM/m2), ab 1. 8. 1994 auf 865 DM (13,96 DM/m2), ab 1. 8. 1995 auf 908 DM (14,65 DM/m2) und ab 1. 8. 1996 auf 953 DM (15,38 DM/m2) steigen sollte. Die Kl. verlangt Rückzahlung eines Teils des für den Zeitraum von Januar 1992 bis Dezember 1996 geleisteten Mietzinses wegen Mietpreisüberhöhung.
Das AG hat der Klage teilweise stattgegeben und eine Mietpreiserhöhung i.S. von § 5 WiStrG ab 1. 8. 1992 angenommen. Es ist von einem geringen Angebot an vergleichbarem Wohnraum ausgegangen und hat zur Ermittlung des zulässigen Mietzinses den Mietenspiegel zugrunde gelegt. Dem ist der Bekl. mit der von ihm eingelegten Berufung entgegengetreten und hat u.a. geltend gemacht, bei einer Staffelung so geringen Ausmaßes wie im vorliegenden Fall - etwa 5% jährlich -, die auch in der Kommentarliteratur empfohlen werde, könne vom Ausnutzen eines geringen Angebots nicht ausgegangen werden. Das LG hält den ab August 1992 vereinbarten Staffelbetrag für überhöht, da er mehr als 20% über der durch Ortsbesichtigung und Verwertung des Mietenspiegels festgestellten ortsüblichen Vergleichsmiete liege. § 5 WiStrG sei auch auf die Staffelmiete anwendbar. Die Überhöhung sei nicht durch laufende Aufwendungen gerechtfertigt. Der ohne Berücksichtigung des subjektiven Tatbestands des § 5 WiStrGfestzustellende Ursachenzusammenhang zwischen einem geringen Angebot an vergleichbaren Räumen bei Vertragsschluß und der Miethöhe sei für den gesamten Rückforderungszeitraum gegeben, auch wenn ab August oder Dezember 1996 möglicherweise der Tatbestand eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen nicht mehr vorgelegenhabe. Sollte das Entfallen des Merkmals „geringes Angebot“ aber, wie vom LG Frankfurt a.M. angenommen (WuM 1998, 168), für jedes Mietjahr erneut zu prüfen sein, müsse insoweit für den letzten Abschnitt des Rückforderungszeitraums ein Sachverständigengutachteneingeholt werden. Diese Frage sei - zumal angesichts der bereits vorhandenen gegenteiligen Rechtsprechung des LG Hamburg - von grundsätzlicher Bedeutung und durch Rechtsentscheid noch nicht entschieden worden. Das LG hat dem Senat deshalb folgende Rechtsfrage zum Erlaß eines Rechtsentscheids vorgelegt: „Führt nach Abschluß eines Wohnraummietvertrags, in welchem unter Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum eine die üblichen Entgelte wesentlich übersteigende und deshalb teilweise nichtige Mietzinsvereinbarung getroffen wurde, der in den Zeitraum des auf § 812 BGB gestützten Rückforderungsanspruchs des Mieters fallende Wegfall des Merkmals eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum dazu, daß mit dem Wegfall dieses Merkmals auch Rückforderungsansprüche des Mieters entfallen?“ (vgl. NZM 1998, 622 = WuM 1998, 408). Der Senat hat wie aus der im Leitsatz wiedergegebenen Beschlußformel ersichtlich geantwortet.
Auszüge aus den Gründen:
II. Die Vorlage ist nach § 541 I 1 ZPO zulässig. Es handelt sich um eine Rechtsfrage, die sich aus einem Mietvertragsverhältnis über Wohnraum ergibt. Da von dieser Frage die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme abhängt, ist sie entscheidungserheblich (vgl. Stein/Jonas/Gursky, ZPO, 21. Aufl., § 541 Rdnr. 9; Zöller/Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 541 Rdnr. 26).
Das LG als BerGer. hat nachvollziehbar dargelegt, weshalb es insoweit auf die Beantwortung der vorgelegten Rechtsfrage ankommt. Im Zusammenhang mit der Vorfrage, ob die vereinbarten Entgelte die ortsüblichen Entgelte um mehr als 20% übersteigen, hat das LG allerdings nicht erörtert, auf welchem Wege es diese Vorfrage bei der Staffelmietvereinbarung beantworten möchte. Während die wohl h.M. die einzelnen gestaffelten Mietbeträge an den jeweiligen ortsüblichen Vergleichsmieten mißt (vgl. Barthelmess, II. WKSchG/MHRG, 5. Aufl., § 10 MHRG Rdnr. 68; Beuermann, Miete und Mieterhöhung bei preisfreiem Wohnraum, 2. Aufl., § 10 MHRG Rdnr. 33; Landfermann, G z. Erhöhung d. Angebots an Mietwohnungen, S. 53; Staudinger/Sonnenschein/Weitemeyer, BGB, 13. Bearb., § 10 MHRG Rdnr. 45; Sternel, MietR, 3. Aufl., III Rdnr. 432), halten andere einen Vergleich des Gesamtmietzinses während der Laufzeit der Staffelmietvereinbarung mit der ortsüblichen Miete während dieses Zeitraums für geboten (vgl. Lammel, WohnraummietR, § 10 MHRG Rdnr. 32; Schmidt-Futterer/Blank, WohnraumschutzG, 6. Aufl., Rdnr. C 523). Wenn das LG feststellt, daß jedenfalls die ab August 1992 geltenden Staffelsätze überhöht seien, geht es offenbar von der h.M. aus.
Im übrigen ergibt sich auf der Grundlage der abweichenden Auffassung und der gerichtsbekannten Werte der jeweils gültigen Mietspiegel auch eine Überhöhung des Gesamtmietzinses während der Staffellaufzeit. Daß letztlich auch die vereinzelt vertretene Auffassung, § 5 WiStrG sei bereits verletzt, wenn zur Zeit der Staffelvereinbarung irgendeiner der zukünftigen Mietzinsbeträge über dem gegenwärtigen höchstzulässigen Mietzins liege (Bohnert, Ordnungswidrige Mietpreisüberhöhung, 2. Aufl., S. 22; ders., JZ 1994, 605 [608]), hier zur Annahme einer unzulässigen Überhöhung gelangt, liegt auf der Hand.
Eine Divergenzvorlage gem. § 541 I 1 Alt. 1 ZPO kam für das LG nicht in Betracht. Soweit ersichtlich, ist die vorgelegteRechtsfrage weder durch Rechtsentscheid noch durch eine sonstige Entscheidung des BGH oder eines OLG entschieden. Die Rechtsentscheide des OLG Hamm vom 3. 3. 1983 (NJW 1983, 1622 = OLGZ 1983, 223 = WuM 1983, 108 = ZMR 1983, 108), des OLG Frankfurt a.M. vom 4. 4. 1985 (WuM 1985, 139 = ZMR 1985, 200) und des KG vom 20. 4. 1995 (NJW-RR 1995, 1037 = WuM 1995, 384 = ZMR 1995, 309) betreffen zwar eine der Vorlagefrage ähnliche Fragestellung, nämlich inwieweit nachträgliche Erhöhungen der ortsüblichen Vergleichsmiete bei der Anwendung des § 5 WiStrG zu berücksichtigen sind. Auf die in den Gründen dieser Rechtsentscheide enthaltenen Stellungnahmen zu möglicherweise gemeinsamen Vorfragen beider Fragestellungen ist aber nicht abzustellen. Wie schon das LG zutreffend ausgeführt hat, sind die zugrundeliegenden Fallgestaltungen unterschiedlich und ist die hier vorgelegte Rechtsfrage aus den genannten Rechtsentscheiden auch bei Einbeziehung ihrer tragenden Gründe (vgl. Zöller/Gummer, § 541 Rdnr. 33 m.Nachw.) nicht ohne weiteres zu beantworten.
Die vorgelegte Rechtsfrage ist aber von grundsätzlicher Bedeutung, da zu erwarten ist, daß sie sich auch künftig in vielen Fällen stellen wird. Sie ist von verschiedenen Kammern des LG Hamburg im Sinne der vorlegenden Kammer entschieden worden (vgl. ZMR 1998, 499), anders dagegen vom LG Frankfurt a.M. (WuM 1998, 168), das sich in Übereinstimmung mit einschlägigen Stellungnahmen im Schrifttum befindet (vgl. Beiler, ZMR 1998, 480; Stubenvoll, bei: Schmid, Miete u. Mietprozeß, S. 124 [Rdnr. 165]).
III. Der Senat . . . teilt die Ansicht des LG Hamburg, daß der Wegfall des Merkmals „geringes Angebot“ nach Abschluß der maßgeblichen Mietzinsvereinbarung deren teilweise Nichtigkeit nach § 5 WiStrG, § 134 BGB nicht berührt.
1. Zu dieser Beurteilung gelangt der Senat durch Auslegung des § 5 WiStrG. Die Auslegung der Verbotsnorm ist bestimmend für den Umfang der Nichtigkeit nach § 134 BGB (Erman/Brox, BGB, 9. Aufl., § 134 Rdnr. 14; Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl., § 134 Rdnr. 7; Soergel/Hefermehl, BGB, 12. Aufl., § 134 Rdnr. 29; Staudinger/Sack, BGB, 13. Bearb., § 134 Rdnr. 58). Diese kann nicht weiterreichen als die tatbestandliche Erfüllung des Verbotsgesetzes (BGHZ 89, 316 = NJW 1984, 722 = WuM 1984, 68).
a) Nach dem Wortlaut des § 5 I , II 1 WiStrG ergeben sich zeitliche Vorgaben für das Vorliegen der einzelnen Tatbestandsmerkmale durch ihre kausale Verknüpfung. Erforderlich ist nach Abs. 2 S. 2 ein Kausalzusammenhang („infolge“) zwischen einem geringen Angebot und einem die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20% übersteigenden Entgelt. Verbindendes handlungsbezogenes Zwischenglied ist die Ausnutzung (des geringen Angebots) in den Handlungsformen des Forderns, Sich-Versprechen-Lassens oder Annehmens (des überhöhten Entgelts). Danach ist das Vorhandensein eines geringen Angebots nur solange tatbestandserheblich, wie es als mitbestimmend für das Verhalten des Vermieters in Betrachtkommt. Da allerdings die subjektiven Elemente des Verbotstatbestands für die zivilrechtlichen Folgen eines Verstoßes nicht vorliegen müssen (BGHZ 37, 363 [366] = NJW 1962, 1671; Erman/Brox, § 134 Rdnr. 10; speziell zu § 5 WiStrG: Lammel, § 5 Rdnr. 30; Palandt/Heinrichs, § 138 Rdnr. 76; Schmidt-Futterer/Blank, Rdnr. D 17; vgl. auch die Nachw. im Vorlagebeschl. NZM 1998, 622 = WuM 1998, 408 [411 l.Sp.]), reicht es für die Kausalität zwischen geringem Angebot und maßgeblichem Verhalten des Vermieters, soweit sie psychisch vermittelt wird, aus, daß sie nach den äußeren Umständen möglich ist, daß mithin zur Zeit des maßgeblichen Verhaltens ein geringes Angebot an vergleichbaren Räumen besteht (so wohl auch die unterschiedlichen Umschreibungen im Schrifttum, vgl. Sternel, III Rdnrn. 58 a.E., 63; Lammel, § 5 WiStrG, Rdnrn. 30, 31; Schmidt-Futterer/Blank, Rdnr. D 46; w.Nachw. im Vorlagebeschl. NZM 1998, 622 = WuM 1998, 408 [411]).
Ein handlungsunabhängiger Zusammenhang zwischen geringem Angebot und überhöhtem Entgelt ist für den Tatbestand des § 5 WiStrG dagegen weder ausreichend noch notwendig; die Fortdauer eines geringen Angebots ist nach dessen Ausnutzung seitens des Vermieters ohne Belang.
Zur Eingrenzung des Zeitraums, innerhalb dessen es auf die Angebotslage ankommt, ist deshalb der Zeitpunkt des maßgeblichen Verhaltens des Vermieters im Einzelfall zu bestimmen. Von den in § 5 I WiStrG genannten Handlungsformen steht bei durch Vereinbarung festgelegtem überhöhten Mietzins das „Fordern“ und das „Sich-Versprechen-Lassen“ im Vordergrund. Dies gilt auch für den dem Vorlagebeschluß zugrundeliegenden Fall der Staffelmiete (vgl. Bohnert, S. 21f.). Die Handlungsform des „Annehmens“ hat insoweit zivilrechtlich keine selbständige Bedeutung (a.A. Barthelmess, § 10 MHRG Rdnr. 68; Lammel, § 5 MHRG Rdnr. 35). Schon durch „Fordern“ und „Sich-Versprechen-Lassen“ tritt die vertragliche Bindung ein, zu deren Erfüllung u.U. ein „Annehmen“ erforderlich ist (vgl. Beiler, ZMR 1998, 480). Selbstwenn das „Annehmen“ selbständig in Betracht gezogen wird und dieses im Einzelfall - wegen zwischenzeitlicher Verbesserung der Angebotslage - sich als unbedenklich erweisen sollte, bliebe das vorangegangene „Sich-Versprechen-Lassen“ unterAusnutzung eines geringen Angebots als maßgebliche Alternative des Verbotstatbestands wirksam, solange der Vermieter auf Erfüllung dieser Mietzinsvereinbarung besteht. Daß es jetzt zulässig gewesen wäre, einen Mietzins in der ursprünglichvereinbarten Höhe zu vereinbaren, besagt nicht, daß die Parteien dies auch getan hätten (vgl. BGH, JZ 1968, 68, zu dem insoweit ähnlichen Fall der nachträglichen Aufhebung des Verbotsgesetzes; vgl. dazu auch Mayer-Maly, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 134 Rdnr. 21; Staudinger/Sack, § 134 Rdnr. 56 m. Nachw.).
Zwar bereitet bei solcher Ausrichtung auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Mietzinsvereinbarung die Feststellung des subjektiven Elements der „Ausnutzung“ Schwierigkeiten, wenn - wie im Ausgangsfall - eine in Zeiten eines geringen Angebots vereinbarte Staffelmiete im Anfangsbetrag nicht überhöht war und zunächst nur die Möglichkeit der Überhöhung späterer Staffelbeträge bestand, weil diese nicht insgesamt im Rahmen des anfangs zulässigen Mietzinsniveaus lagen (vgl. Bohnert, S. 22f.; ders., JZ 1994, 605 [608]; Lammel, § 10 MHRG Rdnr. 32). Diese für die Ahndung als Ordnungswidrigkeit erheblichen Schwierigkeiten bedürfen hier aber keiner weiteren Erläuterung, da es im Hinblick auf § 134 BGB auf die subjektiven Elemente des Verbotstatbestands nicht ankommt (a.A. Bohnert, JZ 1994, 605 [609]).
Festzuhalten bleibt, daß es nach Wortlaut und Sinnzusammenhang des § 5 WiStrG unerheblich ist, ob das im Zeitpunkt der Mietzinsvereinbarung vorliegende Merkmal des geringen Angebots an vergleichbaren Räumen nachträglich entfällt.
b) Für die Maßgeblichkeit des ursächlichen, nicht aber des zeitlichen Zusammenhangs zwischen geringem Angebot an vergleichbaren Räumen und überhöhtem Entgelt spricht auch der Zweck des § 5 WiStrG. Mit der ursprünglichen Gesetzesfassung, dem durch Gesetz zur Änderung des WiStrG 1954 vom 19. 12. 1956 (BGBl I, S. 924) eingefügten § 2a, sollten Preisbildungen bekämpft werden, die nicht vom Leistungswettbewerb bestimmt und deshalb mit der sozialen Marktwirtschaft nicht in Einklang zu bringen sind (BT-Dr II//2136, S. 3f.). Diese Zielsetzung ist auch nach mehreren, den Schutz des Mieters konkretisierenden Gesetzesänderungen (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, Rdnrn. D 1, D 2) erhalten geblieben. § 5 WiStrG soll als Mieterschutzvorschrift und im öffentlichenInteresse die Vereinbarung von Mieten unterbinden, die infolge von Wettbewerbsstörungen am Wohnungsmarkt überhöht sind (Bohnert, S. 13f.; Lammel, § 5 MHRG Rdnrn. 1 bis 4; Schmidt-Futterer/Blank, Rdnrn. D 1, D 2; Sternel, III Rdnr. 59). Dieser marktbezogenen Zielsetzung widerspräche es, den Mieter an einer infolge von Wettbewerbsstörungen (geringes Angebot) überhöhten Mietzinsvereinbarung insoweit festzuhalten, als nachträglich die Wettbewerbslage sich entspannt. Maßgeblich im Sinne der Zielsetzung ist die fortbestehende Ursächlichkeit der Wettbewerbsstörung für die vereinbarte Mietzahlungspflicht, nicht deren Gleichzeitigkeit. Die preistreibende Wirkung des Ausfalls der preisregulierenden Funktion des Markts bleibt für die Dauer der Bindung an die konkrete Mietzinsvereinbarung bestehen.
Diese Wirkung entfällt auch nicht dadurch, daß der Mieter die Möglichkeit hat, den Mietvertrag insgesamt zu kündigen und anderweitig einen Mietvertrag zu marktgerechtem Mietzins abzuschließen (a.A. LG Frankfurt a.M., WuM 1998, 168f.). Bei einer gegenteiligen Sicht würde der beabsichtigteSchutz des Mieters nicht hinreichend gewahrt. Die Möglichkeit des Wohnungswechsels als hinreichendes Mittel zur Beseitigung einer überhöhten Miete zu bewerten, widerspräche dem hohen Rang, den der Bestandsschutz des Mietverhältnisses im sozialen Mietrecht genießt und der auch im Rahmen der Auslegung von § 5 WiStrG zu beachten ist. Ein Wohnungswechsel ist in dieser Situation selbst von einem in erster Liniewirtschaftlich denkenden Mieter nicht zu erwarten. Das LG hat dies im Vorlagebeschluß zutreffend ausgeführt und auf die erheblichen Beschwernisse und Einbußen hingewiesen, die ein Wohnungswechsel typischerweise mit sich bringt (vgl. auch BVerfG, NJW 1985, 2633).
c) Daß es allein auf den ursächlichen, nicht aber auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen geringem Angebot an vergleichbaren Räumen und der Vereinbarung eines überhöhten Mietzinses ankommt, zeigt sich besonders deutlich, wenn eine Verschlechterung der Angebotslage erst nach der Vereinbarung eintritt. Sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Zweck des § 5 WiStrG kommt seine Anwendung in diesem Falle nicht in Betracht.
2. Auch die gesetzliche Regelung in den §§ 308 II , 309 BGB gebietet es nicht, für die Frage des geringen Angebots i.S. von § 5 II WiStrG auf den Zeitpunkt der jeweiligen Mietzinsfälligkeit abzustellen. Zwar sind die nach Zeitabschnitten bemessenen Mietzinszahlungen in der Regel jeweils „unter Bestimmung eines Anfangstermins versprochen“, da bei Fälligkeit aus dem einheitlichen Mietverhältnis jeweils eine neue Verpflichtung erwächst als Gegenleistung für eine zeitlich begrenzte Gebrauchsüberlassung (BGH, NJW 1965, 1373; BGHZ 118, 282 [290] = NJW 1982, 2150; Palandt/Heinrichs, § 163 Rdnr. 2 m.w. Nachw.). Bei der Vereinbarung eines gestaffelten Mietzinses wie in dem der Vorlage zugrundeliegenden Fall ist zudem die jeweilige Staffelung durch einen Anfangstermin befristet. Das gesetzliche Verbot des § 5 WiStrG wird aber nichtdadurch behoben, daß das Tatbestandsmerkmal eines geringen Angebots nach Vertragsabschluß entfällt. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine Behebung des Verbots nur dann anzunehmen ist, wenn die Verbotsnorm selbst aufgehoben worden ist, oder auch dann, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Verbotsnorm (ganz oder teilweise) entfallen sind (so KG, NJW-RR 1995, 1037). Beides ist für die vorliegende Fallgestaltung zu verneinen. Ein nachträglicher Fortfall von Tatbestandsvoraussetzungen kommt nämlich nur insoweit in Betracht, als deren Fortdauer nach dem Inhalt der Verbotsnorm für die Rechtsfolgen erheblich sein soll. Auch insoweit ist die Auslegung der Verbotsnorm für den Umfang der Nichtigkeit nach § 134 BGB bestimmend. Da es - wie ausgeführt - auf das Tatbestandsmerkmal eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen nur im Sinne einer mitwirkenden Ursache des überhöhten Mietzinses ankommt, wird das gesetzliche Verbot nichtdadurch behoben, daß nach Abschluß der Mietzinsvereinbarung die Angebotslage sich entspannt.
3. In der Beschlußformel hebt der Senat auf die Teilnichtigkeit der Mietzinsvereinbarung ab. Die Konsequenzen für den daraus abgeleiteten Rückforderungsanspruch des Mieters nach Zahlung der überhöhten Miete, auf die der Wortlaut der Vorlagefrage des LG gerichtet war, bedürfen hier keiner weiteren Erörterungen.
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