Rückgabeantrag nach dem Vermögensgesetz - Form

Gericht

BVerwG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

05. 03. 1998


Aktenzeichen

7 C 21/97


Leitsatz des Gerichts

Ein Antrag nach § 30 I 1 VermG bedarf zu seiner Wirksamkeit nicht der Schriftform.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Kl. beansprucht für sich und seine mit ihm in ungeteilter Erbengemeinschaft verbundene Schwester die Rückgabelandwirtschaftlich genutzter Flächen nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG). Dazu machte er im behördlichen Verfahren geltend, daß er und seine Schwester im Jahre 1988 nur das Hofgrundstück des geerbten landwirtschaftlichenAnwesens an die Beigel. hätten verkaufen wollen; infolge einer Täuschung durch das Staatliche Notariat sei jedoch der gesamte Hof einschließlich der landwirtschaftlich genutzten Flächen veräußert worden. Der Bekl. lehnte den Rückgabeantrag als unzulässig ab, weil der Anspruch erst mit einem am 8. 2. 1993 eingegangenen Schreiben und damit nach Ablauf der Frist des § 30a I 1 VermG (31. 12. 1992) angemeldet worden sei. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das VG abgewiesen. Es hat sich zu dem Einwand desKl., er habe bereits im Jahre 1992 bei entsprechenden Vorsprachen im Landratsamt mündlich die Rückgabe des Landes beantragt, auf den Standpunkt gestellt, Anträge nach § 30 I 1 VermG könnten nurschriftlich gestellt werden. Das ergebe sich aus der in § 30 I 5 VermG angeordneten Gleichsetzung von Anmeldungen nach der Anmeldeverordnung mit Anträgen nach dem Vermögensgesetz. Auch eine Nachsichtgewährung wegen Versäumung der Anmeldefrist komme nicht in Betracht, weil die gerichtliche Beweisaufnahme nicht ergeben habe,daß die Säumnis auf staatliches Fehlverhalten zurückzuführen sei, und weil unabhängig davon auch das schutzwürdige Vertrauen der Beigel. in den Bestand ihrer Verfügungsbefugnis nicht nachträglich erschüttert werden dürfe. Mit seiner durch den Senat zugelassenen Revisionverfolgt der Kl. sein Begehren weiter. Er beruft sich darauf, daß die Bestimmungen des Vermögensgesetzes keine besondere Form für einen Antrag nach § 30 I 1 VermG vorsähen.

Die Revision hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. Das Urteil des VG verletzt Bundesrecht, weil es zu Unrecht die Schriftform für einen Antrag nach § 30 I 1 VermG verlangt. Da die tatrichterlichen Feststellungen für eine Entscheidung über den mit der Klage verfolgten Anspruch nicht ausreichen, muß der Rechtsstreitnach § 144 III 1 Nr. 2 VwGO an das VG zurückverwiesen werden. . . .

2. Das Urteil leidet an einem Verstoß gegen materielles Bundesrecht; denn das VG hätte den geltend gemachten Anspruch nicht deswegen verneinen dürfen, weil der Kl. vor Ablauf derAusschlußfrist keinen schriftlichen Antrag auf Rückübertragung der Flurstücke gestellt hat. Ein solches Formerfordernis regelt das Vermögensgesetz nicht. Nach § 30 I 1 VermG sind Ansprüche nach diesem Gesetz bei den zuständigen Behördenmittels Antrag geltend zu machen. Über die Form des Antrags schweigt das Gesetz. Insoweit sind nach § 31 VII VermG die subsidiären Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechtsheranzuziehen, und zwar für das hier maßgebliche Jahr 1992 unmittelbar die des Verwaltungsverfahrensgesetzes - VwVfG -, weil das vorläufige Verwaltungsverfahrensgesetz für denFreistaat Sachsen - SächsVwVfG - vom 21. 1. 1993 (SächsGVBl, 74) erst am 1. 1. 1993 in Kraft getreten ist. Ein generelles Formerfordernis für Anträge sieht aber auch dasVerwaltungsverfahrensgesetz nicht vor.

Versuche, die Notwendigkeit der Schriftform für einen Antrag nach § 30 I 1 VermG aus § 30 I 5 VermG i.V.mit § 2 II 1 und III der Anmeldeverordnung (AnmVO) herzuleiten, sind ebenso verfehlt wie eine Berufung auf die Natur der Sache. Esliegt auf der Hand, daß die in § 30 I 5 VermG vorgenommene Gleichsetzung einer Anmeldung nach der Anmeldeverordnung mit einem Rückgabeantrag nach dem Vermögensgesetz eine für die Annahme eines solchen Formerfordernisses notwendige ausdrückliche Verweisung des Vermögensgesetzesauf die Formvorschrift des § 2 II 1 AnmVO nicht ersetzen kann. Dasselbe gilt für die spiegelbildliche Gleichstellung, die § 2 III AnmVO vornimmt. Da diese Regelung an einen nach§ 30 VermG gestellten Antrag anknüpft, können ihr nicht zusätzliche Anforderungen an die Wirksamkeit einer solchen Antragstellung selbst entnommen werden.

Der Versuch des VG, die Notwendigkeit der Schriftform daneben mit den Besonderheiten des Rückgabeverfahrens zu begründen, hält ebenfalls einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar ist ein schriftlicher Beleg über Datum und Gegenstanddes Rückgabebegehrens wegen der Wirkungen eines solchen Antrags, insbesondere wegen der dadurch nach § 3 III 1 VermG ausgelösten Verfügungssperre, in höchstem Maßezweckmäßig. Die notwendige dokumentarische Sicherheit erfordert jedoch nicht zwangsläufig einen schriftlichen Antrag; sie kann auch dadurch hergestellt werden, daß die Behörde über das mündlich vorgetragene Begehren eine Niederschriftoder einen Vermerk fertigt. In diesem Sinne ist auch die Vorschrift des § 31 II VermG zu verstehen. Unabhängig davon ist zu beachten, daß Formvorschriften Ordnungsvorschriften sind, die der Rechtssicherheit dienen. Sie müssen aus dem Gesetzestext eindeutig klar erkennbar sein (vgl. BVerfGE 4, 31[37] = NJW 1954, 1601 für Fristvorschriften). Es ist daher in aller Regel mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 III GG unvereinbar, sie aus dem Sinn und Zusammenhang von Rechtsnormen oder gar mit Hilfe von Zweckmäßigkeitserwägungen zu gewinnen.

3. Da das angegriffene Urteil auf dem festgestellten Rechtsverstoßberuht, muß es aufgehoben werden. Die Sache ist nach § 144 III 1 Nr. 2 VwGO zur weiteren Sachaufklärung an das VG zurückzuverweisen, weil dieses bisher offengelassen hat, ob der Kl. - wie er behauptet - bereits im Jahr 1992 mündlich die Rückgabe des umstrittenen Landes beantragt hat.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

GG Art. 20 III; VermG §§ 30 I 1 u. 5, 30a I 1; AnmVO § 2 II 1, III; VwGO § 117 I 2