Fußgängerzoneneinrichtung kein Kündigungsgrund für Ladenmieter

Gericht

OLG Düsseldorf


Art der Entscheidung

Berufungsurteil


Datum

18. 11. 1997


Aktenzeichen

24 U 261/96


Leitsatz des Gerichts

Wird im Zuge von Straßenbauarbeiten der Zugang zu einem vermieteten Ladenlokal behindert, so liegt darin kein Mangel der vermieteten Sache i. S. von §§ 537 , 542 BGB. Der Mieter ist insoweit auf Entschädigungsansprüche gem. § 20 II NWStrWG zu verweisen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl., Mieterin eines Ladenlokals in O., hat den bis zum 31. 12. 1997 laufenden Mietvertrag am 27. 11. 1995 und am 4. 3. 1996 sowie am 14. 3. 1996 u. a. mit der Begründung gekündigt, der Umbau der Straße vor dem Laden in eine Fußgängerzone habe den Zugang zum Laden dergestalt beeinträchtigt, daß ein zur vorzeitigen Vertragsauflösung berechtigender Grund gegeben sei.

Das LG hat der Klage auf Feststellung der Beendigung des Mietvertrags stattgegeben. Die Berufung der Bekl. führte zur Klagabweisung.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Die Kündigungen können nicht auf die Umbauarbeiten an der S-Straße gestützt werden. Die dadurch hervorgerufenen Beeinträchtigungen können nicht als zur Kündigung berechtigende Mängel i. S. der §§ 537 , 542 BGB angesehen werden, so daß offenbleiben kann, ob eine Kündigung nach § 542 BGB bereits im Hinblick auf zukünftige, aber sicher eintretende Mängel erklärt werden kann.

a) Das Ladenlokal selbst - ohne Berücksichtigung der noch näher zu erörternden Außeneinflüsse - war unstreitig mangelfrei. Allerdings können auch tatsächliche Zustände und rechtliche Verhältnisse, die mit der Mietsache zusammenhängen, einen Fehler i. S. des § 537 I BGB darstellen; um die Garantiehaftung des Vermieters sachgemäß einzugrenzen und nicht ausufern zu lassen, beschränkt die Rechtsprechung dies auf Umstände und Verhältnisse, die die Tauglichkeit der Mietsache unmittelbar beeinträchtigen (BGH, NJW 1981, 2405 [unter II 2]); dabei ist in erster Linie auf den zum Vertragsinhalt erhobenen Vertragszweck abzustellen. Inwieweit dies für die Zugänglichkeit zu einem Ladenlokal beeinträchtigende Straßenbauarbeiten gilt, ist noch weitgehend ungeklärt (vgl. Wolf-Eckert, Hdb. d. gewerblichen Miet-, Pacht- u. LesingR, 7. Aufl., Rdnr 236). Der BGH (NJW 1981, 2405 = LM § 537 BGB Nr. 27) hat dazu lediglich ausgeführt, daß „über die Eignung der Räume in ihrer baulichen Ausgestaltung hinaus auch der ungehinderte Zutritt des Publikums zu diesem Geschäft - also die Möglichkeit, es beschwerde-, gefahrlos und bequem betreten zu können - für die Gebrauchstauglichkeit unmittelbar bestimmend sein“ kann; wie aus dem Sachzusammenhang hervorgeht, hat er bei dieser Bemerkung nicht Arbeiten an öffentlichen Straßen, sondern Zugangshindernisse innerhalb eines vom Vermieter betriebenen Einkaufszentrums im Auge gehabt, eine Fallgestaltung, die von der hier zu beurteilenden erheblich abweicht.

Das OLG Köln (NJW 1972, 1842) hat jahrelange Baumaßnahmen, die den Zugang zu einem Kiosk verhinderten oder allenfalls über einen Verbindungssteg zuließen, als erheblichen Mangel i. S. des § 542 BGB angesehen. Auf die Frage, welche Rolle die Tatsache spielt, daß die Umbauarbeiten vom Vermieter im allgemeinen weder vorhergesehen noch beeinflußt werden können und daß sie die Mietsache selbst nicht betreffen, ist es dabei nicht eingegangen.

b) Auch bei weitester Auslegung des Mangelbegriffs i. S. der §§ 537 , 542 BGB rechtfertigte die Situation bis Anfang Februar 1996 eine Kündigung nach § 542 BGB noch nicht. Unstreitig war das Ladenlokal bis zu diesem Zeitpunkt ungehindert zugänglich, und zwar sowohl für Fußgänger als auch für Kfz. Fußgänger konnten dorthin zudem ohne Probleme von dem damals als Fußgängerzone ausgestalteten Teilstück der B-Straße gelangen, Kfz in das weitere Teilstück der B-Straße weiter durchfahren. Daß das nördliche Teilstück der S-Straße für den Kfz-Verkehr gesperrt war und dort Bauarbeiten stattfanden, stellte keinen Mangel des Ladenlokals dar. Das Risiko, daß sich aufgrund welcher Umstände auch immer (allgemeiner Attraktivitätsverlust des Gebiets, Ansiedlung marktstarker Konkurrenten, Verkehrsmaßnahmen) die Kunden verlaufen, trägt allein der Mieter.

c) Ein Mangel könnte allenfalls für den Zeitraum bestehen, in dem der Zugang zum Ladenlokal selbst durch die Bauarbeiten erheblich erschwert war; dies gilt insbesondere für die Periode (Juni 1996), in der auch der ungestörte Zugang durch die Arkaden infolge Beseitigung des Belags und Leitungsverlegungen nicht gegeben war, der Zugang vielmehr nur über Holzbohlen möglich war. Ob dies aus Rechtsgründen zutrifft - dagegen könnte die auch dem Mieter bekannte Tatsache sprechen, daß der Vermieter gegen Umbaumaßnahmen nichts unternehmen kann und daher kaum für eine ungehinderte Zugänglichkeit des Ladenlokals einstehen will -, kann offenbleiben. Jedenfalls sind sie als unerheblich i. S. des § 542 II BGB anzusehen. Das ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Jeder Anlieger muß hinnehmen, daß die Straße, von der er Nutzen ziehen kann, entsprechend den öffentlichen Bedürfnissen erneuert und umgestaltet wird. Er kann nicht darauf vertrauen, daß sie im gleichen Zustande verbleibt, wie er sie vorfindet. So wie er die Chancen nutzen kann, die sich aus der Lage an der Straße bieten, so muß er auch die damit unweigerlich verbundenen Beeinträchtigungen tragen. Das gilt sowohl für den Eigentümer als auch den Mieter. Jedenfalls die „normalen“ Beeinträchtigungen muß daher der Anlieger entschädigungslos selbst tragen. Welche Beeinträchtigungen der Anlieger dabei hinzunehmen hat, ergibt sich aus den Straßengesetzen, in Nordrhein-Westfalen aus § 20 NWStrWG. Überschreiten sie dieses Maß, so mögen sie zwar tatsächlich nicht mehr „unerheblich“ sein; insoweit ist jedoch zu beachten, daß auch der Eigentümer sie nicht abzuwehren vermag und daß dem betroffenen Betriebsinhaber - nicht dem Grundstücksinhaber - ein Entschädigungsanspruch nach § 20 VI NWStrWG zusteht. Sollte die Kl. durch die Straßenbaumaßnahmen daher in unzumutbarer Weise betroffen worden sein, so kann sie in gewissem Umfange eine Entschädigung von der Stadt O. verlangen. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß damit die Nachteile, die über das hinzunehmende Maß hinausgehen, ausgeglichen sind. Hätte die Kl. diesen Anspruch geltend gemacht, wären ihre wirtschaftlichen Einbußen im wesentlichen kompensiert gewesen, so daß der - unterstellte - Mangel, die beeinträchtigte Zugänglichkeit des Lokals, letztlich sich nur unerheblich ausgewirkt hätte. Für die Lösung spricht auch, daß damit der „Konflikt“ im Verhältnis zwischen den eigentlichen Betroffenen, dem Straßenbaulastträger und dem Betriebsinhaber, ausgetragen wird.

Darüber hinaus ist das Kündigungsrecht der Kl. ausgeschlossen, weil ihr der „Mangel“ bei Abschluß des Mietvertrags bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben war (§§ 543 , 539 BGB). Davon ist aufgrund der Beweisaufnahme auszugehen.

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

BGB §§ 537, 542; NWStrWG § 20