Austausch einer Dachantenne gegen einen Kabelanschluß

Gericht

BayObLG


Art der Entscheidung

Beschluss über weitere Beschwerde


Datum

01. 10. 1998


Aktenzeichen

2 Z BR 71/98


Leitsatz des Gerichts

Ein Wohnungseigentümer muß einen Mehrheitsbeschluß nicht hinnehmen, nach dem alle Wohnungen der Wohnanlage in die Breitbandverteileranlage für einen bereits vorhandenen Kabelanschluß eingebunden werden sollen und die vorhandene, einwandfrei arbeitende Dachantennenanlage abzubauen ist.

Tatbestand


Aszüge aus dem Sachverhalt:

Der Ast. und die Ag. sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, deren Verwalter der weitere Bet. ist. In der Wohnanlage können die Programme bestimmter Rundfunk- und Fernsehsender über eine sechzehn Jahre alte Dachantennenanlage empfangen werden. Die Wohnanlage als solche ist zwar auch an das Breitbandkabelnetz angeschlossen. Der Rundfunk- und Fernsehempfang über das Breitbandkabelnetz wird bisher aber nur für fünfzehn Wohnungen vermittelt; fünf Wohnungen sind für einen Kabelanschluß vorbereitet, die verbleibenden 21 Wohnungen könnten ohne größere Installationsarbeiten in die Breitbandverteileranlage eingebunden werden. Eine Kabelgesellschaft bot den Wohnungseigentümern den Abschluß eines „Miet- und Betriebsvertrags für private Breitbandanlagen„ an. Das Vertragsangebot sieht den Anschluß sämtlicher Wohnungen an das Breitbandkabelnetz und die Beseitigung der vorhandenen Antennenanlage vor. Außerdem erklärt sich die Kabelgesellschaft in dem Angebot bereit, die Wartung der Anlage zu übernehmen, alle Kosten zu tragen, die für einen reibungslosen Empfang anfallen, und den Vertragspartnern ihren Störungsdienst zur Verfügung zu stellen. Für diese Leistungen soll ein Betrag von 20 DM pro Wohnung und pro Monat entrichtet werden. Die Laufzeit des Vertrags soll zehn Jahre betragen. Die Wohnungseigentümer beschlossen, das Angebot anzunehmen. Der Ast. hat beantragt, den Eigentümerbeschluß für ungültig zu erklären. Das AG hat dem Antrag stattgegeben. Das LG hat die sofortige Beschwerde der Ag. zurückgewiesen. Hiergegen richtete sich ihre sofortige weitere Beschwerde. Das Rechtsmittel war nicht begründet.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. 1. Das LG hat ausgeführt: Der Anschluß an das Breitbandkabel stelle eine bauliche Veränderung dar, die nach § 22 I 1 WEG nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer beschlossen werden könne. An einer solchen Zustimmung fehle es hier. Eine modernisierende Instandhaltung, für die eine Stimmenmehrheit der Wohnungseigentümer ausreiche, liege nicht vor. Die vorhandene Dachantennenanlage sei nämlich in Ordnung; sie sei zwar rd. sechzehn Jahre alt, aber weder reparaturbedürftig noch überaltert.

Auch wenn die vorhandene Dachantennenanlage nicht mehr dem heutigen Standard entspreche, ändere dies nichts daran, daß der beschlossene Anschluß an das Breitbandkabelnetz weder eine Instandsetzung noch eine Instandhaltung i.S. von § 21 V Nr. 2 WEG sei. Zu einem anderen Ergebnis komme man auch nicht unter dem Gesichtspunkt, daß die Ag. ein verfassungsmäßig geschütztes Informationsinteresse an weiteren Rundfunk- und Fernsehsendern hätten. Durch das Grundgesetz geschützt sei allenfalls eine Grundinformation, die mit dem Empfang von sieben Fernsehprogrammen über die Dachantennenanlage bei weitem abgedeckt sei.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Der angefochtene Eigentümerbeschluß ist zu Recht für ungültig erklärt worden.

a) Die Umrüstung von der Dachantennenanlage auf den Anschluß an das Breitbandkabelnetz stellt eine bauliche Veränderung im Sinn von § 22 I 1 WEG dar (BayObLGZ 1989, 465 = NJW-RR 1990, 330; BayObLG, NJW-RR 1992, 664; KG, WE 1992, 37, jew. m.w.Nachw.). Hier ist zwar die Wohnanlage als solche bereits an das Breitbandkabelnetz angeschlossen und es müssen nur noch die Wohnungen, die nicht schon angeschlossen sind, in die Breitbandverteileranlage eingebunden werden. Eine solche Maßnahme stellt aber in Verbindung mit der Demontage der Dachantennenanlage gleichwohl eine bauliche Veränderung dar.

b) Nach § 22 I 2 WEG könnten die Wohnungseigentümer die Umrüstung gem. § 21 III , V Nr. 2 WEG mit Stimmenmehrheit beschließen, wenn eine solche in den Grenzen ordnungsmäßiger Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums stattfinden würde. Dies ist hier aber nicht der Fall. Das LG hat rechtsfehlerfrei und damit gem. § 27 I 2 FGG, § 561 ZPO für das RechtsbeschwerGer. bindend festgestellt, daß die derzeit vorhandene Dachantennenanlage einwandfrei funktioniert und damit nicht instandgesetzt werden muß. Das LG ist ferner zutreffend davon ausgegangen, daß die geplante Umrüstung nicht als Maßnahme der Instandhaltung angesehen werden kann. Die Wohnungseigentümer brauchen zwar mit Pflege- und Erhaltungsmaßnahmen nicht zu warten, bis konkrete Schäden größeren Ausmaßes tatsächlich eingetreten sind. Vielmehr dürfen sie nach dem Maßstab eines verständigen Hauseigentümers wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen auch schon vorsorglich treffen, wenn Anhaltspunkte für die Schadensanfälligkeit von baulichen Konstruktionen bestehen (BayObLG, NJW-RR 1991, 967; 1992, 664).

Das LG ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, daß hier ein solcher Fall nicht vorliegt; insbesondere hat es ausgeführt, es könne nicht davon ausgegangen werden, daß die Dachantennenanlage erfahrungsgemäß in einigen Jahren ohnehin ausgewechselt werden müsse.

c) Die Zustimmung des Ast., der den Eigentümerbeschluß allein angefochten hat, zu dem mehrheitlich beschlossenen Anschluß an das Breitbandkabelnetz und die Demontage der Dachantennenanlage ist erforderlich, weil er durch diese Maßnahmen in seinen Rechten über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt wird (§ 22 I 2 WEG).

(1) Eine Beeinträchtigung kann auch in der Belastung mit Kosten liegen (BayObLGZ 1989, 465 [467] = NJW 1990, 330). Ein solcher Fall liegt hier vor, denn die Kabelgesellschaft verlangt für ihre Leistungen eine monatliche Zahlung von 20 DM pro Wohnung. Auch wenn man davon ausgeht, daß die Unterhaltung einer Dachantennenanlage Kosten verursacht, so sind diese Kosten pro Wohnung und pro Monat jedoch wesentlich geringer.

(2) Zu einem anderen Ergebnis kommt man auch nicht bei einer Abwägung zwischen dem grundrechtlich geschützten Informationsinteresse der Ag. an einem erweiterten Fernseh- und Hörfunkangebot, wie es der Kabelanschluß ermöglicht, und dem in erster Linie kostenmäßig ausgerichteten Interesse des Ast. an der Beibehaltung der bisher vorhandenen Dachantennenanlage (vgl. OLG Köln, WE 1996, 39). Der Senat ist davon überzeugt, daß die Wohnungseigentümer, die den Kabelanschluß wünschen, einen solchen aufgrund von Neuverhandlungen mit der Kabelgesellschaft auch erreichen werden, ohne daß die Bedingung der Kabelgesellschaft aufrechterhalten bleibt, es müßten sich sämtliche Wohnungseigentümer der Wohnanlage dem Breitband-Kabelnetz anschließen und die Dachantennenanlage müsse beseitigt werden. Schon bisher wurde ja der Rundfunk- und Fernsehempfang für lediglich fünfzehn Wohnungen über das Breitbandkabelnetz vermittelt. Es ist allerdings möglich, daß dann für jeden anschlußwilligen Wohnungseigentümer eine höhere Gebühr anfällt. Letztlich erscheint es aber nicht unbillig, daß die Wohnungseigentümer für den Differenzbetrag zwischen 20 DM und der höheren Gebühr aufkommen müssen, die sich dem Breitband-Kabelnetz anschließen wollen, und daß nicht der Ast. 20 DM pro Monat für eine Art des Fernseh- und Rundfunkempfangs zahlen muß, die er nicht wünscht.

(3) Da der angefochtene Eigentümerbeschluß schon aus den genannten Gründen keinen Bestand haben kann, kann es dahingestellt bleiben, ob nicht ein Nachteil der beschlossenen Maßnahmen auch darin liegen kann, daß dadurch der Weg für einen Satellitenempfang verbaut wird, der möglicherweise aus Kostengründen oder wegen der noch größeren Vielfalt an Programmen für den einen oder anderen Wohnungseigentümer erstrebenswerter erscheint als der Kabelanschluß.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

WEG §§ 14 Nr. 1, 22 I 2