Keine Steuerbegünstigung für „Schwarzbauten“

Gericht

BFH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

31. 05. 1995


Aktenzeichen

X R 245/93


Leitsatz des Gerichts

Wohnungen, Ausbauten oder Erweiterungen, die entgegen den baurechtlichen Vorschriften ohne Baugenehmigung errichtet wurden, sind nicht nach § 10e EStG begünstigt.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Sie haben zwei Kinder. 1988 bauten die Kl. das vorher als Bodenraum genutzte Dachgeschoß ihres selbstbewohnten Wohnhauses aus. Dadurch entstanden zwei zusätzliche, seit Oktober 1988 eigengenutzte Wohnräume mit Flur in einer Gesamtgröße von 30 qm. Weder vor Baubeginn noch nachträglich beantragten die Kl. eine Baugenehmigung, weil nach ihrer Auffassung wegen Nichteinhaltung der Bauvorschriften keine Genehmigung erteilt worden wäre. In ihren Einkommensteuererklärungen für 1988 und 1991 machten die Kl. jeweils einen Abzugsbetrag nach § 10e II EStG in Höhe von 534 DM und die Steuerermäßigung nach § 34f EStG für zwei Kinder geltend. Der Bekl. (das Finanzamt) folgte dem zunächst unter Vorbehalt der Nachprüfung in den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre. In den angefochtenen Änderungsbescheiden ließe er die geltend gemachten Steuerbegünstigungen unberücksichtigt, weil die Kl. keine Baugenehmigung für den Dachgeschoßausbau vorgelegt hatten. Das FG gab der nach erfolglosem Einspruch eingelegten Klage statt. Das Urteil ist in EFG 1994, 204 veröffentlicht. Die Revision des Finanzamtes führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 III Nr. 1 FGO).

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Ausbauten und Erweiterungen sind nicht nach § 10e II EStG begünstigt, wenn eine erforderliche Baugenehmigung nicht erteilt worden ist.

1. § 10e I EStG begünstigt die Anschaffung oder Herstellung einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung, die keine Ferien- oder Wochenendwohnung ist. Abs. 1 gilt entsprechend für Herstellungskosten von zu eigenen Wohnzwecken genutzten Ausbauten und Erweiterungen (§ 10e II EStG).

Zur Frage, ob die Förderung auch zu gewähren ist, wenn die Wohnung bzw. der Ausbau oder die Erweiterung i.S. von § 10e II EStG entgegen baurechtlichen Vorschriften errichtet worden ist, wird im Schrifttum zum Teil die Auffassung vertreten, § 10e EStG enthalte insoweit keine tatbestandliche Einschränkung. Es gebe keinen allgemeinen Grundsatz, wonach die Anwendung steuerrechtlicher Vergünstigungen zugleich von der Einhaltung außersteuerrechtlicher gesetzlicher Regelungen abhängig sei. Die fehlende Baugenehmigung nehme einer Wohnung nicht die Eignung, Wohnzwecken zu dienen. Auch ungenehmigte Wohnungen stellten - solange deren Beseitigung nicht verfügt sei - einen Vermögenswert dar und dienten sowohl der Vermögensbildung als auch der Normalisierung des Wohnungsmarktes. Vom Abriß bedroht seien nicht formell, sondern nur materiell baurechtswidrige Gebäude. Es widerspreche dem mit § 10e EStG auch verfolgten Vereinfachungszweck, wenn die Finanzverwaltung die Übereinstimmung mit materiellem Baurecht überprüfen müsse (vgl. Obermeier, Das selbstgenutzte Wohneigentum, 3. Aufl., S. 156).

Die Finanzverwaltung (BMF Schreiben vom 31. 12. 1994, BStBl I 1994, 887, Tz. 19) und der überwiegende Teil des Schrifttums vertreten hingegen die Auffassung, § 10e EStG sei auf baurechtswidrig erstellte Objekte nicht anwendbar (Kleeberg, in: Kirchhof/Söhn, EStG, § 10e Rdnr. B 5; Schmidt/Drenseck, EStG, 13. Aufl., § 10e, Anm. 5a; Blümich/Erhard, EStG, KStG, GewStG mit Nebengesetze, § 10e EStG Rdnr. 102; Meyer, in: Hermann/Heuer/Raupach, EStG und KStG mit Nebengesetzen, § 10e EStG Rdnr. 95; Boeker, in: Lademann/Söffing, EStG, § 10e , Rdnr. 48a; Stephan, in: Littmann/Bitz/Hellwig, Das EinkommensteuerR, § 10e EinkommensteuerRHoffmann, in: Koch/Scholz, AO, 4. Aufl., § 40 Rdnr. 4; Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO - FGO, § 40 FGO1977 Rdnr. 42; Jaser/Wacker,Die neue Eigenheimbesteuerung, 7. Aufl., S. 33; Hahn, DB 1990, 2439).

2. Der Senat teilt die letztgenannte Auffassung. Die Förderung von Schwarzbauten findet im Gesetz keine Stütze.

Im Ergebnis zutreffend geht das FG allerdings davon aus, daß es für die Besteuerung grundsätzlich unerheblich ist, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot verstößt (§ 40 AO 1977). Dies gilt angesichts der weiten Fassung des § 40 AO 1977 und der mit der Vorschrift verfolgten wertungsindifferenten Besteuerung (BFH - GS -, BFHE 124, 43 (50) = BStBl II 1978, 105 = NJW 1978, 1804 L) grundsätzlich auch zugunsten des Steuerpflichtigen (ausf. BFHE 159, 238 = BStBl II 1990, 251 m.w. Nachw. - zur Kraftfahrzeugsteuerbefreiung).

Der Senat kann offenlassen, ob er sich der Auffassung des VII. Senats (in BFHE 159, 238 = BStBl II 1990, 251) anschließen könnte, eine steuerbegünstigende Norm sei - ohne Rücksicht auf außersteuerrechtliche Wertungen - nur „aus sich selbst auszulegen" und § 40 AO 1977 gebiete, die Wirkung steuerbegünstigender Normen ohne Rücksicht auf die Verbotswidrigkeit tatbestandsmäßigen Verhaltens eintreten zu lasen (a.A. z.B. Tipke/Lang, SteuerR, 14. Aufl., S. 144; ausf. Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler,§ 40 Rdnrn. 17ff., m. w. Nachw.) Auch nach der Entscheidung des VII. Senats ist Voraussetzung, daß die begünstigende Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck die Tatbestandsverwirklichung durch ein einer außersteuerrechtlichen Norm widersprechendes Verhalten nicht ausschließt. Dies ist vorliegend der Fall.

Allerdings ist nach dem Wortlaut der Vorschrift die Gewährung der Steuervergünstigung nicht ausdrücklich davon abhängig, daß eine nach dem Bauordnungsrecht erforderliche Genehmigung erteilt worden ist. Die Verwendung des Begriffs „Wohnung“ schließt jedoch mindestens ein, daß es sich um eine Zusammenfassung von Räumen handelt, die nach ihrer baulichen Gestaltung und Erschließung zum dauernden Aufenthalt von Menschen geeignet sind. Gleiches gilt für die nach § 10e II EStG i.V. mit § 17 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) für die in gleicher Weise geförderte Schaffung von Wohnraum. Die Voraussetzungen, unter denen Räume zum dauernden Aufenthalt von Menschen geeignet sind, werden durch die Vorschriften des materiellen Baurechts bestimmt. Die Begünstigung nach § 10e EStG darf deshalb dem materiellen Baurecht nicht entgegenstehen.

Dies entspricht auch dem Zweck der Vorschrift. Ziel der Neuregelung war u.a. auch, durch Förderung von Neubauten den zunehmenden Wohnraumbedarf zu lindern sowie zur Vermögensbildung als wesentlichem Bestandteil der privaten Altersvorsorge anzureizen (vgl. BT-Dr 10/3633, S. 10). Diesen Zwecken entsprechen solche Wohnungen, Ausbauten oder Erweiterungen nicht, die mit dem materiellen Vorschriften des Baurechts nicht vereinbar sind und deren Beseitigung die zuständige Behörde jederzeit fordern kann. Daß § 10e EStG eine Baugenehmigung voraussetzt, bestätigt die Übergangsregelung in § 52 XIV 3 EStG. Sie bestimmt den zeitlichen Geltungsbereich der geänderten Fassung der Vorschrift nach dem Zeitpunkt, zu dem der Bauantrag gestellt worden ist.

Der Nachweis, daß das Bauvorhaben dem materiellen Baurecht entspricht, kann regelmäßig durch Vorlage einer Baugenehmigung oder einer Bescheinigung der zuständigen Behörde erbracht werden, daß eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist (vgl. BFHE 130, 439 (441) = BStBl II 1980, 474).

Rechtsgebiete

Steuerrecht

Normen

EStG § 10e