Studentenwohnheim-Appartement als Wohnung i.S. von § 10e EStG

Gericht

BFH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

02. 04. 1997


Aktenzeichen

XR 141/94


Leitsatz des Gerichts

Ein 13 qm großes Appartement in einem Studentenwohnheim mit Gemeinschaftsteeküche ist keine Wohnung i.S. des § 10e EStG.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. wurden im Streitjahr 1990 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie kauften im Jahr 1989 ein 13 qm großes, möbliertes Appartement in einem Studentenwohnheim, dessen Besitz am 1. 11. 1989 auf die Kl. überging. 8 qm der Wohnfläche entfielen auf den Wohn/Schlafbereich sowie 5 qm auf den Eingangsbereich und Dusche/Toilette. Das Eigentum umfaßte das Sondereigentum an der Wohnung und das Teileigentum an einer separaten Teeküche. Das Appartement war vermietet. Nach Auszug des Mieters Ende Januar 1990 renovierten die Kl. das Appartement. Von Mitte April 1990 bis Ende März 1991 bewohnte der Sohn der Kl., der sich wegen seines Studiums bereits bis zum 28. 2. 1990 außerhalb des elterlichen Haushalts aufhielt, das Appartement unentgeltlich. Anschließend vermieteten die Kl. das Appartement wieder. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1990 machten die Kl. 4150 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend (Grundsteuer, Wohngeld für die Monate Januar bis März 1990, Zinsen, Fahrtkosten, Renovierungskosten und Absetzungen für Abnutzung für drei Monate). Das bekl. Finanzamt ließ im Einkommensteuerbescheid für 1990 die Fahrt- und Renovierungskosten nicht und die übrigen Kosten nur zu 1//3bzw. 1//12zum Abzug als Werbungskosten zu (insgesamt 615 DM). Für den Sohn gewährte das Finanzamt wegen ganzjähriger auswärtiger Unterbringung einen Ausbildungfreibetrag von 4000 DM. Der Einspruch der Kl. war erfolglos.

Mit der Klage begehrten die Kl., die vom Finanzamt nicht als Werbungskosten anerkannten Aufwendungen von 3535 DM steuermindernd zu berücksichtigen. Das FG behandelte hiervon 3493 DM als Vorkosten nach § 10e VI EStG, kürzte jedoch den Ausbildungsfreibetrag um 150 DM. Es führte aus, zwar gebe es keine Küche, jedoch stehe dem jeweiligen Bewohner des Appartements das unentziehbare Recht zur Nutzung der Teeküche zu, weil sie als Teileigentum dem Sondereigentum am Appartement zugeordnet sei. Räume außerhalb des Wohnungsbeschlusses könnten "im Rahmen des § 10e EStG" hinzugerechnet werden. Die Revision hatte Erfolg und führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. 1. Zu Recht hat das FG die von den Kl. geltend gemachten Aufwendungen nicht nach §§ 21 I Nr. 1, 9 I 1 EStG zum Abzug als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugelassen.

Nachträgliche Werbungskosten sind Aufwendungen, die wirtschaftlich mit einer früheren auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit zusammenhängen (z.B. BFHE 178, 155 = BStBl II 1996, 151 = NJWE-MietR 1996, 22 m.w. Nachw.). Die geltend gemachten Kosten wurden im Streitfall auch für die unentgeltliche Nutzung der Wohnung durch den Sohn aufgewendet. Damit hängen sie auch mit der privaten Nutzung der Wohnung zusammen, die dem Lebensführungsbereich zuzuordnen ist (§ 12 Nr. 1 S. 2 EStG). Die Aufwendungen dürfen nicht aufgeteilt werden; sie sind insgesamt nicht abziehbar (BFHE 178, 155 = BStBl II 1996, 151 = NJWE-MietR 1996, 22 m.w. Nachw.).

2. Entgegen der Auffassung des FG sind die Aufwendungen auch nicht als Vorkosten abziehbar.

a) Der Abzug von Vorkosten nach § 10e VI EStG setzt u.a. voraus, daß die Aufwendungen mit der Anschaffung einer Wohnung i.S. des § 10e I EStG zusammenhängen. Nach dem Senatsurteil vom 15. 11. 1995 (BFHE 179, 290 = NJWE-MietR 1996, 143) ist unter einer Wohnung die Zusammenfassung mehrerer Räume zu verstehen, in denen ein selbständiger Haushalt geführt werden kann. Es müssen daher auch eine Küche oder zumindest eine Kochgelegenheit, Bad oder Dusche und WC vorhanden sein. Außerdem müssen in Gebäuden mit mehreren Wohneinheiten die Räume baulich gegenüber anderen Räumen abgeschlossen sein.

b) Der Senat hatte bisher noch nicht darüber zu entscheiden, ob der Wohnungsbegriff i.S. des § 10e I EStG auch eine Mindestwohnfläche voraussetzt. Nach der zum Bewertungsrecht und zur Grundsteuer ergangenen BFH-Rechtsprechung ist eine Wohnung nur anzunehmen, wenn die abgeschlossene Wohneinheit eine bestimmte Fläche nicht unterschreitet. Ab welcher Wohnfläche ein selbständiger Haushalt auf Dauer in den Räumen geführt werden kann, entscheidet sich nach der Verkehrsanschauung, die wesentlich durch die örtlichen Verhältnisse und den Wohnungsmarkt bestimmt wird. Daher werden an die Größe von Wohnungen z.B. in Alten- und Studentenwohnheimen geringere Anforderungen gestellt als an Wohnungen in sonstigen Wohngebäuden.

Eine Wohnfläche von Appartements in Studentenwohnheimen von knapp über 20 qm hat der BFH (BFHE 160, 335 = BStBl II 1990, 705 m.w. Nachw.) als ausreichend angesehen. "Kleinstappartements" in Studentenwohnheimen mit 15,70 qm bis 16,50 qm Gesamtfläche hat er dagegen nicht als Wohnungen beurteilt (BFHE 148, 486 = BStBl II 1987, 306).

c) Diese Rechtsprechung, der sich der Senat auch für die Auslegung des Wohnungsbegriffs in § 10e EStG anschließt, wird bestätigt durch die gesetzlichen Vorschriften über die baulichen Mindestanforderungen von Wohnungen in Wohnheimen, die ebenfalls Ausdruck der Verkehrsanschauung sind. Nach § 19 der HeimmindestbauVO vom 3. 5. 1983 (BStBl I, 550) müssen z.B. "Wohnplätze" in einem Altenwohnheim für eine Person mindestens über einen Wohnschlafraum mit einer Wohnfläche von 12 qm/, eine Küche, eine Kochnische oder einen Kochschrank und über einen Sanitärraum verfügen.

Im Streitfall bleibt der Wohnschlafraum mit 8 qm deutlich unter dieser Grenze. Hinzu kommt, daß sich in dem Appartement weder eine Küche noch eine Kochnische noch ein Kochschrank befindet. Nach der Verkehrsanschauung erfordert eine Wohnung aber eine eigene Kochgelegenheit. Eine außerhalb der abgeschlossenen Räumlichkeiten gelegene Gemeinschaftsküche macht ein möbliertes Zimmer mit Dusche und WC noch nicht zu einer Wohnung.

Rechtsgebiete

Steuerrecht

Normen

EStG §§ 9 I 1, 10e I, VI, 21 I Nr. 1