Keine degressive Abschreibung von 7% für vermietete Ferienwohnungen

Gericht

Schleswig-Holsteinisches FG


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

28. 11. 1996


Aktenzeichen

V 559/96


Leitsatz des Gerichts

Die erhöhten Abschreibungen nach § 7 Abs. 5 Satz 2 EStG 1989 (degressive Gebäude-AfA von 7%) können nur für Wohnungen in Anspruch genommen werden, die zu dauerhaften Wohnzwecken vermietet werden. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn eine Wohnung an wechselnde Feriengäste vermietet wird, da beim Mieter in diesem Fall nicht die Befriedigung eines Dauerwohnbedürfnisses im Vordergrund steht.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kläger (Kl.) begehren mit ihrer Klage den erhöhten Abschreibungssatz von 7 v. H. der Herstellungskosten gem. § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG, weil das Gebäude - vermietete Ferienwohnungen - Wohnzwecken diene.

Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Kl. sind Miteigentümer des Grundstücks Ahornweg 1 in A. Sie gründeten die Gesellschaft bürgerlichen Rechts „Bruch-teilsgemeinschaft Ahornweg 1“. Der Gesellschaftszweck besteht in der einheitlichen Wahrnehmung und Ausübung der Rechte aller Bruchteilseigentümer. Insbesondere handelt es sich um die gemeinschaftliche unternehmerische Vermietung der 8 eingerichteten Ferienwohnungen. Die Erträge und Kosten wurden den einzelnen Wohnungen direkt zugeordnet. Sämtliche Wohnungen werden einheitlich über eine Vermietungsorganisation angeboten und zwar über Frau S.

Für die Streitjahre 1991 bis 1993 wurden Verluste aus Vermietung und Verpachtung erklärt. Bei den Einnahmen wurden neben den erzielten Mieten auch Entgelte für die Eigennutzung durch die jeweiligen Eigentümer erfaßt. Eine Kürzung der Werbungskosten (WK) erfolgte nicht. Die Abschreibungen auf das Gebäude wurden mit 7 v. H. vorgenommen.

Im Rahmen einer bei der GbR durchgeführten Außenprüfung wurde für das Gebäude lediglich ein AfA-Satz von 5 v. H. der Herstellungskosten gem. § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG berücksichtigt. Nach Ansicht der Außenprüfung kommt der erhöhte AfA-Satz von 7 v. H. nicht in Betracht, weil die Vermietung an Feriengäste nicht als „Wohnzwecken dienend“ i. S. des § 7 Abs. 5 Satz 2 EStG gelte. Außerdem wurden in den Streitjahren 1991 und 1992 die erklärten Einnahmen um die für die Selbstnutzung angesetzten Mieten gekürzt, für 1992 die Tage der Eigennutzung um die Leerstandszeiten erhöht und die abzugsfähigen WK entsprechend gekürzt.

Dagegen erhoben die Kl. Einspruch und begehrten für das Gebäude einen Abschreibungssatz von 7 v. H. und die nicht abziehbaren WK 1992 um die sog. Leerstandszeiten zu kürzen. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, daß die Wohnanlage ganzjährig und uneingeschränkt übertragen worden sei und daß das Gebäude Wohnzwecken i. S. des § 7 Abs. 5 Satz 2 EStG der in den Streitjahren maßgebenden Fassung diene.

Nachdem das FA bei einer nochmaligen Prüfung anhand des Gästeverzeichnisses der als Vermittlerin eingeschalteten Frau S zum Ergebnis gelangte, daß für Leerstandszeiten keine Eigennutzungen der Bruchteilseigentümer beantragt waren, wurden die für 1992 nichtabzugsfähigen WK zugunsten der Kl. korrigiert.

Im übrigen wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Klage ist nicht begründet.

Die angefochtenen Verwaltungsakte sind rechtmäßig und verletzen die Kl. nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FA hat zutreffend gem. § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG einen Abschreibungssatz von 5 v. H. berücksichtigt. § 7 Abs. 5 Satz 2 EStG, der einen Abschreibungssatz im Jahr der Fertigstellung und in den folgenden drei Jahren von 7 v. H. vorsieht, kommt nicht in Betracht, weil das Gebäude nicht Wohnzwecken dient.

Das Gesetz umschreibt nicht näher, was unter dem Begriff „zu Wohnzwecken dienen“ verstanden wird. Ein Gebäude dient Wohnzwecken, wenn es dazu geeignet und bestimmt ist, Menschen auf Dauer Aufenthalt und Unterkunft zu ermöglichen. Die Eignung zu diesem Zweck richtet sich nach dem landesrechtlichen Bauordnungsrecht. Das Gebäude ist zu Wohnzwecken bestimmt, wenn es nach dem Willen des oder der Berechtigten diesem Zweck dienen soll, dies ist anhand der erkennbaren objektiven Kriterien zu prüfen. Der Begriff „Wohnzwecken dienen“ erfordert nicht ein ständiges Benutzen von Räumen als Wohnung, es genügt, daß die Räume ständig für Wohnzwecke zur Verfügung stehen. Dem Begriff „Wohnzwecken dienen“ haftet ein gewisses dauerhaftes Moment an. Mit diesem Begriff soll die Befriedigung eines Dauerwohnbedürfnisses zum Ausdruck gebracht werden. Wohnzwecken ist deshalb nur dann ein Objekt gewidmet, wenn dort eine oder mehrere Personen ihre Wohnung besitzen. Wohnung ist in diesem Zusammenhang der Raumbereich, in dem eine Person ihren außerberuflichen Lebensmittelpunkt hat, wo sie zuhause ist, ihren Haushalt führt, die arbeitsfreie Zeit verbringt, ihre Kinder aufzieht, Freunde empfängt, ihr bewegliches Eigentum aufbewahrt und nutzt (vgl. § 7 BGB). Dabei hat die Wohnung als Lebensbereich nicht notwendig ausschließlichen Charakter. So wie eine Person mehrere Wohnsitze haben kann, kann sie auch mehrere Wohnungen abwechselnd oder gleichzeitig in Anspruch nehmen. Dem Begriff „Wohnzwecken dienen“ ist nicht eine ununterbrochene Nutzung zu Wohnzwecken durch den jeweiligen Inhaber der Wohnung vorausgesetzt. Auch die vorübergehende oder wiederkehrende Nutzung zum Wohnen durch den Inhaber kann darunter fallen. Mit dem Begriff des Wohnens ist jedoch eine intensive Beziehung zwischen dem Nutzer und dem genutzten Raumbereich zu verbinden. Deshalb ist es unerheblich, ob das Gebäude ausschließlich von dem Eigentümer und seiner Familie oder von einem weiteren diesen nahestehenden Personenkreis benutzt wird. Aus dem gleichen Grunde kann auch eine Ferienwohnung, die ausschließlich im zuvor dargestellten Sinne genutzt wird, Wohnzwecken dienen. An der erforderlichen intensiven Beziehung zwischen dem Nutzer und dem genutzten Raumbereich fehlt es, wenn es sich um eine bloße vorübergehende Beherbergung fremder Personen handelt. Insoweit fehlt es in tatsächlicher Hinsicht an der Befriedigung eines Dauerwohnbedürfnisses. Diese von der Literatur und von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu § 7 b EStG (s. dazu u. a. BFH, BStBl III 1958, 312; Hessisches FG, EFG 1991, 660; Handzik in: Littmann/Bitz/

Hellwig, EStG, 15. Aufl., § 7 EStG Anm. 200 d sowie § 7 b EStG Anm. 48 ff.; Frotscher, EStG, § 7 EStG Anm. 160 e) gelten auch bei der Anwendung des § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 EStG i. d. F. des Gesetzes vom 30. 6. 1989. Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber bei der 1989 eingeführten degressiven AfA für Gebäude, die Wohnzwecken dienen, von anderen als den von § 7 b EStG entwickelten Grundsätzen ausgehen wollte, liegen nicht vor (s. auch BFH, BStBl II 1992, 1044, 1045 zur Auslegung des § 4 b Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1992, danach sind unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens begünstigt, soweit sie nicht Wohnzwecken dienen). Die von Clausen (in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG 21. Aufl., § 7 EStG Rdnr. 493) vertretene Ansicht, daß es ausreichend ist, daß die Räume ständig für Wohnzwecke zur Verfügung stehen und deshalb auch z. B. vermietete Ferienwohnungen darunter fallen, sofern es sich nicht um eine gewerbliche Beherbergung handelt, teilt das Gericht nicht. Die Benutzung einer Ferienwohnung durch einen Feriengast und die damit verbundene vorübergehende Beherbergung ist nach Art und Intensität gleichermaßen, unabhängig davon, ob steuerlich eine gewerbliche oder eine nichtgewerbliche Beherbergung vorliegt. Die Unterscheidung zwischen den Einkunftsarten Gewerbebetrieb und Vermietung und Verpachtung (VuV) hängt nicht von der Art des Wohnens, sondern davon ab, ob der Stpfl. weitere Leistungen erbringt, die der Art und dem Umfang nach der Vermietung ein gewerbliches Gepräge geben. Deshalb kann auch der Ansicht von Clausen nicht zugestimmt werden, daß Studentenwohnungen und möbilierte Zimmer grundsätzlich mit an Feriengäste vermieteten Ferienwohnungen gleichgesetzt werden. Es ist zu unterscheiden, ob es sich lediglich um eine vorübergehende Beherbergung z. B. für Ferienzwecke oder um eine auf eine längere Dauer angelegte Nutzung wie bei Studentenwohnungen handelt. Die in Herrmann/Heuer/Raupach vertretene Ansicht differenziert nicht ausreichend zwischen einer dauerhaften und einer vorübergehenden Nutzung zu Wohnzwecken. Die hier vertretene Ansicht ist auch mit dem Gesetzeswortlaut des § 7 b EStG und der Nachfolgevorschrift des § 10 e EStG vereinbar. Die Einbeziehung von Ferienwohnungen (§ 7 b EStG) und deren Ausschluß (§ 10 e EStG) sind unabhängig davon zu werten, wie der Begriff „Wohnzwecken dienen“ ausgelegt wird. Im Falle des § 7 b EStG fielen Ferienwohnungen nur dann unter diese Begünstigung, wenn sie vom Eigentümer zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Daß § 10 e EStG die Vergünstigung für Ferienwohnungen ausschließt, besagt nicht, daß im Einzelfall eine Ferienwohnung Wohnzwecken dienen kann. Der Gesetzgeber wollte dadurch lediglich den Kreis der begünstigten Objekte einschränken. Die von den Kl. angestellten Überlegungen bezüglich der unterschiedlichen Zielsetzungen der §§ 7 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (§ 7 b EStG und § 10 e EStG) verkennen, daß sämtliche Vorschriften voraussetzen, daß das betreffende Objekt Wohnzwecken dient, und zwar i. S. einer intensiven Beziehung zwischen dem Nutzer und dem betreffenden Objekt, daß aber aufgrund weiterer Tatbestandsmerkmale wie z. B. in § 10 e EStG Ferienwohnungen ausdrücklich ausgenommen sind (s. auch Schmidt/Drenseck, EStG, 15. Aufl., § 7 Anm. 159).

Bei Anwendung dieser Grundsätze war die degressive AfA mit einem Abschreibungssatz von 7 v. H. in den Streitjahren nicht zu gewähren. Die von den Kl. gehaltenen Ferienwohnungen dienten nicht Wohnzwecken, weil sie ausschließlich zur kurzfristigen, vorübergehenden Beherbergung von Personen eingesetzt wurden. Es fehlt insoweit in tatsächlicher Hinsicht an einer Befriedigung eines Dauerwohnbedürfnisses. Daß die Kl. neben der Zurverfügungstellung der jeweiligen Wohnung keine weiteren Leistungen erbrachten und deshalb Einkünfte aus VuV erzielten, ist für die hier vorzunehmende Einordnung nicht relevant. Es besteht kein Junctim zwischen der Einkunftsart VuV und der Anwendung der degressiven AfA gem. § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung. Die Einkunftsart VuV erfaßt nicht nur die Nutzungsüberlassung an Fremde zur dauerhaften Nutzung, sondern auch im Einzelfall die vorübergehende Beherbergung von Feriengästen.

Die Revision war gem. § 115 Abs. 2 Satz 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, die der Senat darin sieht, daß der Begriff „Wohnzwecken dienen“ im Zusammenhang mit der Anwendung des § 7 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.

Rechtsgebiete

Steuerrecht

Normen

EStG 1989 § 7 Abs. 5 Satz 2