ESPRESSO gewinnt gegen EXPRESSO: Verwechslungsgefahr

Gericht

Harmonisierungsamt


Art der Entscheidung

Entscheidung


Datum

25. 03. 2004


Aktenzeichen

927 / 2004 über Widerspruch Nr. B 394 348


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Marken „EXPRESSO“ und „ESPRESSO“ sind verwechslungsfähig.

  2. Eine nachträgliche Schwächung der Kennzeichnungskraft einer Marke kann nicht anhand des Registerstandes, sondern allenfalls durch tatsächlich auf dem relevanten Markt benutzte Drittmarken erfolgen.

Tatbestand

I. SACHVERHALT UND VERFAHRENSVERLAUF

Am 08/08/2000 hat die Anmelderin die Anmeldung Nr. 1 799 212 eingereicht, die das Wortzeichen "EXPRESSO" für die Klasse 16 zum Gegenstand hat.

Die Anmeldung wurde im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 26/01 vom 19/03/2001 veröffentlicht.

Am 29/05/2001 hat die Widersprechende Widerspruch gegen die Eintragung dieser Marke erhoben.

Der Widerspruch beruht auf dem folgenden älteren Recht:

  • der deutschen Eintragung Nr. 30 038 189 der Wortmarke "ESPRESS0". Diese wurde für Waren und Dienstleistungen in den Klassen 9, 16, 35, 38, 41 und 42 am 19/05/2000 angemeldet und am 04/08/2000 eingetragen

Die Widersprechende hat durch Einreichung einer Kopie der Eintragungsurkunde nachgewiesen, dass sie die gegenwärtige Inhaberin der älteren deutschen Marke ist.

Die Widersprechende stützt den Widerspruch auf einen Teil der Waren und Dienstleistungen, welche von ihrer Marke erfasst werden und richtet den Widerspruch gegen alle Waren der Anmeldung.

Der Widerspruch beruht auf Artikel 8 Absatz a) und b) der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (im folgenden GMV).

Deutsch wurde als Verfahrenssprache bestimmt.

Am 13/09/2001 wurde der Anmelderin der Widerspruch zugestellt.

Am 14/05/2002 begann der kontradiktorische Teil des Verfahrens.

Beide Beteiligten haben innerhalb der ihnen vom Amt gesetzten Fristen Stellungnahmen abgegeben und Beweismittel eingereicht.

Da das Amt die erhaltenen Informationen als ausreichend erachtet, ist der Widerspruch entscheidungsreif.


II. VORTRAG DER PARTEIEN

Die Widersprechende trägt vor, dass Verwechslungsgefahr bestehe, da Warenidentität vorliege und die Vergleichszeichen hochgradig ähnlich seien.

Die Anmelderin bestreitet das Vorliegen von Verwechslungsgefahr und verweist auf die Kennzeichnungsschwäche der älteren Marke.

Im Übrigen wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

III. ENTSCHEIDUNG

A. ZULÄSSIGKEIT DES WIDERSPRUCHS

Die Widerspruchsgebühr wurde ordnungsgemäß entrichtet.

Der Widerspruch wurde unter Beachtung der vorgeschriebenen Fristen, Formvorschriften und sonstigen Zulässigkeitsvoraussetungen erhoben.

Folglich ist der Widerspruch zulässig.


B. BEGRÜNDETHEIT DES WIDERSPRUCHS

1. Verwechslungsgefahr

Gemäß Artikel 8 Absatz 1 b) GMV ist auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen,

wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird


a) Vergleich der Waren

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, (Verwendungs-) Zweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (siehe Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 1998 in der Rechtssache C-39/97, Canon Kabushiki Kaisha gegen Metro-Goldwyn-Mayer Inc., ABI. HABM Nr. 12/1998, S. 1407ff., Randnummer 23). Darüber hinaus kommen als Faktoren die übliche Herkunft, die Vertriebswege sowie die Vertriebsstätten in Betracht. Hierbei ist auf die Verkehrsauffassung aufgrund der berechtigten Verbrauchererwartungen abzustellen.

Eine Verwechslungsgefahr liegt dann vor, wenn das Publikum glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (siehe Urteil Canon, a.a.O., Randnummer 29),

Die Widersprechende stützt den Widerspruch auf einen Teil der Waren und Dienstleistungen, welche von ihrer deutschen Eintragung Nr. 30 038 189 erfasst werden, nämlich:

"Druckereierzeugnisse, Druckschriften, Zeitschriften, Zeitungen, Bücher, Buchbinderartikel, Poster, Aufkleber, Kalender, Schilder und Modelle aus Pappe, Schreibwaren und Büroartikel (ausgenommen Möbel), Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate), soweit in Klasse 16 enthalten" (Klasse 16).

Der Widerspruch richtet sich gegen alle Waren der Anmeldemarke, die nach mehrmaliger Einschränkung des Warenverzeichnisses wie folgt lauten:

"Schreib- und Markierinstrumente" (Klasse 16).

Die Gegenüberstellung der Waren in Klasse 16 zeigt, dass die in der angefochtenen Anmeldung aufgeführten Schreib- und Markierinstrumente" unter den Oberbegriff "Schreibwaren" und "Büroartikel" fallen und folglich identisch sind.


b) Vergleich der Zeichen

Der Vergleich der Zeichen hat anhand einer Gesamtbetrachtung der bildlichen und klanglichen Ähnlichkeiten und der Ähnlichkeit dem Sinn nach zu erfolgen. Hierbei ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese bei dem Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren hervorrufen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und die prägenden Bestandteile zu berücksichtigen sind, da der betreffende Durchschnittsverbraucher eine Marke normalerweise als Ganzes wahrnimmt und hierbei nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (siehe Urteil des Gerichtshofs vom 11. November 1997 in der Rechtssache C-251/95, SABEL BV gegen Puma AG Rudolf Dassler Sport, ABI. HABM Nr. 1/1998, S. 78ff., Absatz 23, Urteil des Gerichtshofs vom 22. Juni 1999 in der Rechtssache C-342/97, Lloyd Schuhfabrik Meyer & Co. GmbH gegen Klijsen Handel BV, ABI. HABM Nr. 12/1999, S. 1568ff., Absatz 25).

Zu vergleichen sind die folgenden beiden Zeichen

EXPRESSO ESPRESSO
Gemeinschaftsmarkenanmeldung ältere DE Marke

Da die Widerspruchsmarke Schutz in Deutschland genießt, ist auf die Sprachbesonderheiten und das Verkehrsverständnis in Deutschland abzustellen.

Bei den Vergleichsmarken handelt es sich um reine Wortzeichen, die sich lediglich in dem Zweiten Buchstaben unterscheiden. Es liegt daher hochgradige schriftbildliche Zeichenähnlichkeit vor.

Klanglich unterscheiden sich die Buchstaben "X" und "S" im Deutschen nur geringfügig. Es liegt folglich auch hochgradige klangliche Ähnlichkeit vor.

Wie die Anmelderin richtig festgestellt hat, handelt es sich bei dem Begriff "Espresso" um einen für den deutschen Verbraucher verständlichen Hinweis auf den italienischen Espresso-Kaffee. Allerdings ist die gleiche Assoziation auch bei der älteren Marke "Expresso" möglich, da die geringfügige Abweichung im zweiten Buchstaben des Fremdworts nicht unbedingt bemerkt wird.

Da es sich bei den vorliegenden Waren nicht um Kaffeeprodukte handelt, sondern um Schreibwaren, ist auch nicht auszuschließen, dass der Verbraucher die Vergleichsmarken mit dem Begriff "express" im Sinne von "eilig" oder mit "expressiv" im Sinne von "ausdrucksstark" assoziieren wird anstatt mit einem italienischen Kaffee.,

Es ist anzunehmen, dass beide Marken aufgrund ihrer hochgradigen schriftbildlichen und klanglichen Ähnlichkeit ähnliche Assoziationen beim deutschen Verbraucher hervorrufen. Der eine mag bei den Vergleichsmarken eher an "Kaffee" denken, während ein anderer eher an "Eile" oder "Ausduck" denkt.


c) Ergebnis

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von Artikel 8 Absatz 1 b) GMV ist im Rahmen einer Gesamtabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei ist die bestehende Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren, zu berücksichtigen. So kann insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden und umgekehrt. Außerdem ist die Verwechslungsgefahr umso größer, je höher sich die Kennzeichnungskraft der älteren Marke darstellt. Marken, die von Haus aus oder wegen ihrer Bekanntheit auf dem Markt eine hohe Kennzeichnungskraft besitzen, genießen einen umfassenderen Schutz als Marken, deren Kennzeichnungskraft geringer ist (siehe Urteil Canon, Absätze 17-18).

Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist von einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Warenart auszugehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich dem Durchschnittsverbraucher nur selten die Möglichkeit bietet, verschiedene Marken unmittelbar miteinander zu vergleichen, sondern dass er sich auf das unvollkommene Bild verlassen muss, das er von ihnen im Gedächtnis behalten hat (siehe Urteil Lloyd, a.a.O., Absatz 26).

Im Hinblick auf die von der Widerspruchsmarke umfassten Waren wird man von einer normalen Kennzeichnungskraft dieser Marke ausgehen müssen. Zwar hat die Anmelderin eine Kennzeichnungsschwäche aufgrund der Existenz von neun weiteren "Expresso"- bzw. "Espresso"-Eintragungen in den relevanten Markenregistern geltend gemacht. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass eine (nachträgliche) Schwächung der Kennzeichnungskraft einer Marke allenfalls durch tatsächlich auf dem relevanten Markt benutzte Drittmarken erfolgen kann. Die Eintragung solcher Drittmarken allein reicht nicht aus, um auf eine Schwächung der Kennzeichnungskraft schließen zu können. Selbst wenn man jedoch der Argumentation der Anmelderin folgt und von einer Kennzeichnungsschwäche der älteren Marke ausgeht, so müssen angesichts der vorliegenden Warenidentität immer noch relativ strenge Anforderungen an den zu fordernden Zeichenabstand gestellt worden, um eine Verwechslungsgefahr ausschließen zu können. Dieser Abstand wird jedoch von der Anmeldemarke keinesfalls eingehalten, da sie praktisch ebenfalls identisch ist mit der Widerspruchsmarke.

Unter Berücksichtigung aller obigen Erwägungen ist demnach eine Verwechslungsgefahr in Deutschland zu bejahen, Der Widerspruch ist daher gemäß Artikel 8 Absatz 1 b) GMV begründet.


C. KOSTENVERTEILUNG

Gemäß Artikel 81 Absatz 1) GMV trägt der im Widerspruchsverfahren unterliegende Beteiligte die von dem anderen Beteiligten zu entrichtenden Gebühren sowie die Kosten.

Gemäß Regel 94 Absatz 1) DV wird die Kostenvertellung in der Entscheidung über den Widerspruch angeordnet.

Da die Anmelderin die im Widerspruchsverfahren unterliegende Beteiligte ist, trägt sie alle dem anderen Beteiligten in diesem Verfahren entstandenen Kosten.


AUS DIESEN GRÜNDEN ENTSCHEIDET DAS AMT:

  1. Der Widerspruch Nr B 394 348 ist bezüglich der Gesamtheit der angefochtenen Waren begründet.

  2. Die Anmeldung Nr. 1799 212 wird zurückgewiesen.

  3. Die Kosten trägt die Anmelderin.


Alicante, den 25/03/2004

Widerspruchsabteilung


Tomás Lorenzo EICHENBERG
Beatrix STELTER
Yvonne FUXIUS

Rechtsgebiete

Markenrecht