Fehlende Einkünfteerzielungsabsicht bei Mietverhältnis unter nahen Angehörigen
Gericht
FG Rheinland-Pfalz
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
12. 11. 1997
Aktenzeichen
1 K 2793/96
Ein Mietverhältnis wird steuerlich nicht anerkannt, wenn es an der Einkünfteerzielungsabsicht fehlt. Als objektives Beweisanzeichen hierfür ist der Fall anzusehen, daß aufgrund enger verwandtschaftlicher Beziehungen eine Vermietung weit unter der ortsüblichen Miete unter billigender Inkaufnahme hoher Werbungskostenüberschüsse dergestalt erfolgt, daß auf längere Sicht kein positives Totalergebnis erzielt werden kann und nicht unerhebliche persönliche Vorteile im Vordergrund stehen.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kl. hinsichtlich des Einfamilienhauses (EFH) durch ein steuerlich anzuerkennendes Mietverhältnis mit ihren Eltern/Schwiegereltern (negative) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielen.
Die Kl. sind für das Streitjahr 1995 zusammenveranlagte - kinderlose - Eheleute. Sie wohnen in einem ihnen gehörenden Wohnhaus (bewertet als „Mietwohngrundstück“). Mit notariellem Vertrag vom 25. 5. 1994 erwarben sie von der Gemeinde D einen Bauplatz und errichteten hierauf das eingangs benannte EFH sowie zwei Carports. Finanziert wurden die Baukosten durch Darlehen. Das auf Hanglage errichtete Gebäude erstreckt sich über Untergeschoß (UG), Erdgeschoß (EG) und Dachgeschoß (DG) und ist mit einer Gesamtwohnfläche von (netto) rund 220m² konzipiert. Anläßlich einer finanzamtlichen Ortsbesichtigung wurde festgestellt, daß das EG und das DG bereits im November 1995 bezugsfertig waren, während sich das UG noch im Rohbauzustand befand; es soll erst 1999 fertiggestellt werden.
Mit Vertrag vom 1. 11. 1995 vermieteten die Kl. mit Wirkung vom selben Tag „alle im Haus (Einfamilienhaus) gelegenen Räume“ auf unbestimmte Zeit an die Eltern der Kl. zu Wohnzwecken. Als monatlicher Mietzins ist eine Kaltmiete von 1 150 DM vereinbart; sämtliche anfallenden Nebenkosten mit Ausnahme der Grundsteuer sowie der Prämien für Feuer- und Haftpflichtversicherung sind von den Mietern unmittelbar zu tragen. Seit März 1997 wird die Miete bargeldlos - per Dauerauftrag - vom Konto der Eltern gezahlt. Bei den Eltern der Kl. handelt es sich um die Eheleute K, die zuvor im zweiten Obergeschoß eines Mietshauses in M (nach ihrer Auskunft: zu einer Monatsmiete von ca. 1 100 DM) gewohnt hatten und ab dem 1. 11. 1995 das streitbefangene EFH allein bewohnen. Der 1935 geborene Vater ist seit 1995 Rentner; die 1934 geborene Mutter ist Hausfrau. Nach ihren Erklärungen gegenüber dem FA verfügen die Eltern über eine Monatsrente von 2 320 DM; ihre gesamten Aufwendungen für die Miete, Nebenkosten und Telefon belaufen sich auf monatlich 1 658 DM, so daß ihnen „zum Leben“ monatlich 662 DM verblieben. Ihrem „Spartopf“ entnähmen sie zusätzlich monatlich 400 DM, so daß sich ein Betrag von 1 062 DM ergebe, der für ihre bescheidene Lebensführung völlig ausreiche. Aus Lebensversicherungen und Sparverträgen hätten sie bereits die Gesamtsumme von 37 593 DM erhalten; es stünden weitere Zahlungen 1998 von 20 000 DM sowie im Jahre 2 000 von 10 000 DM aus.
In ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1995 machten die Kl. aus der Vermietung des EFH bei Mieteinnahmen von 2 300 DM und Werbungskosten von 94 345 DM einen Verlust von 92 045 DM geltend. Die Werbungskosten ergeben sich vornehmlich aus Schuldzinsen/Geldbeschaffungskosten und degressiver AfA (7 v.H.). Ab 1996 - so die Kl. - würden die Darlehenskosten weit höher ausfallen, da die Kredite während der Bauphase nur sukzessive in Anspruch genommen worden seien. Der Kreditrahmen von insgesamt 750 000 DM sei nunmehr (1997) voll ausgeschöpft.
Das FA erkannte das Mietverhältnis nicht an. Hierbei geht es davon aus, daß ein Scheingeschäft (§ 41 Abs. 2 AO) vorliege; es müsse von einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung ausgegangen werden. Nach der Lebenserfahrung sei es nämlich unwahrscheinlich, daß die Eltern bei Renteneinnahmen von 2 320 DM Ausgaben von 1 658 DM für Miete und Nebenkosten für einen im Hinblick auf ihr Alter und ihren Gesundheitszustand überdimensioniertes Haus tätigten und lediglich von 662 DM, aufgestockt durch einen ständigen „Griff in den Spartopf“, lebten. Gerade ältere Menschen griffen auf ihre Ersparnisse nur in Notfällen zurück, nicht aber, um die Miete für ein Haus mit acht Wohnräumen und zwei Bädern aufbringen zu können. Bezeichnend sei in diesem Zusammenhang die Vereinbarung zur baren Zahlung der Miete. Den Barabhebungen vom Sparbuch und den Eintragungen der „Mietzahlungen“ ins Mietbuch könnten in Anbetracht des Umstands, daß es sich hier um nahe Angehörige der Kl. handele, keine Beweiskraft zur tatsächlichen Zahlung der Miete beigemessen werden.
Die Kl. tragen demgegenüber vor: Man habe sich 1994 zum Kauf des Grundstücks und zum Hausbau entschlossen, um - auch unter Ausnutzung von Steuervorteilen - weitere Vorsorge für das Rentenalter zu treffen. Zum Mietvertrag mit den Eltern sei es durch Veranlassung der Eltern gekommen, die bereit gewesen seien, das Haus zu einem im wesentlichen gleichen Mietzins zu übernehmen, wie er auch für die Wohnung in M zu entrichten war. Die Kl. hätten daraufhin unter Berücksichtigung der Baukosten, der Wohnfläche und der ortsüblichen Vergleichsmiete einen Mietzins von 1 150 DM genannt, der von den Eltern sofort akzeptiert worden sei. Der Betrag von 1 150 DM mache zwar nur 60 bis 65 v.H. des ortsüblichen Mietzinses aus; ein derartiges Entgegenkommen sei aber bei nahen Angehörigen üblich und dürfe nicht zur Ablehnung der steuerlichen Anerkennung des Mietverhältnisses führen. Die monatliche Miete sei vertragsgemäß entrichtet worden. Die hierfür und zum laufenden Lebensunterhalt notwendigen Mittel seien dem Bankkonto und dem Sparbuch der Eltern entnommen worden. Wenn die Eltern in M wohnhaft geblieben wären, hätten sie Miete in etwa gleicher Höhe entrichten müssen; auch in diesem Fall hätten sie auf ihre Ersparnisse zurückgreifen müssen. Die Räumlichkeiten im gemieteten EFH seien im Vergleich zur Wohnung in M altersgerechter.
Der Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen.
Er räumt zwar ein, daß die von den Eltern getätigten Barabhebungen die vereinbarten Mietzahlungen decken könnten. Hierdurch seien jedoch die tatsächlichen Mietzahlungen nicht belegt, da die Barabhebungen im wesentlichen weder zeitnah zur Mietzahlung noch in Höhe der Miete erfolgt seien. Ausweislich der Bankbelege sowie der klägerischen Aufstellung hätten die Eltern für den Zeitraum vom 5. 10. (erste Barabhebung von 2 000 DM) bis zum 29. 12. 1995 (weitere Barabhebung von 2 000 DM) über einen Bargeldbestand von 4 500 DM verfügt. Nach Abzug der Miete für November und Dezember 1995 sei daher nur ein Betrag von 2 200 DM verblieben, der den Lebensunterhalt für rund drei Monate decken sollte. Dies sei in Anbetracht des Umstands, daß noch umzugsbedingte Aufwendungen angefallen seien, nicht glaubhaft.
Hierzu erwidern die Kl, daß das Girokonto neben den Barverfügungen noch andere Bewegungen zur Bestreitung des Lebensunterhalts aufweise, der Vater sich ab dem 7. 11. 1995 für drei Wochen im Krankenhaus habe aufhalten müssen und im übrigen das Bargeld für die bescheidenen Lebensbedürfnisse der Eltern ausgereicht habe.
Auszüge aus den Gründen:
Die Klage ist unbegründet.
Unabhängig von der Frage, ob das Mietverhältnis steuerlich anzuerkennen ist, insbesondere ob den Eltern genügend Geld zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verblieben ist, verneint der Senat das Vorliegen einkommensteuerlich relevanter Vermietungseinkünfte, weil es an der Einkünfteerzielungsabsicht der Kl. im Hinblick auf das streitbefangene EFH fehlt.
Die Vermietung eines Gebäudes fällt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur dann unter die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung, wenn der Vermieter die Absicht hat, auf Dauer der Vermögensnutzung, nämlich auf die Dauer der Nutzung durch den Nutzenden, einen Totalüberschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Dabei bleibt ein steuerfreier Veräußerungsgewinn ebenso unberücksichtigt, wie die Steuerersparnis durch eine Verlustzuweisung (BFH v. 25. 6. 1984, GrS 4/82, BStBl II 1984, 751, 766 re. Sp., 767 li. Sp., DStR 1984, 669; v. 31. 3. 1987, IX R 111/86, BStBl II 1987, 668, 669 li. Sp., DStR 1987, 556 und IX R 112/83, BStBl II 1987, 774, DStR 1987, 569; v. 21. 8. 1990, VIII R 25/86, BStBl II 1991, 564, DStR 1991, 564, 677; v. 30. 10. 1990, IX R 92/89, BFH/NV 1991, 390 und v. 25. 1. 1994, IX R 139/92, BFH/NV 1995, 11, jeweils mit weiteren Nachweisen). Die Absicht der Einkünfteerzielung kann als innere Tatsache eines Menschen nur anhand äußerer Merkmale beurteilt werden. Aus objektiven Umständen muß auf das Vorliegen oder Fehlen der Absicht geschlossen werden, wobei einzelne Umstände einen Anscheinsbeweis begründen können. Ein objektives Beweisanzeichen für das Fehlen der Absicht kann sein, wenn aufgrund enger verwandtschaftlicher Beziehungen eine Vermietung weit unter der ortsüblichen Miete unter billigender Inkaufnahme hoher Werbungskostenüberschüsse dergestalt erfolgt, daß auf längere Sicht kein positives Totalergebnis erreicht werden kann und das Bestreben lediglich dahin geht, unter Ausnutzung hoher Steuervorteile, die zum persönlichen Lebensbereich zählen (vgl. insoweit BFH/NV 1995, 11; auch: FG Münster v. 17. 1. 1996, EFG 1996, 978), während einer (Vermietungs-) Zwischenzeit einen Altersruhesitz zur späteren Eigennutzung zu schaffen. So ist es im Streitfall.
Die vereinbarte Monatsmiete liegt nach eigenem Vortrag der Kl. um 35 bis 40 v.H. unter der ortsüblichen Miete; die Verbilligung hat - so auch die Kl. - ihren Grund in den engen verwandtschaftlichen Verhältnissen. Die Jahresmiete vermag nicht einmal ein Viertel der Jahres-AfA nach § 7 Abs. 5 EStG der bis zum 31. 12. 1995 entstandenen Herstellungskosten, geschweige denn die beträchtlichen Schuldzinsen aus dem voll fremdfinanzierten Hausbau abzudecken. Hinzu kommt, daß das UG noch nicht ausgebaut ist und demzufolge weitere Herstellungskosten (und Schuldzinsen) entstehen. Die Jahresmiete erreicht nicht einmal den Betrag der linearen Jahres-AfA. Bei dieser Gestaltung kann von der Absicht, auf Dauer gesehen ein positives Totalergebnis zu erreichen, keine Rede sein. Die zivilrechtlich wirksame Vermietung an die Eltern - hiervon geht der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aus - dokumentiert zwar insoweit eine Einnahmeerzielungsabsicht der Kl.; diese reicht aber zur Bejahung der hier notwendigen Absicht zur Erzielung eines Überschusses, also der Einkünfteerzielungsabsicht nicht aus. Die Lage des Grundstücks, die hohen Baukosten, die in der besonderen Gestaltung des EFH begründet sind, sowie die Aufteilung der Wohnräume lassen vielmehr darauf schließen, daß die Kl. auf längere Sicht einen Altersruhesitz für ihre eigenen Bedürfnisse schaffen wollten, der für die Zukunft auch den Eltern der Kl. einen noch ausreichenden Wohnraum im UG bereithält. Die Kl. haben selbst ausgeführt, daß sie sich oft und gern in der Landschaftsregion, wo sie ihr Haus errichtet haben, aufhalten und Vorsorge für ihr Rentenalter treffen wollten. Die zwischenzeitliche Nutzung des ganzen Hauses durch die Eltern allein bot sich zwar geradezu an, zumal der Vater in Rente gegangen war. Die von den Kl. beabsichtigte Kapitalbildung durch Immobilienerwerb unter Ausnutzung von Steuervorteilen durch Begründung eines Mietverhältnisses zu einem Mietzins, den die Eltern gerade noch aufbringen können, der also ausschließlich der persönlichen Leistungsfähigkeit der Eltern „angepaßt“ ist, und daher auf längere Sicht nicht annähernd kostendeckend sein kann, ist aber als persönliche, die Lebensführung der Kl. betreffende Zielsetzung anzusehen und führt nicht zur Verwirklichung des Einkünfteerzielungstatbestands nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG.
Hieran ändert auch die in der mündlichen Verhandlung erstmalig geäußerte Erklärung des Kl. nichts, die Darlehensverbindlichkeiten mit Hilfe erwarteter Steuerrückzahlungen innerhalb eines Zeitraums von ca. 10-15 Jahren auf 0 DM zurückzuführen, um im dann anstehenden Rentenalter Vorsorgekapital in Gestalt des Grundbesitzes zu haben. Unabhängig davon, daß insoweit lediglich eine nicht durch Tatsachen belegte Absichtserklärung vorliegt, ist - bei unveränderter Fortführung des konkret vorhandenen Mietverhältnisses - unter Berücksichtigung des bis dahin aufgelaufenen Verlustvolumens das Entstehen eines Gesamtgewinns nicht möglich. Ausgehend von einem geschätzten Anschaffungs-/Herstellungsaufwand für das EFH von 870 000 DM (inkl. Grund und Boden) müßte eine in etwa kostendeckende Miete von ca. 4 000 DM monatlich (6 v.H. des Aufwands) vereinbart werden. Dies ist in Anbetracht der Lage des Grundstücks nach Auffassung des Senats nicht realisierbar.
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