Grundsteuererlaß bei denkmalgeschütztem Grundstück
Gericht
BVerwG
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
08. 07. 1998
Aktenzeichen
8 C 23/97
Der Anspruch auf Erlaß der Grundsteuer wegen Unwirtschaftlichkeit eines unter Denkmalschutz stehenden Grundbesitzes (§ 32 I Nr. 1 GrStG) setzt voraus, daß die Unrentabilität auf der Kulturguteigenschaft (kausal) beruht.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Bet. stritten um den Erlaß der in den Jahren 1985bis 1994 erhobenen Grundsteuer für ein Grundstück in der bekl. Gemeinde. Auf dem Grundstück befindet sich ein im Jahre 1901 errichtetes Wohn- und Geschäftshaus, das von der zuständigen Kreisverwaltung im Jahr 1982 unter Denkmalschutz gestellt wurde. In den Gründen des Bescheidesist ausgeführt, daß es sich bei dem sog. „Moselschlößchen„ um ein Kulturdenkmal handele, an dessen Erhaltung zur Förderung des geschichtlichen Bewußtseins und der Heimatverbundenheit ein ganz besonderes öffentliches Interesse bestehe. Der Kl. ist Wohnungs-/Teileigentümer mit einem Anteil von 5,31/100 an dem Grundstück und gehört einer Bauherrengemeinschaft an, die das Objekt mit einem Gesamtaufwand von über9 Mio. DM in eine Ferienappartement-Anlage umgebaut und für 25 Jahre an eine Betriebsgesellschaft vermietet hat, an der die Bauherren als Kommanditisten beteiligt sind bzw. waren. Der vereinbarte Mietzins betrug im ersten Jahr 60000 DM, im zweiten Jahr 120000 DM, danach jährlich240000 DM, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Bekl. erhob von dem Kl., dem zwei Wohneinheiten gehören, in den Jahren 1985 bis 1993 die Grundsteuer B in Höhe von jährlich insgesamt 686,98 DM; im Jahre 1994lag der Steuerbetrag infolge einer Erhöhung des Hebesatzes geringfügig höher bei zusammen 711,52 DM. Den Antrag auf Erlaß der Grundsteuer gem. § 32 I Nr. 1 GrStG wegen dauerhafter Verluste in Millionenhöhe lehnte die Bekl. mit Bescheid vom 1. 2. 1990 ab.
Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat dasVG nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Wirtschaftlichkeit des Objekts mit Urteil vom 12. 12. 1995 abgewiesen. Das OVG hat die Berufung des Kl. zurückgewiesen. Auch die Revision des Kl. blieb erfolglos.
Auszüge aus den Gründen:
II. Der Kl. hat keinen Anspruch auf Erlaßder Grundsteuer gem. § 32 I Nr. 1 GrStG (§ 113 V 1 VwGO). Zwar liegt die Erhaltung des in seinem (Mit-)Eigentum stehenden Grundbesitzes wegen dessen Bedeutung für Kunst und Geschichteim öffentlichen Interesse (1), und die „erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile„ unterschreiten in der Regel die jährlichen Kosten (2); zwischen dem öffentlichen Erhaltungsinteresse undder Unrentabilität muß jedoch ein Kausalzusammenhang bestehen (3), an dem es im vorliegenden Fall mangelt (4).
1. Das Berufungsurteil beruht auf der Annahme, die Erhaltung des Anwesens „Moselschlößchen„ liege wegen seiner Bedeutung für Kunst und Geschichte im öffentlichen Interesse (§ 32 I Nr. 1GrStG). Diese Auffassung steht mit Bundesrecht im Einklang.
a) Nach der Rechtsprechung des BVerwG sind im Hinblick auf den Ausnahmecharakter des Grundsteuererlasses wegen Unwirtschaftlichkeit (relativ) hohe Anforderungen an das Vorliegen eines öffentlichen Erhaltungsinteresses zu stellen. Denn die Grundsteuerpflicht ist grundsätzlich nicht von der Ertragskraft des Grundbesitzes abhängig (BVerwG, Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr. 25,S. 1; BVerwG, Buchholz 408.4 § 33 GrStG Nr. 19, S. 4 [5] = NVwZ 1984, 311; BVerwGE 88, 46 [48] = Buchholz 401.4 § 32 GrStG Nr. 3, S. 1 [2] = NJW 1991, 1696 = NVwZ 1991, 999 L).
Deshalb reicht für den Grundsteuererlaß nicht jedes allgemeine öffentliche Interesse aus; vielmehr muß es sich um ein besonderes öffentliches Interesse handeln, das in rechtlichen Bindungen zugunsten der in § 32 I Nr. 1 GrStG bezeichneten Zwecke zum Ausdruck kommt, die über die allgemeinen Eigentumsbindungen hinausgehen (BVerwGE 70, 162 [166] = NVwZ 1986 43). Diese im öffentlichen Interesse stehenden Bindungen müssen dem Eigentümer - zur Unrentierlichkeit führende - zusätzliche Benutzungsbeschränkungen auferlegen. Daraus folgt, daß ein öffentliches Interesse i.S. des§ 32 I Nr. 1 GrStG rechtliche Bindungen des Denkmalschutzes oder einer ihm eigentumsrechtlich gleichstehenden Qualität zu Lasten des Grundbesitzes voraussetzt, die in ihrer nutzungsbeschränkenden Wirkung über insbesondere baurechtlich geforderte Rücksichtnahmen hinausgehen (BVerwGE 70, 162 = NVwZ 1986, 43).
Bedeutung für die Geschichte oder die Kunst i.S. des § 32 I Nr. 1 GrStG ist anzunehmen, wenn ein Grundbesitz wegen derdarauf stehenden Gebäude von historischem oder kunsthistorischem Interesse ist oder die darauf befindlichen Anlagen nicht alltäglich sind bzw. das ästhetische Empfinden in besonderem Maße ansprechen (Nenstiel, KStZ 1993, 41 [42]).
b) Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung hat das BerGer. das besondere öffentliche Interesse an der Erhaltung des Moselschlößchens wegen dessen Bedeutung für Kunst und Geschichtezutreffend bejaht. Das Gebäude ist durch den Bescheid der Kreisverwaltung vom 24. 3. 1982 als geschichtlich wertvolles Kulturdenkmal förmlich unter Schutz gestellt und in das Denkmalbuch eingetragen worden. Damit ist dessen Bedeutung für Kunst und Geschichte in der Region erwiesen und „ins Bewußtsein der Bevölkerung oder mindestens eines breiteren Kreises von Sachverständigen eingegangen„ (vgl. BVerwG, Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr. 21, S. 12 [15]). Die Denkmaleigenschaft hat - wie das BerGer. an anderer Stelle feststellt - auch zur Folge, daß entsprechend dem Wunsch der Denkmalschutzbehörde gegenüber den Bauherren Auflagen für die Erhaltung und Gestaltung der Südansicht des Gebäudes (Fensterausführung, bestimmter Farbanstrich,Putzfaschen), die Erhaltung einer alten Holztreppe, vorhandener Stuckdecken, Türen, der Holzvertäfelung sowie eines alten Kellers ausgesprochen worden sind. Das BerGer. ist deshalb ohne Verkennung der gebotenen hohen Anforderungen zu Recht von einembesonderen öffentlichen Erhaltungsinteresse ausgegangen.
2. Die weitere Annahme des OVG, der Grundbesitz sei i.S. von § 32 I Nr. 1 GrStG unrentabel, verstößt ebenfalls nicht gegen Bundesrecht. Das Tatbestandsmerkmal der Unwirtschaftlichkeitsetzt voraus, daß „in der Regel„ - d.h. auf Dauer prognostizierbar - (a) „die erzielten Einnahmen und sonstigen Vorteile (Rohertrag)„ - also die grundstücksbezogenen geldwerten Zuflüsse - (b) die „jährlichen Kosten„ - also die ebenfalls grundstücksbezogenen Ausgaben zur Erhaltung des Grundbesitzes und seiner wirtschaftlichen Ertragskraft - (c) unterschreiten.
a) Das Erfordernis, daß die Unwirtschaftlichkeit „in der Regel„gegeben sein muß, läßt es - wie das BVerwG entschieden hat (BVerwGE 70, 162 [168] = NVwZ 1986, 43) - nicht bei einem rechnerischen Minus im jeweiligen Erlaßzeitraum bewenden, sondern stellt auf einen zeitlich andauernden Zustand, d.h. auf dieErwartung einer dauernden Unrentierlichkeit, ab. Dem entspricht es, daß gem. § 34 III 1 GrStG dem Erlaßantrag insoweit eine gewisse Dauerwirkung zukommt, als er nicht jährlich wiederholt zu werden braucht. Aus dieser gesetzlichen Vorgabe folgt zunächst,daß eine prognostizierende Beurteilung auf der Grundlage u.a. der sich aus der Vergangenheit ergebenden wirtschaftlichen Daten geboten ist und ferner daß auf der Einnahmen- wie auf der Kostenseite nur „dauerhafte„ Rechnungsposten berücksichtigungsfähig sind. Davon ist das BerGer. zutreffend ausgegangen, wenn esetwa bei den Mieteinnahmen den nur für die ersten beiden Jahre vereinbarten geringeren Mietzins vernachlässigt hat.
b) Als „Einnahmen„ sind alle Güter anzusehen, die in Geld oder Geldeswert bestehen (vgl. § 8 I EStG) und im unmittelbarenZusammenhang mit dem Grundbesitz zufließen, also insbesondere Miet- und Pachteinkünfte (vgl. Abschn. 35 II 2 der Grundsteuer-Richtlinien 1978 v. 9. 12. 1978 - GrStR 1978 - BStBl I, 553). „Erzielt„ sind diese Einnahmen regelmäßig dann, wenn sie tatsächlich zugeflossen, d.h. in die Verfügungsmacht des Grundstückseigentümers gelangt sind. Entgegen der Auffassung der Bekl. läßt es der Wortlaut der Vorschrift nicht zu, bei - aus welchen Gründen auch immer - zu niedrig vereinbarter Miethöhe anstelle der tatsächlich erzielten Miete die ortsüblich erzielbare Miete als Einnahme in die Rentabilitätsberechnung einzustellen. Denin diesem Zusammenhang von der Bekl. befürchteten Manipulationsmöglichkeiten ist vielmehr - wie noch darzulegen ist (s.u. zu Nr. 3) - mit dem Erfordernis des Kausalzusammenhangs zwischen Kulturguteigenschaft und Unwirtschaftlichkeit zu begegnen. DasBerGer. hat deshalb insoweit zu Recht die tatsächlich vereinbarte Miete in Höhe von jährlich 240000 DM - gemindert um die nicht grundstücksbezogenen, auf die Einrichtungsgegenstände der Hotelanlage entfallenden Anteile - im Rahmen der Rentabilitätsberechnung angesetzt; die niedrigere Miete der beiden ersten Jahreist wegen des Erfordernisses der Dauerhaftigkeit unbeachtlich. Ob dem OVG auch insoweit gefolgt werden könnte, als es auf der Grundlage der Bewertung des Sachverständigen den nicht grundstücksbezogenen Mietanteil in voller Höhe und nicht lediglich anteilig - entsprechend dem Verhältnis der vereinbarten Gesamtmiete zur ortsüblichen Miete - einnahmenmindernd in Abzug gebracht hat, kann offenbleiben. Denn der von der Bekl. und vomVG für richtig gehaltene anteilige Abzug würde zu einer Erhöhung des Gesamtbetrags der Einnahmen führen und der Revision daher keinesfalls zum Erfolg verhelfen.
Die höhere ortsübliche Miete kann entgegen der Ansicht der Bekl. auch nicht als „sonstiger Vorteil„ auf der Einnahmenseiteverbucht werden. Mit den „sonstigen Vorteilen„ wird insbesondere der Nutzungswert erfaßt, den die unentgeltliche Nutzbarkeit des Grundstücks durch den Eigentümer selbst vermittelt (vgl. Abschn. 35 II 3 GrStR 1978); damit soll die wirtschaftliche Erfassung ersparter Aufwendungen sichergestellt werden (Nenstiel,KStZ 1993, 41 [42]; Röttsinger, KStZ 1990, 65 [66]). Da es insoweit an einem betragsmäßigen Geldzufluß mangelt, ist in diesen Fällen - aber entgegen der Auffassung der Bekl. nur hier - als Nutzungswert die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung zu erzielende (ortsübliche) Miete oder Pacht anzusetzen (Abschn. 35 II 4 GrStR 1978). Mangels des gebotenen unmittelbaren wirtschaftlichen Bezugs zum Grundbesitz scheiden - wie das BerGer. zutreffend erkannt hat - als „sonstige Vorteile„ die (mittelbaren) steuerlichen Folgen durch Verrechnung etwaiger Verluste aus diesemGrundbesitz mit anderen positiven Einkünften ebenfalls aus.
Auf diesen rechtlichen Vorgaben beruht das Berufungsurteil, wobei es die Zahlenangaben des Kl. zu dessen Gunsten als richtig unterstellt. Gegen dieses Vorgehen ist nichts einzuwenden, weil - wie darzulegen ist - auch beidieser Unterstellung zugunsten des Kl. der geltend gemachte Anspruch nicht besteht. Mangels durchgreifender Verfahrensrügen ist daher für die revisionsrechtliche Beurteilung nach den bindenden Feststellungen desOVG von jährlichen Einnahmen in Höhe von 166104 DM auszugehen.
c) Diesen Einnahmen sind die jährlichen Kosten gegenüberzustellen, soweit sie im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Grundbesitz stehen. Entsprechend der Vorgehensweise auf der Einnahmenseite sind bei den Ausgaben ebenfalls die auf die Einrichtung entfallenden Kosten nicht berücksichtigungsfähig. Davon geht das Berufungsurteil zutreffend aus. Auch die Zusammenstellung der berücksichtigungsfähigen Rechnungsposten läßtkeinen Rechtsfehler erkennen.
aa) Die Annahme, zu den berücksichtigungsfähigen Kosten i.S. von § 32 I Nr. 1 GrStG zählten neben den im Zusammenhang mit dem Grundbesitz stehenden Verwaltungs- und Betriebsausgaben(vgl. Troll, GrStG, 7. Aufl., § 32 Rdnr. 5; Röttsinger, S. 66) auch die Rückstellungen für realistisch zu erwartende größere Reparaturen (Troll, § 32 Rdnr. 5; Röttsinger, S. 66; Nenstiel, KStZ 1993, 41 [42]), steht mit Bundesrecht im Einklang. Zu Recht hat dasOVG derartige Rückstellungen als Ansparleistungen angesehen, die in Zukunft anfallende größere Reparaturaufwendungen tragen sollen und deshalb bei der hier von Gesetzes wegen gebotenen auf Dauer angelegten Wirtschaftlichkeitsbetrachtung gleichsamals vorgezogene Kosten berücksichtigt. Dieses Vorgehen entspricht der erforderlichen „prognostizierenden Beurteilung„ (vgl. BVerwGE 70, 162 [168] = NVwZ 1986, 43). Mit § 32 I Nr. 1 GrStG vereinbar ist ferner, daß das BerGer. die vertragsrechtlichenBesonderheiten des vorliegenden Falles - Überwälzung von Erneuerungsarbeiten in erheblichem Umfang auf die Betriebs-KG als Mieterin - berücksichtigt und deshalb die Orientierung des voraussichtlich dauerhaften Instandhaltungsaufwandes an den Ansätzen des § 28 II der zweiten Berechnungsverordnung (II. BV) (= 15,50 DM/qm) abgelehnt und statt dessen die gebotene Prognosean den in den Anfangsjahren durchschnittlich in Höhe von 15000 DM angefallenen, nach den vertraglichen Beziehungen dem Vermieter obliegenden Instandhaltungsmaßnahmen ausgerichtet hat. Gegen die angesetzten Zahlenwerte als solche sind keine Einwände erhoben worden (§ 137 II VwGO).
bb) Nicht zu beanstanden ist ferner die vom OVG vorgenommene Berücksichtigung der „normalen„ Abschreibungen für Abnutzung (AfA) gem. § 7 EStG. Das BVerwG hat mit Urteil vom15. 2. 1991 (BVerwGE 88, 46 [48, 51] = NJW 1991, 1696 = NVwZ 1991, 999 L) im einzelnen dargelegt, daß und weshalb derartige „normale„, d.h. auf einen Ausgleich für Abnutzungoder Substanzverminderung zielende Abschreibungen zu den „Kosten„ i.S. von § 32 I Nr. 1 GrStG gehören; zugleich hat es ausgeführt, daß „die einkommensteuerrechtliche Zulässigkeit erhöhter (oder Sonder-)Abschreibungen … durch § 32 I Nr. 1 S. 1GrStG 1973 nicht honoriert„ wird, weil „es dabei nicht um Wertausgleich, sondern um sog. Verschonungssubventionen geht„ (BVerwGE 88, 46 [51] = NJW 1991, 1696 = NVwZ 1991, 999 L m.w. Nachw.). Daran ist festzuhalten. Die Berücksichtigungsfähigkeit von Sonderabschreibungen scheidet im übrigen schon deshalb aus, weil ihnen der gebotene unmittelbare Zusammenhangmit dem Grundbesitz fehlt (vgl. auch Peters, ZKF 1994, 200 [202]); dem entspricht es, daß auch die daraus resultierenden Vorteile nicht als Einnahmen ansatzfähig sind (s.o. zu 2b). Gegen die Höhe der AfA-Bemessungsgrundlage sind keine Verfahrensrügenerhoben worden (§ 137 II VwGO); das gleiche gilt für die Annahme des BerGer., die linearen Abschreibungen seien mit jährlich 2,5 % zu bemessen, weil das denkmalgeschützte Gebäude vor dem 1. 1. 1925 erstellt worden sei.
cc) In Übereinstimmung mit revisiblem Recht hat das OVG als grundstücksbezogene Kosten i.S. von § 32 I Nr. 1 GrStG auch die erhobeneGrundsteuer sowie grundstücksbezogene Versicherungsbeiträge anerkannt. Von den jeweiligen Beträgen ist mangels Verfahrensrügen auszugehen.
dd) Schließlich entspricht es der Rechtsprechung des BVerwG (BVerwGE 88, 46 [51f.] = NJW 1991, 1696 = NVwZ 1991, 999 L ), daß das BerGer. weder Schuld- noch Eigenkapitalzinsen als Kostenfaktoren in die Rentabilitätsrechnung eingestellt hat. Dagegen werden von den Bet.auch keine Einwendungen erhoben.
ee) Auf der Grundlage der somit nicht zu beanstandenden rechtlichen Vorgaben und der mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Zahlenwerte hat das BerGer. für die Jahre 1985 bis 1994 durchweg Verluste in Höhe von zwischen 103519,12 DM und107868,46 DM ermittelt. Davon hat die revisionsrechtliche Beurteilung auszugehen (§ 137 II VwGO).
3. Obwohl der Grundbesitz des Kl. nach den Feststellungen des OVG demnach dauerhaft Verluste einbringt, also unrentabel ist, hat das BerGer. den beantragten Grundsteuererlaß abgelehnt, weilvon Gesetzes wegen hierfür ferner erforderlich sei, daß die Unrentabilität auf dem öffentlichen Erhaltungsinteresse beruhe. Die Annahme eines derartigen Kausalitätserfordernisses entspricht entgegen der Auffassung der Revision der Rechtslage.
a) In der Rechtsprechung der OVGe und in der Literatur ist diese Frage umstritten. Während insbesondere der VGH München (vgl. BayVBl 1996, 631 = NJWE-MietR 1996, 214; VGH München, KStZ 1994, 54, und KStZ 1983, 55; anders jedoch: VGH München, KStZ 1989, 197) keinen Ursachenzusammenhang zwischen der Unwirtschaftlichkeit und der Kulturguteigenschaft des Grundbesitzes verlangt (ebenso, ohne nähere Begr. Troll, § 32Rdnr. 5; Halaczinsky, GrStG, 2. Aufl., § 32 Rdnr. 10; Röttsinger, S. 65), vertreten neben dem BerGer. der VGH Kassel (HStGZ 1996, 314) und das OVG Saarlauis (KStZ 1991, 40) die Gegenposition (ebenso Nenstiel, S. 45). Der erkennende Senat schließt sichder letztgenannten Auffassung an, die bereits - wenn auch eher beiläufig - in dem Urteil vom 21. 9. 1984 (BVerwGE 70, 162 = NVwZ 1986, 43) zum Ausdruck gekommen ist; in dieser Entscheidung hat der Senat den Grundsteuererlaß gem. § 32 I Nr. 1GrStG davon abhängig gemacht, daß der privilegierte Grundbesitz „infolge der durch das öffentliche Erhaltungsinteresse ausgelösten Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen in der Regel unrentabel ist„ (BVerwGE 70, 162 [165] = NVwZ 1986, 43).
b) Der Sprachgehalt der Vorschrift schließt mit der wörtlichen Verknüpfung der beiden Erlaßvoraussetzungen durch die Konjunktion „wenn„ die Aussage über die Notwendigkeit eines Ursachenzusammenhangs als Tatbestandsmerkmal ein. Dem Bindewort kommt eine konditional-kausale Bedeutung im Sinne von„soweit„ zu (vgl. Nenstiel, KStZ 1993, 41 [43]).
Systematische Erwägungen stehen dieser Auslegung nicht entgegen. Zwar sieht § 32 II GrStG für Grundbesitz, in dessen Gebäuden u.a. Sammlungen oder Bibliotheken dem Zweck der Forschung oder Volksbildung nutzbar gemacht werden, einen Teilerlaß der Grundsteuer entsprechend der Minderung des Rohertrages „durch die Benutzung zu den genannten Zwecken„ vor. Damit hat der Gesetzgeber in Absatz 2 eine ursächliche Verknüpfung zwischen dem den Steuererlaß rechtfertigenden öffentlichen Interesse an dem dort näher gekennzeichneten Grundbesitz und der Ertragsminderung ausdrücklich vorgeschrieben. Daraus läßt sich jedoch - wie das BerGer. zutreffend ausführt - nicht der Schluß ziehen, in den Fällen des Absatzes 1 sei bewußt auf das Kausalitätserfordernis verzichtet worden. Denn dem Wortlaut des ersten Absatzes läßt sich - wie dargelegt - ebenfalls ein, wenn auch nicht sodeutlich gefaßter Ursachenzusammenhang entnehmen; im übrigen betrifft § 32 II GrStG einen bloßen Teilerlaß der Grundsteuer und setzt deshalb schon wegen der gebotenen Ermittlung der Höhe des Erlasses von vornherein die Beachtlichkeit des Ursachenzusammenhangs voraus.
d) Der Hinweis auf die rechtsgeschichtliche Entwicklung der streitigen Vorschrift (vgl. VGH München, KStZ 1983, 55 [57])greift ebenfalls nicht durch. Zwar verlangte auch die Vorgängervorschrift des § 26a Nr. 2 GrStG i.d.F. vom 10. 8. 1951 nicht ausdrücklich ein Ursächlichkeitserfordernis, während der Grundsteuererlaß nach den zuvor geltenden Richtlinien für Billigkeitsmaßnahmen auf dem Gebiet der Grundsteuer in der Fassung vom 22. 1. 1940 (RStBl S. 121) auf Kosten abhob, die durch die Sicherung und Erhaltung der Eigenart des Grundstücks entstanden.Daraus läßt sich jedoch ebensowenig ein überzeugender oder gar zwingender Einwand gegen das Kausalitätserfordernis herleiten wie aus dem Umstand, daß 1973 der Naturschutz in die Privilegierung des § 32 I Nr. 1 GrStG einbezogen worden ist, obwohl dienaturschutzbedingten Ertragsminderungen möglicherweise eher geringfügig sind (Nenstiel, KStZ 1993, 41 [43]). Denn auch wenn dies in der Regel so sein sollte, würde das Erfordernis eines Ursachenzusammenhangs die Privilegierung des Naturschutzes nichtgänzlich in Frage stellen.
e) Entscheidend spricht demgegenüber der Zweck der Erlaßregelung im Gesamtgefüge des Gesetzes gegen die Ansicht der Revision und für diejenige des BerGer. Nach der Rechtsprechung des BVerwG (BVerwGE 70, 162 [166] = NVwZ 1986, 43) durchbricht § 32 I Nr. 1 GrStG die das Grundsteuergesetz beherrschende, dem Charakter der Grundsteuer als einer ertragsunabhängigen Objektsteuer Rechnung tragende Regel, daß für jeden Grundbesitz - mag er rentabel sein oder nicht - Grundsteuer zu entrichten ist, und daß deshalb an das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abgehen von dieser Regel (relativ) hohe Anforderungen zustellen sind. Das danach für die Feststellung des Erhaltungsinteresses erforderliche „besondere„ öffentliche Interesse kommt in rechtlichen Bindungen zum Ausdruck, „die den Eigentümern zur Unrentierlichkeit führende zusätzliche Nutzungsbeschränkungenauferlegen„ (BVerwGE 70, 162 [166] = NVwZ 1986, 43). Auf der Grundlage dieser der Ausnahmevorschrift des § 32 I Nr. 1 GrStG immanenten Beschränkung auf Ertragsminderungen oder-schwächen, die gerade auf die Kulturguteigenschaft und die durch sie bedingten Einschränkungen zurückzuführen sind, beruht die in dem Urteil des erkennenden Senats vom 21. 9. 1984 (BVerwGE 70, 162 [165] = NVwZ 1986, 43) formulierte Voraussetzung, der Grundbesitz müsse „infolge der durch das öffentlicheErhaltungsinteresse ausgelösten Nutzungs- und Verfügungsbeschränkungen in der Regel unrentabel sein„.
Die Forderung nach einer Kausalbeziehung zwischen öffentlichem Erhaltungsinteresse nebst den daraus resultierenden Bindungen und der Unrentabilität ist ferner deshalb gerechtfertigt, weil es nicht sachgerecht erscheint, Grundstückseigentümer auch dann von der Grundsteuer zu befreien, wenn sie an einem privilegiertenGrundbesitz allein im eigenen Interesse liegende, also nicht durch den Denkmalschutz geforderte kostenaufwendige und deshalb verlustreiche Maßnahmen durchführen, während dieselben Maßnahmen mit denselben Kostenfolgen ohne Denkmalschutz die Grundsteuerpflicht nicht berühren würden. Eine am Zweck orientierte Auslegung spricht deshalb dafür, daß § 32 I Nr. 1 GrStG dann keinen Anspruch auf Grundsteuererlaß gewähren will, wenn die durchdie Kulturguteigenschaft bewirkten Einschränkungen die Unwirtschaftlichkeit nicht verursacht haben. Damit können Kostenaufblähungen oder - was dieselbe Wirkung nach sich zieht - Einnahmeverminderungen aus steuerlichen oder sonstigen privaten Gründen, die nichts mit der Kulturguteigenschaft zu tun haben, den Anspruch auf Grundsteuererlaß nicht begründen. Das Kausalitätserfordernis gestattet es vielmehr, derartige „Manipulationen„ dem Zweck der Erlaßvorschrift entsprechend auszuschalten.
4. Die Annahme des OVG, die somit von Rechts wegen gebotene Kausalität zwischen Denkmaleigenschaft und Unwirtschaftlichkeit bestehe im vorliegenden Fall nicht, begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Das BerGer. ist davon ausgegangen,daß zur Ermittlung des Ursachenzusammenhangs „nicht jede im entferntesten denkbare, durch die Denkmaleigenschaft verhinderte wirtschaftliche Nutzung berücksichtigt werden„ könne; vielmehr sei „nur auf solche Nutzungen abzustellen, die aufgrund der Umstände des Einzelfalls, insbesondere unter Berücksichtigungder Nutzungsentscheidung des Eigentümers, als realistische Möglichkeit in Betracht gekommen wären„. Dieser Ausgangspunkt ist nicht zu beanstanden. Grundsätzlich ist maßgeblich, welche Bindungen und Beschränkungen im öffentlichen Interesse an der Nutzung des Grundbesitzes begründet worden sind, also darauf,welche Auflagen beispielsweise in der Baugenehmigung aus Gründen des Denkmalschutzes aufgestellt oder nachweislich und erkennbar infolge von Absprachen mit der Denkmalschutzbehörde schon im Bauantrag „vorweggenommen„ worden sind und welche wirtschaftlichen Auswirkungen durch sie ausgelöst werden. Dabei verstößt es entgegen der Rüge der Revision auch nicht gegen die Denkgesetze, die erforderliche Kausalität zu verneinen,wenn bereits unwirtschaftlicher Grundbesitz durch den Denkmalschutz noch unrentabler wird; im Gegenteil liegt dann der Mangel des erforderlichen Ursachenzusammenhangs auf der Hand.
Das BerGer. hat deshalb zu Recht das konkrete Bauvorhaben der Bauherrengemeinschaft herangezogen und als Grundlage des Vergleichs die durch die Beschränkungen des Denkmalschutzes verhinderte Nutzung betrachtet. Dabei hat es entsprechend dem Vortragdes Kl. in den Tatsacheninstanzen - mangels objektiver Anhaltspunkte für Abriß und Neubau als ernsthafte Alternative - die Beschränkung auf 43 anstelle von wünschenswerten 50 bis 55 Appartements untersucht. Die dagegen erhobene Verfahrensrüge greift nicht durch. Das OVG war nicht verpflichtet, die denkmalschutzrechtlichen Bindungen bzw. die baulichen Möglichkeiten ohne derartige Bindungen von sich aus weiter aufzuklären (§ 86 I VwGO). Inhalt und Tragweite der denkmalschutzrechtlichen Auflagen waren im Widerspruchsbescheid vom 30. 7. 1991 im einzelnen aufgeführt; sie betrafen die Gestaltung und bauliche Ausführung der Fenster an der Südfassade, die Erhaltung einer Treppe und bestimmterDecken sowie der Holzvertäfelungen und eines alten Kellers. Es wäre Sache des Kl. gewesen, insoweit unter Beweisantritt weiter vorzutragen, zumal bereits das erstinstanzliche Urteil die Ursächlichkeit des Denkmalschutzes für die Unrentierlichkeit - und zwar auch bei einer Ausweitung der Kapazität auf 50 bis 55 Appartements - verneint hatte. Im übrigen ist der Aufklärungsrüge schon deshalb nichtweiter nachzugehen, weil die Revision übersieht, daß der erhobene Verfahrensvorwurf auf der Grundlage der materiellrechtlichen Auffassung des BerGer. zu prüfen ist. Das OVG geht aber davonaus, daß nur realistische Nutzungen unter Berücksichtigung der Nutzungsentscheidung des Eigentümers im Rahmen der Kausalitätsprüfung zu berücksichtigen sind. Danach scheidet der weder in den Tatsacheninstanzen noch im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren erwähnte, erstmals im Revisionsverfahren vorgetragene - und offenbar als lediglich abstrakte Möglichkeit aufgefaßte - Dachgeschoßausbau mit der Folge einer deutlich höheren Zimmerzahl als Vergleichsmaßstab aus.
Die Rüge der Revision, das Berufungsurteil verletze als unzulässiges Überraschungsurteil den Anspruch des Kl. auf rechtliches Gehör (§ 108 II VwGO) greift ebenfalls nicht durch. Das BerGer. war entgegen der Ansicht der Revision nicht verpflichtet, dem Kl. vorab das Ergebnis seiner vorläufigen Meinungsbildung zur Frage des Kausalitätserfordernisses mitzuteilen. Daß diese Rechtsfrage vom OVG im Verhandlungstermin angesprochenworden ist, zieht der Kl. selbst nicht in Zweifel; im übrigen hätte schon deren Erörterung im erstinstanzlichen Urteil den Kl. zur vorsorglichen Befassung auch im Berufungsverfahren veranlassen müssen. Einen darüber hinausgehenden Schutz vermittelt der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht.
Kanzlei Prof. Schweizer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH © 2020
Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen