Zweckentfremdungsrechtliche Auflage zur Ersatzraum-Miethöhenbegrenzung auf Vergleichsmiete

Gericht

BVerwG


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

17. 10. 1997


Aktenzeichen

8 C 18/96


Leitsatz des Gerichts

Einer Zweckentfremdungsgenehmigung für den Abbruch veralteten Wohnraums, an dessen Stelle neuer gleichwertiger Ersatzwohnraum errichtet werden soll, darf nicht die Auflage beigefügt werden, der Mietpreis für den zu schaffenden Ersatzraum dürfe die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bekl. erteilte den Rechtsvorgängern des Kl. auf deren Antrag für den Abriß von zum Teil als Wohnungen genutzten Gebäuden auf ihrem Grundstück die Zweckentfremdungsgenehmigung und zum Neubau eines dort geplanten Gebäudes die Baugenehmigung. Die abzubrechenden Gebäude wiesen sechs Wohnungen mit insgesamt 374m2 Wohnfläche auf. Der Neubau sollte zehn Wohnungen mit einer Wohnfläche von insgesamt 713,50m2 umfassen. Der Zweckentfremdungsgenehmigung waren u.a. die Auflagen beigefügt, der zu erstellende Ersatzwohnraum müsse dem allgemeinen Wohnungsmarkt wie der zweckentfremdete Wohnraum zur Verfügung stehen und dürfe diesen nicht in luxuriöser Weise überschreiten; die für den Ersatzwohnraum geforderten Mieten dürften nicht höher sein als die ortsübliche Vergleichsmiete. Die Bekl. bestätigte mit Bescheid vom 21. 4. 1993, der Ersatzwohnraum überschreite nach der Baubeschreibung den zweckentfremdeten Wohnraum nicht in luxuriöser Weise. Die Auflage, daß die Mieten für den Ersatzwohnraum nicht höher sein dürften als die ortsübliche Vergleichsmiete, hielt die Bekl. unter Hinweis auf die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums aufrecht.

Der Kl. hat gegen diese Auflage nach erfolglosem Widerspruch Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat die Bekl. die mit der angefochtenen Auflage verfügte Mietpreisbindung für den zu schaffenden Ersatzwohnraum insoweit zurückgenommen, als sie sich auf eine Wohnfläche von mehr als 374m2 bezog. Insoweit haben die Bet. den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Das VG hat das Verfahren eingestellt, soweit die Bet. den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Im übrigen hat es der Anfechtungsklage stattgegeben. Auf die Berufung der Bekl. hat der VGH das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen (VBlBW 1996, 274). Gegen dieses Urteil richtete sich die vom BVerwG zugelassene Revision des Kl., der die Verletzung materiellen Bundesrechts rügt. Die Revision hatte Erfolg und führte zur Zurückweisung der Berufung.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

II. Das VG hat der Klage zur Recht stattgegeben. Die angefochtene Auflage ist rechtswidrig und verletzt den Kl. in seinen Rechten (§ 113 I 1 VwGO). Der Kl. begehrt die isolierte Aufhebung der einer Zweckentfremdungsgenehmigung für den Abriß von Wohnraum beigefügten Auflage, der Mietpreis für den neu zu schaffenden Ersatzwohnraum dürfe die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigen. Das BerGer. hat dieses Begehren zutreffend für zulässig gehalten. Die dem begünstigenden Verwaltungsakt als Nebenbestimmung hinzugefügte Auflage (vgl. § 36 VwVfG) ist selbständig anfechtbar (vgl. BVerwGE 65, 139 [140] = NJW 1982, 2269; BVerwG, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 11, S. 29 [35] = NJW 1985, 2845 L; BVerwGE 81, 185 [186] = NVwZ 1989, 864; BVerwGE 85, 24 = NJW 1991, 651 = Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 93, S. 80 [81]; NVwZ-RR 1996, 20 = Buchholz 451.20 § 33i GewO Nr. 19, S. 5f.).

Daß der vom Kl. durchgeführte Abbruch von Wohnraum nach Art. 6 § 1 I 1 MRVerbG i.V. mit § 1 Vierte VO d. Landesregierung Baden-Württemberg über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum vom 16. 7. 1990 (BWGBl I, 241) der Genehmigung bedurfte, hat das BerGer. ebenfalls ohne Verstoß gegen revisibles Recht angenommen. Die Voraussetzungen, unter denen es einer Zweckentfremdungsgenehmigung bedarf, und die Voraussetzungen, unter denen diese - sei es mit oder ohne Hinzufügung von Nebenbestimmungen - erteilt werden kann oder muß, sind sämtlich und abschließend dem revisiblen Recht (§ 137 I VwGO) zu entnehmen (vgl. etwa BVerwGE 59, 195 [200] = NJW 1980, 1970; NJW 1983, 640 = Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 7, S. 1 [3]; Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 8, S. 7 [9] = MDR 1983, 258; Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 11, S. 29 [31] = NJW 1985, 2845 L; BVerwGE 95, 341 = NJW 1995, 542 = Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 18, S. 1 [6]). Die bundesrechtliche Ermächtigung zum Erlaß eines Zweckentfremdungsverbots in Art. 6 § 1 I 1 MRVerbG beschränkt die Befugnis der Landesregierungen auf die verwaltungsverfahrensrechtliche Ausgestaltung des Genehmigungsverfahrens (vgl. BVerfGE 38, 348 [358f.] = NJW 1975, 727; BVerwGE 95, 341 = NJW 1995, 542 = Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 18, S. 1 [6]). Der bundesrechtliche Begriff der Zweckentfremdung i.S. des Art. 6 § 1 MRVerbG schließt auch den Abbruch von Wohnraum ein (vgl. BVerfGE 38, 348 [364ff.] = NJW 1975, 727; BVerwGE 54, 54 [58ff.] = NJW 1977, 2280; BVerwGE 71, 291 [293] = NJW-RR 1986, 170; BVerwG, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 23, S. 25ff.).

Bundesrecht verletzt hingegen die Annahme des BerGer., die Bekl. habe der zweckentfremdungsrechtlichen Abrißgenehmigung die angefochtene Auflage hinzufügen dürfen. Das Zweckentfremdungsverbot ist in Art. 6 § 1 I 1 MRVerbG als „repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt“ ausgestaltet (BVerwGE 38, 348 [358, 368] = NJW 1975, 727). Das generelle Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum steht unter einem bundesrechtlichen Genehmigungsvorbehalt (vgl. BVerfGE 38, 348 [358ff.] = NJW 1975, 727; BVerwGE 54, 54 [56, 61f.] = NJW 1977, 2280; BVerwG, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 2, S. 11 [13f.]). Die Genehmigung kann auch bedingt, befristet oder unter Auflagen erteilt werden (Art. 6 § 1 II 1 MRVerbG). Es steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, eine Genehmigung, die sie nach der gegebenen Sachlage rechtsfehlerfrei versagen dürfte, statt dessen unter Beifügung von Nebenbestimmungen zu erteilen (vgl. § 36 I VwVfG; BVerwGE 55, 135 [140] = NJW 1978, 1018; BVerwG, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 11, S. 29 [36] = NJW 1985, 2845 L). Für eine Auflage ist aber dann kein Raum, wenn und soweit es an einem Grund zur Versagung der uneingeschränkten Genehmigung fehlt (§ 36 I VwVfG; Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 11, S. 29 [36]). Berührt eine Zweckentfremdung von Wohnraum die durch ihr generelles Verbot geschützte allgemeine Wohnraumversorgung nicht, muß eine uneingeschränkte Genehmigung erteilt werden (vgl. BVerwGE 54, 54 [62] = NJW 1977, 2280; BVerwGE 65, 139 [142] = NJW 1982, 2269).

Das folgt aus der dem Zweckentfremdungsverbot zugrundeliegenden bundesrechtlichen Ermächtigung des Art. 6 § 1 MRVerbG. Deren Zweck erschöpft sich „im Bestandsschutz von Wohnraum mit dem Ziel einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen“ (BVerfGE 38, 348 [359] = NJW 1975, 727; BVerwGE 65, 139 [142f.]). Das Zweckentfremdungsverbot aufgrund des Art. 6 § 1 I 1 MRVerbG soll in Gebieten mit unzureichender Wohnraumversorgung die Nutzung von Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken regelmäßig verhindern. Es soll preiswerten Wohnraum für die großen Teile der Bevölkerung erhalten, die „zumal in den Städten, nicht in der Lage“ sind, „aus eigener Kraft Wohnraum für sich zu schaffen, und deshalb auf Mietwohnungen unausweichlich angewiesen“ sind (BVerfGE 38, 348 [370] = NJW 1975, 727). Die verfassungsrechtlich geforderte, am Gemeinwohl ausgerichtete Nutzung des privaten Eigentums an Wohnraum (Art. 14 II GG) umfaßt das Gebot der Rücksichtnahme auf die Belange dieser Wohnungsuchenden (vgl. BVerfGE 37, 132 [140] = NJW 1974, 1499; BVerfGE 38, 348 [370f.] = NJW 1975, 727; BVerfGE 68, 361 [368] = NJW 1985 2633; BVerfG, NJW 1992, 361). Bei unzureichender Wohnraumversorgung breiter Bevölkerungsschichten (zu dieser Voraussetzung des Erlasses eines Zweckentfremdungsverbots s. im einzelnen BVerwG, NJW 1983, 2893 = Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 9, S. 13 [15ff.]) entspricht es dem gemeinwohlorientierten Rücksichtnahmegebot und ist es zugleich sachlich gerechtfertigt, die Zweckentfremdung vorhandenen Wohnraums zu untersagen, sofern „die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers ausreichend gewahrt bleiben“ (BVerfGE 38, 348 [371] = NJW 1975, 727; BVerwGE 71, 291 [294f.] = NJW-RR 1986, 170).

Die Verhinderung des Abbruchs eines Gebäudes beeinträchtigt jedoch die durch Art. 14 I 1 GG geschützte Verfügungsbefugnis des Eigentümers. Diese umfaßt auch das Recht, „veralteten Wohnraum durch neuen zu ersetzen“ (BVerfGE 55, 249 [257]). Eine Zweckentfremdungsgenehmigung kann deswegen beanspruchen, wer für den abzubrechenden Wohnraum einen dessen Verlust für den Wohnungsmarkt ausgleichenden Ersatzraum geschaffen hat oder wahrhaft verläßlich schaffen will (vgl. BVerwGE 65, 139 [143ff.] = NJW 1982, 2269; BVerwG, NJW-RR 1987, 586 = Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 13, S. 46 [51ff.]; BVerwGE 95, 341 [354ff.] = NJW 1995, 542). Das Zweckentfremdungsverbot schließt einen solchen Ausgleich des durch eine Zweckentfremdung eintretenden Wohnraumverlusts nicht aus. Es schützt den Wohnungsbestand nicht um seiner selbst willen. Verhindert werden soll vielmehr eine Verschlechterung oder zusätzliche Gefährdung der ohnehin unzureichenden Versorgungslage für die Bevölkerung. Dieser Schutzzweck rechtfertigt es nicht, dem Eigentümer unter Einschränkung seiner Verfügungsbefugnis zu verwehren, veralteten Wohnraum durch neuen zu ersetzen (vgl. BVerfGE 55, 249 [258]; BVerwGE 65, 139 [143f.] = NJW 1982, 2269; BVerwGE 71, 291 = NJW-RR 1986, 170; NJW-RR 1987, 586 = Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 13, S. 46 [51f., 54f.]; BVerwGE 95, 341 = NJW 1995, 542 = Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 18, S. 1 [14]; Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 23, S. 25 [26]). Zur Abwendung steht den Behörden insoweit lediglich das rechtliche Instrumentarium des § 177 BauGB (früher § 39e BBauG) zur Verfügung (vgl. BVerwGE 71, 291 [299] = NJW-RR 1986, 170; Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 23, S. 25 [26]).

Zweckentfremdungsrechtlich muß der Abbruch eines veralteten Wohngebäudes genehmigt werden, wenn der durch den Abriß eintretende Wohnraumverlust durch neu geschaffenen gleichwertigen Ersatzraum ausgeglichen wird (st. Rspr.; vgl. BVerwGE 65, 139 [143ff.] = NJW 1982, 2269; BVerwG, NJW-RR 1987, 586 = Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 13, S. 46 [51ff.]; BVerwGE 95, 341 [355] = NJW 1995, 542; BVerwG, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 23, S. 25 [26f.]). Für den Fall eines solchen die Wohnraumversorgung nicht beeinträchtigenden Ausgleichs durch gleichwertigen Ersatzraum darf der Zweckentfremdungsgenehmigung keine diese einschränkende Nebenbestimmung hinzugefügt werden (vgl. BVerfGE 55, 249 [260]; BVerwGE 65, 139 = NJW 1982, 2269; BVerwG, NJW-RR 1987, 586 = Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 13, S. 46 [51f., 54f.]; BVerwGE 95, 341 = NJW 1995, 542 = Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 18, S. 1 [14]). Die Behörde kann freilich die Verwirklichung eines angemessenen Ersatzraumangebots des um eine Zweckentfremdungsgenehmigung Nachsuchenden ggf. durch eine geeignete Nebenbestimmung der Zweckentfremdungsgenehmigung sicherstellen. Zweckentfremdungsrechtlich beachtlicher Ersatzraum muß insgesamt sechs von der Rechtsprechung des Senats aufgestellte Eignungsvoraussetzungen erfüllen:

Er muß - erstens - zweckentfremdeten Wohnraum in derselben Gemeinde ersetzen, - zweitens - in zeitlichem Zusammenhang mit der Zweckentfremdung geschaffen werden oder geschaffen worden sein, - drittens - eine unter dem Blickwinkel der Verfügungsberechtigung mindestens gleichwertige Ausgleichsleistung des durch das Zweckentfremdungsverbot Belasteten darstellen, - viertens - in Größe und baulichem Standard mindestens dem zweckentfremdeten Raum entsprechen, - fünftens - die einer Überschreitung des Standards des zweckentfremdeten Raums gezogene obere Grenze einhalten und - sech-stens - dem allgemeinen Wohnungsmarkt so zur Verfügung stehen wie zuvor der durch Abriß zweckentfremdete Wohnraum (vgl. BVerwGE , 65, 139 [150f.] = NJW 1982, 2269; BVerwG, NJW-RR 1987, 586 = Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 13, S. 46 [54f.]).

Die erste Anforderung an die Eignung als Ersatzraum ergibt sich daraus, daß die bundesrechtliche Ermächtigung zum Erlaß des Zweckentfremdungsverbots (Art. 6 § 1 I 1 MRVerbG) an eine örtlich bestehende besondere Gefährdung der Wohnraumversorgung anknüpft (vgl. BVerwGE 65, 139 [150f.] = NJW 1982, 2269 [145]). Der zweitens geforderte zeitliche Zusammenhang begegnet der Gefahr, daß durch den Neubau von Wohnungen generell und „auf Vorrat“ Ansprüche auf Erteilung von Zweckentfremdungsgenehmigungen begründet werden könnten (vgl. BVerwGE 65, 139 [145] = NJW 1982, 2269). Die drittens notwendige Übereinstimmung in der Verfügungsberechtigung über den zweckentfremdeten Wohnraum und den Ersatzraum trägt dem Charakter des zu erbringenden Ausgleichs Rechnung. Der durch das Zweckentfremdungsverbot Belastete soll selbst Ersatzwohnraum zur Verfügung stellen, über den er rechtlich mindestens ebenso verfügen kann wie über den zweckentfremdeten Raum (vgl. BVerwG, NJW-RR 1987, 586 = Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 13, S. 46 [55]). Die drei weiteren Eignungsanforderungen an zweckentfremdungsrechtlich beachtlichen Ersatzraum gewährleisten schließlich die Gleichwertigkeit der Ersatzleistung in Richtung auf die Wohnraumversorgung. Hierfür genügt es, wenn anstelle veralteten Wohnraums neuer, „nicht ausgesprochen luxuriöser Wohnraum“ geschaffen wird (BVerfGE 55, 249 [260]; BVerwGE 65, 139 [146] = NJW 1982, 2269). Den vorstehend dargelegten Anforderungen an die vom Zweckentfremdungsverbot geforderte Gleichwertigkeit genügt der vom Kl. geschaffene Ersatzraum nach den im angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen.

Neugeschaffenen Ersatzwohnraum muß der Eigentümer dem Wohnungsmarkt nicht zu den gleichen Mietpreisbedingungen zur Verfügung stellen wie zuvor den veralteten durch Abriß zweckentfremdeten Wohnraum (vgl. BVerfGE 55, 249 [259f.]; BVerwGE 65, 139 [146] = NJW 1982, 2269; BVerwG, Beschl. v. 15. 3. 1991 - 8 B 33/91 [unveröff.]; Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 23, S. 25 [27]). Die zweckentfremdungsrechtliche Beachtlichkeit teureren Ersatzwohnraums bis zur Luxusgrenze entzieht der angefochtenen Auflage eine tragfähige rechtliche Grundlage. Aus den nach der Rechtsprechung des Senats an die Gleichwertigkeit des Ersatzraums nebeneinander zu stellenden Anforderungen, daß der Ersatzraum keinen luxuriösen Standard haben und dem Wohnungsmarkt ebenso wie zuvor der veraltete Wohnraum zur Verfügung stehen müsse, läßt sich entgegen der Auffassung des BerGer. nicht folgern, daß zweckentfremdungsrechtlich zusätzlich die angefochtene Auflage zulässig sei. Diese Folgerungsweise des angefochtenen Urteils wirft vielmehr zwei voneinander zu unterscheidende Fragen durcheinander:

Daß einem vom Zweckentfremdungsverbot betroffenen Eigentümer von Wohnraum dessen Vermietung mit einem Ertrag in Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete zuzumuten ist, steht außer Frage (vgl. BVerfGE 38, 348 [371] = NJW 1975, 727; BVerwG, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 17, S. 8 [14]). Die verfassungsrechtliche Garantie des Grundeigentums gewährt keinen Anspruch des Eigentümers auf die Nutzungsmöglichkeit mit dem größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil (vgl. BVerfGE 58, 300 [345] = NJW 1982, 745; BVerfG, ZMR 1987, 133). Sie gewährleistet dem Eigentümer namentlich nicht, den am Wohnungsmarkt erzielbaren Mietpreis sofort und in voller Höhe ausschöpfen zu können (vgl. BVerfGE 71, 230 [253] = NJW 1986, 1669; BVerfG, ZMR 1987, 133; BVerwG, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 17, S. 8 [14]). Das Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum ist, einschließlich der mit ihm verbundenen finanziellen Einbußen gegenüber lukrativeren Nutzungsarten, dem Eigentümer als Konkretisierung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums zuzumuten, wenn und soweit die verfassungsrechtlich gewährleistete Privatnützigkeit des Eigentumsgegenstands nicht aufgehoben wird (vgl. BVerwG, NJW 1983, 2893 = Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 9, S. 13 [17f.]; Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 17, S. 8 [14]). Die Privatnützigkeit von Wohnraum bleibt für den Eigentümer erhalten, solange er den Raum zu ihm zumutbaren - nicht notwendig optimalen - Bedingungen als Wohnraum vermieten kann (vgl. BVerfGE 38, 348 [371] = NJW 1975, 727; BVerwG, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 17, S. 8 [14]). Das schließt eine Umwidmung zu anderen als Wohnzwecken unter der Geltung des Zweckentfremdungsverbots aus.

Die bundesrechtliche Ermächtigung zum Erlaß eines Verbots der Zweckentfremdung von Wohnraum gestattet jedoch weder eine Wohnraumbewirtschaftung (vgl. BVerfGE 38, 348 [365] = NJW 1975, 727), noch eine Mietpreisregelung. Zweck und Reichweite des Zweckentfremdungsverbots ergeben sich - wie bereits das BVerfG in dem Beschluß vom 4. 2. 1975 (BVerfGE 38, 348 [359] = NJW 1975, 727) festgestellt hat - unmittelbar und deutlich aus Art. 6 § 1 MRVerbG. Die gesetzliche Regelung, die als Inhalts- und Schrankenbestimmung nach Art. 14 I 2 GG mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 I 1 GG in Einklang steht (vgl. BVerfGE, 38, 348 [370] = NJW 1975, 727; BVerfGE 86, 59 [63]= NJW 1992, 1675), soll einer Verringerung des vorhandenen Bestands an Wohnraum - vor allem durch dessen „Umwidmung“ in Geschäftsraum - entgegenwirken (vgl. BVerfGE 86, 59 [63f.] = NJW 1992, 1675 m.w. Nachw.). Eine Zweckentfremdungsgenehmigung ist nach Art. 6 § 1 I MRVerbG allein dann erforderlich, wenn Wohnraum künftig nicht mehr als Wohnraum genutzt werden soll (vgl. BVerfGE 86, 59 [64] = NJW 1992, 1675). Verfügungen und Verträge über Wohnraum, die an dessen Nutzung zu Wohnzwecken nichts ändern, bedürfen von Rechts wegen keiner Genehmigung (vgl. BVerfGE 86, 59 [64] = NJW 1992, 1675).

Das Zweckentfremdungsverbot beläßt dem Eigentümer in den allein durch die Widmung des Wohnraums zu Wohnzwecken gezogenen Grenzen die Verfügungsbefugnis und die Privatautonomie. Einen Zwang zur Vermietung von Wohnraum begründet es nur insoweit, als das vermeidbare Leerstehenlassen von bewohnbarem und damit i.S. des Art. 6 § 1 MRVerbG schutzwürdigem Wohnraum, der zu angemessenen Bedingungen vermietet werden kann, unter den Tatbestand der untersagten Zweckentfremdung fällt (vgl. BVerfGE 38, 348 [365] = NJW 1975, 727; BVerwG, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 5, S. 30 [35f.]; Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 17, S. 8 [15]). Für weitergehende behördliche Einschränkungen der Verfügungsbefugnis und Vertragsfreiheit bietet Art. 6 § 1 MRVerbG keine gesetzliche Grundlage (vgl. BVerwG, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 17, S. 8 [15]).

Das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum soll weder vermietete Wohnungen zugunsten der jeweiligen Mieter erhalten, noch den Mietpreis zugunsten des allgemeinen Wohnungsmarkts festschreiben. Das Zweckentfremdungsverbot hindert den Eigentümer nicht daran, eine ihm gehörende vermietete Wohnung für seinen eigenen selbstbestimmten Wohnbedarf zusätzlich als Wohnraum in Anspruch zu nehmen, wenn er seinen Wohnbedarf ausweiten will (vgl. BVerfGE 86, 59 [64f.] = NJW 1992, 1675). Die Zusammenlegung von zwei Wohnungen entzieht Wohnraum weder dem Wohnzweck noch dem Markt. Der zusammengelegte Wohnraum steht weiterhin insgesamt dem Markt zur Verfügung, da auch der Vermieter an diesem seinen Wohnungsbedarf befriedigt (vgl. BVerfGE 86, 59 [64] = NJW 1992, 1675).

Durch das Zweckentfremdungsverbot soll ausschließlich „die Funktionsfähigkeit des Markts wiederhergestellt und gefördert“ werden (BVerfGE 38, 348 [361] = NJW 1975, 727). Vermittels einer „Beeinflussung des Wohnungsangebots“ soll in Gebieten mit besonders gefährdeter Wohnungsversorgung „ein annäherndes Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage“ in Richtung auf „die Sicherstellung des Normalen“ erreicht werden (BVerfGE 38, 348 [360] = NJW 1975, 727). Das Zweckentfremdungsverbot dient insoweit allein dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des verbotsgeschützten Wohnraums für den örtlichen Markt. Darauf ist bei der Entscheidung über die Erteilung einer beantragten Zweckentfremdungsgenehmigung abzustellen. Wird das öffentliche Interesse nicht berührt, weil der Eigentümer gleichwertigen Ersatzraum geschaffen hat oder verläßlich anbietet, muß die Zweckentfremdungsgenehmigung von Rechts wegen uneingeschränkt erteilt werden (vgl. BVerwGE 54, 54 [62] = NJW 1977, 2280; BVerwGE 65, 139 = NJW 1982, 2269; NJW-RR 1987, 586 = Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 13, S. 46 [51f.]).Auf die Belange der betroffenen Mieter kommt es nicht an. Mieter können eine dem Vermieter für den Abbruch des vermieteten Wohnraums erteilte Zweckentfremdungsgenehmigung mangels Klagebefugnis nicht anfechten (vgl. BVerwG, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 22, S. 24f.). Die Behörde darf die Wirksamkeit der Zweckentfremdungsgenehmigung auch nicht davon abhängig machen, daß der Verfügungsberechtigte die von der beabsichtigten Zweckentfremdung betroffenen Mieter zuvor anderweitig angemessen unterbringt. Die Aufnahme einer derartigen „Mieterschutzklausel“ in eine Zweckentfremdungsgenehmigung ist - wie der Senat im Urteil vom 22. 4. 1994 (BVerwGE 95, 341 = NJW 1995, 542) klargestellt hat - unzulässig.

Dem Erfordernis neugeschaffenen gleichwertigen Ersatzraums ist auch dann genügt, wenn der vom Zweckentfremdungsverbot belastete Eigentümer den Abriß seines Wohngebäudes mit veralteten Mietwohnungen durch einen Neubau mit Eigentumswohnungen ausgleicht. Ob er diese Eigentumswohnungen als Kaufeigentumswohnungen mit der Bestimmung geschaffen hat, sie Bewerbern als eigengenutzte Eigentumswohnungen zu übertragen (§ 12 des II. WoBauG), und ob er oder Erwerber der Wohnungen diese an Dritte vermieten, ist unerheblich. Darauf kommt es nicht an, weil jedenfalls neuer Wohnraum errichtet worden ist, der den aufgrund des Abbruchs eingetretenen Wohnraumverlust - sei es unmittelbar oder mittelbar - wieder ausgleicht (vgl. BVerfGE 55, 249 [259f.]; BVerwG, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 23, S. 25 [27]). Daß der Eigentümer dem Markt statt der durch Abriß beseitigten Mietwohnungen nunmehr Eigentumswohnungen anbietet, stellt deren Gleichwertigkeit nicht in Frage (vgl. BVerwG, Buchholz 454.51 MRVerbG Nr. 23, S. 25 [27]).

Der Hinweis des angefochtenen Urteils, die Zweckentfremdungsgenehmigung diene nicht dazu, dem Eigentümer die Möglichkeit einer freien Mieterhöhung über das Maß des zuvor rechtlich Zulässigen und damit der ortsüblichen Vergleichsmiete hinaus zu verschaffen, ist demgegenüber schon im Ansatz verfehlt. Das Zweckentfremdungsverbot hindert den Eigentümer nicht daran, für die Wohnnutzung ihm gehörenden Wohnraums eine die ortsübliche Vergleichsmiete übersteigende Miete zu fordern. Das gilt für veralteten Wohnraum ebenso wie für Ersatzraum, der anstelle des abgebrochenen veralteten Wohnraumes geschaffen worden ist. Mißbräuchen bei der Vertragsgestaltung, insbesondere bei der Mietpreisforderung, ist mit anderen rechtlichen Instrumenten zu begegnen. Die Nutzungsbedingungen für Wohnraum - namentlich das für die Vermietung von Wohnraum höchstzulässige Entgelt - regelt die bundesrechtliche Ermächtigung zum Erlaß eines Zweckentfremdungsverbots nicht. Ihr kann auch nicht im Wege der Auslegung ein Sinn unterlegt werden, der nicht wenigstens andeutungsweise im Gesetz seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. BVerfGE 86, 59 [64] = NJW 1992, 1675). Der Genehmigungsvorbehalt darf nicht als Mittel eingesetzt werden, um „allgemein unerwünschte oder schädliche Entwicklungen“ auf dem Wohnungsmarkt zu unterbinden (vgl. BVerfGE 38, 348 [360] = NJW 1975, 727).

Zu welchen Bedingungen der Eigentümer den anstelle abgebrochenen veralteten Wohnraums neu geschaffenen Ersatzwohnraum vermieten kann, bestimmt der Markt. Das gilt insbesondere für das bei der Neuvermietung von Wohnraum erzielbare Entgelt. Der Marktwert einer Wohnung richtet sich nach den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage gezahlt werden (vgl. etwa BGHSt 30, 280 [281] = NJW 1982, 896 m. w. Nachw.; Schönke/Schröder/Stree, StGB, 24. Aufl. [1991], § 302a Rdnr. 13). Vor überhöhten Mietforderungen unter Ausnutzung eines Wohnungsmangels durch den Vermieter werden Mieter preisbindungsfreier Räume durch § 5 WiStrG geschützt, wenn die in § 2 I 1 Nr. 2 definierte ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20% überschritten wird (vgl. etwa OLG Stuttgart, NJW 1981, 2365; Tröndle, StGB, 47. Aufl. [1995], § 302a Rdnr. 23 m.w. Nachw.; Meyer, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche NebenG, § 5 WiStrG Anm. 4 c m.w. Nachw.).

Rechtsgebiete

Mietrecht

Normen

GG Art. 3, 14; MRVerbG Art. 6 § 1; VwVfG § 36