Umfang der Beratungspflichten eines Architekten

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

08. 01. 1998


Aktenzeichen

VII ZR 141/97


Leitsatz des Gerichts

  1. Es ist Aufgabe des Architekten, die Bauwünsche seines Auftraggebers zu ermitteln und dementsprechend zu planen.

  2. Wünscht der Auftraggeber eine andere Art der Gestaltung (hier: Zugang zum Aufzug über das Haupttreppenhaus statt über das Nebentreppenhaus), ist der Architekt verpflichtet, den Auftraggeber über die technischen Möglichkeiten aufzuklären, mit denen dessen Zielvorstellungen verwirklicht werden können. Im Rahmen eines bestehenden Architektenvertrages ist es nicht erforderlich, den Architekten damit gesondert zu beauftragen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Kl. verlangen vom bekl. Architekten Schadensersatz in Höhe von 81 915 DM für die nachträgliche Änderung einer Fahrstuhlanlage. Sie hatten den Bekl. mit Architektenleistungen zur Sanierung eines Mietshauses in B. beauftragt. Gegenstand des Vertrages war unter anderem der Einbau eines Personenaufzugs in einen vorhandenen Lichtschacht. Nach der ursprünglichen und so auch genehmigten Planung sollte der Fahrstuhl Zugänge vom Nebentreppenhaus beginnend im Erdgeschoß haben, während die Unterfahrt und die Antriebsmaschine im Kellergeschoß vorgesehen waren. Später wurde die Planung einvernehmlich dahin geändert, daß die Zugänge nicht vom Nebentreppenhaus, sondern vom Haupttreppenhaus her angeordnet wurden. Dies hatte bauwerksbedingt zur Folge, daß der erste Zugang zum Fahrstuhl im ersten Stockwerk (Beletage) lag. Einen Hinweis auf die technisch aufwendigere Möglichkeit, einen Fahrstuhlkorb mit zwei über Eck rechtwinklig angeordneten Türen zu bauen, die im Erdgeschoß einen Zugang vom Nebentreppenhaus und in den übrigen Geschossen vom Haupttreppenhaus her ermöglicht hätten, gab der Bekl. den Kl. nicht.

Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben. Das BerGer. hat sie abgewiesen. Die Revision der Kl. führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe


Aus den Gründen:

I. Das BerGer. ist der Ansicht, Planung und Ausführung des Fahrstuhles seien fehlerfrei erfolgt. Den Kl. stehe auch kein Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung einer Nebenpflicht zu. Es sei nicht Verpflichtung des Bekl. gewesen, die Kl. darauf hinzuweisen, daß auch bei der geänderten Ausführung ein Zugang im Erdgeschoß über den Nebeneingang technisch möglich war. Wenn die Kl. entgegen den baulichen Gegebenheiten an dem Zugang vom Erdgeschoß hätten festhalten wollen, hätten sie den Bekl. mit dieser Planung ausdrücklich beauftragen müssen.

Selbst wenn den Bekl. eine Hinweispflicht getroffen hätte, scheide ein Ersatzanspruch aus; denn die Ansicht der Kl., der Schaden bestehe in dem Aufwand der zur Umrüstung des Fahrstuhles erforderlichen Kosten, treffe nicht zu. Ein wirtschaftlich meßbarer Schaden sei ihnen nicht entstanden. Sie trügen nämlich nicht vor, daß aus dem Haus, einem Renditeobjekt, nur deswegen niedrigere Mieten erwirtschaftet würden, weil der Fahrstuhl erst im ersten Obergeschoß des Haupttreppenhauses einen Zugang habe.

II. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Das BerGer. verkennt die einen Architekten aus dem Architektenvertrag treffenden Pflichten. Er muß zunächst die Bauwünsche seines Auftraggebers ermitteln und dementsprechend planen.

Der Bekl. hat diese Pflicht verletzt. Ihm war aufgrund der ursprünglichen Planung bekannt, daß die Kl. einen Zugang zum Fahrstuhl im Erdgeschoß wünschten. Die vom Bekl. erstellte Baubeschreibung vom 27. 2. 1990 sah deswegen den Einbau der erforderlichen technischen Anlage im Kellergeschoß und den Zugang zum Aufzug über das Nebentreppenhaus vor. Wenn die Kl. nachträglich einen Zugang über das Haupttreppenhaus verlangten, war der Bekl. verpflichtet, sie über die technischen Möglichkeiten, wie das verwirklicht werden konnte, aufzuklären. Dazu gehörte auch ein Hinweis, daß bei einem Zugang zum Aufzug über die Haupttreppe, der bauwerksbedingt nur ab dem ersten Stockwerk möglich war, weiterhin ein Zugang im Erdgeschoß über die Nebentreppe geschaffen werden konnte. Denn damit konnten beide Zielvorstellungen der Kl. verwirklicht werden. Es war Sache der Kl. und nicht die des Bekl., sich dann für eine der Möglichkeiten zu entscheiden. Entgegen der Ansicht des BerGer. war es im Rahmen des bestehenden Architektenvertrages nicht erforderlich, den Bekl. mit dieser Planung ausdrücklich zu beauftragen. Vielmehr begründet der unterlassene Hinweis eine Pflichtverletzung des Bekl.

2. Mit Erfolg beanstandet die Revision auch die Annahme des BerGer., es liege kein ersatzfähiger Schaden vor. Das BerGer. verkennt, welcher Schaden von den Kl. geltend gemacht wird.

Die Kl. begehren nicht einen Minderwert, der aus niedrigeren Mieten entsteht, weil der Fahrstuhl erst im ersten Obergeschoß des Haupttreppenhauses, nicht aber schon im Erdgeschoß vom Nebentreppenhaus her einen Zugang hat. Sie verlangen vielmehr Ersatz der Kosten, die erforderlich sind, um nachträglich einen Zugang vom Erdgeschoß zu erreichen. Hierfür sind nach ihrem Vortrag Arbeiten am Aufzug in Höhe von 59 915 DM brutto sowie bauseitige Leistungen mit einem Kostenaufwand von 25 000 DM brutto erforderlich. Soweit es sich um zusätzliche Kosten handelt, die dadurch entstehen, daß nicht von vornherein der Zugang im Erdgeschoß über die Nebentreppe ausgeführt worden ist, liegt ein Schaden vor, der durch die Pflichtverletzung des Bekl. verursacht worden ist. Zugunsten der Kl. ist im Revisionsverfahren davon auszugehen, daß sie bei pflichtgemäßem Verhalten des Bekl. diese Art der Ausführung gewählt hätten.

III. Demnach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, so daß es aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das BerGer. zurückzuverweisen ist.

Rechtsgebiete

Architektenrecht

Normen

BGB § 631