Verletzung der Rundfunkfreiheit durch Mehrheitsbeschluß über Parabolantenne

Gericht

LG Essen


Art der Entscheidung

Beschluss über Beschwerde


Datum

06. 09. 1994


Aktenzeichen

11 T 540/94


Leitsatz des Gerichts

Ein mehrheitlicher Beschluss in der Wohnungseigentümerversammlung reicht nicht, eine neue Gemeinschaftssatellitenanlage anstelle einer Gemeinschaftsantenne gegenüber allen Beteiligten rechtfertigen zu können. Es bedarf der Zustimmung aller Wohnungseigentümer.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Bet. zu 1-25 sind Mitglieder der Wohnungseigentumsanlage, die von der Bet. zu 26 verwaltet wird. Die Wohnungseigentumsanlage verfügt derzeit über eine mehr als 14 Jahre alte Gemeinschaftsantenne, über welche ARD, ZDF, WDR, RTL und SAT1 empfangen werden können; zudem besteht eine Anschlußmöglichkeit an das Breitbandkabelnetz der Telekom. In der Wohnungseigentümerversammlung vom 16. 12. 1993 wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, eine Gemeinschaftssatellitenanlage anstelle der vorhandenen Gemeinschaftsantenne als modernisierende Instandsetzungsmaßnahme zu installieren.

Das AG - WohnungseigentumsG - hat den Antrag des Bet. zu 1 auf Ungültigerklärung dieses Beschlusses zurückgewiesen. Die sofortige Beschwerde hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Der angefochtene Beschluß ist jedoch unwirksam, weil die beabsichtigte Ersetzung der vorhandenen Gemeinschaftsantenne durch eine Gemeinschaftsparabolantenne eine bauliche Veränderung i.S. des § 22 WEG darstellt, die nach § 22 I 1 WEG wirksam nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer beschlossen werden kann. Nach herrschender Meinung ist die Anbringung einer Parabolantenne grundsätzlich als bauliche Veränderung zu bewerten, die wegen der damit verbundenen Umgestaltung der vorhandenen Verhältnisse über eine ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgeht (BayObLG, NJW-RR 1992, 16; OLG Zweibrücken, DWE 1993, 67).

Nach wohl überwiegender in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Ansicht wird die Ersetzung einer Antennenanlage durch einen Breitbandkabelanschluß auch dann noch dem Anwendungsbereich des § 22 WEG zugeordnet, wenn die vorhandene Gemeinschaftsantenne reparaturbedürftig bzw. sogar erneuerungsbedürftig ist. Zur Begründung wird darauf verwiesen, daß - z.B. anders als bei der modernisierenden Heizungsumstellung - der Kabelanschluß nach derzeitigem Erkenntniszustand nicht der allein gebotene Weg sei, eine defekte Antennenanlage zu ersetzen. Dies könne in der Regel auch durch eine Antennenanlage geschehen, die eine verbesserte Funktion aufweise (BayObLG, NJW-RR 1990, 330 (331) m.w.Nachw.). Diese Erwägungen treffen gleichermaßen auf die vorliegend beabsichtigte Ersetzung einer möglicherweise erneuerungsbedürftigen Anlage durch eine Parabolantenne zu.

Der angefochtene Mehrheitsbeschluß könnte allenfalls dann wirksam sein, wenn die Voraussetzungen des § 22 I 2 i.V. mit § 14 Nr. 1 WEG vorlägen, wenn also die bauliche Maßnahme für die übrigen Wohnungseigentümer, insbesondere den Bet. zu 1, keinen über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß hinausgehenden Nachteil bedeutet. Diese Voraussetzungen können nicht festgestellt werden. Es kann dahinstehen, ob die vom AG angestellten Überlegungen zur Frage einer gegebenenfalls vorhandenen erheblichen optischen Beeinträchtigung des ästhetischen Gesamteindruckes der Fassade zutreffend sind. Ein für den Bet. zu 1 erheblicher, über das gem. § 14 WEG hinzunehmende Maß hinausgehender Nachteil ergibt sich bereits daraus, daß er gem. § 16 III WEG anteilig für die Installationskosten und sonstige Aufwendungen aufzukommen hat.

Ferner ist es nicht mit der verfassungsrechtlich garantierten Rundfunkfreiheit im Sinne einer Drittwirkung dieses Grundrechtes vereinbar, daß dem sich gegenüber einer Parabolantenne ablehnend verhaltenden Wohnungseigentümer auf diese Weise ungebetene Zusatzprogramme aufgezwungen werden (vgl. Müller, Praktische Fragen des Wohnungseigentums, S. 205f.). Denn der angefochtene Beschluß stellt die sich ablehnend verhaltenden Wohnungseigentümer weder von den Anschluß- und sonstigen Folgekosten frei, noch wird gewährleistet, daß deren Rundfunk- und Fernsehempfang im bisherigen Umfang bestehen bleibt.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

WEG §§ 22, 14 Nr. 1; GG Art. 5 I 2