Rückschnitt eines Strauches auf Sondernutzungsfläche

Gericht

KG


Art der Entscheidung

Beschluss über weitere Beschwerde


Datum

08. 11. 1995


Aktenzeichen

24 W 3046/95


Leitsatz des Gerichts

Die Beseitigung eines Gehölzes auf einer Sondernutzungsfläche kann nicht verlangt werden, wenn durch dessen Rückschnitt auf ein gemeinverträgliches Maß die Beeinträchtigung entfällt (wie BayObLG, DWE 1995, 28 = WE 1995, 345).

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Die Wohnanlage besteht aus vier nebeneinanderliegenden Reihenhäusern, zu denen gemäß der Teilungserklärung auch Gartenflächen zur Sondernutzung gehören. Die Ast. sind seit 1976 Eigentümer der an einem Ende der Reihenhausanlage liegenden Wohneinheit Nr. 4. Die Ag. sind seit 1977 Eigentümer der anschließenden Wohneinheit Nr. 3. Über den genauen Grenzverlauf der zu den Wohneinheiten Nr. 3 und 4 gehörenden Sondernutzungsflächen besteht Streit. 1988 oder 1989 pflanzten die Ag. einen gegenwärtig mindestens 3,20m hohen Baum, den die Bet. zunächst als Rotbuche bezeichnet haben, der nach den letzten Angaben der Ag. in zweiter Instanz jedoch einen Blutpflaumen-Zierstrauch darstellt. Dieses Gewächs befindet sich nach den Angaben der Ast. auf ihrem Sondernutzungsbereich, nach den Angaben der Ag. dagegen auf deren Sondernutzungsbereich.

Das AG hat den Antrag zurückgewiesen, das LG hat dem Beseitigungsverlangen wahlweise für beide Gewächsarten und unabhängig von deren Standort stattgegeben. Die sofortige weitere Beschwerde der Ag. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

... Rechtsbedenkenfrei ist nur die Bejahung eines Beseitigungsanspruches der Ast. gegen die Ag., wenn sich der beanstandete Baum oder Strauch auf der Sondernutzungsfläche der Ast. befindet. Dagegen bedarf es weiterer Sachaufklärung, falls es sich um einen Blutpflaumen-Zierstrauch auf der Sondernutzungsfläche der Ag. handelt, der auf ein erträgliches Maß zurückgeschnitten und ständig in dieser Größe gehalten werden kann. Ohne Rechtsirrtum nimmt der angefochtene Beschluß einen Beseitigungsanspruch an, wenn die Ag. einen Baum oder Strauch auf der Sondernutzungsfläche der Ast. gepflanzt haben. Zutreffend hat das LG die Teilungserklärung dahin ausgelegt, daß den Ast. einerseits und den Ag. andererseits jeweils angrenzend an ihr Sondereigentum Sondernutzungsrechte an den im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gartenflächen eingeräumt worden sind. Aus den gleichlautenden Bezeichnungen in § 3 der Teilungserklärung geht hervor, daß es sich um eine „Gartenteilfläche“ Nr. 4 bzw. Nr. 3 einschließlich „Gartenterrasse“ handelt. Damit ist im Wege einer Vereinbarung i.S. des § 15 I WEG den jeweils begünstigten einzelnen Wohnungseigentümern auch eine ortsübliche gärtnerische Nutzung entsprechend dem Charakter der Wohnanlage (hier Reihenhausanlage) zugesprochen worden. Dazu gehören regelmäßig auch Anpflanzungen, die nur in Ausnahmefällen, etwa bedingt durch Baumart oder Grenznähe, unbefugt sind. Für Sträucher ist auch deshalb Großzügigkeit geboten, weil hier ein Rückschnitt regelmäßig die jeweils gebotene Rücksichtnahme ermöglicht (vgl. BayObLG, DWE 1995, 28). Keinesfalls gilt etwa der allgemeine Grundsatz, daß niemals Schatten oder etwa auch Laub auf benachbarte Sondernutzungsflächen fallen dürfen. Anhaltspunkte für eine gemeinverträgliche Bepflanzung können den Nachbarrechtsgesetzen entnommen werden (in Berlin: §§ 27ff . BlnNachbG vom 28. 9. 1973, GVBl S. 1654). Da jedem Sondernutzungsberechtigten ein Anpflanzungsrecht hinsichtlich seiner Sondernutzungsfläche zusteht, kann er sich auch dagegen verwahren, daß in seinem Sonderbereich ein anderer Wohnungseigentümer Bäume oder Sträucher setzt. Der Beseitigungsanspruch gegen den Störer ergibt sich aus § 15 III WEG i.V. mit § 1004 BGB. Dabei müssen die Wohnungseigentumsgerichte allerdings prüfen, ob naturschutzrechtliche Bestimmungen (in Berlin: BaumschutzVO vom 11. 1. 1982 - GVBl S. 250) der Beseitigung entgegenstehen; daneben kommt eine Verpflichtung des Störers zur Stellung eines Befreiungsantrages in Betracht (vgl. BGHZ 120, 239 = NJW 1993, 925).

Befindet sich die von dem Ast. beanstandete Anpflanzung dagegen auf der Sondernutzungsfläche der Ag., hängt die Beseitigungspflicht davon ab, ob es sich um einen Baum oder um einen Strauch handelt. Im Falle eines schnellwachsenden großen Baumes (wie hier einer Rotbuche) kann die Beseitigung verlangt werden, sofern die Baumschutzverordnung dies zuläßt. Die Einhaltung von Grenzabständen gem. § 27 BlnNachbG kommt bei einer sechs Meter breiten Sondernutzungsfläche sinnvollerweise nicht in Betracht. Der Senat läßt offen, ob bei Bäumen in Ausnahmefällen ein Beseitigungsanspruch entfällt, wenn ein sachgerechter Rückschnitt auf eine zumutbare Größe möglich sein sollte.

Handelt es sich hingegen - wie die Ag. in zweiter Instanz zuletzt behauptet haben - um einen Zierstrauch auf ihrer Sondernutzungsfläche, scheidet eine Beseitigungspflicht aus, wenn die unzumutbare Beeinträchtigung durch Rückschnitt des Gehölzes beseitigt werden kann (vgl. BayObLG, DWE 1995, 28). Der Sondernutzung sind wie dem Sondereigentum durch das Gesetz und die Rechte Dritter (§ 13 I WEG) Grenzen gesetzt. Die sich danach für den Sondernutzungsberechtigten bei der Bepflanzung der Fläche ergebenden Verpflichtungen sind in § 14 Nr. 1 WEG näher umschrieben. Danach darf auch von der Sondernutzungsfläche nur in solcher Weise Gebrauch gemacht werden, daß dadurch keinem anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Nach diesen Grundsätzen kann im Einzelfall die gärtnerische Gestaltung durch den jeweiligen Sondernutzungsberechtigten Beschränkungen unterworfen sein (Senat, NJW-RR 1987, 1360 = OLGZ 1987, 410 = WE 1987, 197; BayObLG, NJW-RR 1987, 846; WuM 1993, 206; WE 1994, 17).

Für die Zumutbarkeit von Anpflanzungen können Anhaltspunkte aus den allerdings nicht unmittelbar anwendbaren Bestimmungen des Nachbarrechtsgesetzes gewonnen werden. So ist für Sträucher gem. § 27 BlnNachbG ein Mindestgrenzabstand von 0,50m vorgeschrieben, während nach § 28 BlnNachbG bei diesem Grenzabstand Hecken bis zu 2 m Höhe zulässig sind. Wird der vorgeschriebene Mindestabstand nicht eingehalten, kommt gem. § 31 BlnNachbG statt der Beseitigungspflichten der Rückschnitt in Betracht, sofern auch auf diese Weise ein den Vorschriften des Berliner Nachbarrechtsgesetzes entsprechender Zustand hergestellt werden kann. Unter entsprechender Berücksichtigung dieser Bestimmungen wird zu ermitteln sein, ob durch Rückschnitt auf gemeinverträgliche Maße die Beseitigungspflicht abgewendet werden kann, falls es sich hier um einen Blutpflaumen-Zierstrauch handelt. Da dem Senat als RechtsbeschwGer. tatsächliche Ermittlungen verwehrt sind, bedarf es zur Durchführung der ergänzenden Feststellungen der Zurückverweisung der Sache an das LG.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht; Nachbarrecht; Garten- und Nachbarrecht

Normen

WEG §§ 14 Nr. 1, 15 III