Gebrauchsbeeinträchtigung durch hausfassadenbedingte Taubenplage - Entscheidungserheblichkeit
Gericht
BayObLG
Art der Entscheidung
Vorlagebeschluss
Datum
26. 06. 1998
Aktenzeichen
RE-Miet 2/98
Zur Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage, ob der Wohnungsvermieter Gebrauchsbeeinträchtigungen durch Taubenplage zu beseitigen hat, wenn der konkrete Taubenbefall am Mietobjekt seine Ursache in der Beschaffenheit der Fassade hat.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Kl. haben von der Bekl. ab 1. 10. 1987 eine ca. 70 m2 große Wohnung angemietet. Diese befindet sich im dritten Stock des dreigeschossigen, mit sechs Mietwohnungen ausgestatteten Anwesens, das in geschlossener Bebauung mit weiteren gleichartigen Anwesen verbunden ist. Oberhalb der nach Westen weisenden Fenster des Schlafzimmers und des Wohnzimmers verläuft der Dachvorsprung des Dachgeschosses. In einiger Entfernung unterhalb des Dachgeschosses endet die auf das Mauerwerk aufgebrachte und mit einer Blechabdeckung versehene Wärmedämmfassade. In der dadurch unterhalb des Dachvorsprungs entstandenen windgeschützten Nische haben sich oberhalb der Fenster des Schlaf- und Wohnzimmers der Kl. seit 1994 zwei bis drei Paare Tauben ganzjährig zum Nisten niedergelassen. Sie erreichen von dort aus das Vordach des etwa 5m2 großen Balkons, der zur Wohnung der Kl. gehört und vom Wohnzimmer zugänglich ist. Dieses Vordach deckt nicht die ganze Balkonfläche ab, sondern reicht nur bis auf etwa 20 bis 30 cm an die Balkonbrüstung heran. Dies hat zur Folge, daß die Tauben nicht nur die Fensterbrüstungen von ihrem Nistplatz mit Kot und Federn verschmutzen, sondern auch von dem nebenan liegenden Balkonvordach den Balkon entsprechend verunreinigen. Außerdem geht von den nistenden Tauben zur Nachtzeit eine ruhestörende Lärmbelästigung aus. Die Bekl. hat an den von ihr vermieteten Nachbaranwesen zwischen Dachvorsprung und Abdeckleiste der Wärmedämmfassade Gitter angebracht, die dem dortigen Taubenbesatz vorbeugen. Die Anbringung eines Taubenschutzgitters an der betroffenen Wohnungsseite der Kl. würde ca. 3000 DM kosten und wird trotz wiederholter Aufforderungen der Kl. von der Bekl. abgelehnt. Die Kl. beantragten, die Bekl. zu verurteilen, an der Oberkante der westlich gelegenen Zimmer ihrer Wohnung Taubengitter anzubringen und dafür Sorge zu tragen, daß sich Tauben nicht mehr unterhalb des Dachvorsprungs in diesem Bereich aufhalten können. Sie halten die Beeinträchtigungen für eine Folge der bautechnischen Fassadengestaltung des Miethauses, mit der ein für Tauben besonders attraktiver Nistplatz geschaffen worden sei. Die Bekl. ist der Auffassung, daß die „Taubenabwehr“ nicht Sache des Vermieters sei. Die am Wohnort der Parteien auftretende Taubenplage sei ein jedermann bekannter Umwelteinfluß und bei Vertragsabschluß zugrunde gelegt worden.
Das AG hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, daß die Beeinträchtigung des Mieters durch Taubendreck und -lärm ein Mangel der Mietsache sei, für den der Vermieter unabhängig von der Ursache und ihrer Beseitigungsmöglichkeit verantwortlich sei. Die zur Anbringung eines Taubengitters veranschlagten Kosten seien nicht unverhältnismäßig. Die Bekl. hat Berufung eingelegt, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Das LG hat mit Beschluß vom 31. 3. 1998 dem Senat folgende Frage zum Rechtsentscheid vorgelegt: „Ist das Anbringen eines Taubenschutzgitters (o.ä), das aufgrund einer von keiner Partei zu vertretenden Taubenplage erforderlich wird, eine dem Vermieter obliegende Erhaltungspflicht gem. § 536 BGB?“ Nach seiner Ansicht muß auch der mitvermietete Balkon der klägerischen Wohnung in einem gebrauchsfähigen Zustand erhalten werden. Diese Erhaltungspflicht treffe den Vermieter unabhängig davon, ob er die „Verschlechterung“ der Sache zu vertreten habe. Die Rechtsfrage sei entscheidungserheblich und von grundsätzlicher Bedeutung, weil durch die überhandnehmende Taubenplage in Großstädten immer mehr Gebäude und Wohnräume beeinträchtigt würden. Ein Rechtsentscheid ist nicht ergangen.
Auszüge aus den Gründen:
II. Die Vorlage, über die das BayObLG zu entscheiden hat (vgl. BayObLGZ 1991, 348 [350] = NJW-RR 1992, 455), ist statthaft; ein Rechtsentscheid ist aber unzulässig, weil nicht festgestellt werden kann, daß die vorgelegte Rechtsfrage für die Entscheidung des Berufungsrechtsstreits erheblich ist.
a) Wie den Gründen des Vorlagebeschlusses zu entnehmen ist, betrifft er eine Frage, die sich aus einem Mietvertragsverhältnis über Wohnraum ergibt (§ 541 I 1 ZPO). Nach der Fragestellung möchte das LG wissen, ob der Wohnungsvermieter für Beeinträchtigungen des Mieters beim Gebrauch der Mietsache einzustehen hat, die durch eine Taubenplage eintreten. Die in der Vorlagefrage aufgenommene Voraussetzung, keine der Parteien habe die Taubenplage zu vertreten, kann daher nur so verstanden werden, daß das LG im konkreten Fall nicht von vornherein einer der Parteien die Verantwortung für das massenweise Auftreten von Tauben im Außenbereich der Wohnung zuweisen möchte, sondern davon ausgeht, daß die maßgebliche Ursache hierfür allein in dem in der Großstadt vorhandenen überhöhten Taubenbestand liegt. Danach zielt die Fragestellung darauf ab, ob die im Einzelfall von den Tauben ausgehenden Immissionen auf die konkrete Mietsache vom Vermieter im Rahmen der Erhaltungspflicht gem. § 536 BGB abzuwehren sind, auch wenn er selbst hierfür keine in seinen Verantwortungsbereich fallende Ursache gesetzt hat.
b) Der Senat hat von Amts wegen zu prüfen, ob es für die Entscheidung des LG auf die vorgelegte Frage ankommt. Dabei hat er zu beachten, welche Rechtsauffassung das LG im Vorlagebeschluß vertritt und welche Tatsachenfeststellung und -würdigung es zugrunde gelegt hat, soweit diese nicht unhaltbar sind (vgl. BayObLGZ 1987, 36 [38] = NJW 1987, 1950). Das LG hält die Vorlagefrage für entscheidungserheblich, weil der Ausgang des Rechtsstreits davon abhänge, wer die Gebrauchsbeeinträchtigungen durch überhandnehmende Taubenpopulation in der Großstadt zu verhindern habe.
Dabei hat es nur einen Teil der im Vorlagebeschluß festgestellten Tatsachen gewürdigt. Mit einem wesentlichen Gesichtspunkt, der die Entscheidungserheblichkeit beseitigen könnte, hat es sich nicht auseinandergesetzt (vgl. hierzu Landfermann-Heerde, RES X, Einf. S. 33 m.w. Nachw.). Es hat nämlich die von ihm festgestellten baulichen Eigenheiten der Außenfassade des Mietobjekts außer Betracht gelassen. Diese bietet, wie dem Vorlagebeschluß zu entnehmen ist, aufgrund ihrer Beschaffenheit einen idealen Taubennistplatz zwischen Fassadenvorsprung und Dachüberhang. Es liegt nahe, daß diese vom Vermieter zu verantwortende Fassadengestaltung für den konkreten Taubenbefall am Mietobjekt und damit auch für die aus ihm folgende Gebrauchsbeeinträchtigung eine wesentliche Ursache setzt. Diese fällt in den Risikobereich des Vermieters (vgl. Staudinger-Emmerich, BGB, 13. Bearb., § 537 Rdnrn. 43, 48). In diesem Fall hängt die Entscheidung des Rechtsstreits von den Folgerungen ab, die aus dem Zustand des Mietobjekts zu ziehen sind, nicht aber aus dem allgemeinen Phänomen einer großstädtischen Taubenplage.
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