Umwandlung von Kfz-Stellplätzen in Müllbehälterstellplätze durch Mehrheitsbeschluß

Gericht

BayObLG


Art der Entscheidung

Beschluss über weitere Beschwerde


Datum

30. 04. 1998


Aktenzeichen

2ZBR 23/98


Leitsatz des Gerichts

  1. Unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes„ können nur Beschlüsse von untergeordneter Bedeutung gefaßt werden. Eine Beschlußfassung ist aber darüber hinaus möglich, wenn zusätzlich ein bestimmter Beschlußgegenstand unter diesem Tagesordnungspunkt näher bezeichnet wird.

  2. Ein Beschluß der Wohnungseigentümer, das Sondernutzungsrecht an zwei oberirdischen Kfz-Stellplätzen gegen Bezahlung zu erwerben, um darauf zusätzlich erforderliche Müllbehälter abzustellen, kann den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Der Ast. und die Ag. sind die Wohnungseigentümer einer Wohnanlage, die aus den Häusern 1, 3, 5 und 7 besteht. Gem. § 17 IV der Gemeinschaftsordnung sind an den oberirdischen Kfz-Stellplätzen Sondernutzungsrechte eingeräumt, die ohne Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer auf andere Wohnungseigentümer übertragen werden können. Am 25. 10. 1995 beschlossen die Wohnungseigentümer, zum Aufstellen weiterer, im Zusammenhang mit der Mülltrennung erforderlicher Müllbehälter zwei oberirdische Stellplätze zwischen Haus 3 und 5 für etwa 8500 DM zu kaufen und diese für etwa 8000 bis 10000 DM in einer Höhe von 1,5m mit Holz zu verkleiden. In der Einladung zu der Eigentümerversammlung war unter TOP 7 aufgeführt: „Verschiedenes, z.B. - Müllanlagen, u.U. Kauf oder Anmietung von 2 AP zwischen Haus 3 +5 - Malerarbeiten„. Der Ast. hat beantragt, den Eigentümerbeschluß zu TOP 7 über den Ankauf von zwei Kfz-Stellplätzen für ungültig zu erklären. Das AG hat dem Antrag stattgegeben, das LG die sofortige Beschwerde der Ag. zurückgewiesen. Die sofortige weitere Beschwerde der Ag. führte zur Aufhebung der Beschlüsse des AG und LG und zur Abweisung des Antrags des Ast.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

1. Das LG hat ausgeführt:

Für die Wohnungseigentümer sei klar gewesen, daß die zusätzlichen Müllbehälter nicht weiterhin auf dem Grundstückstreifen an der Straße abgestellt werden könnten, weil dies die Stadt als Eigentümerin nicht dulde. Auch sei klar gewesen, daß auf den derzeit vorgesehenen Plätzen keine weiteren Müllbehälter abgestellt werden könnten. Im Hinblick darauf habe die Bezeichnung des TOP 7 in der Einladung zu der Eigentümerversammlung keine Zweifel daran gelassen, daß über das Problem der zusätzlichen Müllbehälter nicht nur diskutiert, sondern eine Entscheidung getroffen werden solle. Der Eigentümerbeschluß sei aber nicht wirksam, weil der Hinzuerwerb eines Grundstücks einer einstimmigen Vereinbarung bedürfe. Auch aus dem Gemeinschaftsverhältnis ergebe sich keine Pflicht der Wohnungseigentümer, allein aus Zweckmäßigkeitsgründen ein weiteres Grundstück hinzuzuerwerben. Daran ändere es auch nichts, daß die beschlossene Umgestaltung unter ästhetischen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden und zweckmäßig sei.

2. Die Entscheidung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Zu Recht sind die Vorinstanzen zu dem Ergebnis gelangt, daß der Eigentümerbeschluß nicht schon deshalb für ungültig zu erklären ist, weil der Beschlußgegenstand in der Einladung zur Eigentümerversammlung vom 25. 10. 1995 nicht ausreichend bezeichnet sei. Nach § 23 II WEG ist zur Gültigkeit eines Eigentümerbeschlusses erforderlich, daß der Gegenstand bei der Einberufung bezeichnet ist. Dazu genügt es, daß die Wohnungseigentümer vor Überraschungen geschützt sind und ihnen eine Vorbereitung auf die Versammlung ermöglicht wird. Übertriebene Anforderungen dürfen an die Bezeichnung des Beschlußgegenstands nicht gestellt werden. Ausreichend ist in der Regel eine schlagwortartige Bezeichnung (BayObLGZ 1992, 79 [84] = NJW-RR 1992, 910). Unter dem im Einladungsschreiben als „Verschiedenes„ bezeichneten Tagesordnungspunkt können grundsätzlich nur Eigentümerbeschlüsse von ganz untergeordneter Bedeutung gefaßt werden (BayObLG, NJW-RR 1990, 784; OLG Hamm, NJW-RR 1993, 468; OLG Köln, WuM 1998, 240; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 7. Aufl., § 23 Rdnr. 72). Etwas anderes gilt aber dann, wenn unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes„ einzelne Beschlußgegenstände in einer Weise näher bezeichnet sind, die den Anforderungen des § 23 II WEG entspricht. Dies ist hier der Fall. Unter dem Tagesordnungspunkt „Verschiedenes„ ist außer „Malerarbeiten„ auch die „Müllanlage„ angesprochen und im Zusammenhang damit der Kauf oder die Anmietung von zwei Abstellplätzen zwischen Haus 3 und 5 erwähnt. Im Hinblick auf diese Angaben im Einladungsschreiben mußten die Wohnungseigentümer damit rechnen, daß über den Kauf oder die Anmietung von Abstellplätzen zum Aufstellen der zusätzlich erforderlichen Müllbehälter abgestimmt würde.

b) Der angefochtene Eigentümerbeschluß entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung i.S. des § 21 III WEG. Er kann daher nicht für ungültig erklärt werden, so daß der darauf gerichtete Antrag des Ast. unter Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen abgewiesen wird. Das LG verkennt, daß Gegenstand des Eigentümerbeschlusses nicht der Erwerb eines Grundstücks ist. Auf diesem Rechtsfehler beruht die Entscheidung des LG, die damit keinen Bestand haben kann. Da weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind, kann der Senat aufgrund des Akteninhalts selbst in der Sache entscheiden.

(1) Die oberirdischen Kfz-Stellplätze sind gemeinschaftliches Eigentum der Wohnungseigentümer. An ihnen ist lediglich einzelnen Wohnungseigentümern das alleinige Nutzungsrecht unter Ausschluß der übrigen Wohnungseigentümer vom Mitgebrauch in der Form eines Sondernutzungsrechts eingeräumt (vgl. §§ 13 II , 15 I WEG). Dieses Sondernutzungsrecht soll auf die Wohnungseigentümer übertragen und damit aufgehoben werden. Der angefochtene Eigentümerbeschluß mit diesem Inhalt entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung.

(2) Der Senat teilt die Ansicht der Vorinstanzen, daß es zweckmäßig ist und dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht (vgl. § 21 IV WEG), die zusätzlich erforderlichen Müllbehälter auf zwei oberirdischen Kfz-Stellplätzen abzustellen. Dies setzt den Erwerb oder die Aufhebung des daran bestehenden Sondernutzungsrechts voraus. Allerdings sind die Wohnungseigentümer bei ihrer Beschlußfassung gem. § 21 I WEG an bestehende Vereinbarungen gebunden. Die Bezeichnung der Kfz-Stellplätze als solche in § 17 IV der Gemeinschaftsordnung enthält eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter i.S. von § 15 I WEG (allg. Meinung; vgl. z. B. BayObLG, NJW-RR 1996, 464 m.w. Nachw.). Dies hat zur Folge, daß die Stellplätze grundsätzlich nur zum Abstellen von Kraftfahrzeugen benutzt werden dürfen. Nicht ausgeschlossen ist aber eine andere Nutzung, die nicht mehr stört als eine der Zweckbestimmung entsprechende Nutzung (BayObLG, NJW-RR 1996, 464). Das Abstellen von zwei Müllbehältern hinter einer von den Wohnungseigentümern beschlossenen 1,5m hohen Holzverkleidung stört bei den gegebenen örtlichen Verhältnissen nicht mehr als das Abstellen von Fahrzeugen. Davon geht auch das LG aus, das eine ästhetische Beeinträchtigung des Gesamteindrucks der Wohnanlage verneint. Diese Ansicht teilt der Senat, der sich aufgrund der vorliegenden Lichtbilder einen Eindruck von der örtlichen Verhältnissen verschaffen kann. Durch ein Abstellen der zusätzlichen Müllbehälter unmittelbar entlang der Hausfront würden die Eigentümer der Erdgeschoßwohnungen, vor deren Fenstern die Müllbehälter dann stehen würden, in unzumutbarer Weise beeinträchtigt.

Soweit die beschlossene Holzverkleidung eine bauliche Veränderung darstellt, kommt § 22 I 1 WEG nicht zur Anwendung, weil es sich um eine Maßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung handelt.

(3) Selbst wenn die Fläche der oberirdischen Stellplätze mit den schweren Müllfahrzeugen nicht befahrbar sein sollte, stünde dies dem Eigentümerbeschluß nicht entgegen. Die fahrbaren Müllbehälter müßten dann, wie dies vielfach üblich ist, zum Entleeren an den Straßenrand gebracht werden.

(4) Dem Eigentümerbeschluß steht schließlich auch kein öffentlich-rechtliches Hindernis entgegen. Aus der Auskunft der Stadt vom 12. 9. 1996 ergibt sich, daß mehr Abstellplätze vorhanden sind, als unter öffentlichrechtlichen Gesichtspunkten erforderlich ist. Die Stadt hat daher zu der beschlossenen Maßnahme ihr Einverständnis erklärt und auch mitgeteilt, daß die beabsichtigte Holzverkleidung keiner Genehmigung bedürfe.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

WEG §§ 21 III, 23 II