Grenzen des Mitgebrauchs gemeinschaftlichen Eigentums - Mülltüten vor Wohnungstür
Gericht
OLG Düsseldorf
Art der Entscheidung
Beschluss über weitere Beschwerde
Datum
22. 05. 1996
Aktenzeichen
3 Wx 88/96
Wenn ein Wohnungseigentümer - regelmäßig und notorisch Mülltüten und ähnliche Abfälle vor seiner Wohnungstür im gemeinschaftlichen Eingangsbereich des Hauses deponiert, kann darin eine abwehrfähige Beeinträchtigung der übrigen Miteigentümer liegen.
Daß der - angebliche - Störer während des laufenden Verfahrens von weiteren Störungen Abstand genommen hat, reicht für sich genommen nicht aus, um den Wegfall der bei Rechtshängigkeit bestehenden Wiederholungsgefahr feststellen zu können.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Bet. sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft an einem Haus in Düsseldorf innerhalb eines aus insgesamt 20 Einzelhäusern gebildeten Baukomplexes. Zu dem Haus - wie auch jeweils zu den übrigen Einzelhäusern - führt ein plattierter Eingangsbereich, von dem aus die Erdgeschoßwohnung der Bet. zu 2 einerseits und die Wohnungen der Bet. zu 1 und 3 in den Obergeschoßen andererseits durch getrennte Zugangstüren erschlossen werden. Die Ag. bewohnen ihre 1987 erworbene Wohnung seit 1991. Seit dieser Zeit haben die Bet. zu 1 und 3 wiederholt verschiedene Beanstandungen erhoben und u.a. geltend gemacht, daß vor der Eingangstür der Bet. zu 2 Abfälle deponiert würden. Im September 1993 kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung, für die sich die Bet. zu 1 in einer Schiedsmannsverhandlung am 18. 11. 1993 entschuldigte und zur Zahlung einer Buße von 500 DM verpflichtete. Mit Schreiben vom 25. 11. 1994 forderte die Bet. zu 1 - inzwischen Verwalterin des Objekts - die Bet. zu 2 erneut auf, zukünftig keine Mülltüten oder andere Abfälle im Bereich des Gemeinschaftseigentums abzustellen. Diesen Brief sandten ihr die Ag. ungeöffnet zurück. Mit ihrem im Dezember 1994 bei Gericht eingegangenen Antrag erstrebt die Ast. ein entsprechendes strafbewehrtes Verbot gegen die Bet. zu 2. Das AG hat dem Antrag stattgegeben. Auf die sofortige Beschwerde der Bet. zu 2 hat das LG nach Wiederholung der Beweisaufnahme den angefochtenen Beschluß aufgehoben, den Antrag zurückgewiesen und der Ast. Gerichtskosten und außergerichtliche Auslagen für beide Instanzen auferlegt, da eine Wiederholungsgefahr zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr bestehe, nachdem seit 1995 entsprechende Störungen nicht mehr beobachtet worden seien. Die sofortige weitere Beschwerde der Ast. führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das LG.
Auszüge aus den Gründen:
1. AG und LG sind übereinstimmend und mit Recht davon ausgegangen, daß das Recht zum Mitgebrauch gemeinschaftlichen Eigentums maßvoll auszuüben ist und dadurch keinem anderen Miteigentümer ein Nachteil entstehen darf, der das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß der Beeinträchtigung überschreitet (§ 14 Nr. 1 WEG). Erfüllt ein Wohnungseigentümer diese ihm durch § 14 WEG auferlegten Pflichten nicht, hat jeder Wohnungseigentümer das Recht, im Verfahren nach § 43 I WEG Unterlassung der Beeinträchtigung nach § 1004 BGB zu beanspruchen. Wenn ein Wohnungseigentümer - regelmäßig und notorisch - Mülltüten und ähnliche Abfälle vor seiner Wohnungstür im gemeinschaftlichen Eingangsbereich des Hauses statt in den hierfür bereitgestellten Müllcontainern deponiert, kann darin eine abwehrfähige Beeinträchtigung und Belästigung der übrigen Miteigentümer liegen.
2. Das LG hat darüber, ob die Bet. zu 2 in der Vergangenheit wiederholt im Hauseingangsbereich Mülltüten und andere Abfälle abgestellt haben, wie schon das AG in erster Instanz erneut Beweis durch Vernehmung von Zeugen erhoben. Es hat jedoch - anders als das AG - bei seiner Entscheidung dahinstehen lassen, ob die Beweisaufnahme zu einer Überzeugungsbildung ausreichen würde, weil die Zeugen seit Anfang 1995 Vorfälle dieser Art nicht mehr beobachtet hätten und damit schon aufgrund des verstrichenen Zeitraums eine Wiederholungsgefahr - als materielle Anspruchsvoraussetzung - nicht mehr angenommen werden könne. Diese Annahme ist rechtsfehlerhaft begründet: Träfe es zu, daß die Bet. zu 2 seit 1991 bis Ende 1994 regelmäßig und nachhaltig trotz Abmahnung die ihnen durch § 14 WEG auferlegten Pflichten verletzt und die Miteigentümer im Mitgebrauch gestört haben, war die Wiederholungsgefahr bei Rechtshängigkeit des Unterlassungsanspruchs gegeben. In einem solchen Fall ist der Fortbestand der Wiederholungsgefahr zu vermuten, solange ihr Wegfall nicht sicher festgestellt werden kann und eine Wiederholung definitiv ausgeschlossen erscheint; an den vom Störer zu führenden Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. u.a. BGHZ 14, 163 (167f.) = NJW 1954, 1682; WM 1961, 1023; BayObLG, NJW-RR 1987, 463; Staudinger/Gursky, BGB, 13. Aufl., § 1004 Rdnr. 203 m.w. Nachw.). Daß der - angebliche - Störer seit Erhebung der Unterlassungsklage während des laufenden Prozesses von weiteren Störungen Abstand genommen hat, bietet allein keine sichere Gewähr für die Beständigkeit und Endgültigkeit der Verhaltensänderung aufgrund besserer Einsicht, kann vielmehr auch eine vorübergehende, taktisch motivierte Reaktion auf die Klage und die laufenden Ermittlungen und damit auf den Druck des anhängigen Verfahrens zurückzuführen sein (vgl. etwa RGZ 98, 267). Allein die Dauer des Verfahrens ändert daran nichts.
3. Weil das LG aus der durchgeführten Beweisaufnahme keinerlei Feststellungen getroffen und sich insbesondere auch nicht dazu geäußert hat, ob es - wie das AG - die Zeugen für persönlich zuverlässig und ihre tatsächlichen Angaben für glaubhaft hält, sind dem Senat - ersetzende - eigene Feststellungen insoweit nicht möglich.
4. Schließlich ist es im Rahmen der Kostenentscheidung, die das LG auch für die dritte Instanz zu treffen hat, sachlich nicht gerechtfertigt, die Erstattung außergerichtlicher Auslagen (§ 47 S. 2 WEG) ausschließlich formal am Obsiegen zu orientieren, weil "sich die Beteiligten wie Zivilprozeßparteien gegenüberstehen". Im Verfahren freiwilliger Gerichtsbarkeit sollen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten grundsätzlich selbst tragen. Für das Wohnungseigentumsverfahren gilt jedenfalls im Prinzip nichts anderes. Auch hier müssen besondere Gründe vorliegen, die es ausnahmsweise rechtfertigen, einem Beteiligten außergerichtliche Kosten des Gegners aufzuerlegen, und die dessen Kostenbelastung unbillig erscheinen lassen.
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