Kinderspiel auf gemeinschaftlicher Zufahrt
Gericht
KG
Art der Entscheidung
Beschluss über weitere Beschwerde
Datum
29. 04. 1998
Aktenzeichen
24 W 1107/98
Aus der Zweckbestimmung eines gemeinschaftlichen Zufahrtsweges kann nicht zwingend hergeleitet werden, daß Kindern der Wohnungseigentümer das gelegentliche Spiel auf der Zufahrt generell zu verbieten ist.
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Ast. (Ehepaar) und die Ag. (Ehepaar) haben mit notariellem Teilungsvertrag vom 19. 12. 1989 die Wohnungseigentumsanlage gebildet, die aus zwei Doppelhaushälften auf einem hintenliegenden Grundstück besteht, das über einen ca. 30 m langen und 3 m breiten Zufahrtsweg von der öffentlichen Straße her erschlossen ist. Seit 1996 ist die Grundstücksausfahrt an der Straße mit einem ferngesteuerten Tor verschlossen. Die beiden jetzt acht bzw. vier Jahre alten Töchter der Ag. spielen gelegentlich auf dem Zufahrtsweg. Sie sind mehrfach auf den angrenzenden Zaun und einmal auf das ferngesteuerte Tor gestiegen. Unter Berufung auf die Zweckbestimmung des Zufahrtsweges verlangen die Ast. von den Ag. das Kinderspiel auf der Zufahrt zu unterbinden.
Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Das LG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Die sofortige weitere Beschwerde der Ast. blieb erfolglos.
Auszüge aus den Gründen:
II. 1. Das LG hat ausgeführt: Die Ast. könnten von den Ag. nicht verlangen, daß diese das Kinderspiel auf der Zufahrt verhindern. Die Ast. müßten das Kinderspiel vielmehr nach § 1004 II BGB i.V. mit §§ 14 Nr. 1, 15 WEG dulden, weil ihnen kein über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgehender Nachteil erwachse, wenn die Töchter gelegentlich auf der Zufahrt spielten. Es entspreche der im Rahmen eines geordneten Zusammenlebens in der Gemeinschaft gebotenen Rücksichtnahme, spielende Kinder anderer Wohnungseigentümer auf Gemeinschaftsflächen zu dulden, den durch das Kinderspiel verursachten Lärm innerhalb der sozial üblichen Grenzen hinzunehmen und bei der Benutzung von Kraftfahrzeugen oder des ferngesteuerten Tores auf spielende Kinder Rücksicht zu nehmen. Es widerspreche auch der im Teilungsvertrag festgelegten Zweckbestimmung des Zufahrtsweges nicht, wenn dort gelegentlich Kinder spielen, solange dort nicht Spielgerät aufgestellt werde, was nicht einmal behauptet werde.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Rechtsfehlerfrei verneint das LG einen Unterlassungs-anspruch der Ast. gegen die nach § 14 Nr. 2 WEG auch für das Verhalten ihrer Töchter verantwortlichen Ag. aus § 15 III WEG i.V. mit § 1004 I 2 BGB. Gem. § 13 II WEG ist jeder Wohnungseigentümer zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe der §§ 14 und 15 WEG berechtigt. Rechtlich einwandfrei führt das LG aus, daß das gelegentliche Kinderspiel unter das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß der Nutzung fällt und damit ein abzuwehrender Nachteil i.S. des § 14 Nr. 1 WEG nicht angenommen werden kann, vielmehr umgekehrt eine Duldungspflicht der Ast. nach § 14 Nr. 3 WEG besteht,die den Unterlassungsanspruch gem. § 1004 II BGB ausschließt.
b) Ohne Rechtsirrtum ist auch ein Unterlassungsanspruch der Ast. aus der Zweckbestimmung der Zufahrt abgelehnt worden. Das Vorliegen einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer, die die Benutzung des Zufahrtsweges auf das unbedingt notwendige Maß einschränkt, nämlich das Erreichen der Doppelhaushälften von der Straße zu Fuß oder mit einem Fahrzeug, hat der angefochtene Beschluß rechtsfehlerfrei verneint. Allerdings kann einer Zweckbestimmung des Sondereigentums in der Teilungserklärung vielfach eine Gebrauchsregelung entnommen werden (vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 56. Aufl., § 15 WEG Rdnr. 12). In diesem Sinne begründet dementsprechend auch die Zuordnung der beiden Gartenhälften in dem Teilungsvertrag an die Ast. bzw. die Ag. zur jeweils alleinigen Sondernutzung ausschließliche Gebrauchsrechte an den betreffenden Gartenflächen.
c) Auch wenn der Zufahrtsweg gleichermaßen den Bet. zur gemeinschaftlichen Sondernutzung zugewiesen ist, hebt sich diese Bestimmung bei nur zwei in Betracht kommenden Parteien auf, weil damit weder die zuweisende noch die abweisende Funktion eines Sondernutzungsrechts zum Zuge kommen kann, vielmehr der gleichberechtigte Mitgebrauch unter mißverständlicher Bezeichnung wiederhergestellt wird.
Im übrigen ist durchaus zweifelhaft, ob die bloße Benennung des Zufahrtsweges eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter im Sinne einer besonderen Benutzungsregelung enthält oder nicht eher eine bloße Beschreibung dieser Grundstücksfläche darstellt, die nach öffentlichem und privatem Recht nicht anders genutzt werden kann denn als Zugang zu den hintenliegenden Doppelhaushälften. Aber selbst wenn eine Zweckbestimmung im Sinne einer Vereinbarung anzunehmen wäre, ist ihr Inhalt im Zweifel nach der Natur der Sache zu bestimmen. Zumindest in dem Maße, wie eine öffentliche Straße auch das gelegentliche Kinderspiel erlaubt, ist dies bei einer Privatstraße der Fall, zumal da sie hier nur von zwei Familien benutzt wird. Wenn die Ast. bei der Benutzung der Zufahrt mit Fahrzeugen (einschließlich der Bedienung des ferngesteuerten Tores) ohnehin mit erwachsenen Fußgängern und Kindern zu rechnen haben, die den Weg als einzigen Zugang zur Straße und von der Straße gemäß seiner hauptsächlichen Funktion benutzen, liegt es im sozialadäquaten Rahmen, daß die Ast. zusätzlich auch auf die infolge des Spiels weniger aufmerksamen Kinder Rücksicht zu nehmen haben. Selbst eine Zweckbestimmung als Zufahrt schließt einen weitergehenden Mitgebrauch zu gelegentlichem Kinderspiel somit nicht aus. In diesem Sinne ist sogar die Benutzung eines Garagenhofs zumindest als Spielplatz für kleinere Kinder für zulässig erachtet worden (BayObLG, WuM 1989, 653 = WE 1991, 27).
d) Soweit die Rechtsbeschwerdebegründung auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 27. 11. 1985 (DWE 1986, 64 = WE 1986, 135 = MDR 1986, 852) verweist, ist dem entgegenzuhalten, daß es dort um eine Rasenfläche ging, die nach der Teilungserklärung schonend und pfleglich zu behandeln war und durch Mehrheitsbeschluß dem Ballspiel (einschließlich Fußball) für Kinder bis zu 14 Jahren ausgesetzt werden sollte, was für unzulässig gehalten wurde. Demgegenüber geht es hier um das gelegentliche Kinderspiel zweier vier bzw. acht Jahre alter Mädchen auf einer zur Benutzung für Kraftfahrzeuge befestigten Grundstückszufahrt, bei der eine erhebliche Beschädigung nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des LG ausgeschlossen ist. Abgesehen davon sind gegen die Entscheidung des OLG Düsseldorf im Schrifttum Zweifel dahin geäußert worden, daß es sich bei der Angabe Rasenfläche doch nur um eine Zustandsbeschreibung handele (vgl. Bielefeld, Der Wohnungseigentümer, 5. Aufl., S. 153), zumindest wird ein Grenzfall angenommen (Bärmann-Pick-Merle, WEG, 7. Aufl., § 15 Rdnr. 21).
Im Ergebnis bleibt für den vorliegenden Fall festzuhalten, daß eine Vereinbarung des Inhalts, daß der Mitgebrauch an der Zufahrt auch das nur gelegentliche Kinderspiel ausschließe, hier nicht festzustellen ist. Entgegen der Rechtsbeschwerdebegründung ist damit nicht eine gleichzeitige Benutzung als Kinderspielplatz, also eine längerfristige Hinderung des Zugangs gestattet. Der von den Ast. ferner angeführte Gesichtspunkt, die Kinder der Ag. könnten auch auf der Straße oder auf der hinteren Sondernutzungsfläche spielen, führt nicht rechtlich zwingend zu der erstrebten Einschränkung des Mitgebrauchs der Zufahrt.
e) Das Gesetz gestattet in § 13 II WEG den Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums. Weder eine Entziehung oder auch nur eine erhebliche Beeinträchtigung des Mitgebrauchs der Ast. an der Zufahrt ist nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des LG gegeben. Jedenfalls in der Vergangenheit ist Spielgerät auf der Zufahrt nicht aufgestellt worden, was eine kurzfristige Räumung zumindest erschweren könnte. Verfahrensfehlerfrei hat das LG insoweit auch von weiteren Ermittlungen abgesehen. Wenn sich die Rechtsbeschwerdebegründung darauf beruft, daß die gelegentliche Benutzung zum Kinderspiel nur auf das vorliegende Verfahren zurückzuführen sei und eine stärkere Benutzung in Zukunft nicht auszuschließen sei, ändert dies rechtlich nichts, zumal da über ein andersgeartetes künftiges Verhalten hier nicht zu befinden ist.
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