Wohnungsbindung: Verbrauch des Vorkaufsrechts nach Umwandlung der Miet- in eine Eigentumswohnung
Gericht
BGH
Art der Entscheidung
Revisionsurteil
Datum
14. 04. 1999
Aktenzeichen
VIII ZR 384/97
Dem Mieter einer öffentlich geförderten Wohnung, die in eine Eigentumswohnung umgewandelt ist oder umgewandelt werden soll, steht das gesetzliche Vorkaufsrecht nach § 2b Abs. 1 WoBindG nur für den ersten Verkaufsfall nachUmwandlung der Mietwohnung zu.
Nach einer Eigentumswohnung im Wege der Zwangsvollstreckung (§ 512 BGB) kann das Vorkaufsrecht vom Mieter nicht mehr ausgeübt werden (§ 2b Abs. 2 Satz 3 WoBindG).
Auszüge aus dem Sachverhalt:
Die Kläger (Kl.) waren seit 1981 Mieter einer dem Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) unterliegenden Wohnung in N. 1984 wurde der
Grundbesitz an PK veräußert, welcher das Grundstück in Wohnungseigentum aufteilte. 1989 erwarb die M GmbH in einem Zwangsversteigerungsverfahren diese Wohnung. Sie geriet später in Vermögensverfall und veräußerte - mit Zustimmung des seinerzeit bestellten Sequesters - die Eigentumswohnung an K. Die hierüber ihnen zugegangene und mit einem Hinweis auf § 2b WoBindG verbundene Mitteilung des Notarsnahmen die Kl. zum Anlaß, das Vorkaufsrecht auszuüben. Der inzwischen berufene Konkursverwalter der M GmbH stellte jedoch in Abrede, daß zugunsten der Kl. überhaupt ein Vorkaufsrecht bestehe, woraufhin die Kl. die anwaltliche Hilfe der Beklagten (Bekl.) in Anspruch nahmen. Die Bekl. nahmen zunächst den Rechtsstandpunkt der Kl. ein, erklärten später jedoch auf Aufforderung des Konkursverwalters der M GmbH unter dem 7. 11. 1992, daß ihre Mandanten sich keines Vorkaufsrechts hinsichtlich der Wohnung berühmten. Daraufhin wurde K als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen.
Mit der Klage verlangen die Kl. von den Bekl. Schadensersatz i. H. von 70000 DM mit der Begründung, diese hätten für die Abgabe der Erklärung vom 7. 11. 1992, durch die ihnen die Möglichkeit des Erwerbs der Eigentumswohnung genommen worden sei, kein Mandat gehabt.
Das LG hat die Klage abgewiesen, das OLG hat ihr dem Grunde nachentsprochen. Auf die Revision der Bekl. hat der VIII. Zivilsenat des BGH das klageabweisende erstinstanzliche Urteil wieder hergestellt.
Auszüge aus den Gründen:
I. (Der Senat stellt die Erwägungen des Berufungsgerichts dar.)
II. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts müssen die Bekl. für einen Vermögensnachteil, der den Kl. nach ihrem Vortrag daraus entstanden ist, daß sie die Eigentumswohnung im Jahr 1992 nicht durch Ausübung des Vorkaufsrechts zu einem günstigen Preis haben erwerben können, auch dann nicht einstehen, wenn die Bekl. zur Abgabe der Erklärung vom 7. 11. 1992 nichtberechtigt gewesen sein sollten. Die Kl. waren beim Verkauf der Eigentumswohnung im Jahr 1992 nicht mehr vorkaufsberechtigt, so daß sie auch dann, wenn in dem Schreiben ein Wille zur Aufgabe des Vorkaufsrechts zum Ausdruck kommen sollte, hierdurcheinen Schaden nicht erlitten haben.
1. a) … Nicht ausdrücklich geregelt hat der Gesetzgeber, ob der vorkaufsberechtigte Mieter das Vorkaufsrecht (scil. nach § 2b WoBindG) bei jedem Verkauf nach der Umwandlung ausüben kann, solange nur das Mietverhältnis noch besteht, oder ob es auf den ersten Verkaufsfall nach der Umwandlung beschränkt ist. Nach herrschender Meinung gibt § 2b Abs. 1 WoBindG ebenso wie das dieser Bestimmung nachgebildete Vorkaufsrecht gemäß § 570b BGB dem Mieter lediglich das Recht, beim ersten Verkauf nach der Umwandlung der Mietwohnung in eine Eigentumswohnung das Vorkaufsrecht auszuüben (Fischer-Dieskau/Pergande/Schwender/Bellinger, Wohnungsbaurecht, Bd. 3.1, Januar 1999, § 2b WoBindG Anm. 4; Reithmann/Albrecht/Basty, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung, 7. Aufl., Rn. 492; …; Voelskow, in: MüKo-BGB, 3. Aufl., § 570b Rn. 3 a. E.; Reinstorf , in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., Kap. II Rn. 896 c; Sternel, Mietrecht aktuell, 3. Aufl., Rn. A 57).
b) Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.
aa) … ist aber keine abschließende Aussage darüber getroffen, ob ein durch Gesetz begründetes Vorkaufsrecht auf einen Verkaufsfall begrenzt ist. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes (BGH v. 25. 10. 1961, V ZR 61/60, MDR 1962, 123; v. 19. 12. 1962, V ZR 239/60, WM 1963, 215 unter II). So entspricht es allgemeiner Ansicht, daß das gemeindliche Vorkaufsrecht nach §§ 24 ff. BauGB, das der Sicherung städtebaulicher Maßnahmen und insbesondere der Sicherung der Bauleitplanung dient (vgl. nur Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 6. Aufl., vor §§ 24-28, Rn. 1), nicht beim ersten Verkaufsfall ausgeübt werden muß, sondern auch für spätere Verkaufsfälle gilt (stattaller Battis/Krautzberger/Löhr, a. a. O., § 28 Rn. 4). Gleiches galt für die in den Aufbaugesetzen der Länder verankerten Vorkaufsrechte, soweit der Landesgesetzgeber nicht ein anderes bestimmthatte (BGH v. 25. 10. 1961, a. a. O.; v. 19. 12. 1962, a. a. O.).
bb) Sinn und Zweck des § 2b Abs. 1 WoBindG rechtfertigen es nicht, dem von der Umwandlung betroffenen Mieter ein Vorkaufsrecht auch dann noch zu gewähren, wenn er es beim erstenVerkaufsfall nach der Umwandlung nicht ausgeübt hat. Mit der Einführung des gesetzlichen Vorkaufsrechts nach § 2b WoBindGsollte der Gefahr einer spekulativen Verdrängung von Mietern aus Sozialmietwohnungen im Zuge der Umwandlung in Eigentumswohnungen entgegengewirkt werden; gleichzeitig wollte der Gesetzgeber die Veräußerung der Wohnungen grundsätzlich an die bisherigen Mieter sichern (BT-Drs. 8/3403, S. 3, 35, 40 f.). Eine solche Gefahr besteht regelmäßig nur beim erstenVerkauf nach der Umwandlung, weil der Eigentümer, der von der Umwandlung profitieren will, sein Spekulationsinteresse typischerweise durch einen baldigen Verkauf der umgewandeltenWohnungen realisieren will. Allein hiergegen wollte der Gesetzgeber den Mieter schützen; anderenfalls hätte es nahegelegen, einem Mieter bei jedem Verkauf einer gemieteten Eigentumswohnung - unabhängig davon, ob und zu welchem Zeitpunkt dieseumgewandelt wurde - ausdrücklich ein Vorkaufsrecht einzuräumen. Die Beschränkung auf den ersten Verkauf einer umgewandelten Eigentumswohnung, der erfahrungsgemäß in besondererWeise von spekulativen Absichten begleitet ist, stellt demgegenüber auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben (Art. 14 GG) einen ausgewogenen Kompromiß zwischen dem Verwertungsinteresse des Eigentümers und dem Interesse des Mieters am Erhalt der Wohnung dar. Übt der Mieter das Vorkaufsrecht beim ersten Verkaufsfall nicht aus, besteht keineRechtfertigung mehr, ihn für die Zukunft stärker zu schützen als den Mieter, der eine bereits bestehende Eigentumswohnung angemietet hat (zutr. Staudinger/Sonnenschein, BGB, 13. Bearb., § 570b Rn. 51; Becker, MittRhNotK 1985, 209, 212). SolchenVertragsgestaltungen, die dem Vorkaufsberechtigten nach der Umwandlung die Ausübung des Vorkaufsrechts unmöglich machen und allein der Umgehung des Vorkaufsrechts dienen, kann im Einzelfall in geeigneter Weise, etwa unter Heranziehung des Gesichtspunktes von Treu und Glauben, entgegengewirkt werden (vgl. BGHZ 115, 335, 340). Einer Ausweitung des Vorkaufsrechts auf alle Verkaufsfälle nach der Umwandlung bedarf es nicht, um dieser Gefahr wirksam zu begegnen (a. A. Soergel/Heintzmann, BGB, 12. Aufl., § 570b Rn. 8).
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist eine andere Beurteilung auch dann nicht geboten, wenn der erste Verkaufsfall ein nach § 512 BGB nicht zum Vorkauf berechtigenderVerkauf im Wege der Zwangsvollstreckung, zu der auch die Zwangsversteigerung zu rechnen ist, oder ein Verkauf durch den Verwalter aus einer Konkurs- bzw. Insolvenzmasse ist. Daß in diesen Fällen kein Vorkaufsrecht besteht, führt nicht dazu, daß nunmehr zur Wahrung der Schutzbedürftigkeit des Mieters der Verkauf, der einer Zwangsversteigerung oder einer sonstigen § 512 BGB unterfallenden Veräußerung nachfolgt, das Vorkaufsrecht auslöst.
a) Auf den Gesichtspunkt, daß der Eigentumserwerb in der Zwangsversteigerung durch einen Hoheitsakt erfolgt und keinerechtsgeschäftliche Veräußerung darstellt (so AG Frankfurt, NJW 1995, 1034, 1035; Heintz, Vorkaufsrecht des Mieters, 1998, Rn. 370), ist nicht abzustellen. § 512 BGB beschreibt auch die Zwangsversteigerung als Verkauf im Wege der Zwangsvollstreckung. Die Bestimmung des § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB, die - aus den gleichen gesetzgeberischen Erwägungen, die zur Einführung eines Vorkaufsrechts des Mieters geführt haben - einedreijährige Sperre für Eigenbedarfskündigungen ab der Veräußerung einer umgewandelten Eigentumswohnung vorsieht, giltungeachtet der Verwendung des Wortes „Veräußerung“ ebenfallsgleichermaßen für einen Zuschlag von Wohnungseigentum im Wege der Zwangsversteigerung (BayObLG v. 10. 6. 1992, WM 1992, 1615, 1617).
b) Ob die erstmalige Veräußerung einer umgewandelten Eigentumswohnung durch einen von § 512 BGB erfaßten Verkaufsvorgang als Verkaufsfall i. S. von § 2b WoBindG gilt mit der Folge, daß von einem solchen Verkauf zwar kraft der Bestimmung des § 512 BGB kein Vorkaufsrecht ausgelöst wird, wohlaber das Vorkaufsrecht für weitere Verkaufsfälle verbraucht ist, bestimmt sich nicht nur nach den Interessen des Mieters und des betroffenen Eigentümers. Vielmehr sind auch die Interessen derjenigen Personen einzubeziehen, die von einem unter § 512 BGB fallenden Verkauf betroffen sind.
aa) § 512 BGB trägt neben dem Schutz des Vollstreckungsschuldners oder des Gemeinschuldners vor denkbaren Schadensersatzansprüchen des Vorkaufsberechtigten (vgl. Motive zum BGB, Band II, S. 350; BGH v. 22. 9. 1976, R 77/76, NJW 1977, 37; Soergel/Huber, a. a. O., § 512 Rn. 1) dem Interesse der Gläubiger an einer zügigen und möglichst günstigen Verwertung der dem Vorkaufsrecht unterliegenden Vermögensgegenstände Rechnung. Dahinter haben die Interessen des Vorkaufsberechtigten zurückzutreten (BGH v. 22. 9. 1976, a. a. O.).
Die Verwertung wäre beeinträchtigt, wenn der Erwerber das Vorkaufsrecht für eine Eigentumswohnung, die er durch einenVerkauf i. S. von § 512 BGB erworben hat, übernehmen müßte. Da ihn das Fortbestehen des Vorkaufsrechts seinerseits in der wirtschaftlichen Verwertung der Eigentumswohnung behindern würde, wäre er regelmäßig nur zur Zahlung eines geringerenKaufpreises bereit. Das ginge zu Lasten der die Zwangsverwertung betreibenden Gläubiger.
bb) Das Interesse der Gläubiger an einer effektiven Verwertung, das § 512 BGB als schutzwürdig anerkennt, hat auch nichtdeshalb hinter die Interessen des vorkaufsberechtigten Mieters zurückzutreten, weil dies zur Abwendung der Gefahr, vor der die Gewährung eines Vorkaufsrechts den Mieter schützen soll, zwingend geboten wäre.
Das Vorkaufsrecht nach § 2b WoBindG kann einen Mieter- wie dargelegt - nicht umfassend davor schützen, nach einemWechsel des Eigentümers die gemietete Wohnung durch eine berechtigte Kündigung des Mietverhältnisses zu verlieren. Die Regelung will lediglich den Eigentümerwechsel erschweren, dem auf der Seite des Veräußerers vornehmlich spekulative Interessen zugrunde liegen. Ein solches Interesse kann sich jedoch nicht verwirklichen, wenn der Wohnungseigentümer in wirtschaftlicheSchwierigkeiten gerät und zu einem nicht von ihm, sondern von seinen Gläubigern veranlaßten „Zwangsverkauf“ i. S. des § 512 BGB genötigt wird. Demgegenüber bleibt der Mieter durch die Kündigungssperre des § 564b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 BGB jedenfalls auf Zeit vor einer Verdrängung aus der gemieteten Wohnung geschützt (vgl. BayObLG, WM 1992, 1615, 1617). Darüber hinaussteht es ihm frei, bei der Zwangsversteigerung der Eigentumswohnung mitzubieten. Soll die Wohnung in einem Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren verwertet werden, wird der Verwalter die Wohnung schon deswegen, weil eine vermietete und einer Kündigungssperre unterliegende Eigentumswohnung auf dem freienMarkt nur schwer zu veräußern ist, in aller Regel dem Mieter zum Kauf anbieten. Damit eröffnet sich dem Mieter regelmäßig sogar die Möglichkeit, auf den Kaufpreis Einfluß zu nehmen, während er bei Ausübung des Vorkaufsrechts die Bedingungen des Kaufvertrages zwischen dem Vorkaufsverpflichteten und dem Dritten unverändert übernehmen müßte. …
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