Stillschweigende Eigenschaftszusicherung bei Verkauf eines Wohnhauses

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

12. 04. 1996


Aktenzeichen

V ZR 83/95


Leitsatz des Gerichts

Zur Frage einer stillschweigenden Eigenschaftszusicherung beim Verkauf eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Mit notariellem Vertrag vom 28. 10. 1991 kauften die Kl. von den Bekl. ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück zum Preise von 332500 DM. Der Vertrag enthält einen Gewährleistungsausschluß „für Mängel irgendwelcher Art sowie für Größe, Güte und Beschaffenheit“. Zur Zahlungspflicht heißt es:

„Die Zahlung des Kaufpreises erfolgt:

a) Durch Übernahme der Grundschuld Abteilung III/1 mit dem Stand zum 30. 11. 1991 in Höhe von 294068,12 DM ... und

b) in Höhe von 38431,88 DM bis spätestens 30. 11. 1991, ...

Im Falle des Zahlungsverzuges ist der Kaufpreis mit 10 v.H. jährlich zu verzinsen."

Gegen die wegen des Restkaufpreises von 38431,88 DM aus der Urkunde eingeleitete Zwangsvollstreckung haben die Kl. Zwangsvollstreckungsgegenklage erhoben und geltend gemacht, das Haus weise einen Sachmangel auf, für den die Bekl. einzustehen hätten. Sie hätten nämlich eine tragende Wand im Erdgeschoß entfernt, so daß die Statik gefährdet sei.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens haben die Parteien den Kaufvertrag aufgehoben, wobei etwaige Schadensersatzansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, unberührt bleiben sollten. Die Kl. haben daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Bekl. haben sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen und widerklagend, gestützt auf die vertraglich vereinbarte Verzinsung des Kaufpreises im Verzugsfall, Zahlung von 79892,36 DM nebst 8 % Zinsen seit dem 15. 4. 1994 verlangt. Das OLG hat die Feststellung ausgesprochen, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, und die Widerklage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision der Bekl., mit der sie ihre zuletzt gestellten Anträge auf Abweisung der Klage und Stattgeben der Widerklage weiterverfolgen. Das Rechtsmittel hatte überwiegend Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Das BerGer. vertritt die Auffassung, die Zwangsvollstreckungsgegenklage sei ursprünglich begründet gewesen. Die Kl. hätten dem titulierten Zahlungsanspruch von 38431,88 DM entgegenhalten können, daß die Bekl. gem. § 463 S. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet seien. Dem gekauften Haus habe nämlich die stillschweigend zugesicherte Eigenschaft der Bewohnbarkeit gefehlt, weil nach dem eingeholten Sachverständigengutachten davon auszugehen sei, daß das Gebäude aufgrund einer fehlerhaften Dachkonstruktion - die mit dem Entfernen der Wand durch die Kl. nicht im Zusammenhang steht - einsturzgefährdet sei. Da die Kl. infolgedessen berechtigt gewesen seien, die Zahlung des Kaufpreises zu verweigern, sei die auf Verzug gestützte Widerklage unbegründet. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

II. 1. Zur Klage

Die Zwangsvollstreckungsgegenklage war von Anfang an nicht begründet. Den Kl. standen Gewährleistungsrechte wegen des von dem Sachverständigen festgestellten Fehlers in der Statik des Gebäudes nicht zu.

a) Das BerGer. geht rechtsfehlerfrei davon aus, daß das Haus aufgrund einer fehlerhaften Dachkonstruktion einsturzgefährdet war. Diese Feststellung wird von der Revision nicht angegriffen.

b) Eine Haftung wegen dieses Sachmangels unter dem Gesichtspunkt des § 459 I BGB ist jedoch vertraglich ausgeschlossen. Daß die Bekl. den Fehler arglistig verschwiegen hätten, so daß der Gewährleistungsausschluß nichtig wäre (§ 476 BGB), haben die Kl. nicht behauptet. Infolgedessen kommt eine Haftung nur in Betracht, wenn die Bekl. vertraglich zugesichert haben, daß das Haus frei von einem solchen die Bewohnbarkeit einschränkenden Fehler ist (§§ 459 II , 463 S. 1 BGB). In diesem Fall wäre der generelle Haftungsausschluß einschränkend dahin auszulegen, daß die mit der Zusicherung bestimmter Eigenschaften übernommene Haftung hiervon unberührt bleibt (vgl. BGH,NJW 1983, 1424 = LM § 463 BGB Nr. 44 = WM 1983, 363f.; BGHZ 93, 338 (342) = NJW 1985, 1333 = LM § 459 BGB Nr. 77).

c) Die Voraussetzungen für die Annahme einer Eigenschaftszusicherung durch die Bekl. liegen jedoch entgegen der Auffassung des BerGer. nicht vor.

Eine Zusicherung i.S. des § 459 II BGB setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH voraus, daß der Verkäufer in vertragsmäßig bindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer Eigenschaft als Kaufsache übernimmt und damit die Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen (BGHZ 59, 158 (160) = NJW 1972, 1706 = LM § 459 BGB Nr. 30; Senat, WM 1982, 696 (697); NJW 1991, 912 = LM § 133 (C ) BGB Nr. 72; NJW 1996, 836 (837) = LM H. 5/1996 § 459 BGB Nr. 127). Dies gilt auch - und erst recht - für eine hier allein in Betracht kommende konkludente Zusicherung (Senat, NJW 1988, 1202 = LM § 459 BGB Nr. 89 = WM 1988, 716 (717)). Ob danach eine Zusicherung erfolgt ist, ist eine Frage der Auslegung, bei der das Verhalten des Verkäufers aus der Sicht des Käufers unter Berücksichtigung seines Erwartungshorizonts bei objektiver Würdigung der Umstände nach Treu und Glauben zu bewerten ist (BGH, NJW 1991, 1880 = LM § 459 BGB Nr. 107 m.w.Nachw.).

Hiervon geht auch das BerGer. aus. Die Annahme einer Eigenschaftszusicherung beruht jedoch auf einem Auslegungsfehler, da es den festgestellten Sachverhalt nicht ausreichend gewürdigt und an den oben genannten Voraussetzungen gemessen hat (§§ 133 , 157 BGB). Der Umstand, daß das Haus im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bewohnt wurde und daß keine Anhaltspunkte für eine geplante Nutzungsänderung durch die Käufer vorlagen, rechtfertigt nicht den Schluß, daß die Bekl. für die sich aus der mangelhaften Dachkonstruktion ergebenden Folgen einstehen wollten. Er besagt nur, daß ein Grundstück mit einem Wohnhaus verkauft wurde, daß dem Vertragsgegenstand also eine bestimmte Eigenschaft zukam. Für die Frage, ob diese Eigenschaft zugesichert wurde, gibt dieser Umstand nichts her (vgl. auch Senat,NJW 1988, 1202 = LM § 459 BGB Nr. 89 = WM 1988, 716 (717): Bezeichnung der Kaufsache als „Bauplatz“). Fehlerhaft ist auch die Annahme des BerGer., die Bekl. hätten, von den Kl. nach der Bewohnbarkeit des Hauses gefragt, ausdrücklich die Zusicherung abgeben müssen, daß das Haus im derzeitigen Zustand uneingeschränkt zu Wohnzwecken geeignet sei. Eine solche Pflicht besteht nicht. Der Verkäufer hat bei Fragen nach dem Zustand des Kaufgegenstandes nur die Pflicht, wahrheitsgemäß zu antworten. Zu einer vertraglichen Gewährübernahme durch Abgabe einer Zusicherung ist er nicht verpflichtet. Nicht bedacht hat das BerGer. ferner, daß für eine Eigenschaftszusicherung auch aus der Sicht der Kl. kein Anlaß bestand. Die Frage der Nutzbarkeit des Hauses als Wohnhaus war von beiden Parteien stillschweigend als selbstverständlich vorausgesetzt, nicht aber zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht worden. Die Kl. haben auch nicht - was gegebenenfalls für die Annahme einer Zusicherung sprechen könnte (vgl. BGH, NJW-RR 1991, 1401 = LM H. 5/1992 § 459 BGB Nr. 110 m.w.Nachw.) - auf eine besondere Sachkunde der Bekl. vertraut. Diese waren ebenso Laien wie die Kl. selbst.

Die rechtsfehlerhafte Auslegung des BerGer. hat daher keinen Bestand. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann der Senat die Umstände selbst würdigen (st. Rspr., z.B.BGHZ 65, 107 (112) = NJW 1976, 43 = LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 79a; Senat, NJW-RR 1990, 1161 = LM § 133 (C ) BGB Nr. 70 = WM 1990, 1755). Diese ergibt - wie dargelegt -, daß die Voraussetzungen für die Annahme einer Eigenschaftszusicherung nicht gegeben sind.

d) Offen bleiben kann, ob der vertragliche Haftungsausschluß solche Mängel nicht erfaßt, die von derart grundlegender Art sind, daß eine Freizeichnung mit dem Gebot von Treu und Glauben nicht mehr vereinbar wäre (vgl. Senat, NJW 1967, 32 (33) = LM § 157 (Gf) BGB Nr. 7; NJW 1986, 2824 (2825) = LM § 242 (A) BGB Nr. 66). Dieser Fall ist hier, da der Mangel ohne weiteres behebbar ist, nicht gegeben.

e) Auch unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage erweist sich die Entscheidung nicht im Ergebnis als richtig. Diese Grundsätze finden neben dem Sachmängelgewährleistungsrecht keine Anwendung, auch wenn im konkreten Fall die Haftung vertraglich ausgeschlossen ist (Senat, BGHZ 98, 100 (103f.) = NJW 1986, 2824 = LM § 242 (A) BGB Nr. 66).

2. Zur Widerklage

a) Der mit der Widerklage geltend gemachte Anspruch ist dem Grunde nach berechtigt. Er ergibt sich aus der im Vertrag für den Verzugsfall getroffenen Zinsvereinbarung (Nr. 5 des notariellen Vertrages) und besteht nach den Vereinbarungen über die Vertragsaufhebung fort. Da der Zahlungszeitpunkt kalendermäßig bestimmt war (spätestens 30. 11. 1991), war eine Mahnung für den Verzugseintritt nicht erforderlich (§ 284 II BGB).

b) Der Anspruch ist jedoch der Höhe nach nur zu einem Teil begründet. Die Bekl. machen für die Zeit vom 1. 12. 1991 bis zum 4. 4. 1994, dem Zeitpunkt der Zahlung infolge anderweitiger Veräußerung, die vertraglich bedungenen Zinsen von 10 % geltend, und zwar auf den Gesamtkaufpreis in Höhe von 332500 DM. Berechtigt ist hingegen nur eine Zinsforderung hinsichtlich des durch Zahlung zu erbringenden Betrages von 38431,88 DM. Dies ergibt sich aus den vertraglichen Regelungen, die der Senat - soweit erforderlich - selbst auslegen kann, da das BerGer. eine Auslegung - aus seiner Sicht konsequent - unterlassen hat und weitere Feststellungen nicht zu treffen sind.

Die Parteien haben die Bezahlung des Kaufpreises aufgeteilt. In Höhe von 294068,12 DM übernahmen die Kl. - vorbehaltlich der Genehmigung der Gläubigerbank, die der Notar einzuholen beauftragt wurde - eine bestehende Grundschuld nebst gesicherter Forderung. Wegen des Restes von 38431,88 DM wurde Zahlung bis zum 30. 11. 1991 vereinbart. Der Umstand, daß beide Verpflichtungen in dem Vertrag selbständig nebeneinander aufgeführt werden, spricht dafür, daß es sich bei der Schuldübernahme nicht um eine Leistung an Erfüllungs Statt oder erfüllungshalber handelt, sondern um eine neben der Zahlungsverpflichtung in Höhe von 38431,88 DM geschuldete Leistung. Danach würde der am Anfang der Vertragsurkunde genannte Gesamtkaufpreis nur eine Rechengröße darstellen und keine Zahlungspflicht in voller Höhe - und damit auch keine Zinsansprüche - begründen können (vgl. RGZ 120, 166 (169); RGZ 121, 38 (41); Senat, NJW 1958, 906 = LM § 99 LAG Nr. 1; WM 1964, 1235 (1236); Heinrichs, in: MünchKomm, 3. Aufl., § 364 Rdnr. 10).

Selbst wenn dies aber nicht anzunehmen sein sollte, fehlt es an den Voraussetzungen für einen Zinsanspruch, soweit es sich um den durch Schuldübernahme geregelten Kaufpreisanteil handelt. Der Vertrag enthält nämlich eine Vereinbarung über die Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von 10 % nur für die unter b aufgeführte Zahlungspflicht in Höhe von 38431,88 DM. Das ergibt sich nicht nur aus dem formalen Regelungszusammenhang, sondern auch daraus, daß die Verzinsung an den Zahlungsverzug geknüpft ist, der nur hinsichtlich der geschuldeten Geldleistung eintreten kann. Daß Zinsen auch für den Fall geschuldet sein sollten, daß die Schuldübernahme nicht genehmigt würde oder die Kl. die sich aus der Schuldübernahme gegenüber den Bekl. ergebenden Verpflichtungen (§ 415 III BGB) nicht erfüllten, kann der Regelung nicht entnommen werden. Das schließt nicht die Geltendmachung eines Verzugsschadens nach allgemeinen Grundsätzen aus (§ 286 I BGB). Hierauf stützen die Bekl. ihren Anspruch jedoch nicht. So ist weder vorgetragen noch ersichtlich, daß die Kl. mit ihrer Verpflichtung in Verzug geraten sind. Insoweit war auch - bei unterstellter Nichtleistung - eine Mahnung nicht entbehrlich, da sich die kalendermäßige Bestimmung der Leistung ersichtlich nur auf die unter b geregelte Zahlungspflicht bezog.

c) Der geltend gemachte Zinsanspruch ist daher nur in Höhe von 9127,57 DM begründet (855 Zinstage von 38431,88 DM). Zinsen können die Bekl. auf diese Forderung nicht beanspruchen, da Zinseszinsen nicht geschuldet sind (§ 289 S. 1 BGB). Für einen konkreten Verzugsschaden, dessen Geltendmachung nicht ausgeschlossen ist (§ 289 S. 2 BGB), fehlt entsprechender Vortrag.

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht; Kaufrecht

Normen

BGB § 459 II