Unterschreitung der werkvertraglich vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % als Fehler auch ohne Zusicherung der Größe

Gericht

BGH


Art der Entscheidung

Revisionsurteil


Datum

11. 07. 1997


Aktenzeichen

V ZR 246/96


Leitsatz des Gerichts

  1. Der Begriff „Wohnfläche“ ist auslegungsbedürftig.

  2. Ist die Wohnfläche einer Dachgeschoßwohnung mehr als 10 % kleiner als nach dem Werkvertrag geschuldet, so liegt hier ein Fehler vor, der den Erwerber zur Minderung der Vergütung berechtigt, auch wenn die Größe nicht zugesichert war.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Mit notariellem Vertrag vom 27. 12. 1991 „kauften“ die Kl. von den Rechtsvorgängern der Bekl. eine noch zu erstellende Dachgeschoßwohnung zum Preis von 276900 DM. Die Wohnung wurde nach den mitbeurkundeten Unterlagen (Baubeschreibung und „vermaßter Ausbauplan“) mit der dort vorgesehenen Grundfläche erstellt. Eine ausdrückliche Wohnflächenangabe ist in dem Vertrag und den Anlagen nicht enthalten. Vor Abschluß des Kaufvertrages hatten die Kl. einen Gesamtprospekt mit Unterlagen (Wohnungsgrundriß und Preisübersicht) erhalten, in denen für die Dachgeschoßwohnung die Angaben „Wohnfläche gesamt ca. 78,00 qm, Kaufpreis 276900 DM“ gemacht ist. Der Gesamtprospekt enthält ferner den Hinweis, daß „ausschließlich der Kaufvertrag und die notariell beurkundete Baubeschreibung gelten". Eine „Flächenberechnung nach DIN 277/283“ des Streithelfers vom 14. 12. 1993 ergab unter Berücksichtigung der Dachschrägen eine „WOFA 68,410 qm“. Die Kl. verlangen für einen Flächenunterschied von 9,5 qm von der Bekl. den Ersatz des Wohnungsminderwertes und der zuviel bezahlten Erwerbskosten.

Das LG hat der Klage in Höhe von insgesamt 39897,88 DM stattgegeben. Die Berufung der Bekl. gegen diese Entscheidung hat das OLG zurückgewiesen. Die - zugelassene - Revision der Bekl. blieb ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

I. Das BerGer. geht davon aus, daß eine Wohnfläche von 78 qm Vertragsinhalt geworden sei. Die Kl. könnten daher eine Minderung von 31950 DM, nämlich je 3550 DM für 9 qm Minderfläche, geltend machen. Ferner stünden ihnen hinsichtlich der höheren Erwerbskosten ein Schadensersatzanspruch aus § 463 BGB zu, weil hinsichtlich der Wohnfläche von 78 qm von einer zugesicherten Eigenschaft auszugehen sei. Jedenfalls sei der Anspruch nach den Grundsätzen über das Verschulden bei Vertragsschluß begründet, weil die Kl. nicht darauf hingewiesen worden seien, daß im Prospekt nur die Grundfläche der Wohnung angegeben sei. Dies hält den Angriffen der Revision im Ergebnis stand.

II. Den Kl. steht gegen die Bekl. wegen der geltend gemachten Mindergröße der Wohnfläche ein Minderungsrecht und ein Schadensersatzanspruch in der zugesprochenen Höhe zu (§§ 633 I , 634 I 3, II , 635 BGB).

1. Auf das Vertragsverhältnis der Parteien sind die Regelungen des Werkvertrages anzuwenden, auch wenn der Vertrag als „Kaufvertrag“ bezeichnet wurde und die Wohnung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits im wesentlichen fertiggestellt war. Entscheidend ist insoweit, ob - wie hier - eine Verpflichtung der Veräußerer zur Herstellung der Eigentumswohnung bestand (BGHZ 68, 372 = NJW 1977, 1336 = LM § 633 BGB Nr. 28; BGHZ 74, 204 (206) = NJW 1979, 1406 = LM § 633 BGB Nr. 34; BGHZ 87, 112 (117) = NJW 1983, 1489 = LM § 1 AbzG Nr. 15).

2. Ein Minderungsrecht der Kl. besteht, wenn der Wohnung eine zugesicherte Eigenschaft fehlt oder wenn sie mit einem Fehler behaftet ist (§ 633 I i.V. mit § 634 I , II BGB). Es kann hier dahinstehen, ob allein die vertragliche Verpflichtung zur Schaffung einer „Wohnfläche“ bestimmter Größe als Zusicherung einer entsprechenden Eigenschaft anzusehen ist, weil die Mindergröße der „Wohnfläche“ um mehr als 10 % jedenfalls ein Fehler nach § 633 I BGB ist, der die Kl. zur Minderung berechtigt.

a) Zu Recht stellt das BerGer. fest, daß eine „Wohnfläche“ von 78 qm Vertragsinhalt geworden ist. Dabei kommt es entgegen der Auffassung der Revision nicht darauf an, ob der notarielle Kaufvertrag auf den „Gesamtprospekt“ und die entsprechenden Unterlagen verweist. Die Kl. gingen aufgrund dieser Unterlagen davon aus, daß sie eine „Wohnfläche“ von 78 qm erwarben. Eine andere Größe war im notariellen Vertrag und seinen Anlagen nicht genannt. Die einseitige Vorstellung einer Vertragspartei ist für die Bestimmung des Vertragsinhalts allerdings nur dann von Bedeutung, wenn der Erklärungsempfänger den wirklichen Willen des Erklärenden erkennt und in Kenntnis dieses Willens den Vertrag abschließt (BGH, NJW-RR 1989, 931 = BGHRBGB§ 133 - Wille 6 m.w. Nachw.; NJW 1997, 1778 (1779) = LM H. 7/1997 § 434 BGB Nr. 13). Nicht erforderlich ist, daß sich der Erklärungsempfänger den wirklichen Willen des Erklärenden zueigen macht.

Die Veräußerer haben nach dem eigenen Vortrag der Bekl. gewußt, daß in den Prospektunterlagen als „Wohnfläche“ die ca. 78 qm Grundfläche der Dachgeschoßwohnung angegeben war. Sie wußten damit auch, daß die Kl. von 78 qm „Wohnfläche“ ausgingen, da im notariellen Vertrag und seinen Anlagen eine andere Größe weder ausdrücklich angegeben noch aus der Baubeschreibung oder den Planunterlagen erkennbar war. Die Verkäufer haben deshalb die falsche Vorstellung der Kl. über die Größe der zu erwerbenden „Wohnfläche“ gekannt. Damit wird die Vereinbarung von 78 qm „Wohnfläche“ von einem übereinstimmenden Willen der Parteien bei Vertragsabschluß getragen.

aa) Die Revision kann sich insoweit nicht darauf berufen, daß der „ca."-Zusatz bei den Angaben in den Prospektunterlagen die vertragliche Angabe unverbindlich mache. Dies ließe sich allenfalls für eine geringfügige Abweichung vertreten, nicht aber für einen Unterschied von mehr als 10 %.

bb) Auch soweit die Revision meint, durch den Prospektvorbehalt hinsichtlich der endgültigen Baubeschreibung sei die Wohnflächenangabe unverbindlich gewesen, kann sie keinen Erfolg haben. Dieser Vorbehalt bezieht sich nur auf die tatsächliche Bauausführung, die hier nicht in Rede steht, nicht aber auf die Wohnflächenangabe, die in der endgültigen Baubeschreibung nicht anders angegeben ist.

b) Das BerGer. hat entgegen der Meinung der Revision den vertraglich verwendeten Begriff der „Wohnfläche“ bei Dachgeschoßwohnungen mit Schrägen nicht verkannt.

aa) Vertragliche Regelungen der Parteien oder Bezugnahmen auf andere Regelungen zum Inhalt des Begriffes „Wohnfläche“ und ihrer Berechnung liegen hier nicht vor. Ein allgemeiner Sprachgebrauch für den Begriff der „Wohnfläche“ hat sich nicht entwickelt (BGH, NJW 1991, 912 (913) = LM § 133 (C ) BGB Nr. 72; NJW-RR 1991, 1120 (1121) = LM H. 2/1997 § 276 (Hc) BGB Nr. 12; BayObLGZ 1996, 58 (61) = NJW 1996, 2106 = NJWE-MietR 1996, 203 L). . Der Begriff ist daher auslegungsbedürftig. Dabei durfte das BerGer. auch eine festgestellte Verkehrssitte berücksichtigen (BayObLGZ 1996, 58 (61) = NJW 1996, 2106 = NJWE-MietR 1996, 203 L)..

bb) Einen Auslegungsfehler des BerGer. vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Gestützt auf das Sachverständigengutachten ist es rechtsfehlerfrei, von einer Verkehrssitte ausgegangen, nach der hier die Wohnfläche nicht nach der Grundfläche, sondern in Anlehnung an die DIN 283 oder die 2. Berechnungsverordnung ermittelt wird. Danach bleiben Flächen unter Schrägen bei der Wohnflächenberechnung unberücksichtigt, soweit der Raum über ihnen eine lichte Höhe von weniger als 1 m hat. Soweit diese Höhe zwischen 1 m und 2 m liegt, werden die Flächen nur zur Hälfte angerechnet. Die Angriffe der Revision gegen das Gutachten gehen fehl. Die Gültigkeit der DIN 283 ist für die Bildung einer entsprechenden Verkehrssitte unbeachtlich. Die vom Gutachter ausgewerteten Antworten der örtlichen Maklerfirmen haben ergeben, daß diese Verkehrssitte der Wohnflächenberechnungen für alle Wohnungen, also auch für Dachgeschoßwohnungen, gilt.

c) Entgegen der Meinung der Revision ist das BerGer. zu Recht davon ausgegangen, daß die Wohnfläche nur 69 qm beträgt und darin ein Fehler nach § 633 I BGB liegt, der zur Minderung berechtigt.

aa) Im Verfahren vor dem LG haben die Parteien hinsichtlich einer tatsächlichen Minderwohnfläche von 9 qm einen entsprechenden Zwischenvergleich geschlossen. In der Berufungsinstanz war dies ebenfalls unstreitig. Die Bekl. hat sich die nachträgliche Berechnung des Streithelfers mit 69 qm in der Berufungsbegründung zueigen gemacht. Entgegen der Meinung der Revision durfte damit das BerGer. das spätere pauschale und unsubstantiierte Bestreiten der Bekl. als unbeachtlich ansehen und ohne weitere Beweisaufnahme von einer tatsächlichen Wohnfläche von 69 qm ausgehen.

bb) Die Wohnung ist wegen dieser Mindergröße von mehr als 10 % der Wohnfläche fehlerhaft (§ 633 I BGB), weil dies ihren Wert entsprechend mindert. Denn die Wohnfläche einer Wohnung ist nach der Verkehrsauffassung ein Merkmal, das von wesentlicher Bedeutung für den Wert ist. Die Beseitigung dieses Mangels ist nicht möglich (§ 634 II BGB), weil die fehlende Wohnfläche nicht nachgeliefert werden kann.

3. Gegen die zutreffende Berechnung des Minderungsanspruchs in Höhe von 31950 DM erhebt die Revision keine Einwendungen.

4. Soweit sie den zuerkannten Schadensersatzanspruch hinsichtlich der entsprechenden höheren Erwerbskosten (Finanzierungsaufwand, Grundsteuer und Notarkosten) angreift, kann sie keinen Erfolg haben. Dieser Anspruch folgt aus § 635 BGB, da die damaligen Gesellschafter den Mangel zu vertreten hatten. Wie das BerGer. in anderem Zusammenhang festgestellt hat, wußten sie bei Vertragsabschluß, daß die Prospektangabe von 78 qm die Grundfläche, nicht aber die tatsächliche „Wohnfläche“, betraf und haben die Kl. nicht auf die fehlerhafte Bezeichnung hingewiesen. Zwischen dieser zumindest fahrlässigen Pflichtverletzung (§ 276 BGB; vgl. RGZ 58, 173 (180)) und dem Entschluß der Kl., die Dachgeschoßwohnung zum vereinbarten Preis zu erwerben, besteht der erforderliche Ursachenzusammenhang. Denn ohne die falsche Wohnflächenangabe hätten die Kl. die höheren Erwerbskosten nicht aufzuwenden brauchen (vgl. BGHZ 111, 314 = NJW 1990, 2461 (2463f.) = LM § 276 (Fa) BGB Nr. 111; BGH, NJW-RR 1991, 218 (219) = LM § 676 BGB Nr. 157).

Rechtsgebiete

Grundstücks- und Wohnungseigentumsrecht

Normen

BGB §§ 133, 634 I 3