Quotale Kürzung der Eigenheimzulage nur dann, wenn mehrere Miteigentümer zugleich Anspruchsberechtigte sind

Gericht

FG Rheinland-Pfalz


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

10. 03. 1998


Aktenzeichen

2 K 3479/97


Leitsatz des Gerichts

Eine quotale Kürzung der Eigenheimzulage erfolgt in Miteigentumsfällen nur dann, wenn mehrere Miteigentümer zugleich auch Anspruchsberechtigte sind.

Tatbestand


Auszüge aus dem Sachverhalt:

Streitig ist neben der Höhe der Eigenheimzulage, ob der Bekl. den Einspruch der Kl. gegen den Bescheid vom 21. 8. 1996 über die Festsetzung der Eigenheimzulage wegen Versäumnis der Einspruchsfrist zu Recht als unzulässig verworfen hat.

Mit Kaufvertrag vom 18. 1. 1996 erwarben die Kl. als Miteigentümer zu je einem Viertel zusammen mit ihrem Sohn (der Miteigentümer zur Hälfte wurde) das Objekt zum Kaufpreis von insgesamt 420 000 DM. Das Gebäude besteht aus zwei Eigentumswohnungen. Eine der Wohnungen nutzen die Kl. zu eigenen Wohnzwecken, die andere der Sohn mit seiner Familie. Für die von ihnen genutzte Wohnung beantragten die Kl. Eigenheimzulage unter Berücksichtigung eines Fördergrundbetrages i.H. von 2 500 DM.

Mit Bescheid vom 21. 8. 1996 setzte der Bekl. die Eigenheimzulage auf 1 250 DM fest, wobei er den Fördergrundbetrag nur mit 1 250 DM berücksichtigte. Aus der Berechnung auf der Rückseite des Bescheides geht hervor, daß eine Kürzung des Fördergrundbetrages von 50% wegen Miteigentums erfolgte.

Mit Schreiben vom 31. 7. 1997, eingegangen beim Bekl. am 8. 8. 1997, legten die Kl. gegen den Eigenheimzulage-Bescheid Einspruch ein und stellte zugleich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Den Antrag auf Wiedereinsetzung begründeten sie damit, im Bescheid vom 19. 8. 1996 sei die Abweichung von seinem Antrag nicht begründet worden. Eine Anlage zum Bescheid mit Erläuterungen hätten sie nicht erhalten. Vor Erlaß des von ihrem Antrag abweichenden Bescheides sei ihnen kein rechtliches Gehör gewährt worden.

Der Bekl. hat den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 20. 11. 1997 als unzulässig verworfen.

Mit ihrer Klage begehren die Kl. die Aufhebung der Einspruchsentscheidung, sowie die antragsgemäße Festsetzung der Eigenheimzulage. Zur Begründung tragen sie vor, der Bekl. habe, indem er den zu ihren Ungunsten abweichenden Bescheid ohne vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs erlassen habe, einen Verfahrensfehler begangen, der ursächlich für das Fristversäumnis sei. Als steuerlichen Laien sei den Kl. nicht bekannt gewesen, in welcher Form der Bekl. die Eigenheimzulage festsetzen und auszahlen würde. Die Kl. hätten mangels ausdrücklichen Widerspruchs seitens des Bekl. damit rechnen können, daß der Bekl. die beantragte Eigenheimzulage gewähren würde, möglicherweise auch durch Erlaß zweier Bescheide, da die Kl. Miteigentümer zweier Wohnungen sind. Da auch die Anlage dem Bescheid nicht beigefügt gewesen sei, gelte die Versäumnis der Einspruchsfrist gemäß § 126 Abs. 3 AO als unverschuldet. Deshalb sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Materiell-rechtlich stehe den Kl. der ungekürzte Fördergrundbetrag zu. Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 3 EigZulG sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anzuwenden, da der andere Miteigentümer, nämlich der Sohn der Kl., die von den Kl. selbst genutzte Wohnung nicht mitnutzte und deshalb kein Anspruchsberechtigter i. S. dieser Vorschrift sei. Dieses Ergebnis sei allein sachgerecht, denn es führe entsprechend der Intention des Gesetzgebers zur einmaligen Förderung der - anteiligen - Anschaffungskosten. Der Zweck des § 9 Abs. 2 Satz 3 EigZulG, Mehrfachförderung auszuschließen, sei hier nicht tangiert.

Entscheidungsgründe


Auszüge aus den Gründen:

Die Klage ist begründet.

Der Bekl. hat den Einspruch der Kl. zu Unrecht als unzulässig verworfen, da gemäß § 126 Abs. 3 AO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war.

Es muß davon ausgegangen werden, daß die Anlage dem Bescheid nicht beigefügt war. Das Gegenteil kann nicht bewiesen werden. Es ist auch nicht von vornherein auszuschließen, daß solche Pannen beim FA passieren, auch wenn dies selten ist. Der sonst bei Bescheiden im automatisierten Verfahren eingebaute Kontrollmechanismus durch entsprechende Prüfhinweise konnte hier nicht greifen, da der Bescheid manuell gefertigt wurde. Es liegt nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, daß das Beifügen der Anlage vergessen worden sein könnte.

Allein das Ausfüllen des Berechnungsteils stellt keine Begründung eines Verwaltungsaktes dar.

Zwar setzt § 126 Abs. 3 AO voraus, daß die fehlende Begründung ursächlich für das Versäumen der Einspruchsfrist war, wobei Mitursächlichkeit ausreicht (Klein/Orlopp, AO, § 126 Anm. 4 m. w. N.). Im Zweifel ist zugunsten des Bürgers zu entscheiden (Klein/Orlopp, a. a. O.). Bloße Behauptung des Kausalzusammenhangs ohne Hinzutreten weiterer Umstände reicht allerdings nicht.

Die Anwendung dieser Grundsätze führt dazu, daß im Streitfall Wiedereinsetzung zu gewähren ist: Der Vortrag der Kl., sie hätten das Verfahren nicht gekannt und sich bei der Abweichung zunächst nichts gedacht, weil sie mit einem zweiten Bescheid für die andere Wohnung gerechnet hätten, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Anforderungen an steuerliche Laien dürfen nicht überzogen werden, zumal es sich auch um eine völlig neue Rechtsmaterie handelt. Der Gedanke, daß der fehlende Betrag evtl. in einem zweiten, die andere Wohnung betreffenden Bescheid gewährt werden könnte, ist auch nicht abwegig, zumal es zumindest denkbar ist, für die Hälfte der anderen Wohnung eine Förderung wegen unentgeltlicher Überlassung an Angehörige nach § 4 Satz 2 EigZulG in Betracht zu ziehen.

Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang auch die gegenüber der früheren Rechtslage sehr viel gravierenderen Konsequenzen der Fristversäumnis: Nach der alten Rechtslage zu § 10 e EStG war nur für einen Veranlagungszeitraum die Korrekturmöglichkeit genommen, nach der neuen Rechtslage für die Eigenheimzulage hingegen für den gesamten 8-Jahres-Zeitraum.

Der Senat ist nicht gehalten, wegen der in der Einspruchsentscheidung liegenden eigenständigen Beschwer durch die Verwerfung des Einspruchs als unzulässig nur die Einspruchsentscheidung isoliert aufzuheben. Er kann, da die Kl. darüber hinaus auch durch den angefochtenen Bescheid beschwert sind und dessen Änderung beantragt haben, die materiell-rechtliche Rechtmäßigkeit des Eigenheimzulage-Bescheides überprüfen (BFH v. 23. 4. 1985, VIII R 282/81, BStBl II 1985, 711).

Der Senat folgt nicht der Rechtsauffassung des FA, im Streitfall sei aufgrund der Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 3 EigZulG der Fördergrundbetrag nur entsprechend dem Miteigentumsanteil der Kl. zu gewähren.

Bereits nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 3 EigZulG sind dessen Voraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt. Die quotale Kürzung ist nämlich nur dann vorzunehmen, wenn mehrere Anspruchsberechtigte Miteigentümer sind. Anspruchsberechtigte sind nach § 1 EigZulG unbeschränkt Steuerpflichtige nach Maßgabe der folgenden Vorschriften, also auch nach Maßgabe des § 4 EigZulG, der voraussetzt, daß die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Dies ist bei dem Sohn der Kl. nicht der Fall; er nutzt die Wohnung der Kl. nicht selbst. Die in § 4 Satz 2 EigZulG enthaltene Erweiterung der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken bei unentgeltlicher Überlassung an Angehörige kann hier nicht angenommen werden, da in der wechselseitigen Nutzung des jeweils anderen Miteigentumsanteils ein Tauschgeschäft zu sehen ist. Es wurde nämlich eine Gegenleistung in Form der Mitfinanzierung der jeweils anderen Wohnung geleistet.

Zur Auslegung des § 9 Abs. 2 Satz 3 EigZulG ist dessen Gesetzeszweck, die Mehrfachförderung bei Miteigentümern zu vermeiden, zu berücksichtigen. Die Vorschrift greift daher nicht in jedem Fall von Miteigentum, sondern nur wenn - wie auch der Wortlaut sagt - mehrere Miteigentümer zugleich auch Anspruchsberechtigte sind. Dem Sinn der Vorschrift des § 9 Abs. 2 Satz 3 EigZulG entspricht es, den Personenkreis dementsprechend auf die Miteigentümer zu beschränken, die auch tatsächlich die Voraussetzungen des § 4 EigZulG erfüllen. Dies ist hier nicht der Fall, da nur die Kl. die Wohnung selbst nutzen, nicht der andere Miteigentümer. Eine Mehrfach-Begünstigung ist hier ausgeschlossen. Sinn der Vorschrift ist es nicht, generell bei Miteigentum die Förderung zu mindern. Diese Auslegung wäre sachlich nicht gerechtfertigt und würde zudem auch auf verfassungsrechtliche Bedenken stoßen (s. dazu auch FG Rheinland-Pfalz v. 14. 10. 1997, 2 K 1318/97, Rev. eingel. Az. BFH: IX R 90/97).

Im übrigen hätte eine vom Gesetzeszweck nicht gedeckte quotale Kürzung der Förderung insofern einen Systembruch zur Folge, als der Fördergrundbetrag dann unter dem Fördergrundbetrag bei der Anschaffung von Genossenschaftsanteilen nach § 17 EigZulG läge, obwohl dort nur Anteilseigentum an einer Wohnungsgenossenschaft begründet wird.

Rechtsgebiete

Steuerrecht

Normen

EigZulG § 9 Abs. 2 Satz 3