Bericht über Lebensgefährtin des Bundesaußenministers

Gericht

LG Berlin


Art der Entscheidung

Urteil


Datum

26. 02. 2004


Aktenzeichen

27 O 842/03


Leitsatz des Gerichts

  1. Die Äußerung, wonach eine Person aus einem bestimmten Land „stamme“, wird nicht im Sinne einer „Abstammung“, sondern als Hinweis auf einem bestimmten Herkunftsort verstanden.

  2. Es stellt nach dem allgemeinen Verständnis des Durchschnittslesers keine unwahre oder irreführende Behauptung dar, eine Ausbildung bei der Deutschen Film- und Fernsehakademie als „Studium der Film-und Fernsehwissenschaften“ zu bezeichnen. Es liegt fern, anzunehmen, dass der Durchschnittsleser bei dieser Bezeichnung diesbezüglich von einer rein theoretischen Ausbildung ausgeht.

  3. Nach Art. 5 Abs.1 GG ist ein berechtigtes öffentliches Interesse an der individualisierenden Berichtserstattung über die Lebensgefährtin des deutschen Außenministers anzuerkennen.

  4. Das durch die Presse wahrgenommene öffentliche Informationsinteresse bezieht sich nicht lediglich auf die dienstlichen Entscheidungen eines Politikers, sondern auch auf seinen außerberuflichen gesellschaftlichen Wandel und die Frage, nach welchen Maximen der Politiker sein Privatleben ausrichtet, bzw. ob sein Privatleben mit seinem beruflichen Auftreten in Einklang zu bringen ist.

  5. Personen, welche – wie die ständige Lebensgefährtin – zu dem engsten privaten Vertrautenkreis eines Politikers zählen, können, insbesondere wenn die Beziehung öffentlich gestaltet wird, der Presse gegenüber kein Recht auf Anonymität in Anspruch nehmen.

  6. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Begleiterin bezieht sich auch auf deren sozialen Werdegang, so dass über ihren Familienstand berichtet werden darf. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich das öffentliche Berichterstattungsinteresse aufgrund des sozialen und familiären Werdegangs des Politikers gerade auf diese Umstände bezieht.

Tenor

  1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, letztere zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen, in Bezug auf die Klägerin zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen: "Sie ... stammt aus Persien, spricht fließend und akzentfrei deutsch.".

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

  3. Das Urteil ist in der Hauptsache gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,00 € und wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand


Tatbestand

Die Beklagte verlegt die Illustrierte ... . In ihrer Ausgabe Nr. 28 vom 3. Juli 2003 veröffentlichte sie einen mehrseitigen Artikel, in dem sie unter Bezugnahme auf Außenminister Fischer der Frage nachging: "Was ist mit seiner vierten Ehe los?" und berichtete, dass Joschka Fischer von seiner Ehefrau getrennt lebe und privat verschiedentlich in Begleitung der auch im Bild wiedergegebenen Klägerin gesichtet worden sei. Über sie hieß es in dem Artikel u. a.:

"Und wer ist nun die junge Dame, mit der unser Außenminister seit rund einem Dreivierteljahr offensichtlich gern Freizeit verbringt und die er gelegentlich in seine Lieblingsrestaurants ausführt? Sie heißt Minu B., stammt aus Persien, spricht fließend und akzentfrei Deutsch und ist 25 Jahre jung, einmal geschieden. Zurzeit studiert Minu B. Film- und Fernsehwissenschaften, will Produzentin werden. Freunde beschreiben sie als "ausgesprochen sympathisch, klug und freundlich"."

Mit Beschluss vom 8. Juli 2003 untersagte das Landgericht Berlin der Beklagten antragsgemäß im Wege einer einstweiligen Verfügung, über die bis dato nicht offiziell als neue Partnerin des Außenministers eingeführte Klägerin zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder veröffentlichen und/oder verbreiten zu lassen:

"Sie heißt Minu B., stammt aus Persien, spricht fließend und akzentfrei deutsch und ist 25 Jahre jung, einmal geschieden. Zur Zeit studiert Minu B. Film- und Fernsehwissenschaften, will Produzentin werden. Freunde beschreiben sie als ausgesprochen sympathisch, klug und freundlich."

Erst nach Erlass dieser einstweiligen Verfügung bekannte sich die Klägerin öffentlich dazu, die neue Lebensgefährtin des Außenministers zu sein und zog mit ihm zusammen.

In der Ausgabe der Zeitschrift "Bunte" Nr. 46/03 erwähnte die Beklagte erneut, dass die Klägerin 25 Jahre alt sei. Auch aus diesem Anlass erwirkte die Klägerin eine einstweilige Verfügung des Landgerichts Berlin, Aktenzeichen 27 O 783/03, mit der dies untersagt wurde. Da die Klägerin glaubhaft gemacht hatte, drei Jahre älter zu sein, erkannte die Beklagte die einstweilige Verfügung mit Schreiben vom 16. Dezember 2003 unter Verzicht auf die Rechte aus §§ 924, 926 und 927 ZPO gegenüber der Klägerin als endgültige Regelung an.

Ungeachtet dieser Abschlusserklärung hat die Klägerin die Beklagte mit ihrer am 2. Dezember 2003 eingereichten und am 13. Januar 2004 zugestellten Klage wegen der gesamten eingangs zitierten Beschreibung ihrer Person nunmehr im Hauptsacheverfahren auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Sie stützt ihr Unterlassungsbegehren darauf, dass die Darstellung falsch sei. So sei sie beispielsweise nicht in Persien, sondern in Deutschland geboren und habe nur einen Exilperser zum Vater. Sie sei von einer deutschen Mutter erzogen worden und spreche deshalb naturgemäß auch fehlerfrei deutsch. Indem die Beklagte diese Selbstverständlichkeit hervorgehoben habe, habe sie den unzutreffenden Eindruck erweckt, dass sie als Kind zunächst persisch gesprochen habe. Sie sei - was unstreitig ist - auch nicht 25, sondern 28 Jahre alt. Im Übrigen studiere sie nicht Film- und Fernsehwissenschaften. Die Details ihres Privatlebens gingen Außenstehende ohnehin nichts an. Dies gelte namentlich für den Umstand, dass sie bereits geschieden sei. Ein berechtigtes öffentliches Interesse an diesem Thema lasse sich auch nicht aus ihrer Beziehung zum Außenminister herleiten, weil die beanstandete Schilderung ihrer Person auf Herrn Fischer gar keinen Bezug nehme.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Parteien den Rechtsstreit wegen der Behauptung, die Klägerin sei 25 Jahre jung, in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt nun mehr,

die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, in Bezug auf ihre Person zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen:

Sie ... stammt aus Persien, spricht fließend und akzentfrei Deutsch und ist (...), einmal geschieden. Zur Zeit studiert Minu B. Film- und Fernsehwissenschaften, (...).

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, dass es hinsichtlich der falschen Altersangabe von vornherein an der für einen Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr gefehlt habe, nachdem sie eine aus anderem Anlass ergangene entsprechende Unterlassungsverfügung des Landgerichts Berlin als endgültige Regelung anerkannt habe.

Im Übrigen sei die angegriffene Berichterstattung zutreffend. So sei mit dem Hinweis, die Klägerin stamme aus Persien, allein ihre familiäre Herkunft, nämlich die verwandtschaftliche Beziehung zu einem persischen Vater zum Ausdruck gebracht und nicht die Frage nach ihrem Geburtsort beantwortet worden. Die Herkunft ihres Vaters werfe zu gleich die Frage auf, ob die Klägerin - anders als eine Vielzahl von Einwandererkindern, die ungeachtet der Tatsache, dass sie in Deutschland aufwüchsen, der deutschen Sprache nur unzureichend mächtig seien - fließend und akzentfrei deutsch spreche. Dieses Problem stelle sich entgegen dem Dafürhalten der Klägerin nämlich nicht nur dann, wenn die Kinder zunächst eine ausländische Sprache erlernten. Eine solche Konstellation werde durch ihre Berichterstattung mithin auch nicht nahegelegt. Dass die Klägerin bereits geschieden sei, stelle sie selbst nicht in Abrede. Dass sie "Film- und Fernsehwissenschaften" studiere, ergebe sich daraus, dass die Klägerin an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin eine Ausbildung absolviere.

Die Beschreibung der Klägerin berge auch unabhängig von der Frage der Wahrheit oder Unwahrheit nicht schon deshalb einen rechtswidrigen Eingriff in ihre Privatsphäre, weil die persönlichen Daten Außenstehende per se nichts angingen. Als neue Lebensgefährtin Joschka Fischers müsse die Klägerin es vielmehr dulden, dass das an das Amt des Außenministers anknüpfende berechtigte öffentliche Interesse sich auch auf den privaten Lebenswandel des Politikers erstrecke und damit notgedrungen auch auf die Person, die ihm persönlich besonders nahe stehe. Dies gelte jedenfalls solange, wie - wie im Fall der Klägerin - nur sogenannte Basisinformationen preisgegeben und keine intimen Details an die Öffentlichkeit gebracht würden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Entscheidungsgründe

Die Klage ist zum Teil begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten im Hinblick auf ihre vermeintliche Herkunft aus Persien und ihr deutsches Sprachvermögen gemäß §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, analog 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG zu, weil diese Darstellung falsch ist. Hinsichtlich der übrigen noch im Streit stehenden Angaben zu ihrer Person steht der Klägerin kein Unterlassungsanspruch zu, weil diesbezüglich ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse anzuerkennen ist, hinter dem der Schutz ihrer Privatsphäre zurückstehen muss.

1 a) Die Behauptung, die Klägerin stamme aus Persien, ist falsch und deshalb nicht vom Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit durch Artikel 5 Abs. 1 GG umfasst.

Ob eine Äußerung in unzulässiger Weise Rechte Dritter beeinträchtigt oder in den Schutzbereich von Artikel 5 Abs. 1 GG fällt, hängt wesentlich davon ab, ob die Äußerung zunächst in ihrem Sinn zutreffend erfasst worden ist. Dabei ist nicht nur vom Wortlaut auszugehen oder von der Bedeutung, die das Lexikon der Aussage zumisst, sondern es ist die Gesamtheit der äußeren und inneren Umstände mit zu berücksichtigen, in deren Kontext die Äußerung gefallen ist (BVerfG NJW 1995, 3003, 3005; NJW 1994, 2943; Löffler, Presserecht, 4. Aufl., Rdnr. 90 zu § 6 LPG). Dabei darf nicht isoliert auf die durch den Klageantrag herausgehobene Textpassage abgehoben werden (BVerfG NJW 1995, 3003, 3005; BGH NJW 1998, 3047, 3048). Vielmehr ist bei der Ermittlung des Aussagegehalts auf den Gesamtbericht abzustellen (BGH a.a.O., NJW 1992, 1312, 1313) und zu prüfen, welcher Sinn sich dem dafür maßgebenden Durchschnittsleser aufdrängt (BGH a.a.O.; Wenzel-Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., Rdnr. 4.4 und 4.5). Entscheidend ist weder die subjektive Absicht des Äußernden noch das subjektive Verständnis des von der Äußerung Betroffenen, sondern das Verständnis, das ihr - unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs - ein unvoreingenommenes Durchschnittspublikum zumisst (BGH NJW 1998, 3047, 3048). Bei mehreren Möglichkeiten der Auslegung darf das Gericht sich nicht für die zur Verurteilung führende Auslegung entscheiden, ohne die anderen, zulässigen überzeugend ausgeschlossen zu haben (BVerfG NJW 1994, 2943; BGH NJW 1992, 1312, 1313; Wenzel, a.a.O., Rdnr. 4.2). Bei mehreren Deutungen des Inhalts einer Äußerung ist der rechtlichen Beurteilung diejenige zugrunde zu legen, die dem in Anspruch Genommenen günstiger ist und den Betroffenen weniger beeinträchtigt (BGH NJW 1998, 3047, 3048). Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist hinsichtlich der angegriffenen Äußerungsbestandteile Folgendes festzustellen:

Die Formulierung der Beklagten kann nur als Hinweis auf den vermeintlichen Herkunftsort der in Wahrheit in Deutschland geborenen Klägerin verstanden werden. Die von der Beklagten favorisierte Auslegung, die Klägerin stamme von einem persischen Vater ab, ist vom Wortlaut der streitgegenständlichen Formulierung nicht umfasst, weil die deutsche Sprache zwischen den Worten "abstammen" und "aus einem Land stammen" differenziert. Wer als aus einem bestimmten Land kommend bezeichnet wird, kommt nach allgemeinem deutschen Sprachgebrauch aus diesem Land, während eine z. B. als persisch-stämmig bezeichnete Person jemanden beschreibt, der von persischen Eltern oder einem persischen Elternteil abstammt. Der unbefangene Durchschnittsleser kann daher nicht auf den Gedanken kommen, die Klägerin komme nicht aus Persien.

b) Irreführend ist auch der Hinweis, die Klägerin spreche fließend und akzentfrei deutsch. Dies zu betonen macht nur Sinn, wenn die Umstände, unter denen ein Mensch aufwächst, dazu angetan sind, dies in Zweifel zu ziehen, nicht aber dann, wenn es sich bei der deutschen Sprache - wie im Fall der Klägerin - im wahrsten Sinne des Wortes um seine Muttersprache handelt. Indem die Beklagte die Sprachkompetenz der Klägerin hervorhebt, erweckt sie den unzutreffenden Eindruck, die Klägerin sei nicht deutschsprachig aufgewachsen, wiewohl sie in Wahrheit von einer deutschen Mutter erzogen wurde.

2. Die darüber hinaus angegriffene und noch im Streit befindliche Personenbeschreibung ist inhaltlich zutreffend und die Offenbarung der darin angesprochenen persönlichen Umstände durch ein überwiegendes öffentliches Informationsinteresse gerechtfertigt.

a) So ist es insbesondere nicht zu beanstanden, die Ausbildung der Klägerin an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin als Studium der Film- und Fernsehwissenschaften zu bezeichnen. Die an der Akademie angebotene Ausbildung führt offiziell keinen besonderen Namen. Sie wird - wie sich der von der Beklagten zu den Akten gereichten Studieninformation entnehmen lässt - von der Akademie selbst lediglich als professionelle Ausbildung für künstlerische und organisatorische Berufe in Film und Fernsehen vorgestellt, die ihren Schwerpunkt in den Bereichen Regie, Kamera und Produktion finde. Eine akademische Ausbildung, die auf eine berufliche Tätigkeit im Film- und Fernsehbereich vorbereitet, zusammenfassend als Studium der Film- und Fernsehwissenschaften zu umschreiben, erweckt keine irreführend en Assoziationen. Dies gilt auch für den Fall, dass an staatlichen Hochschulen ein Studiengang Film- und Fernsehwissenschaften angeboten werden sollte, der nichts mit der Produktion von Filmen zu tun hat und sich ausschließlich mit der kulturellen Bedeutung von Film und Fernsehen befasst. Dieser Studiengang zählt nämlich nicht zu den klassischen Ausbildungszweigen einer Universität, er ist wenig verbreitet und deshalb der Mehrheit der Leser einer Illustrierten auch nicht geläufig. Beim typischen Adressaten der hier streitgegenständlichen Berichterstattung kann die Umschreibung des Studienganges deshalb nicht die irreführende Vorstellung erwecken, die Klägerin setze sich im Rahmen ihres Studiums nur theoretisch mit Film und Fernsehen auseinander, zumal einerseits auch Studenten rein wissenschaftlich ausgerichteter Studiengänge oftmals Praktika absolvieren, andererseits aber auch die Akademieausbildung der Klägerin den Studieninformationen zufolge auch theoretische Seminare und Vorlesungsreihen zur Geschichte und Ästhetik des Films und des Fernsehens umfasst. Hinzu kommt, dass die Beklagte in ihrem Artikel erwähnt hat, dass die Klägerin Produzentin werden wolle, so dass die Vorstellung, sie werde ein rein theoretisches Studium absolvieren, fern lag.

b) Die Darstellung ihrer Person in der Presse verletzt auch nicht unabhängig von der Frage der Wahrheit oder Unwahrheit die durch Artikel 1 Abs. 1 und 2 Abs. 2 GG geschützte Privatsphäre der Klägerin. Vielmehr ist ein durch Artikel 5 Abs. 1 GG geschütztes berechtigtes öffentliches Interesse daran anzuerkennen, zumindest in groben Zügen zu erfahren, um wen es sich bei der neuen Lebensgefährtin des Außenministers handelt. Als enge Vertraute des Außenministers muss es die Klägerin hinnehmen, dass sich das an die Person des Außenministers anknüpfende öffentliche Interesse auch auf sie erstreckt. Die Öffentlichkeit hat ein berechtigtes Interesse daran, nicht nur über die beruflichen Entscheidungen eines Politikers informiert zu werden, sondern auch über seinen außerberuflichen gesellschaftlichen Wandel. Die Frage, wen er zu seinen engsten Vertrauten zählt und nach welchen Maximen er sein Privatleben ausrichtet, wird nämlich vielfach als zuverlässigeres Indiz für die wahren Absichten eines Politikers gewertet als dessen öffentliche Reden. Nachdem sich die Beziehung der Klägerin zu Außenminister Fischer so sehr gefestigt hat, dass beide heute zusammen leben, kann die Klägerin anders als im vorangehenden Verfügungsverfahren nicht mehr ein Recht auf ihre Anonymität für sich in Anspruch nehmen.

Das danach anzuerkennende öffentliche Interesse an ihrer Person erstreckt sich insbesondere auch auf die Tatsache, dass die Klägerin bereits einmal geschieden ist. Diese Feststellung offenbart keine intimen Details, hinsichtlich derer dem Schutz der Privatsphäre der Klägerin überwiegendes Gewicht zugemessen werden müsste. Der Hinweis beantwortet lediglich die Frage nach dem Familienstand und damit einen Umstand, der landläufig herangezogen wird, um eine Person vorzustellen und zu identifizieren. Die Eheschließung als solche ist ein Akt, der der Sozialsphäre zuzuordnen ist, soweit es allein darum geht, zu dokumentieren, dass der Betreffende geheiratet hat. Im Fall der Klägerin kommt ihm auch deshalb Bedeutung zu, weil sich das öffentliche Interesse an ihrer Person allein aus ihrer Beziehung zu Joschka Fischer ableitet und dieser auch durch eine Vielzahl der bereits hinter ihm liegenden Ehen aufgefallen ist.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 91 a, 91 Abs. 1 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit im Hinblick auf die Behauptung, die Klägerin sei 25 Jahre jung, übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren die Kosten gemäß § 91 a ZPO dem Rechtsgedanken des § 92 Abs. 1 ZPO entsprechend gegeneinander aufzuheben, weil die ursprünglich zulässige und begründet Klage unzulässig geworden war, nachdem die Beklagte eingeräumt hatte, dass die Klägerin in Wahrheit älter sei und eine aus anderem Anlass gegen sie ergangene einstweilige Verfügung, mit der ihr diese Behauptung untersagt worden war, als endgültige Regelung anerkannt hatte (vgl. BGH GRUR 1971, 76, 77 - Abschlusserklärung). Die Beklagte hat deshalb die durch die Klageeinreichung bedingten Kosten verursacht, wohingegen die Klägerin, die ihre diesbezügliche Klage unverzüglich auf die Abschlusserklärung der Beklagten hin hätte zurücknehmen können, die Kosten einer Erörterung in der mündlichen Verhandlung verursacht hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.


Mauck
Becker
Gollan

Rechtsgebiete

Presserecht