Übernahme des Stellenmarktes einer Zeitung und einer Website durch einen Dritten in dessen Internetauftritt
Gericht
Handelsgericht Wien
Art der Entscheidung
Urteil
Datum
29. 01. 2004
Aktenzeichen
10 Cg 9/00d-67
Wer Anzeigen in praktisch unveränderter Form aus einer Zeitung und aus der Website des Verlages ins Internet stellt, handelt wettbewerbswidrig.
Eine Urteilsveröffentlichung dient immer der Aufklärung der Öffentlichkeit über ein wettbewerbswidriges Verhalten (hier: Ausnutzen fremder Leistung).
Hat die obsiegende Partei ein berechtigtes Interesse an einer solchen Aufklärung des Publikums, wird sie ermächtigt, den Kopf und den Spruch des Urteils mit Ausnahme der Kostenentscheidung mit fetter Umrandung sowie Fett und gesperrt gedruckten Bezeichnungen der Parteien im redaktionellen Teil der Zeitung zu veröffentlichen.
Die Kosten dafür hat die unterlegene Partei entsprechend den jeweils gültigen Anzeigentarifen der Zeitung zu tragen.
Die beklagte Partei ist schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, Stellenanzeigen, die zuvor in der von der Erstklägerin verlegten ... Zeitung und/oder auf der Web-Site mit der Ressourcen-Adresse http://www. ... .de veröffentlicht wurden, auf Web-Sites mit den Ressourcen-Adressen http://www. ... .com, http.// ... .com, http:// ... .at und/oder jeder anderen Web-Site im Internet zu verbreiten, wenn nicht zuvor die Kunden dieser Anzeigen und/oder die Kläger dazu den Auftrag gegeben haben;
Die klagenden Parteien werden ermächtigt, den Kopf und den Spruch des Urteils mit Ausnahme der Entscheidung über die Kosten mit fetter Umrandung sowie fett und gesperrt gedruckten Bezeichnungen der Parteien im redaktionellen Teil einer Samstagsausgabe der von der Erstklägerin verlegten Zeitung auf Kosten der beklagten Partei entsprechend den jeweils gültigen Anzeigentarifen der von der Erstklägerin verlegten ... Zeitung zu veröffentlichen.
Die beklagte Partei ist ferner schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 19.570,68 (darin enthalten EUR 1.300,06 Barauslagen und EUR 3.045,10 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Entscheidungsgründe:
Die Erstklägerin verlegt die ... Zeitung. Die Zweitklägerin betreibt im Internet die ... Online. Die Internetdienstleistungen der Zweitklägerin sind auf einer Web-Site mit der Ressourcen-Adresse http://www. ... .de bzw. dem Domain-Namen ... .de abrufbar. Auf ihrer Web-Site bietet die Zweitklägerin auch Marktübersichten und Recherchen aller Stellenangebote des Stellenmarktes der ... . Darüber hinaus ist auf dieser Web-Site jeden Freitag ab 16.00 Uhr die Übersicht über alle Angebote des ...-Stellenmarktes der kommenden Samstagausgabe der ... abrufbar (ON 1, 2; unbestritten).
Die zunächst Erstbeklagte ... wurde als übertragende Gesellschaft mit der zunächst Zweitbeklagten ... als aufnehmender Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge verschmolzen und daher im Firmenbuch gelöscht. Der Drittbeklagte ist nicht mehr Geschäftsführer der Zweitbeklagten (ON 16, 2; ON 17, 22).
Die Klägerinnen beantragen wie aus dem obigen Spruch ersichtlich, nunmehr lediglich gegen den ursprünglich Drittbeklagten als noch allein verbleibenden Beklagten (nachdem am 3.10.2003, ON 62, zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten ... ein gerichtlicher Vergleich geschlossen wurde und in Ansehung der Erstbeklagten Ruhen des Verfahrens eingetreten ist, ON 46) und bringen dazu im wesentlichen vor, die Erstbeklagte und die Zweitbeklagte seien Betreiberinnen eines Stellenmarktes im Internet, der auf Web-Sites mit den Ressourcen-Adressen http://www. ... .com, http://www. ... .com und http://www. ... .at abrufbar sei. Die Domain-Namen dieser Ressourcen-Adressen seien teils für die Erst- und Zweitbeklagte, teils für eine Schein- oder Briefkastenfirma (...) registriert bzw. delegiert. Der Drittbeklagte sei handelsrechtlicher Geschäftsführer der Erst- und der Zweitbeklagten, der Viertbeklagte sei leitender Angestellter des Unternehmens, das die Web-Sites mit den Ressourcen-Adressen http://www. ... .com, http://www. ... .com und http://www. ... .at betreibe, und für die Inhalte dieser Web-Sites wesentlich mitverantwortlich. Die Klägerinnen einerseits und die Erst- und Zweitbeklagte andererseits stünden im Wettbewerbsverhältnis bezüglich des Marktes für Stellenanzeigen in Deutschland und Österreich. Hinsichtlich der gegenständlichen wettbewerbswidrigen Handlungen der Erst- und Zweitbeklagten seien der Dritt- und der Viertbeklagte Mittäter.
Am 19.06., 03.07., 16.10. und 23.10.1999 seien im Stellenmarkt der FAZ Inserate erschienen, wobei die Inseraten-Texte wortwörtlich abgeschrieben und in die Web-Sites auf den Ressourcen-Adressen http://www. ... .com, http://www. ... .com und http://www. ... .at platziert worden seien. Weder der jeweilige Inserent, noch die Klägerinnen hätten dieser Übernahme zugestimmt, sodass die Beklagten ohne eigenen ins Gewicht fallenden Schaffensvorgang ihr ungeschütztes Arbeitsergebnis ganz oder in erheblichen Teilen glatt übernähmen und ihnen als Geschädigten mit ihrer eigenen mühevollen und kostspieligen Leistung Konkurrenz machten.
Der Beklagte bestreitet (im Rahmen der Klagebeantwortung aller Beklagten), beantragt kostenpflichtige Klagsabweisung und führt im wesentlichen vor, Erst- und Zweitbeklagte betrieben nicht den Stellenmarkt unter "www. ... .com". Sie seien seit 01.01.1999 nicht mehr im Bereich der Stellenvermittlung über Internet tätig. Die Erstbeklagte habe diesen Unternehmenszweig zur Gänze an die ... Ltd. in London abgegeben. Der Drittbeklagte sei nicht legitimiert, weil Erst- und Zweitbeklagte an den inkriminierten Wettbewerbsverstößen nicht beteiligt gewesen seien. Der Viertbeklagte sei zwar für die ... als Teleworker tätig, sein Tätigkeitsbereich erstrecke sich aber lediglich auf die Kundenbetreuung im deutschsprachigen Raum. Er sei nicht mit der Auswahl und/oder Eingabe von Stellenangeboten befasst.
Von einer schmarotzerischen Ausbeutung fremder Leistung könne keine Rede sein, weil der Betreiber von "... .com" für die von ihm gestaltete Online-Stellenmarkt-Übersicht keinerlei Entgelt erhalte. Den Klägerinnen werde damit keine Konkurrenz gemacht. Kunden der Klägerinnen würden vielmehr weiterhin Anzeigen schalten lassen, wenn sie wüssten, dass durch die Übernahme in die Stellenmarkt-Übersicht des Betreibers von "... .com" eine noch viel größere Breitenwirkung erzielt werde. Außerdem sei die Nachahmung eines - sei es auch mit Mühen und Kosten erzielten fremden Arbeitsergebnisses grundsätzlich frei, Eine Wettbewerbswidrigkeit setze das Vorliegen besonderer Umstände voraus, die hier nicht gegeben seien. Dass der Betreiber von "... .com" sämtliche oder doch erhebliche Teile der Stellenangebote der Klägerinnen übernehme, hätten diese gar nicht behauptet. Wäre dem aber auch so, erfolgte dies nicht ohne eigene Leistung, die in der Sichtung und Zusammenstellung aus den verschiedensten Quellen bestehe. Außerdem könnte eine Wettbewerbswidrigkeit nach der Rechtsprechung nur dann vorliegen, wenn der Konkurrent damit in unbilliger Weise um die Früchte seiner Arbeit gebracht habe werden sollen. Auch davon könne keine Rede sein, weil kein derzeitiger oder potenzieller Kunde der Klägerinnen sich in seiner Entscheidung, in einem der Medien der Klägerinnen seine Stellenangebote zu schalten oder nicht, dadurch beeinflussen lassen werde, ob diese in Online-Übersichten übernommen würden. Außerdem könnte dieser Umstand seine Entscheidung - wenn überhaupt - nur positiv beeinflussen. Im übrigen sei unrichtig, dass die Firmen VIAG Interkom, Stern Stuart und SAP mit dem Betreiber von "... .com" in keiner Geschäftsverbindung stünden.
Das Begehren auf Urteilsveröffentlichung bestehe nicht zu Recht, da kein Unterlassungsanspruch gegeben sei und überdies seien nicht die Leser der ... zu verständigen.
In Ansehung des beiderseitigen weiteren Parteienvorbringens wird auf den Akteninhalt, der den Streitteilen bekannt ist, zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen verwiesen.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in die Urkunden Beilagen ./A bis ./Z und ./AA bis ./ZZ sowie ./aa bis ./xx, ferner ./1 bis ./10 (siehe dazu die Auflistung im Provisorialverfahren, hg. Beschluss ON 31).
Die Parteienvernehmung des Beklagten ... konnte nicht durchgeführt werden, da der Beklagte den gerichtlichen Ladungen keine Folge leistete. Diese Beweisaufnahme war daher gemäß § 279 ZPO zu präkludieren.
Auf Grund der oben angeführten Beweise und des beiderseitigen Parteienvorbringens wird folgender wesentlicher Sachverhalt festgestellt und als erwiesen angenommen:
Die Erstklägerin ist Verlegerin der deutschen überregionalen Zeitung "...". Die Zweitbeklagte betreibt im Internet unter der Domain "www. ... .de" die ...Online; unter den von ihr angebotenen Internet-Dienstleistungen befinden sich auch Marktübersichten und Kurzbeschreibungen aller Stellenagebote des Stellenmarktes der ..., sowie jeden Freitag ab 16.00 Uhr eine Übersicht aller Angebote des ...-Stellenmarktes der kommenden Samstagsausgabe der ... .
Die zunächst erstbeklagte Ges.m.b.H. als übertragende Gesellschaft wurde im Zuge des Verfahrens mit der zweitbeklagten ... Ges.m.b.H. als übernehmende Gesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge verschmolzen und im Firmenbuch gelöscht. Die Zweitbeklagte ist derzeit Eigentümerin der Domainregistrierungen ... .at, ... .de, ... .com und ... .at.
Der Drittbeklagte war bis zum 24.3.2000 Geschäftsführer der Zweitbeklagten. Seit Sommer 2000 ist er Gesellschafter sowie Geschäftsführer der ..., welche Eigentümerin der Domainregistrierung ... .com ist. Er ist aber auch Kontaktperson für die Domainregistrierungen ... .at, ... .de, ... .com und ... .at (Beilagen ./mm - ./pp).
Der Viertbeklagte ist Angestellter der ..., wo er als Accountmanager, für Akquisition und Verkauf des Produktes "... .com" tätig ist. Sein Aufgabenbereich umfasst daher das Ansprechen von neuen Kunden samt anschließendem "Verkauf" der Möglichkeit, auf der Internetseite "... .com" Stellenangebote platzieren zu können. Er ist jedoch nicht mit dem Layout oder der Textierung der einzelnen Stellenangebote beschäftigt. Er leitet nach Vertragsabschluss die jeweiligen Inserenten an das zuständige Büro von ... weiter, mit welchem dann die Details der Stellenangebote fixiert werden.
Die Zweitbeklagte hat im Internet einen Stellenmarkt betrieben. Da dieser international vermarktet werden sollte, stellte sich sehr rasch heraus, dass dieser Geschäftszweig rasch anwächst und über die eigentlichen Interessen und Betätigungen der Zweitbeklagten (Arbeitskräfteüberlassung) weit hinaus geht. Daher wurde dieser Unternehmenszweig im Jahr 1998 an die Firma ... samt Domain ... .com und dazugehörendem Computerprogramm verkauft. In der Folge war die Zweitbeklagte dann nur Kunde von ... .
Die Firma ... hat ihren Sitz in ..., USA. Auf ihrer Internetseite ... .com veröffentlicht sie Stellenanzeigen für den deutschsprachigen Raum. Kunden werden zuerst durch ein Gratisangebot beworben. Wenn sich die Stellenangebote eines Kunden als interessant für die User der Website von ... .com erweisen, wird dem jeweiligen Kunden ein Angebot zu einem bestimmten Preis gemacht, für welchen er dann weiterhin unbeschränkt Inserate schalten kann. Lehnt er dieses Angebot ab, werden keine weiteren Stellenangebote dieses Kunden auf der Website angezeigt. Unter der Vielzahl von Unternehmen, deren Stellenangebote auf dieser Homepage eingeschaltet werden, befanden sich im Februar 2000 auch
Stellenanzeigen der ..., der ... GmbH, der ... und der ... AG. Diese Anzeigen wurden in praktisch unveränderter Form aus der Zeitung der Erstklägerin und der Website der Zweitklägerin übernommen und ins Internet gestellt. Die einzige eigenständige Leistung des Betreibers der Website ... .com besteht in der Sichtung und Zusammenstellung des Materials aus verschiedenen Quellen. Die betreffenden Firmen ..., ... GmbH, ... und ... AG haben ihre Zustimmung zu dieser Übernahme nicht erteilt. Die Firma ... verlangte sogar ausdrücklich, dass ihre Stellenangebote aus der Website ... .com entfernt werden. Zwar hat die Firma ... eigenständigen geschäftlichen Kontakt mit ... .com und schaltet dort immer wieder Stellenangebote, jedoch erteilte auch sie keine Zustimmung zur Übernahme der Stellenangebote von den Medien der Erst- und Zweitklägerin.
Die Inhalte des Stellenmarktes unter der Domain ... .com sind auch in unveränderter Form über die Domains ... .com und ... .at im Internet abrufbar. Dies beinhaltet auch die Stellenanzeigen der Firmen ... GmbH, ... und ... AG, welche von ... .com in praktisch unveränderter Form aus der Zeitung der Erstklägerin und der Website der Zweitklägerin übernommen und ins Internet gestellt wurden. Weiters befand sich auf den Websites ... .com und ... .at ein Link zu ... .com unter der Überschrift "Link auf externe Stellenmärkte". Dieser wurde Anfang des Jahres 2001 entfernt.
Mit Beschluss des LG Korneuburg vom 29.10.2002 zu 36 S 82/02d wurde über das Vermögen der ... GmbH das Konkursverfahren eröffnet (siehe Dikt in ON 48) und zwischen den Klägerinnen und dem Beklagten Andere Brandstetter in der Verhandlungstagsatzung vom 3.10.2003 ein verfahrensbeendender Unterlassungsvergleich abgeschlossen wurde.
Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen konnten vom Gericht in gleicher Weise getroffen werden, wie seinerzeit im Provisorialverfahren, da der Beklagte sich am Hauptverfahren nicht beteiligte. Infolgedessen sind auch keine neuen bzw. anderen Umstände hervorgekommen; der Beklagte ... hat keinerlei weiteres Vorbringen erstattet, geschweige denn Beweise erbracht. Da der Beklagte im Provisorialverfahren als Auskunftsperson einvernommen wurde (siehe ON 30) und seine Bekundungen vom Gericht in der einstweiligen Verfügung vom 26.6.2001 (ON 31) gewürdigt wurden - wie auch die sonstigen Ergebnisse des Bescheinigungsverfahrens - kann darauf verwiesen werden. Die Überlegungen des Gerichts im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung gelten auch für die vorliegende Entscheidung.
Rechtliche Beurteilung:
In Ansehung des vorliegenden Unterlassungsbegehrens kann auch die ausführliche Begründung des OLG Wien im Rahmen seiner Entscheidung vom 5.3.2002 (Ausfertigung, Seite 15ff) verwiesen werden; ebenso auch auf die Ausführungen des OGH im Beschluss vom 2.7.2002. Um Wiederholungen zu vermeiden muss es hier genügen auf diese rechtlichen Argumente hinzuweisen, zumal der zu beurteilende Sachverhalt vollkommen identisch ist.
Was die Berechtigung der Klägerinnen, das Urteil auf Kosten des Beklagten veröffentlichen zu lassen betrifft, ist zu sagen, dass eine Urteilsveröffentlichung immer der Aufklärung der Öffentlichkeit über ein wettbewerbswidriges Verhalten dient. Diese Voraussetzung ist hier gegeben und die Klägerinnen haben ein schutzwürdiges Interesse an einer solchen Aufklärung des Publikums. Da der von den Klägerinnen begehrte Umfang der Urteilsveröffentlichung und die Art dieser Veröffentlichung im gegenständlichen Fall in einem angemessenen Verhältnis zu dem festgestellten Verstoß stehen, war auch diesbezüglich dem Klagebegehren nachzukommen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO.
Handelsgericht Wien
1030 Wien, Marxergasse 1a
Abt. 10, am 29.1.2004
Dr. Friedrich Kulka
Richter
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